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bei einer wenn auch noch so verzeihlichen Personen - Verwechslung u. bgl. erfolgte.

6) Ob auch der Vater des unehelichen Vaters zur Alimentation seiner Enkel verpflichtet sei, ist gar sehr bestritten. Faßt man den Gesichtspunkt des Delifts auf, oder nimmt man an, daß der Akt der Erzeugung den ObligationsGrund bilde, so ist es unmöglich, die Verbindlichkeit zu Alimenten auch auf den Großvater zu erstrecken. Wird dagegen die Vaterschaft als das wahre Fundament der Obligation anerkannt, so ist es allerdings juristisch möglich, auch den Großvater für schuldig zu erkennen. Daß dies aber geschehen müsse, kann aus diesem Gesichtspunkte keineswegs gefolgert werden; denn wenn auch das Verhältniß zwischen dem unehelichen Vater und seinem Kind so erscheint, daß die Verwandlung einer blosen Liebespflicht in eine Zwangspflicht durchaus den Forderungen der Humanität entspricht, so tritt dies keines Falls in so hohem Grade auch bei dem unehelichen Großvater ein, indem hier vielmehr sehr bedeutende Billigkeitsgründe gegen die Annahme einer solchen Zwangspflicht sprechen. Wo sich also kein bestimmtes Gewohnheitsrecht für die Verbindlichkeit des Großvaters gebildet hat, da muß man sich nothwendig dagegen erklären; vgl. hierüber auch Glück XXVIII. S. 221 fgg.

Anm. 2. Ob die Alimentations-Pflicht wegen Verwandtschaft sich über das Deszendenten- und Aszendenten-Verhältniß hinaus erstrecke, ob namentlich auch Geschwister sich zu alimentiren verpflichtet seien, ist noch h. z. T. bestritten. Die besonders von Thibaut, Versuche I. No. 12. vertheidigte bejahende Meinung stüßt sich im Wesentlichen auf folgendes Naisonnement: nach 1. 12. §. 3. de adm. et peric. tutor. (26, 7) dürfte nicht einmal der Tutor Liebespflichten des Pupillen erfüllen; nach 1. 1. §. 2. de tut. et rat. distr. [27, 3), 1. 4. ubi pupill. educ. (27, 2) könne er aber sogar gezwungen werden, dürftigen Geschwistern desselben Alimente zu prästiren, woraus doch offenbar hervorgehe, daß die Alimentation der Geschwister nicht eine blose Liebes-, sondern eine wirkliche Zwangspflicht sei. Betrachtet man aber die 1. 12. cit. genauer, so sieht man, daß Thibaut's Voraussetzung nicht ganz richtig ist. Blose Akte der Liberalität, wenn sie auch ehrenvoll sind, sollen allerdings vom Vormund nicht vorgenommen werden, sondern dem reifen Ermessen des mündig gewordenen Pupillen überlassen bleiben, wie z. B. die Dotirung der soror uterina. Was aber jeder ordentliche gesittete Mensch thun würde, sollte er auch nicht dazu gezwungen werden können, das darf allerdings auch der Vormund vornehmen, wie er ja z. B. herkömmliche Geschenke an nahe Verwandte übersenden und Alimente auch ganz fremden Personen, wenn es für den Pupillen angemessen erscheint, prästiren darf, vgl. auch 1. 1. §. 6. 7. 8. de tutel. et rat. distr. Mit diesem klaren Inhalt der 1. 12. verträgt es sich nun recht gut, daß der Tutor angehalten werden kann, dürftigen Geschwistern des Pupillen Alimente zu verabreichen, obwohl für den Pupillen selbst keine Zwangspflicht begründet ist, und das Leßtere wird noch insbesondere erwiesen, wenn man die 1. 5. de agnosc. vel alend. liber. im Zusammenhange liest; denn offenbar beabsichtigt Ulpian, genau zu bestimmen, wem die Zwangspflicht zur Prästation der Alimente obliege, und da werden

durchaus nur Aeltern und Kinder gegenseitig aufgeführt, und die verschiedenen dabei möglichen Fälle sorgsam erwogen; vgl. besonders Müller im ziv. Arch. XIII. No. 13. (Neber eine ganz ähnliche Kontroverse vgl. man oben §. 216. Anm. 1).

Anm. 3. Ueber die Rückforderung schon geleisteter Alimente vgl. Glüď XXVIII. S. 291 fgg., Busch in Elvers Themis II. S. 505 fgg., v. Meyerfeld, Lehre von den Schenkungen I. S. 218 fgg., Schaffrath, prakt. Abhh. No. 17 und 18, Schäffer in der Gießer Ztschr. N. F. VII. 1, Reinhard ebendas. VIII. S. 74 fgg. — Ueber „Bedeutung und Umfang des Worts alimenta nach heutigem röm. Nechte“ vgl. Walther in Gießer Zeitschr. XX. 8.

