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lib. 1. c. 10. gegen Ende will die 1. 2. cit. so verstehen, daß darin nicht das Verhältniß einer konkreten Gewohnheit zu einem konkreten Geseß bestimmt werde, sondern es sei da nur von der consuetudo und der lex in abstracto die Nede. Die consuetudo in genere soll nicht stärker sein, als die lex in genere. Damit vertrage es sich recht gut, daß eine lex populi Rom. durch eine consuetudo populi Rom. aufgehoben werden könne; aber nicht vereinbar mit dem Ausspruch Constantins sei es z. B. wenn eine consuetudo municipii einer lex pop. Rom. oder einer constitutio principis derogiren wollte, da auch eine lex municipii dies nicht vermöge, und darauf, daß eine lokale Gewohnheit nicht gegen ein allgemeines Landesgeseß aufkommen könne, lauft auch die Erklärung von Savigny I. S. 420 fgg. hinaus. 3) Andere finden in 1. 2. cit. nur den freilich nicht zu bezweifelnden Saß ausgesprochen, daß ein neues Geseß eine bestehende Gewohnheit aufhebe, vgl. z. B. Glück, Komm. I. S. 517. und die da Angef. und im Wesentlichen auch Busch im ziv. Arch. XXVII. S. 197 fgg. 4) Nach Thibaut, Syst. §. 17. vergl. mit Braun's Erörtr. S. 27 fgg. soll man unterscheiden, ob der Regent eine einzelne derogirende Gewohnheit billige, oder nicht. Da noch zu Justinians Zeit das Prinzip der Volkssouverainität angenommen worden sei, so verstehe es sich hiernach, daß durch derogirende Gewohnheit des ganzen Volks ein Gesez habe aufgehoben werden können, und davon sei die 1. 32 zu verstehen, während die 1. 2. cit. nur von partikulären Gewohnheiten rebe. 5). Viele wollen die 1. 32. cit. bloß von subsidiären, die 1. 2. cit. aber von absolut ge- oder verbietenden Geseßen verstehen, vgl. z. B. Mühlenbruch, Lehrb. §. 38. bei Not. 13. und §. 39. bei Not. 4, Friß, Erläuterungen zu Wening I. S. 38. 6) Auf eigenthümliche Weise legt Gesterding im ziv. Arch. III. N. 18. §. 9. die 1. 2. cit. aus. Er legt nämlich folgenden Fall unter: wenn über zwei verschiedene Fälle, über den einen ein Gesez, über den andern ein Gewohnheitsrecht eristirt, und nun kommt ein dritter Fall vor, welcher durch keine ausdrückliche Norm entschieden ist, wo man aber möglicher Weise sowohl die Analogie des Gesezes, als auch die des G. N. anwenden könnte, so soll das Gesetz vor der consuetudo den Vorzug haben. Dieser Ansicht ist neuerlich auch Jäger in der Gießer Zeitschr. IX. S. 430 fgg. beigetreten. 7) Puchta I. S. 81 fgg., II. S. 199 fgg. (vgl. auch dessen Vorles. I. §. 14. und Beil. I.) geht davon aus, daß durch Gewohnheitsrecht allerdings Geseße aufgehoben werden könnten, bei Erklärung der 1. 2. cit. aber S. 116 fgg., II. S. 213 dringt er auf scharfe Unterscheidung zwischen Gewohnheitsrecht und consuetudo. Die leßtere sei nur die äußere Erscheinung, der Erkenntnißgrund des Erstern, und könne auf Geltung nur dann Anspruch machen, wenn auch das innere Moment, die gemeinsame rechtliche Ueberzeugung, vorhanden sei; jeder Grund also, welcher die Möglichkeit dieser gemeinsamen rechtlichen Ueberzeugung ausschließe, benehme der consuetudo alle Kraft. Dies und nur dies sei der Sinn der 1. 2. cit., die so zu paraphrasiren sei: „die fortwährende lange Anwendung hat allerdings keinen geringen Einfluß auf die Erkenntniß des Rechts, nur hat sie diesen Einfluß nicht an und für sich, sondern in Verbindung mit dem innern Moment, das ihr zu Grunde liegt und die Hauptsache ist. Es ist also nicht genug, daß eine lange Uebung eines Sahes vorhanden sei, sondern dieser Saß muß auch

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eine gemeinsame Ueberzeugung, ein Rechtssaß, also namentlich die Eristenz eines solchen in einem gegebenen Falle nicht juristisch oder geseßlich unmöglich, nicht contra rationem juris aut legis oder contra rationem aut legem sein. Denn das äußere Moment erseßt das innere nicht, hebt es nicht auf; „usus non vincit rationem aut legem".

