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Die Schrift, welche ich hiermit dem Publicum übergebe, hat nun den Zweck nach dieser Seite hin die bisherigen Forschungen weiter zu führen wo möglich so weit, dass die vorhandenen Oskischen und Sabellischen Inschriften eben so wie die der alten classischen Sprachen für die Alterthums- und Sprachwissenschaft in Gebrauch genommen werden. können. Dass dieses Ziel nicht völlig erreicht werden kann, besonders da, wo die Zahl der Inschriften bis jetzt noch eine zu kleine ist, um zu sichern sprachlichen Gesetzen zu gelangen, dessen bin ich mir vollkommen bewusst gewesen; es konnte aber kein Grund sein, es sich nicht zu stecken und ihm entgegenzustreben.

Um dasselbe aber so weit möglich zu erreichen, konnte es nicht genügen, nur einzelne Bemerkungen über die eine oder die andere Inschrift oder über diese oder jene Sprachregel mitzutheilen. Der ganze Stoff musste zusammenhängend und allseitig aufs neue durchgearbeitet werden. Es liegt nehmlich in der Natur der Sache, dass bei so wenigen Ueberbleibseln einer untergegangenen gleichsam erst wieder zu erobernden Sprache, wo es für Lexicon und Grammatik fast an aller traditionellen Auskunft fehlt, dieser Mangel durch den höchst möglichen Grad von innerer Evidenz der zunächst durch blos wahrscheinliche Hypothese zu gewinnenden Deutungen ersetzt werden muss, wenn diese auf Anerkennung Anspruch haben sollen. Eine solche Evidenz ist aber nur in dem Maasse zu erreichen, als viele und jedenfalls alle vorhandenen einzelnen Erscheinungen der zu erklärenden Sprachtrümmer in Betracht gezogen und so erklärt werden, dass die Erklärung nicht blos jeder für sich genommen sondern auch aller im Zusammenhange mit einander sprachlich und sachlich ein durch Ungezwungenheit, Angemessenheit und innere Harmonie befriedigendes Resultat gewährt.

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Demgemäss war vor Allem das Material der Inschriften in möglichster Vollständigkeit beizubringen. Dabei habe ich die Münzaufschriften. weil es hier vornehmlich nur auf die Sprache ankam nicht besonders aufgeführt, sondern den übrigen, von denen gar manche auch die nachlässigere Schreibart mit ihnen theilen, ganz gleich behandelt. Die Zahl der Inschriften in der folgenden Zusammenstellung übersteigt die bei Mommsen um einige Nummern. Zwei Oskische (Nro. XXVIIa. und XLIXa.) sind erst seitdem in Italien entdeckt worden. Von zwei andern (Nro. LXVI. und LXXII.), welche Mommsen als unächt oder nicht Oskisch ausgeschlossen hatte, hat eine erneute unbefangene Kritik mich überzeugt, dass sie dieses Verwerfungsurtheil nicht verdienten. In Betreff der Sabellischen Dialekte kann man wegen der zweifelhaften Gränze gegen das Umbrische hin darüber rechten, ob einige Inschriften mit Recht aufgenommen, andere weggelassen sind. Indessen würde bei dem jetzigen Stande der Sache ein solcher Streit ziemlich unfruchtbar sein. Die nur gelegentliche Veröffentlichung einer entschieden nicht Oskischen oder

Sabellischen Inschrift, des Arolsener Serpentinsteins, wird keiner Recht fertigung bedürfen.