Drittes Kapitel.

Von der Vo r m u n d f ch a f t.

Inst. I. 13-26; Dig. XXVI. XXVII; Cod. V. 28-75. Gai. I. §. 142-200; Ulp. XI. XII. Donell., comm. jur. civ. lib. III. lib. XV. c. 18-22; Faber, jurisprud. Papinian. scientia, tit. 13-26; Glück XXVIII. S. 435. bis XXXIII. S. 310; Nudorff, das Recht der Vormundschaft aus den gemeinen in Deutschland geltenden Rechten entwickelt. 3 Bde. Berl. 1832-34, Kraut, die Vormundschaft nach den Grundsäßen des deutschen Rechts. Bd. I. Gött. 1835, Bd. II. 1847, Heimbach in Weiske’z Rechtsler. XIII. S. 327 fgg. Vgl. auch le Fort, essay historique de la tutelle en droit Romain. Geneve 1850.

I. Einleitung.

1) Begriff und Wesen der Vormundschaft im Allgemeinen.

2) Obervormundschaft und Familienrath.

S. 261.

S. 262.

3) Unterschied zwischen Tutel und Kuratel.

S. 263.

Paul. 1. 2. pr. §. 1. de tutelis (26, 1): Tutela est, ut Servius definit, vis ac potestas in capite libero ad tuendum eum, qui propter aetatem suam sponte se defendere nequit, jure civili data ac permissa. (§. 1.) Tutores autem sunt, qui eam vim ac potestatem habent, exque re ipsa nomen ceperunt;

itaque appellantur tutores, quasi tuitores atque defensores sicut aeditui dicuntur, qui aedes tuentur. Vgl. §. 1. 2. J. de tutelis (1, 13). Schulting, Notae ad Dig. ad h. 1. tom. IV. p. 387 sqq., Glück XXVIII. S. 468 fgg., XXIX. S. 1 fgg., Nudorff a. a. D. I. S. 24 fgg., Bethmann-Hollweg im Rhein. Mus. VI. S. 221 fgg.

Anm. Was den Unterschied zwischen Tutel und Kuratel anbelangt, so stellte man darüber gewöhnlich bis in die neueren Zeiten hin den Grundsaß auf, der Tutor habe principaliter für Sie Person, also für die Erziehung und Alimentation des Pupillen, der Kurator aber nur für die Verwaltung des Vermögens zu sorgen; ein Grundsaß, den man theils auf die Servianische Definition, theils aber auch auf einige andere Geseße stüßte, namentlich auf 1. 12—15. de testam. tut. (26, 2):

Certarum rerum vel causarum testamento tutor dari non potest, nec deductis rebus, (1. 13.) et si datus fuerit, tota datio nihil valebit, (1. 14.) quia personae, non rei vel causae datur".

Vgl. auch §. 4. J. qui testam. tutores dari possunt (1, 14) [certae autem rei vel causae tutor dari non potest, quia personae, non causae vel rei datur"]; §. 2. J. de curator; (1. 23) [, curator enim et ad certam causam dari potest"]; 1. 8. C. de nupt. (5, 4) [„curator solam rei familiaris sustinet administrationem"]. So richtig nun auch der letzte Theil dieses Grundsages ist, so ist doch der Gegensaß ganz falsch, was sich schon vollständig durch die Hinweisung auf die tutela muliebris, die doch offenbar mit der tutela impuberum denselben Grundbegriff hat, erweisen läßt; denn hierbei lag doch gewiß eine Sorge für Erziehung und überhaupt das persönliche Wohl der Frau nicht in dem Bereich des Vormunds, und konnte nicht darin liegen. In der That verhält es sich aber bei der tutela impuberum ganz eben so, und es ist h. z. T. auch bekannt genug, daß der Tutor mit der eigentlichen Erziehung des Pupillen gar nichts zu schaffen hat, sondern daß dafür der Magistrat mit Zuziehung der propinqui sorgt, und der Tutor dazu und überhaupt zur Alimentation nur die Mittel in dem Maaße aus dem Vermögen des impubes herzugeben hat, wie dies der Magistrat bestimmt, v. Löhr in seinem Magazin III. S. 20 fgg. Gewiß also müssen die Worte: tutor personae, non rei vel causae datur anders ausgelegt werden, und dieß ist in neuerer Zeit auch wirklich mehrfach geschehen. Viele nämlich wollen darin nur den Sinn finden, daß der Tutor nicht für ein einzelnes Geschäft, sondern nur für die Person, d. h. für das ganze Vermögen bestellt werde, und beschränken demgemäß den ganzen Ausspruch nur auf die tutela testamentaria, v. Löhr a. a. D. S. 19. S. 470 fgg., Puchta im Rhein. Mus. II. S. 383 fgg., Schrader ad S. 4. J. cit. (p. 102 sqq.), Nudorff a. a. D. I. S. 287 fgg., S. 378. Aber diese Auslegung erscheint darum als unzulässig, weil dann in jenen Worten nicht sowohl zein Grund für den vorhergehenden Saß („certarum rerum tutor dari non potest") fangegeben (quia), als vielmehr nur dieser Saß selbst wieder