Keine dieser Auslegungen kann bei genauerer Betrachtung genügen. Alle Schwierigkeit aber hebt sich einfach, wenn man die 1. 2. von einem Fall versteht, wo ein Gesetz von vorne herein eine künftig sich etwa dagegen bilden wollende Gewohnheit untersagt hat. Geht man nämlich von dem Saße aus, daß eine Gewohnheit ganz die Kraft eines Geseßes habe, so könnte für einen solchen Fall leicht der Gedanke entstehen, daß, wenn sich nun troß des entgegenstehenden Gesezes eine Gewohnheit gebildet habe, diese doch auf Geltung Anspruch machen könne, denn wenn in einem Geseße ein künftiges entgegenstehendes Gesetz verboten wird, so ist eine solche Klausel bekanntlich schlechthin unwirksam. Ein solcher Zweifel war nun dem Kaiser vorgelegt, und er schneidet denselben in der 1. 2. cit. dahin ab, daß eine Gewohnheit zwar viele Kraft habe, aber doch nicht eine so große, daß sie auch dann gelten könne, wenn Vernunft oder Geseß sie ausdrücklich verböten; eine Entscheidung, die auch vollkommen mit dem rechtlichen Fundament des G. R. in Uebereinstimmung ist. Als Resultat stellt sich demgemäß der Saß heraus: eine Gewohnheit kann allerdings auch ein Geseß aufheben, sei es auf dem Wege der desuetudo, oder der consuetudo legi contraria, was aber dann eine Ausnahme leidet, wenn in dem Geseße eine Klausel enthalten ist, daß dagegen auch keine künftige Gewohnheit sich bilden dürfe. Diesem Resultat widerstreiten auch nicht die Bestimmungen des kanon. Rechts. Als Hauptstelle wird gewöhnlich angeführt cap. ult. X. de consuet. (1, 4): Cum tanto graviora sint peccata, quanto diutius infelicem animam detinent alligatam, nemo sanae mentis intelligit, naturali juri, cujus transgressio periculum salutis inducit, quacunque consuetudine, quae dicenda est verius in hac parte corruptela, posse aliquatenus derogari. Licet enim longaevae consuetudinis non sit vilis auctoritas, non tamen est usque adeo valitura, ut vel juri positivo debeat praejudicium generare, nisi fuerit rationabilis et legitime sit praescripta. Ueber die verschiedenen, namentlich durch die leyten Worte hervorgerufenen Erklärungen f. Glück I. S. 466 fgg., Klößer a. a. D. S. 115 fgg., Gesterding a. a. D. S. 280 fgg., Jäger a. a. D. S. 435. 36, Puchta II. S. 97 fgg., S. 279 fgg., Savigny I. S. 427 fgg., Phillips, Kirchenr. III. S. 741 fgg., Schulte, kath. Kirchenr. I. §. 38, Meier, Rechtsbild. S. 217 fgg.

d) Beweis des G. R.

S. 17.

Puchta I. S. 104 fgg., II. S. 151 fgg., Savigny I. S. 181 fgg., Langenbeck im ziv. Arch. XL. S. 358 fgg., Ders., die Beweisführung in bürgerl. Rechtsstreitigkeiten. Abth. I. Leipz. 1858. S. 47 fgg.