Da die Erklärung von Denkmälern einer unbekannten Sprache nur aus andern bekannten möglich ist, so bildet es bei jedem Unternehmen dieser Art eine wichtige Vorfrage, an welche Sprache man sich zu diesem Zwecke zu halten habe. Die Erfahrung selbst hat mich belehrt, dass die nächste Verwandtschaft auch das nächste Anrecht hat und die sicherste Hülfe gewährt. Ich bin daher nicht überall gleich auf die allgemeine Fundgrube für die indogermanischen Sprachen, das Sanscrit, zurückgegangen, deren Schätze ja durch die Meister der Sprachwissenschaft jetzt auch für die Unkundigen zur Benutzung aufgethan und zubereitet sind, sondern habe in der Regel nur die nähere Sippe des Griechisch-Italischen Sprachstamms um Hülfe angesprochen, in welcher das Griechische, obgleich es sonst zu den Italischen Dialekten auch nur im Verhältniss der Seitenverwandtschaft steht, doch hinsichtlich seines Reichthums an Stämmen eine ähnliche Stellung einnimmt, wie das Sanscrit für einen weiteren Kreis. Noch näher als das Griechische stehen aber dem Oskischen und den Sabellischen Dialekten namentlich hinsichtlich der Formen das Lateinische und noch mehr das Umbrische und man überzeugt sich bei tieferem Eindringen der Forschungen bald, dass die Aufdeckung der Umbrischen und die der Oskischen Sprachdenkmäler einander gegenseitig bedingen. Deshalb erschien es unabweislich, die Erforschung des Umbrischen, welches bisher besonders durch Aufrechts und Kirchhoffs verdienstliche Leistungen etwa eben so weit, aber auch kaum weiter, wie das Oskische gefördert war, bis zu demselben Ziele zu führen, welches die vorliegende Arbeit für das Oskische erstrebt hat, so dass auch die Bekanntmachung einer ähnlichen Arbeit über die Umbrischen Inschriften unmittelbar nach der gegenwärtigen beabsichtigt wird. Dieses ausdrücklich zu bemerken, hielt ich für nothwendig, damit den häufig in Bezug genommenen eigenen Deutungen von Stellen aus Umbrischen Inschriften zur Unterstützung Oskischer Spracherklärungen wenigstens derselbe Grad von Vertrauen gesichert würde, den die jetzt vorgelegte Behandlung der Oskischen Denkmäler sich erwerben möchte.

Die Erklärung der Inschriften musste sich aus den angegebenen Gründen eben sowohl auf die Realien wie auf das Sprachliche beziehen. Dabei gestehe ich gerne, dass obgleich ich dem letzteren allen Fleiss zugewandt habe, ich doch zu diesen Studien überhaupt durch das Interesse veranlasst worden bin, neue Quellen für die Römische Rechtsgeschichte zu gewinnen und deshalb mein letztes Augenmerk auf den Inhalt der Inschriften gerichtet gewesen ist. Denn es liegt darin einerseits eine Rechtfertigung für mich, warum ich mich auf ein sonst meiner Fachwissenschaft fremdes Gebiet begeben habe; andererseits glaube ich aus diesem Grunde für die sprachliche Seite der Arbeit die Nachsicht der Männer vom Fach in An

spruch nehmen zu dürfen, und ihrer bedarf ich vielleicht um so mehr, als ich das blos Wahrscheinliche von dem Gewisseren nicht überall ausdrücklich geschieden und in der Grammatik gewagt habe von meinem doch beschränkten Standpunct aus nicht blos manche von den gangbaren abweichende allgemeine Ansichten aufzustellen sondern auch Probleme zu berühren, von denen die Sprachwissenschaft sich bis jetzt fast noch ganz fern gehalten, wie z. B. die sachliche Bedeutung der einzelnen Wortbildungslaute in den hier behandelten Sprachen. Weniger wird es der Entschuldigung bedürfen, dass ich in der Grammatik versucht habe, einige Ergebnisse der Oskischen und Umbrischen Sprachforschung für die classischen Sprachen insbesondere das Lateinische fruchtbar zu machen, da dieses, wenn ich auch geirrt haben sollte, jedenfalls zur Belebung und Förderung des vergleichenden Sprachstudiums beitragen wird.

