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etwa von einem Schiedsrichter ausgehe, 1. 13. §. 5. h. t.; 2) daß nicht blos beiläufig, sondern hauptsächlich und nach vorgängiger causae cognitio die richterliche Sentenz das Schuldig ausspreche, 1. 13. §. 6. D., 1. 17. C. h. t.; 3) daß Jemand selbst, und zwar suo non alieno nomine verurtheilt werde, 1. 1, l. 6. §. 2 und 6. h. t.. 1. 2. pr. de obsequiis parentib. praest. (37, 15), endlich 4) daß das Urtheil rechtskräftig geworden sei, so daß, wenn auch in höherer Jnstanz das frühere Urtheil bestätigt wird, die Infamie doch erst von dem leßten Urtheil anfängt, l. 6. §. 1. h. t.

Wohl zu bemerken ist aber hier auch noch, daß zwar nicht allgemein, wie Manche irrig annehmen, aber doch in einigen Fällen, nämlich bei dem furtum, der rapina, der injuria und actio doli, das ohne Vermittlung der Obrigkeit geschehene Loskaufen mit Geld oder Geldeswerth der wirklichen Verurtheilung gleich steht. Dies wird aber durchaus blos von jenen vier Fällen in unserm Geseze gesagt, 1. 1, 1. 4. §. 5, l. 6. §. 3. h. t. l. 18. C. eod., und die concractus famosi sind noch namentlich ausgeschlossen, 1. 7. h. t. §. 2. J. de poena temere litigant. (4, 16), vgl. Gai. IV. 182. Für Vergleiche bei Verbrechen mit öffentlicher Strafe gelten eigenthümliche, hier zu übergehende, Grundsäße.

II. Was die Fälle der s. 3. infamia immediata (notatur, qui fecerit) anbelangt, so sind dies regelmäßig solche, die sich entweder gar nicht zu einer accusatio oder actio eignen, so daß also ein Urtheil dabei gar nicht vorkommen kann, oder die notorisch sind, und eines Urtheils gar nicht bedürfen. Doch aber hat der Begriff insofern auch juristische Realität, daß, wenn auch einmal in einem zur unmittelbaren Infamie gehörenden Falle ein Urtheil zur Konstatirung der That nöthig ist, die Folgen der Infamie doch nicht von diesem, sondern von der That an eintreten müssen, vgl. auch 1. 43. §. 12. de R. N. (23, 2). Was nun aber die einzelnen Fälle der infamia immediata anbelangt, so sind dies mit Ausnahme einiger Fälle, deren Vorausseßungen bei uns durchaus weggefallen find, vgl. 1. 8. C. de offic. rector. provinc. (1, 40), 1. 35. C. de loc. et cond. (4, 65), 1. 1. C. de naturalib. liberis (5, 27), l. un. C. ad leg. Viselliam (9, 21), l. 15. C. de appell. et consult. (7, 62). 1. 31, 1. 33. C. de decurionib. (10, 31), l. un. C. de stnd. liberal. urb. Romae et Constant. (11, 18); Auth. Frid. I. Habita C. ne fil. pro patre (4, 13); Auth. Frid. II. Gazaros C. de Haeret. et Manich. (1, 5), im Wesentlichen folgende:

1) Soldaten, welche ignominiae causa aus dem Dienst entlassen sind,

1. 1, 1. 2. pr. §. 1-4. h. t., l. 3. C. de re militari (12, 36);

2) die Großjährigen, welche als Schauspieler öffentlich aufgetreten sind, 1. 1, 1. 2. §. 5, 1. 3, 1. 4. pr. §. 1. h. t., l. 1. §. 6. de postul. (3, 1), 1. 21. C. h. t.;

3) qui lenocinium fecerint, wobei an die patentisirten Bordellhalter zu denken ist, denn die ex lege Julia de adulteriis verurtheilten lenones unterliegen als in judicio publico damnati der infamia mediata, l. 1, 1. 4. §. 2 und 3. h. t., vgl. 1. 43. §. 6-9. de R. N. (23, 2);

4) qui corpore suo muliebria passi sunt, l. 1. §. 6. de postulando (3, 1), vgl. mit 1. 31. C. ad leg. Jul. de adulter. (9, 9);

5) öffentliche Huren, 1. 24. h. t., 1. 41, 1. 43. pr. §. 1-5. de R. N. vgl. jedoch auch Marezoll S. 181 fgg.;

6) im Ehebruch ertappte Ehebrecherinnen, 1.. 43. §. 12. 13. de R. N.;

