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und Vollendung der antiken Formen in der Malerei vielleicht den einzigen Raphael, in der Bildnerei den einzigen Thorwaldsen ausgenommen zurückstehe: wie denn namentlich die ältere Italienische und Deutsche Schule sich am Innigen und Gemüthlichen des Ausdrucks genügen liefs, und um Ueberwindung der Steifheit und Härte des Uebrigen wenig Sorge trug, eine spätere Zeit aber in jene Effectsucht durch äufsere Darstellung ohne Wahrheit und Innigkeit verfiel, wovon erst seit drei Decennien die bildende Kunst sich wieder, freilich auch hier nicht ohne auffallende Spuren des andern Extrems, jedoch mit dem herrlichsten Erfolge in den vortretenden Meistern, zur wahren Entfaltung der Würde und Schönheit romantischer Kunst emporgeschwungen hat. Es liegt aber auch im Principe selbst diese Kraft der Regeneration, und die Sterne sind dem Fortgange günstig.

Noch weniger ist zu bestreiten, dafs mit dem Streben nach Effect und mit dem Heraustreten der Kunst aus dem inneren Gebiete des mystischen oder romantischen Princips auch das Unsittliche und Gemeine, das Abergläubische und Unwürdige in ihre Darstellungen aufgenommen worden sey, und dafs die moderne Kunst an sittenlosen Gebilden nicht ärmer sey, als die antike. Allein diese Unsittlichkeiten fallen wenigstens nicht dem Christlichen Principe anheim, dessen ethischer Character fest und klar ist, nicht aber, .wie der des plastischen Alterthums, schwebend zwischen der höheren und niederen Region. Sie gehören einem fremdartigen Geiste, wie jener war, der an den Höfen Leo's X. und Ludwigs XIV. herrschte, als das Christenthum in den Banden der Hierarchie lag, und die Welt von dem frivolen Witze der Schule Voltaire's lebte, einem Geiste, dessen Nachwirkungen auch noch in die Bildung und Weltansicht der Gegenwart mehrfach eingreifen. Dessenungeachtet schreitet die Wahrheit, und mit ihr die Wissenschaft und die Kunst, der Vollendung entgegen.

Hist. theol. Zeitschr. III. 2.

II.

Pilgerfahrten Buddhistischer Priester von China nach Indien.

Aus dem Chinesischen übersetzt, mit einer Einleitung und mit Anmerkungen versehen

von

D. Carl Friedrich Neumann,

ordentlichem Professor der allgemeinen Literargeschichte und einiger lebenden Asiatischen Sprachen, so wie der allgemeinen Länder- und Völkerkunde an der Universität zu München.

Erste Abtheilung.

Einleitung.

Die Lehre Buddha's war und ist von solch einem grofsen Einflusse auf die Civilisation des Mittelreiches, dafs seit ihrer Einführung unter der Han Dynastie die Literatur und die Wissenschaften des Chinesischen Reiches eng mit ihr zusammenhangen. Der Buddhismus hatte sogar einen grofsen Einfluss auf die Erweiterung der geographischen Kenntnisse der Chinesen. Die Chinesischen Buddhisten blickten nämlich nach Indien als nach dem Lande der Verheissung, und Pilgerfahrten von China nach Indien waren demnach im Laufe des 3., 4. und 5. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung so gewöhnlich, wie seit der Mitte des 7ten die Fahrten gläubiger Christen von Europa nach Palästina. Nach Indien, nach dem Geburtslande seines Erlösers Schakia, sehnte sich der gläubige Buddhist des Ostens und Westens, des Südens und Nordens, als nach dem Lande der Erneuerung,

wo die Menschheit schon unzählige Male durch Götter in Menschengestalt, aus unerschöpflichem Mitleiden, von ihrer Erniedrigung wieder aufgerichtet ward, und wo in kommenden Kalpa's oder Weltperioden viele andere Gottmenschen erscheinen und die gesunkenen Generationen wiederholt erneuern werden. Kapila und Gaya sind dem frommen Anhänger Schakia's, was Bethlehem und Jerusalem jedem gläubigen Christen.

Waren die Buddhistischen Pilger China's, die auf der Hinreise gewöhnlich zu Lande über die kleine und grofse Bucharei durch die Länderstriche, die heutigen Tages theils von den Afghanen, theils von Ranadschidsingh beherrscht werden, ihre Reiseroute genommen hatten, in ihre Heimath zurückgekehrt: so schrieben sie sowohl für ihre Landesleute als für die nachfolgenden Pilger einen Reisebericht, der bald ausführliche Nachrichten, bald auch nur die Stationen und Nachtlager umfafste. Auf der Heimreise nahmen sie gewöhnlich einen andern Weg: sie gingen entweder über Nepal und Thibet, und betraten in der heutigen Provinz Sse tschuen zuerst wieder ihr Vaterland, oder sie reiseten durch die Länderstriche, die jetzt theils zu dem Birmanischen, theils zu den Siamesischen und zu dem Cochinchinesischen Reiche gehören, und kamen so zu den Chinesischen Provinzen Kuang tong und Kuang si. Seereisen von China nach Indien sind bis jetzt nur zwei bekannt, deren eine weiter unten ausführlich erzählt wird. Die Reiseberichte der Buddhistischen Pilger bilden den interessantesten und seltensten Theil der Chinesischen Literatur. In den Wirren vor dem Untergange der einheimischen Dynastie der Song und während der fremden Herrschaft der Mongolen haben die Chinesen den gröfsten Theil der Kenntnisse fremder Länder, die sie zu den Zeiten der Tang und der früheren Dynastie erlangt hatten, verloren: man verstand die Reiseberichte über fremde Länder nicht mehr, legte sie nicht von Neuem auf, und auf diese Weise sind mehrere aus der Literatur verschwunden, oder nur noch in seltenen, in Europa zum Theil gar nicht bekannten Sammlungen zu finden. Ich war glücklich genug, einige dieser Collectionen in

Canton zu erwerben, und in meiner Chinesischen Büchersammlung sind nicht allein alle früher in Europa vorhandene Buddhistische Reiseberichte enthalten, sondern auch mehrere, die bis jetzt den Kennern des Faches blofs dem Namen nach bekannt waren 1).