Anm. Während die früherhin ganz allgemein herrschende, und auch h. 3. T. noch regelmäßig angenommene Meinung dahin geht, daß die' Gewohnheit ganz wie andre Fakta, im Läugnungsfall von demjenigen bewiesen werden müsse, welcher sich darauf berufe, ist in neuerer Zeit namentlich von Lange, Begründungslehre des Nechts §. 16 und Puchta a. a. D. die direkt entgegengesette Ansicht aufgestellt worden, ein Gewohnheitsrecht könne niemals Gegenstand einer eigentlichen Beweisauflage werden, eben so wenig, wie ein promulgirtes Gesez, sondern wenn sich eine Parthei auf Gewohnheitsrecht berufe, so habe der Nichter ex officio deren Eristenz zu erkunden, vgl. 1. 3. §. 6. de testib. (22, 5), wo es in Betreff der evocatio testium heißt: diligentiae judicantis est explorare, quae consuetudo in ea provincia, in qua judicet, fuerit; 1. 1. C. h. t.: ne quid contra longam consuetudinem fiat, ad sollicitudinem suam revocabit praeses provinciae, s. auch pr. J. de off. jud. (4, 17) Nov. 106. Die Wahrheit scheint in der Mitte zu liegen, vgl. auch Kierulff, Theorie I. S. 14 fgg., Savigny I. S. 149. S. 181 fgg., Brindmann a. a. D. S. 27 fgg., Beseler, Volksr. S. 109 fgg., Syst. des gem. deutsch. Privatr. I. §. 31. Der Richter soll sich allerdings ex officio bemühen, das G. N. seines Landes und seines Distrikts in Erfahrung zu bringen, und kennt er wirklich ein solches, so hat er dasselbe von Amtswegen in Anwendung zu bringen, wenn auch der Gegner die Eristenz desselben in Abrede stellen sollte. Tadurch unterscheidet sich dann auch wesentlich die Gewohnheit von andern relevanten Fakta. Ist aber dem Richter eine Gewohnheit, worauf sich eine Parthei beruft, unbekannt, so ist es völlig in der Ordnung, dieselbe zum Gegenstand einer wahren Beweisauflage zu machen, vgl. auch Mühlenbruch, Lehrb. §. 39, Friz, Erläutr. zu Wening I. S. 40 fgg. und in der von ihm besorgten Ausg. des Wening'schen Lehrb. §. 15 gegen E., Wächter, Handb. des Würtemb. Privat. II. S. 39 fgg., Sintenis, prakt. Zivilr. I. S. 44 fgg., Langenbeck a. d. aa. OO. Kommt es aber hiernach zu einer Beweisauflage, so versteht es sich, daß in der Regel nicht unmittelbar die Eristenz des Gewohnheitsrechts, sondern nur die äußere Erscheinung desselben, die consuetudo Gegenstand derselben sein kann, und dem Richter die Untersuchung überlassen bleiben muß, ob sich darin wirklich ein Gewohnheitsrecht ausspreche. In Betreff der Beweismittel gilt nichts Eigenthümliches, obwohl man namentlich in Nücksicht des Eides irriger Weise sehr oft das Gegentheil behauptet hat, vgl. über das Leßtre noch Schäffer im prakt. Arch. IV. G. 318 fgg.

2) Gerichtsgebrauch und Juristenrecht.

S. 18.

Anm. Vgl Haus, Versuch über den rechtl. Werth des Gerichtsgebrauchs Erl. 1798, Jordan im ziv. Archiv VIII. Nr. 9, Müller, ziv. Abh. Nr. 5, Puchta, Gew. Recht I. S. 161 fgg., II. S. 14 fgg., Dess. Vorl. §. 16, Kierulff I. S. 37 fgg., Savigny I. §. 14. 26, Wächter im ziv. Arch. XXIII. 15, Dess. Würtemb. Privatrecht. II. §. 10, Beseler, Volksr. S. 297 fgg., Dess. Syst. des deutsch. Privatr. I. §. 34–36, Sintenis I. S. 25 fgg., Brinckmann, Gew. Recht S. 35 fgg., Kriz, Rechtsfälle IV. S. 148 fgg.

S. 292 fgg., Thöl, Volksrecht und Juristenr. Rost. 1846. S. 109 fgg. Vgl. auch Scheurl, Beitr. I. Nr. 4. S. 121 fgg., Boecking, Pand. I. §. 11. geg. E., Keller, Pand. F. 4.

III. Von Verschiedenheit der Rechtsquellen nach Umfang, Inhalt und Wirkung.

A. Vom jus generale et speciale, commune et singulare, universale et particulare.

§. 19.

B. Von leges cogentes et permissivae, leg. dispositivae et prohibitivae.

§. 20.

C. Von leges perfectae, minusquamperfectae et imperfectae.

§. 21.