7) wer gleichzeitig in zwei Ehen, oder zwei Sponsalien, oder in einer Ehe und in einem Verlöbniß lebt, sowie der Hausvater, welcher für sein Hauskind eine solche zweite Ehe oder ein zweites Verlöbniß abschließt, oder welcher auch nur ein solches Verhältniß seines Hauskindes duldet, nicht aber auch das Hauskind, welches auf Geheiß seines Vaters in ein solches Verhältniß eintritt; 1. 1. i. f., l. 13. §. 1—4. h. t., I. 2. C. de incest. nupt. (5, 5), l. 18. C. ad leg.. Jul. de adulter. (9, 9). Selbst dann tritt hier die Infamie ein, wenn auch die zweite Ehe oder das zweite Verlöbniß schon für sich betrachtet nichtig wäre, und hierauf bezieht sich 1. 13. §. 4. h. t., woraus man also nicht mit Manchen, z. B. Mühlenbruch, Lehrbuch §. 189. bei Note 21, eine eigne Infamie dessen ableiten darf, „welcher sich wissentlich mit einer Frau, die er nicht heirathen darf, verheirathet oder verlobt“.

8) Die Wittwe, welche vor Ablauf des Trauerjahrs wieder heirathet; der Mann, welcher wissentlich eine solche Wittwe zur Frau nimmt, und der Hausvater, welcher eine solche Ehe seines Hauskindes befiehlt, oder doch deren Eingehung geschehen läßt; das Hauskind selbst, welches auf Befehl seines Vaters eine solche Ehe schließt, bleibt von der Infamie verschont, 1. 1, l. 8—12, l. 13. pr. h. t., 1. 15. C. h. t., l. 1. C. de secund. nupt. (5, 9). (Die mancherlei Schwierigkeiten, welche unsre Quellen über diesen Punkt darbieten, sind vortrefflich besprochen worden in der lichtvollen Darstellung Savigny's a. a. D. Beil. VII. S. 531 fgg.). Diese Infamie ist aber durch das Kanonische Recht aufgehoben, c. 7. C.II. qu. 3. cap. 4. 5. X. de secund. nupt. (4, 21). Die Strafen des verlegten Trauerjahrs und namentlich die Infamie, treffen aber auch die Wittwe, welche innerhalb der Trauerzeit außerehelich konkumbirt, Nov. 39. c. 2. (aus welchem, freilich schlecht konzipirten Geseße, der Absicht des Gesetzgebers nach, unmöglich mit Marezoll S. 188-189 gefolgert werden kann, daß jene Strafe nur dann Plaz greife, wenn die Frau innerhalb des Trauerjahrs, aber nach Ablauf von 10 Monaten, wirklich geboren habe), so wie auch diejenige, welche als Vormünderin ihrer Kinder zu einer zweiten Ehe schreitet, ehe sie Rechnung abgelegt hat, Nov. 22. c. 40. und auf diese Fälle hat natürlich die obige Bestimmung des Kanonischen Rechtes keinen Einfluß.

9) Der Vormund, welcher sich selbst oder seinen Sohn mit der Mündel verheirathet, ehe dieselbe majorenn geworden, und die Zeit abgelaufen ist, innerhalb deren sie sich wegen Minderjährigkeit restituiren lassen kann, 1. 66. pr. de R. N. (23, 2), 1. 7. C. de interd. matrim. (5, 6). Ob auch der Sohn selbst, der auf Geheiß seines Vaters eine solche Ehe schließt, infam werde, ist streitig, und die Analogie andrer Fälle streitet dagegen (nr. 7. und 8), aber doch muß man es wohl nach 1. 66. cit. behaupten, indem die Auslegung der Worte: quo facto uterque infamatur, die z. B. Glück V. S. 175. Not. und Marezoll S. 159 fgg. geben, wornach das uterque auf den Tutor und Kurator gehen soll, gewiß nicht gebilligt werden kann;

10) Zinswuchrer, so wie die, welche sich eines Anatozismus schuldig machen, 1. 20. C. h. t.;

11) Großjährige, welche beschworne »pacta vel transactiones" brechen, 1. 41. C. de transact. (2, 4), eine Bestimmung, die doch wohl dem regelmäßigen römischen Sprachgebrauch nach auf Vergleiche zu beschränken ist, vgl. auch Marezoll S. 201;

12) in Konkurs gerathene Schuldner, sofern sie sich nicht des beneficium cessionis bedienen, 1. 11. C. h. t., 1. 8. C. qui bon. cedere possunt (7, 11), vgl. Gai. II. 154. und Dirksen, observat. ad tab. Heracl. Berol. 1817. pag. 101 sqq.;

