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Sitzungsberichte

der

königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.

Philosophisch-philologische Classe.

Sitzung vom 13. Januar 1894.

Herr v. Christ hielt einen Vortrag:

Das Theater des Polyklet in Epidauros in seiner litterar- und kunsthistorischen Bedeutung."

Der Perieget Pausanias ist in seinen Angaben über Theater ungewöhnlich karg, sei es dass er überhaupt den Stätten der dionysischen Kunst weniger Interesse entgegenbrachte als den Tempeln der Götter, sei es dass mehrere der noch erhaltenen, in unserer Zeit wieder ausgegrabenen Theater, wie die von Oropos, Thorikos, Eleusis, in den Quellen, von denen unser Perieget abhing, nicht verzeichnet waren.1) Um so mehr Beachtung verdient das ausnehmende Lob, das er dem Theater des Polyklet in Epidauros spendet: Zwar über

1) Denn dass dieselben erst in der Zeit nach Pausanias entstanden seien, muss schon nach ihrer Anlage als ausgeschlossen gelten.

1894. Philos.-philol. u. hist. Cl. 1.

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träfen die römischen Theater an Glanz und Schmuck alle anderen, zwar sei auch das Theater der Arkadier in Megalopolis grösser, aber an Ebenmass und Schönheit komme nichts dem Theater des Polyklet in Epidauros gleich.) Von diesem berühmten Theater sahen die Reisenden und Kunstfreunde aus der Zeit vor Hellas' Wiedergeburt, wie Chandler und Leake, nur die dürftigen Reste, die über den Boden emporragten, und es gehört daher zu den grossen Verdiensten der archäologischen Gesellschaft zu Athen, dass sie vor 13 Jahren durch Kabbadias die Ruinen des Theaters wieder ausgraben liess. Durch seine Bemühungen und die Nachprüfungen von Dörpfeld ist uns jetzt ein vollkommener Einblick in Anlage und Plan des gefeierten Baus erschlossen, der uns zugleich eine Vergleichung mit dem älteren Dionysos-Theater in Athen und eine Vorstellung von dem Einfluss der Schöpfung des Polyklet auf die jüngeren Theaterbauten ermöglicht. Da ich selbst nicht das Glück hatte, mit eigenen Augen von den Ausgrabungen in Epidauros Kenntnis zu nehmen, so stütze ich mich auf die Mitteilungen von Kabbadias in den Πρακτικὰ τῆς ἀρχ. ἑταιρ. 1882 und 1884) und von Kaverau in Baumeister's Denkmäler des klass. Altertums III Taf. 1814 und 1815. Aus diesen Werken wiederhole ich auch hier auf Taf. 1 zur Bequemlichkeit der Leser den Plan des Theaters.

Ehe ich auf die Eigentümlichkeiten der Anlage des neuentdeckten Theaters und die Vergleichung mit anderen The

1) Paus. II, 27, 5 Επιδαυρίοις δέ ἐστι θέατρον ἐν τῷ ἱερῷ, μάλιστα ἐμοὶ δοκεῖν θέας ἄξιον· τὰ μὲν γὰρ Ῥωμαίων πολὺ δή τι ὑπερῆρκε τῶν πανταχοῦ τῷ κόσμῳ, μεγέθει δὲ Ἀρκάδων τὸ ἐν Μεγάλῃ πόλει ἁρμονίας δὲ ἢ κάλλους ἕνεκα ἀρχιτέκτων ποῖος ἐς ἅμιλλαν Πολυκλείτῳ γένοιτ' ἂν ἀξιόχρεως; Πολύκλειτος γὰρ καὶ θέατρον τοῦτο καὶ οἴκημα τὸ περιφερὲς ὁ ποιήσας ἦν.

2) Die Berichte und Pläne auch bei Cavvadias, Fouilles d'Epidaure, Athen 1891.

atern eingehe, sei es mir gestattet, ein paar Punkte herauszuheben, welche durch die neue Entdeckung Licht erhalten haben.

I.