Theodos. et Valentin. 1. 5. C. de legib. (1, 14): Non dubium est, in legem committere eum, qui verba legis amplexus contra legis nititur voluntatem. Nec poenas insertas legibus evitabit, qui se contra juris sententiam saeva praerogativa verborum fraudulenter excusat. Nullum enim pactum, nullam conventionem, nullum contractum inter eos videri volumus subsecutum, qui contrahunt lege contrahere prohibente. Quod ad omnes etiam legum interpretationes, tam veteres, quam novellas, trahi generaliter imperamus, ut legistatori, quod fieri non vult, tantum prohibuisse sufficiat, ceteraque quasi expressa ex legis liceat voluntate colligere, hoc est, ut ea, quae lege fieri prohibentur, si fuerint facta, non solum inutilia, sed pro infectis etiam habeantur, licet legislator fieri prohibuerit tantum, nec specialiter dixerit, inutile esse debere, quod factum est. Sed et si quid fuerit subsecutum ex eo, vel ob id, quod interdicente lege factum est, illud quoque cassum atque inutile esse praecipimus. Savigny, Syst. IV. S. 549 fgg.

IV. Von der Auslegung der Geseze.

Anm. Es versteht sich von selbst, daß hier nicht die materiellen Grundsähe der juristischen Hermeneutik entwickelt werden sollen, indem diese vielmehr

den Gegenstand eigener Vorlesungen bilden, die da, wo sie noch gehalten werden, nicht versäumt werden sollten; sondern es sind hier nur die Begriffe der verschiedenen Arten von Auslegung (welches Wort hier in einem weitern Sinne für Ableitung von Rechtsfäßen aus einem gegebenen Geseze, gebraucht wird, ähnlich wie die Römer das Wort interpretatio gebrauchten), deren Verhältniß zu einander, und deren rechtliche Statthaftigkeit zu besprechen. Man vgl. übrigens:

Hotomanni Jureconsultus s. liber de optimo genere juris interpretandi. Bas. 1559 und öfter, auch in opp. tom. II. p. 1087 sqq.

Forster interpres. s. de interpretatione juris libri II. Viteb. 1613, auch in Otton. thes. tom. II. p. 945 sqq.

Placcius de Jureconsulto perfecto, s. interpretatione legum. Holm. et Hamb. 1693.

Rapolla de Jureconsulto, sive de ratione discendi interpretandique juris civil. lib. II. Neap. 1726, in's Deutsche überseßt mit Anmerkungen von Griesinger. Stuttgart 1792.

Eckhardi hermeneutica juris. Lip. 1750. edit. 2da c. not. C. Fr. Walchii. Lips. 1779. ed. III. c. not. C. Wilh. Walchii ibid. 1802.

Conradi observat. jur. civ. vol. I. Praeponuntur artis interpretandi praecepta. Marb. 1782.

Wittich, principia et subsidia hermeneuticae juris. Gött. 1799. Thibaut, Theorie der logischen Auslegung des röm. Rechts. Altona 1799. 2te Auflage 1806.

Sammet, Hermeneutik des Rechts. Herausgeg. von Born. Leipzig 1801.
Zachariä, Versuch einer allgem. Hermeneutik des Rechts. Meißen 1805.
Schöman, Handbuch I. S. 65 fgg.

Hufeland, Geist des röm. Rechts. Th. I. Abhandl. 2. S. 1–205.
Mailher de Chassat traité de l'interpretation des loix. Paris 1822.
Lange, Versuch einer Begründungslehre des Rechts. §. 37 fgg.

Clossius, Hermeneutik des röm. Rechts und Einleitung in das corp. jur. civ. im Grundrisse. Leipzig 1831.

Thibaut's juristischer Nachlaß Bd. II. Th. 2. („Hermeneutik und Kritik des röm. Rechts"). Berlin 1842.

Kierulff, Theorie I. S. 18 fgg.
Savigny, System I. S. 206 fgg.

Kriz, Rechtsfälle III. S. 123 fgg.

Schaffrath, Theorie der Auslegung konstitutioneller Gesetze. Leipzig 1842.
Wächter, Handbuch des Würtembergischen Privatrechts II. S. 133 fgg.
Krug, die Grundsäße der Gesezauslegung 2c. Leipzig 1848.
Unger, System des Oestreichischen Privatrechts I. §. 10. 12 fgg.
Lang, Beiträge zur Hermeneutik des röm. Rechts. Stuttgart 1857.

A. Von der authentischen und der Usual-Interpretation. §. 22.
Bremer in Bekker's Jahrbuch II. S. 241 fgg.

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