Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

I

[ocr errors]

ihrer hartnäckigen Weigerung, ihre seitherigen Lehren aufzugeben, ersieht man, dafs sie diese Lehren für eben so rechtgläubig hielten, als die Lehrbestimmungen, welche ihnen Dionysius aufdringen wollte. Und aus welchem Grunde mochte diese hartnäckige Weigerung hervorgehen? Gewifs aus keinem andern, als der war, welcher die Aegyptischen Bischöfe, wie den Dionysius von Rom, bewogen hatte, gegen die Lehre des Alexandriners zu protėstiren sie fanden, dafs diese Lehre von ihrem seitherigen Lehrbegriffe, zu dem sie sich bei ihrer Einweihung verpflichtet hatten, abweiche. Fragen wir nun, ohne noch Rücksicht zu nehmen auf das, was die Häresiologen über den Lehrbegriff des Sabellius berichten, worin jene Abweichungen von dem herkömmlichen Lehrbegriffe bestanden haben mögen: so geben uns die Beschuldigungen, welche Dionysius den Sabellianisch gesinnten Bischöfen im Allgemeinen macht, vorläufigen Aufschlufs. Dionysius war, wie Athanasius erzählt, zunächst besorgt, dafs der Sohn Gottes in jenen Gemeinden fast gar nicht mehr gepres digt werde die muthmafsliche Irrlehre der Sabellianer betraf also hauptsächlich die Lehre vom Sohne Gottes Ferner giebt Athanasius den Inhalt und Zweck jenes Briefes dabin an: Dionysius habe τὰ ἀνθρώπινα τοῦ σωτῆρος, d. h. Alles, was sich auf die Menschwerdung des Heilandes bezog, sowohl hinsichtlich seiner Natur als seines Werkes, nach den Evangelien aus einander gesetzt, damit jene Irr lehrer, welche den Sohn leugneten und die Içáriva desselben dem Vater beilegten, überzeugt würden, dafs nicht der Vater, sondern der Sohn für uns Mensch geworden sey, dafs also der Vater nicht der Sohn sey; dafür habe er sie übrigens nach und nach zu der Erkenntnifs des Vaters und der Gottheit des Sohnes führen wollen. Auch Eusebius10) theilt als wesentlichen Inhalt jener Briefe mit den eigenen Worten des Dionysius mit, dafs sie sich auf das gottlose Dogma der Sabellianer bezogen hätten von Gott, * dem Vater unsers Herrn Jesu Christi, von dem eingebornen

10) Hist. eccl. VII. 6.

[ocr errors]

F

1

[ocr errors]

1

Sohne desselben, dem Erstgebornen der ganzen Schöpfung, dem menschgewordenen Logos, und von dem heiligen Geiste. Wenn wir demnach lesen, dafs Dionysius die Sabellianer habe davon überzeugen wollen, dafs der Sohn Gott sey, da diese den Sohn geleugnet und tà áv oáziva desselben dem Vater beigelegt hätten so folgt daraus, dafs diese nicht den Sohn als solchen leugneten, eben so wenig tà ávomiva , desselben, dafs sie nur leugneten, der Sohn sey Gott. Diefs berechtiget uns zu dem Schlusse, dafs die angeblich Sabellianisch gesinnten Bischöfe nach ihrem seitherigen Lehrbegriffe, zu dem sie als Bischöfe verpflichtet worden waren, die Lehre, dafs der Sohn Golt sey, für eine neue, von ihrem Glaubensbekenntnisse abweichende Lehre hielten, und sich ihrer Annahme so hartnäckig widersetzten. Und nun gewinnt (wie wir bereits in unserer früheren Abhandlung 2. B. 2. St. S. 42 bemerkt haben) das Verhältnifs des angeblich Sabellianischen Lehrbegriff's zu dem des. Dionysius ein ganz anderes Licht, wenn wir uns erinnern, dass es wirklich in jener Zeit ein allgemein verbreitetes und frühzeitig für Apostolisch gehaltenes Glaubensbekenntnifs, gab, in welchem noch keine Spur der Lehre von der Gottheit Christi, enthalten ist. Dieses Glaubensbekenntnifs wurde spä terhin, in wenig veränderter Gestalt, als Symbolum Apostolicum von der ganzen Kirche angenommen, und hat selbst in unserer Evangelischen Kirche symbolisches Ansehen behalten. Schon Tertullian 1) stellt eine solche Glaubensregel als die einzige, unabünderliche und unverbesserliche auf. Regula fidei, sagt er, una omnino est, sola immobilis et irreformabilis, credendi scilicet in unicum Deum omnipotentem, mundi conditorem, et Filium eius Jesum Chri stum, natum ex virgine Maria, crucifixum sub Pontio Pilato, tertia die resuscitatum a mortuis, receptum in coclis, sedentem nunc ad dexteram Patris, venturum judicare vivos et mortuos per carnis etiam resurrectionem. In dieser Glaubensregel ist deutlich ausgesprochen, dass nur ein einiger Gott sey, der Schöpfer der Welt, und Jesus Christus