holt wäre. Gewiß richtiger ist daher die von Savigny beiläufig aufgestellte (vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgeb. und Nw. S. 104), von BethmannHollweg im Rhein. Mus. VI. S. 253 fgg. näher begründete Erklärung, wornach jene Worte nur ausdrücken sollen, daß der Tutor zur Ergänzung der ganzen juristischen Persönlichkeit des Pupillen gegeben werde, und darum regelmäßig Ausnahmen gibt es allerdings, namentlich bei der tutela dativa, s. unten nicht für ein einzelnes Geschäft bestellt werden könne.

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Nicht weniger unbegründet als die bisher bekämpfte Ansicht ist auch die Meinung, welche Schweppe in seinem jur. Mag. I. No. 7. und Ng. §. 420. durchzuführen sucht, daß nämlich die tutela sich wesentlich als eine auf Zivilrecht begründete Potest as herausstelle, wodurch der Pflegling seine Selbstständigkeit verliere, und mit dem Tutor nur eine Person ausmache, während die Kura ein wesentlich prätorisches Institut sei, wodurch keine Potestas und keine PersonenEinheit begründet werde. Freilich kann man dem Tutor eine Potestas in einem ganz vulgären Sinne des Wortes zuschreiben, weil dadurch einigermaßen ein Subordinations-Verhältniß des Pupillen begründet wird, und in diesem Sinne wird offenbar das Wort von Servius gebraucht; aber eine solche Potestas steht nicht weniger dem Kurator zu, selbst nach dem Ausdruck der XII Tafeln, wo ja geradezu dem curator furiosi eine Potestas zugeschrieben wird (in eo pecuniaque ejus potestas esto") [Cic. de invent. II. 50]. Daß aber je ein römischer Jurist auf den Gedanken gekommen sein sollte, dem Tutor eine potestas im technischen Sinne als ein Analogon der patria potestas oder der manus zuzuschreiben, ist absolut unmöglich, wenn man nur den oben angedeuteten Begriff im Auge behält. Während die potestas in ihrer wahren Bedeutung wesentlich darin besteht, daß der derselben Unterworfene keine Selbstzwecke, sondern nur die Zwecke seines Gewalthabers zu realisiren hat, ist die Tutel gerade umgekehrt dazu bestimmt, daß der Mündel besser und sicherer seine eigenen Zwecke realisire. Daß ursprünglich, wenigstens bei der tutela legitima, auch der eigne Vortheil des Tutor mit berücksichtiget und insofern auch die Tutel als ein Recht, nicht rein als munus betrachtet wurde, kann den Hauptgessichtspunkt bei diesem ganzen Verhältniß (Schuß eines Hilfsbedürftigen) nicht verrücken, und darf uns am wenigsten bestimmen, dieses Recht als eine wahre Potestas anzusehen. — Der andere von Schweppe angegebene Hauptunterschied, daß die Kura ein Hauptsächlich prätorisches Institut sei, ist handgreiflich falsch, da gerade die vorzüglichsten Arten der Kuratel rein zivilrechtlichen Ursprungs sind, denn die cura furiosorum und prodigorum stützt sich auf die 12 Tafeln, die cura minorum aber auf die lex Plaetoria. Die Idee von Schweppe nämlich, daß die Vormundschaft über Wahnsinnige und Verschwender ursprünglich eine Tutel gewesen, und erst später zu der Kura gerechnet worden sei, ist eine durchaus leere und unhaltbare Hypothese. Vgl. auch v. Löhr in seinem Magaz. III. S. 455 fgg.

Offenbar besteht vielmehr des Grundwesen der Tutel in Folgendem: Unmündige und Weiber haben nach römischen Begriffen keine vollkommene Persönlichkeit, was wohl gewiß mit der Idee zusammenhängt, daß nur der waffenfähige Mann eine ganze volle Person sei, wobei man natürlich nur an die Waffenfähigkeit in abstracto denken darf, denn vorübergehende oder ganz individuelle

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