Indien beschäftigte nicht allein die Phantasie des gemeinen zum Buddhismus bekehrten Chinesen, sondern auch mehrere Regenten des Reiches, die zugleich eifrige Anhänger der Lehre des Königssohnes von Kapila waren, suchten, ganz gegen die althergebrachte Chinesische Staatsweisheit, mit den Herrschern Indiens diplomatische Verbindungen anzuknüpfen, um wo möglich aus diesem gesegneten Lande Reliquien der Heiligen, Bücher und andere Heiligthümer zu erlangen. Man sandte selbst zu kleineren Staaten, wie nach dem Reiche Chotan, Abgeordnete, sobald man in Erfahrung gebracht hatte, dafs hier irgend eine heilige Schrift aufbewahrt werde, die in China noch fehle. Die officiellen Berichte der zurückkehrenden Gesandten wurden in den Archiven des Tribunals für Historiographie niedergelegt, und nach dem Untergange der Dynastie bei der Abfassung der Reichsannalen benutzt. Den Buddhistischen Königen Indiens und Mittelasiens mufste es höchst erfreulich

1) Die Auszüge, die wir weiter unten aus den Pilgerfahrten Buddhistischer Priester von China nach Indien mittheilen werden, sind sämmtlich aus dem Kialanky oder der Geschichte der Tempel zu Lo yang, von Yang hieuen verfasst, entnommen. Yang hieuen, der wahrscheinlich gegen die Mitte des sechsten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung blūhete, erzählt in diesem Werke ausführlich die Geschichten der Erbauung der Tempel, so wie die Umstände, die sich daran knüpften. Lo yang enthielt zu der Zeit nahe an tausend Tempel, die in und aufserhalb der Stadt zusammengerechnet. Bei Gelegenheit der Geschichte eines Tempelbaues giebt nun Yang hieu en Auszüge aus den Reiseberichten der Schamanen, wegen deren glücklicher Rückkehr von so weiter Reise Tempel errichtet wurden. Auf diese Weise ist uns das Hauptsächlichste von mehreren Reiseberichten erhalten worden. Matuanlins Notiz über dieses Werk, Buch 204. Bl. 9. v., enthält zwei Fehler. Der Name des Verfassers ist mit unrichtigen Characteren geschrieben, und das Werk enthält nicht zwei, sondern fünf Bücher. Vgl. Sui schu, Buch 23. Bl. 15. v., und die Chinesische Bibliographie: Sse ku tsuen schu, B. 7. Bl. 20.

seyn, mit den mächtigen, weitberühmten Herrschern des Ostens in freundschaftlichen, durch religiöse Bande geheiligten Verkehr zu treten. Die Geschenke dieser fremden Fürsten, oder der Tribut, um mit den Chinesen zu reden, hatten auch gewöhnlich einen Bezug auf die Religion Schakiamuni's. Die Herren Indiens und der Reiche auf der Halbinsel jenseit des Ganges konnten nach ihrer Ansicht dem gläubigen Bruder im Osten kein angenehmeres Geschenk machen, als mit einem Knochen, einem Stücke des Kleides ihres Erlösers, oder einer Abschrift eines seltenen heiligen Werkes. Noch heutigen Tages senden der goldene Herrscher der Birmanen, der Dalai Lama, der Teschu-Lama, andere Lama's und mehrere berrschende Chutuktus alljährlich theils mit goldenen theils mit silbernen Buchstaben geschriebene heilige Bücher als Tribut nach dem Hofe. Hieraus ist leicht zu ersehen, wie innig die Verbindungen, welche die Chinesen mit ihren nord- und südwestlichen Nachbaren erhalten hatten und unterhalten, mit den Lehren und der Verbreitung des Buddhismus zusammenhangen.:

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Es erschien deshalb zweckmäfsig, sowohl die Fragmente, die wir hier aus der Geschichte Indiens nach den Chinesischen Annalen bis zum Untergange der Dynastie Tang, als auch den hernach folgenden Reisebericht einiger Buddhistischen Pilger, durch eine kurze Nachricht über den Ursprung und die Gestaltung des Buddhismus in Indien und dessen Einführung in China einzuleiten. Die Lehre. Buddha's erregte in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit ausgezeichneter Forscher und Denker, Es sind ganze Werke und treffliche Abhandlungen über die geschichtlichen Entwickelungen und das Wesen dieser Lehre erschienen. Es wird aber schwerlich eine neuere Schrift genannt werden können, die so treffend und richtig in wenigen Worten die nothwendigsten Thatsachen zur Kenntnifs der Geschichte und des Lehrbegriffs des jetzt Regierenden umfasse, als der Abschnitt über die Lehre Buddha's, den wir aus den Annalen der Dynastie Sui (regierte von 579-1618) übersetzt und dem Nachfolgenden gleichsam als Einleitung voraus

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