13) wer, ohne Abolition erlangt zu haben, eine angefangene Kriminalflage fallen läßt, 1. 6. §. 3. de decurionib. et filiis eor. (50, 2), l. 1. C. ut intra certum temp. (9, 44), 1. 2. C. ad SC. Turpill. (9, 45);

14) wer sich einer Kriminalanklage nicht stellt, und es zu einer öffentlichen Ladung durch ein s. g. programma criminale kommen läßt, 1. 3. C. de requir. reis. (9, 40);

15) die Söhne von perduelles, 1. 5. §. 1. C. ad leg. Jul. majest. (9, 8). Auf die Töchter ist dies gewiß nicht auszudehnen, vgl. §. 3. eod., wohl aber soll dies auch eintreten bei den Söhnen der Mitwisser und Gehilfen, §. 6. eod.; 16) der Richter, welcher bestochen oder aus Partheilichkeit ein widerrechtliches Urtheil fällt, 1. 2. C. de poena judiciis (7, 49), welcher mit Untersuchungs-Gefangenen grausam verfährt, oder eine solche Grausamkeit anderer Offizianten ungeahndet läßt, 1. 1. C. de custod. reor. (9, 4), und welcher ein begangenes crimen vis unbestraft läßt, oder mit einer zu milden Strafe belegt, 1. 8. §. 2. C. ad leg. Jul. de vi publ. v. priv. (9, 12);

17) der Advokat, welcher sich bei Führung eines Prozesses unnöthiger Injurien schuldig macht, 1. 6. §. 1. C. de postul.;

18) wer bei einer Appellation den Richter injuriirt, 1. 42. de injur. (47, 10), so wie der, welcher eine vom Unterrichter verworfene Appellation dennoch durchführt, aber den Prozeß verliert, I. 19. C. de appell. (7, 62);

19) wer individuelle Verfügungen des Regenten arglistig interpretirt, oder sich dabei einer Erschleichung schuldig macht, 1. 2. C. de legib. et constit. (1, 14);

20) wer in einzelnen vom Gesez hervorgehobenen Fällen auf unerlaubte Weise bei dem Regenten supplizirt, vgl. 1. un. C. de senatuscons. (1, 16), 1. 3. C. ut lite pendente (1, 21), l. 5. §. 2. C. ad leg. Jul. majest. (9, 8). (In den andern von Marezoll S. 196. Not. 1. noch hierher gezogenen Fällen, nämlich 1. 3. C. de precib. imperatori offerend. (1, 19), und 1. 10. C. de judic. (3, 1) ist zwar die Supplik verboten, aber keine Infamie gedroht);

21) wer sich eines ambitus in Beziehung auf die Bischoffswürde schuldig macht, 1. 31. fin. C. de episc. et cler. (1, 3);

22) wer zum Ackerbau bestimmte Thiere oder Geräthschäften beschädigt oder wegnimmt, Auth. Frid. II. Agricultores C. quae res pignori (8, 17); 23) wer sich einer Blutschande schuldig macht, c. 4. C. III. qu. 4; c. 2. C. XXXV. qu. 2 und 3;

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24) Notare und Richter, welche eine von einem Juden an einen Christen geschehene Schuldzession aufseßen, N. A. v. 1551. §. 80;

25) muthwillige Bankerottirer, R. P. D. v. 1577. Tit. 23. §. 2, N. A. v. 1670. §. 10.

B) Wirkungen der Infamie.

Vgl. Marezoll S. 205 fgg., Savigny a. a. D. S. 188 fgg.

S. 48.

r) Aufhebung derselben.

Vgl. Marezoll S. 260 fgg.

S. 49.

c) Von der vitae turpitudo (der s. g. infamia facti).

S. 50.

Vgl. Schomburg, de turpitudine s. infamia facti. Cass. 1840.

d) Von der levis nota.

S. 51.

lichen Grundsäge.