11) de virgin, reland. c. 1.

wird nicht als Gott-Sohn, oder als der Logos-Gott, sondern als der Sohn dieses einigen Gottes bezeichnet. Welche - Wichtigkeit aber man diesem Glaubensbekenntnisse leilegte, sieht man daraus, dafs Tertullian dasselbe immobile et irreformabile nennt, und wie allgemein verbreitet diese oder dem ähnliche Formeln waren, erhellt daraus, dafs noch in dem Symbolum Apostolicum, als es später die Sanction der ganzen Kirche erhielt, nur die einfachen Grundartikel: Credo in Deum, Patrem omnipotentem, Creatorem coeliset terrae, und: Credo in Jesum Christum, Filium eius unicum, Dominum nostrum, wiederholt wurden, ohne dafs darin die mindeste Hindeutung auf die Lehre von der Gottheit Christi, von der Menschwerdung des Logos-Gottes, angetroffen wird.

[ocr errors]

4

[ocr errors]

Da diese oder ähnliche Glaubensregeln ein so grofses Ansehen in den ersten Jahrhunderten behaupteten, so dürfen wir mit Grunde voraussetzen, dass jene angeblich Sabellianisch gesinnten Bischöfe in der Pentapolis auf eine solche Formel bei ihrer Ordination verpflichtet worden waren. Sie hielten sich an den in derselben ausgesprochenen Lehrbegriff, und konnten sich nicht entschliefsen, die Lehre von dem menschgewordenen Logos-Gott, oder, wie Dionysius bei Eu sebius a. a. O. sich kürzlich ausspricht, neqì toỡ μovoye νοῦς παιδὶς αὐτοῦ, τοῦ πρωτοτόκου πάσης κτίσεως, τοῦ ἐναν Town ń o avtos λóyov, anzunehmen. Wäre das Princip ihres Lehrbegriff's, wäre der Grund, warum sie dem Dionysius widersprachen, ein anderer gewesen; hätten sie eine Emanation des Gott-Sohnes und Geistes aus dem Vater angenommen, oder die persönliche Subsistenz des Sohnes Gottes als solchen geleugnet: so würde Dionysius ganz anders gegen sie argumentirt haben. Und so wird schon aus dem hierarchischen Gesichtspuncte, wenn wir daneben auf den Umstand Rücksicht nehmen, dafs Sabellius im Wesentlichen mit Paulus von Samosatay Noetus, Theodotus u. s. w. übereinstimmend gelehrt haben soll, der Sabellianismus in seiner ursprünglichen Bedeutung in einem ganz andern Lichte erscheinen.

Berücksichtigen wir nämlich nunmehr jenen Umstand, so treten auch bei Noetus, Paulus, Theodotus und

[ocr errors]