Durch ein Scholion zu dem Rhetor Aristides III 535 Dind. erfahren wir von zwei Standbildern in den Parodoi des Theaters zu Athen: δύο εἰσὶν ἀνδριάντες ἐν τῷ ̓Αθήνησι θεάτρῳ, ὁ μὲν ἐκ δεξιῶν Θεμιστοκλέους, ὁ δ ̓ ἐξ εὐωνύμων Μιλτιάδου, πλησίον δὲ αὐτῶν ἑκατέρου Πέρσης αἰχμάλωτος. Ferner lesen wir zur Stelle des Aristides or. XLVI p. 161, 13 Μιλτιάδην δὲ τὸν ἐν Μαραθῶνι ποῦ χοροῦ τάξομεν ἢ τάξιν τίνα; ἢ δῆλον ὅτι τὴν πρὸ τοῦ θεάτρου καὶ οὗ πᾶσιν ἐν καλῷ τῆς θέας ἔσται; πλήν γ' ὅσον οὐκ ἀριστεροστάτης ἁνὴρ μᾶλλον ἢ τοῦ δεξιοῦ τοῖς Ἕλλησι κέρως, in den Scholien a. a. O. folgende Erklärung: ἄμεινον οὖν ἡμᾶς ἐξεργάσασθαι (fort. ἐξηγήσασθαι), ὅτι ὁ χορός, ὅτε εἰσῄει ἐν τῇ ὀρχήστρα, ᾗ (ἣ v. 1.) ἐστὶ θυμέλη, ἐξ ἀριστερῶν αὐτῆς εἰσήρχετο, ἵνα εὑρεθῇ ἐκ δεξιῶν τοῦ ἄρχοντος. τοὺς οὖν καλοὺς τῶν χορευ τῶν ἔταττον εἰσιόντες ἐν τοῖς ἑαυτῶν ἀριστεροῖς, ἵνα εὑρεθῶσι πρὸς τὸν δῆμον ὁρῶντες. φησὶν οὖν οὕτως· τάξομεν τὸν Μιλτιάδην πρὸς τῷ θεάτρῳ, ὅ ἐστιν ἀριστερόν· εἶτα ἐπειδὴ τὸ ἀριστερὸν ἐν πολέμῳ. οὐκ ἐστι χρηστόν, ἀλλὰ τὸ δεξιὸν κάλ λιον καὶ ἔντιμον νενόμισται καὶ ἀνδρείας ἐστὶ τεκμήριον, φησὶν ὅτι ἐν τῷ πολέμῳ οὐκ ἀριστεροστάτης ἦν ὁ Μιλτιάδης, ἀλλὰ τοῦ δεξιοῦ κέρως ἡγεῖτο τοῖς Ἕλλησιν. Der Rhetor Aristides sagte demnach in seiner gesuchten Manier: wir werden den Miltiades in die linke, den Augen der Zuschauer zugekehrte Reihe des Chors stellen, wiewohl er im Krieg nicht den linken, sondern den rechten Flügel befehligte. Der eine der Scholiasten - denn wir haben in den Scholien offenbar zwei von einander abweichende Erklärungen - erhöhte noch die Geschraubtheit der Stelle, indem er die Standbilder des Miltiades und Themistokles in die Erkärung herein

zog, an die der Rhetor selbst schwerlich gedacht hat. Aber wenn auch der Scholiast, der es besser zu wissen glaubte, nur unnütze Weisheit auskramt, so danken wir ihm doch die wichtige Notiz, dass in der Parodos des Theaters sich rechts und links (natürlich vom Zuschauer aus) die Standbilder des Themistokles und Miltiades befanden. Die Statue wenigstens des einen der beiden athenischen Heerführer stand aber im Theater zu Athen schon zur Zeit des Andokides im 5. Jahrh. (415) v. Chr. Das ersehen wir aus der Rede des Andokides über die Mysterien c. 38, wo der Redner den Anzeiger Diokleides Folgendes aussagen lässt: avaoτàs dè πρῳ ψευσθεὶς τῆς ὥρας βαδίζειν· εἶναι δὲ πανσέληνον· ἐπεὶ δὲ παρὰ τὸ προπύλαιον τὸ Διωνύσου ἦν, ὁρᾷν ἀνθρώπους πολλοὺς ἀπὸ τοῦ ᾠδείου καταβαίνοντας εἰς τὴν ὀρχήστραν· δείσας δὲ αὐτοὺς εἰσελθὼν ὑπὸ τὴν σκιὰν καθέζεσθαι μεταξὺ τοῦ κίονος καὶ τῆς στήλης, ἐφ' ἡ ὁ στρατηγός ἐστιν ὁ χαλxous. Es trat also Diokleides in die westliche Parodos ein und setzte sich an der südlichen Seitenwand des Eingangs nieder. Das erste, dass er in die westliche Parodos eintrat, folgt daraus, dass die Verschworenen auf der anderen Seite, von dem Odeon des Perikles her, hereinkamen, das Odeon aber nach dem Zeugnis des Vitruv V 9, 1 östlich von dem Theater lag. Es war also die Statue des Themistokles, zwischen der und den Säulen der Vorhalle Diokleides sich niedersetzte; denn diese befand sich nach dem Scholiasten des Aristides an der rechten, d. i. westlichen Parodos. Das zweite, dass sich Diokleides an der südlichen Flankenwand der Parodos niedersetzte, geht aus dem Stand des Monds und der Lage des Theaters am Südabhang der Akropolis hervor. Denn zur Zeit des Vollmondes lag eben die südliche, nicht die nördliche Flankenwand voll im Schatten.1) Aber wo

1) Von derselben südlichen Flankenwand heisst es in Aristoph. Eccl. 496 ἀλλ' εἶα δεῦρ' ἐπὶ σκιᾶς ἐλθοῦσα πρὸς τὸ τειχίον.

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