S. 52.

e) Von der heutigen Anwendbarkeit der römisch-recht

Anm. Die Ansichten hierüber sind außerordentlich verschieden: man vgl. z. B. Eichhorn, Einl. in das deutsche P. R. F. 87, Mittermaier, Grunds. des deutsch. Privatr. §. 101, Beseler, Syst. des deutsch. Privatr. I. §. 62. auf der einen, Marezoll S. 341 fgg., Friß, Erläutr. zu Wening S. 146 fgg. u. A. m. auf der andern Seite. Merkwürdiger Weise hat bei diesem Streite der gewiß irrelevante Art. 104. der P. G. D. von Carl V. eine Rolle gespielt, wo folgende Worte vorkommen: „Aber sonderlich ist zu merken, in was sachen oder denselben gleichen unser Kaiserlich recht keinerlei peinlicher Straff am leben, ehren, leib oder gliedern seßen, oder verhangen, daß richter und urtheyler darwider auch niemant zum todt oder sunst peinlich straffen“. Am Weitesten geht jezt Savigny a. a. D. S. 224 fgg., indem er der gesammten römisch-rechtlichen Lehre von der infamia (der s. g. infamia juris), gegen bestimmte Reichsgeseße — die bekanntlich nicht nur einzelne neue Fälle der infamia einführten, sondern auch die Wirkungen derselben noch erweiterten und gegen die konstante deutsche Praris und Doktrin, alle und jede Geltung im gemeinen deutschen Rechte abspricht! Läßt man sich nicht durch den uns jezt freilich etwas hart klingenden Namen: Infamie und die unpassende Verdeutschung: Ehrlosigkeit abschrecken, sondern hält sich rein an die Wirkungen, die das neueste römische Recht mit seiner infamia verknüpft, Wirkungen, die weder so bedeutend sind, wie der harte Namen vermuthen lassen könnte, noch so unbedeutend, wie sie jezt Savigny darzustellen sucht: so dürfte sich schwerlich ein genügender innerer Grund

auffinden lassen, diesen Theil des Justinianischen Rechts für weniger praktisch zu halten, als irgend einen andren, und an äußeren Gründen für eine solche Behauptung fehlt es meines Wissens gänzlich. Doch fehlt es schon jezt nicht an Vertheidigern der Savigny'schen Ansicht, vgl. z. B. Luden in Weiske's Rechtsler. Bd. III. S. 621 fgg., Puchta, Lehrb. §. 120, Sintenis, das prakt. gem. Zivilr. I. S. 101. Not., Arndts, Lehrb. §. 33, Keller, Pand. §. 23. u. A. m.

III. Von f. g. juristischen oder moralischen Personen.

Dirksen, histor. Bem. über den Zustand der jur. Pers. nach röm. Rechte (in dessen ziv. Abh. II. 1.), Kierulff, Theorie I. S. 129 fgg., Puchta in Weiske's Rechtsler. III. S. 65 fgg., (auch in dessen kleinen ziv. Schriften Nr. 28. S. 497 fgg.), Savigny, Syst. II. S. 235 fgg., Sintenis, prakt. Zivilr. I. §. 15. S. 103 fgg., Pfeifer, die Lehre von den jurist. Personen. Tüb. 1847, Uhrig, Abh. über die jurist. Person. Erste Hälfte. Dillingen 1854, Beseler, Syst. I. S. 349 fgg., Unger, Syst. I. S. 313 fgg., Ders. in der krit. Ueberschau VI. S. 147 fgg., Keller, Pand. §. 34 fgg.

A. Begriff und Arten der juristischen Person im Allge= meinen.

S. 53.

Anm. Ueber die Fälle, in welchen man nach gemeinem Rechte eine juristische Persönlichkeit annehmen dürfe, wird h. z. T. viel gestritten. M. E. gehören zu den wahren juristischen Personen außer der hereditas jacens (vgl. darüber Bd. II. §. 394.) nur die universitates (S. 54 fgg.) und viele Arten von Stiftungen (§. 60.), und wenn man außer diesen noch viele andre hat statuiren wollen, vgl. bes. Heise, Grundr. Bd. I. §. 98. Not. 15. und Boecking, Institut. und Pand. I. §. 62, so läßt sich dies gewiß nicht rechtfertigen. So wollen namentlich die genannten Schriftsteller auch Grundstücke als juristische Personen betrachten, weil sie in den Quellen als Rechtssubjekte für Realservituten aufgeführt würden, und in der That läßt sich eine solche personifizirende Redeweise unsrer Geseze nicht in Abrede stellen, vgl. z. B. l. 12. de servit. (8, 1): „fundo servitus acquiritur, l. 31. de serv. praed. rust. (8, 3): fundus id jus aquae amisit" und viele andre mehr; aber offenbar soll damit nur angedeutet werden, daß durch die Servitut einem Bedürfnisse des Grundstücks abgeholfen werden soll, und das Servitutenrecht so mit dem Grundstücke verbunden ist, daß mit dem Erwerbe des leßtren immer auch das erstre erworben wird, während doch natürlich der eigentlich Berechtigte nicht das Grundstück, sondern der jedesmalige Eigenthümer des Grundstücks ist, welcher eben deßhalb über solche Servituten auch gerade so, wie über andre beliebige

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