Das hinzugefügte Glossar, in welchem der vorhandene Wortvorrath der behandelten Dialekte in der That glossenartig zusammengestellt ist, habe ich mehr für den Nutzen des Lesers, besonders des dieser Sprachen noch Unkundigen, dem es zugleich als Register dienen soll, als nach den Forderungen der Wissenschaft eingerichtet. Daher die Ordnung nach dem Lat. Alphabet und die Ausschliessung aller kritischen Untersuchung ausser bei den nicht schon in dem Inschriftencommentar berücksichtigten Wörtern.

Nach dem Zwecke dieser Schrift konnte es nicht die Absicht sein, die Werke von Lepsius und Mommsen und hinsichtlich der Münzen das mit dem letzteren in Verbindung stehende von Jul. Friedländer (Die Oskischen Münzen. Leipzig 1850.) auch nur für die Oskischen und Sabellischen Inschriften überflüssig machen zu wollen. Es ist daher wegen der Geschichte der einzelnen Inschriften jedoch unter Wiederholung des für das Verständniss Unentbehrlichen auf jene Bücher und wegen der Originaltexte auf die denselben beigegebenen Tafeln verwiesen worden. Nur für die eigenthümlichen Alphabete des Oskischen und Sabellischen und für diejenigen Inschriften, welche entweder neu hinzugekommen sind, oder bei denen die Rechtfertigung meiner abweichenden Lesung ein unmittelbares Vergleichen erforderte, schien es nothwendig auch einige Tafeln beizufügen.

Breslau im October 1855.

E. Huschke.

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Kleinere Inschriften I-LXXX. im Ganzen geographisch,

von Norden nach Süden fortschreitend, geordnet

127-140.

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141-218.

Die Inschriften der s. g. Nolanischen Gefässe und der Irn

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In epichorischer Schrift (Picentische). Nro. 1-4.

232-245.

Der Stein von Cupra S. 232. von Crecchio S. 235.
Thongefässinschrift S. 241. auf der Statuette von
Staffolo S. 242.

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Die Lex Marucina (Bronze von Rapino) S. 245. Be-
nachbarte kleinere Inschriften S. 254. Vestinische
Inschrift S. 255. Marsische Inschrift S. 257. Von
einem unbekannten Dialekt S. 259.

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Nro. 11. Tabula Veliterna S. 261. Nro. 12. Bronze

von Antinum S. 266.

268-275.

Anhang. Der Arolsener Stein

Grammatik der Oskischen und Sabellischen Sprache .

I. Allgemeines über die Oskische und Sabel-
lische Sprache. Name der Sprache S. 276. Aus-
dehnung nach Ort und Zeit S. 278. Charakter der
Sprache S. 283.

276-388.

II. Lautlehre. Das Alphabet S. 286. Die Vocale
S. 287. Verdoppelung der Vocale S. 288. Wande-
lung der Vocale und Diphthonge S. 291. Die Con-
sonanten S. 295. Verdoppelung der Consonanten
S. 296. Verbindung verschiedener Consonanten S. 297.
Wandelung, Zusatz, Abfall von Consonanten S. 298.
Die Interpunction S. 304.

III. Formenlehre. Die Declinationen. Allgemeines
S. 305. Erste Declination S. 310. Zweite Decli-
nation S. 313. Dritte Declination S. 324. Bildungs-
art der Substantive und Adjective S. 329. Die Eigen-
namen der Personen. Geschlecht der Adjective und
Steigerungen S. 335. Pronomina und Pronominal-
adjective S. 336. Zahlwörter 345. Präpositionen,

Partikeln und Adverbien S. 348. Das Verbum. Im
Allgemeinen S. 357. Das Verbum substantivum S. 361.
Das Activum S. 361. Das Passivum S. 379.
IV. Syntaktisches S. 384.

Oskisches und Sabellisches Glossar .

Zusätze und Verbesserungen

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Seite.

389-418.

419-421.

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