3

den übrigen Unitariern in dem Verhältnisse zu ihren Gegnern ganz dieselben Erscheinungen ein. Sie mussten sich Schuld geben lassen, dafs sie Jesum Christum verleugneten, dafs sie behaupteten, der Vater habe gelitten, Vater und Sohn seyen eine Hypostase u. s. w.; und doch läfst sich, wie wir bereits in der Geschichte der Unitarier gezeigt haben, auf das Evidenteste darthun, dafs alle diese Beschuldigungen nur aus der Consequenzmacherei ihrer Gegner, der Hierarchen, als Vertheidiger des von der Mehrzahl der Bischöfe schon angenommenen und für einzig rechtgläubig gehaltenen Dogma's vom Logos-Gott, hervorgehen konnten. Wer in unserer Kirche, und zwar in unserer Zeit, jene Hierarchen in Schutz nehmen, und sie von der Beschuldigung der Consequenzmacherei freisprechen wollte, würde sich ganz vergeblich bemühen; er würde nur beweisen, wie wenig er aus der Geschichte der Kirche im Verlaufe so vieler Jahrhunderte Geist und Wesen der bischöflichen Hierarchie, der kirchlichen Infallibilität und der unchristlichsten Ketzermacherei kennen gelernt habe. Dieser Geist aber entfaltete sich damals im zweiten und dritten Jahrhunderte, mit ihm auch schon jene gehässige Consequenzmacherei, die nothwendig da eintreten muss, wo nicht Prüfung und Erkenntnifs der Gründe, sondern äufsere Autorität und Herkommen über die Wahrheit einer Lehre zu entscheiden haben. Ist die Wahrheit wirklich durch Gründe nicht. zu widerlegen, so werden Consequenzen daraus hergeleitet, und diese sollen nun das Verderbliche und Irrige der Wahrheit selbst darthun. Alle infallible oder sich unverbesserlich wähnende Glaubensrichter beweisen diefs. gen nicht noch heutigen Tages ächt Römisch-Katholische Zeloten unsere Evangelische Kirche, wie einst deren Stifter, dafs sie auf dem Principe der Revolution beruhe? Reden nicht selbst in unserer Kirche jene blinden Eiferer für das *unbedingte Ansehen unserer symbolischen Bücher dieselbe yerleumderische Sprache, wenn sie den Rationalismus als das Princip der Verleugnung des Christenthums, des Verrathes an der Evangelischen Wahrheit, der Revolution, des Aufruhrs gegen göttliche und menschliche Ordnung ver

Beschuldi

schreien? Was sich aber später in der Hierarchie der Katholischen Kirche so offenkundig zeigt, z. B. zur Zeit der Reformation, davon finden wir die ersten Spuren schon in jener frühern Zeit. Was den, jenen mit den Sabellianern übereinstimmenden Parteien vorgeworfenen Patripassianismus betrifft, der auch wirklich den Sabellianern von Einigen Schuld gegeben wurde, so haben schon frühere kritische Kirchenhistoriker anerkannt, dafs er nur aus Mifsverständ→ nifs der wahren Ansicht jener Parteien hervorgegangen seyn könne; und es kann schon deshalb nicht als gewagt erscheinen, wenn wir nunmehr weiter gehen, und behaupten, dafs der jenen Parteien vorgeworfene Irrthum, Vater und Sohn seyen eine Hypostase, worauf sich die zweite Beschuldigung eigentlich gründete, dafs der Vater selbst gelitten habe, auf blofser Consequenzmacherei beruhe: eine Consequenzmacherei, in welche die dogmatische Befangenheit der Gegner unvermeidlich gerathen mufste, welche die Lehre der Sabellianer von Vater und Sohn nicht aus dem Standpuncte dieser selbst, sondern aus ihrem eigenen auffafste und beurtheilte. Schon aus dem, was Athanasius aus den Briefen des Dionysius mittheilt, geht diefs deutlich hervor. Derselbe Dionysius, welcher den Sabellianern vorgeworfen hatte, sie leugneten den Sohn (tohμngótegov tòv viòv ňovovvto), setzt gleich hinzu, sie hätten tà áv qúniva tov viov dem Vater beigelegt. Thaten sie diefs, wie konnten sie den Sohn leugnen? Wenn nun Dionysius gegen dieselben zu beweisen suchte, dafs der Sohn für uns Mensch geworden und dafs derselbe Gott sey, oder nach Eusebius, dafs Christus als der Logos menschliche Natur angenommen habe: so folgt zunächst, dafs die Sabellianer die Menschwerdung des Sohnes als des Gott-Logos und überhaupt die Gottheit des Sohnes leugneten, die Menschwerdung desselben aber, sammt dem, was er als Sohn Gottes, nicht als Gott, auf Erden vollbrachte (tà άvỡowniva avrov) dem Vater beilegten, d. h. in der Erscheinung Jesu als des Sohnes Gottes auf Erden, in seinem Erlösungswerke ein Werk des Gott-Vaters, nicht aber eines LogosGottes anerkannten. Und diefs war auch die Grundlehre des Noetus, Paulus von Samosata, Theodotus u. s. w.

« PreviousContinue »