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die Schweizer im Südwesten, die Niederländer im Nordwesten des Deutschen Reichs, jene im höchsten, diese im niedrigsten Lande. Aber in der Geschichte kommen sie so in Parallele, als müfste das Ungleichste hier gleich werden. Dem Altburgundisch - Deutschen Reiche gehörten die Schweizer, an das Neuburgundisch-Französische fielen die Nederländer, und gegen ein Deutsches Kaiserhaus kamen beide in Kampf. Schweizer aus Gliedern des Deutschen Reches zu Unterthanen des Reichsoberhauptes zu machen, strebte das erste Oestreichische Kaiserhaus, und das zweite erwarb wirklich die Niederlande als Hausländer, durch Maximilians Vermählung mit der Burgundischen Erbin. Jenemufsten daher gegen die Oestreicher um ihre politische Freiheit kämpfen; diese aber geriethen in den Kampf um die religiöse, als diefs Haus sich in das Oestreichische und Spanische geschieden hatte. Beide hatten Anfangs nicht gänzliche Freiheit gewollt, die Schweizer nur Unabhängigkeit vom Oberhaupte des Reichs, nicht von diesem selbst, die Niederlande keinen gänzlichen Abfall. Aber der Kampf führte sie beide dahin, dafs sie wurden, was Italische Länder gern zu werden pflegten, wenn sie vom Deutschen Reiche sich schieden, -von Deutschland unabhängige Republiken. Und hate gleich viel früher der Schweizer Gegenwehr begonnen; war die Hauptsache durch die Siege über den Schwäbischen Bund schon unter Maximilian I. so gut, wie beendet: so wurde doch erst in einem und demselben späten Friedensschlusse, in welchem den Niederländern die Freiheit zuerkannt wurde, auch diesen Hochländern Alles zugestanden, warum so lange gekämpft war. Den letzten Religionskrieg beendete dieser Friedensschlufs; und wenn gleich die Schweizer nicht für die Religion den Streit angefangen hatten, wie die Niederländer: so war doch von ihnen während der Zeit eine neue Protestantische Lehre ausgegangen, die in Frankreich die Religionskriege veranlafste; unl diese eben war es, für welche auch die Niederlande in en Kampf geriethen. Herrschend blieb auch diese Religio in beiden Republiken, doch mehr in der nördlichen, als in der südlichen.

5.

Oft mit denselben oder ähnlichen Namen erscheint die wiederkehrende Parallele in der Geschichte; oder in einen Namen beginnt und endet sie ein Werk.

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Romulus, oder, wie ursprünglich sein Name wa, Romus heifst Gründer der ersten Römischen Monarchie, und sein wahrhaftes Diminutiv, der Knabe Romulus Mmyllus, beschlofs die Reihe aller Römischen Herrscher, wie die Fränkische Monarchie mit einem Ludwig (Chlcdwig) begonnen hatte, und als Fränkisch-Französishe mit einem Ludwig aufhörte. Lange nach dem Ende der von Romulus gestifteten Römischen Alleinherrschaft brahte Augustus die zweite hervor: diese war es, die Ronulus Momyllus beschlofs, und als müsse er das Dimnuti

von den Stiftern beider Monarchieen seyn, wad er auch Romulus Augustulus genannt *). Sieber Könige zählte ferner die erste Dynastie, und die zweite begann mit einem Imperator, der, als folgte er dem Tarquinius Superbus unmittelbar, den Namen des Achten hate, mit Octavian, dem Sohne des Octavius. Hatte zwar sein unendlich gröfserer Erblasser, Julius Cäsar, vegebens versucht, was erst Octavians Schlauheit gelang: so väre er doch, ohne dafs Cäsar sein Vorarbeiter, besonders ohne dafs er selbst sein Neffe war, nicht einmal dazu gekommen, dafs er, wie Johannes Müller es nennt, Rom um sine Republik hätte betrügen können. Nicht er also, sondern Ca sar ist der erste wahrhafte Gründer der zweiten Römischen Alleinherrschaft. Dafür nehmen ihn auch die Römischen Geschichtschreiber, und im Sprachgebrauche wurde sein Name das Wort für Kaiser. In ihm auch, dem ersten der neuen Dynasten, kehrte unter gleichem Namen wieder, was beim siebenten und letzten der alten schon dagewesen. Dem wie das Haupt der Partei, die den Tarquinius Supe bus vertrieb, ein kraftvoller und strenger Junius Brutis war, so wurde der Stoische, von keiner Liebe Cäsars tu

*) Aehnlich steht diese Vergleichung schon in Dippoldts Leben Kaiser Carls des Grofsen, Tübingen 1810.

Kanne

rückzuhaltende Marcus Brutus die Seele der Verschwörung gegen sein Leben, als er wagte, den Königstitel Tarquins wieder anzunehmen.

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6.

Thätlich ging die Reformation zuerst vom Deutschen Reiche aus; denn Böhmen war damals nicht blofs das vorzüglichste Hausland der Luxemburgischen Kaiser, sondern durch Carl IV. auch zum Reichsgliede, zum Churfürstenthume geworden. Was hier begonnen, kam im angrenzenden Churfürstenthume im folgenden Jahrhunderte › zu Stande durch die zweite Reformation; und auch Sachsens Churfürst war damals zum Deutschen Kaiser ausersehen. Aber eben dadurch, dafs er diese Krone ablehnte und sie auf Carl V. brachte, konnte er der beginnenden Reformation eine sichrere Stütze werden, als wenn er sie angenommen, und dann gegen das übermächtige OestreichischSpanische Haus, vielleicht auch gegen Franz I., sie zu behaupten gehabt hätte.

Hufs hatte der erste Reformator geheifsen; sein Name und sein Tod auf dem Scheiterhaufen hatte das bekannte Wortspiel (die gebratene Gans) veranlafst. Aber sollte es auch ersonnen seyn, dafs er sterbend einen andern Vogel dieses Geschlechts, der als Schwan nach ihm kommen würde, prophezeihet habe, und dafs in der Sprache Luther wirklich den Schwan bedeute: so konnte doch auch dieser zweite Reformator an seinem Namenstage als Martinsgans das alte Wortspiel erneuern.

Wie mit der ersten Reformation ferner in Böhmen auch der erste Religionskrieg durch Hussens Nachfolger ausgebrochen war: so hat eben daselbst, lange nach der zweiten Reformation, durch die Verletzung des Majestätsbriefes, auch der letzte Religionskrieg nicht nur angefangen, sondern auch nach 30 Jahren, als gerade Prag ganz eingenommen werden sollte, sich gänzlich geendet. Doch Böhmen gehörte nur politisch zu Deutschland, und hier, wo sie begonnen,

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ist die neue Lehre auch wieder verdrängt worden, wie in Frankreich; denn nur Völker des Germanischen Stammes haben sich für sie dauernd entschieden: Deutsche Reichsglieder, Niederländer, Schweizer, Schweden, Dänen. Ja, von diesem Stamme aus ist sie, zwar nicht thätlich, wie in Böhmen, sondern, was mehr sagen will, der Erkenntnifs nach, zuerst ausgegangen: denn der Englische Germane, Wiklef, hatte schon gelehrt, was die Hussiten in Ausübung brachten; und wie so unter Angelsachsen die neue Lehre begann, so erstand sie von Neuem gerade unter den Germanen, die der Angelsachsen alte Brüder gewesen und noch immer ihre Namensverwandten waren, unter. — Sachsen. In der weissen Stadt (Wittenberg, Leucopetra)trat Luther auf mit dem neuen Lichte; auf der weissen Insel (Al bion) hatte es durch Wiklef zuerst geschienen, als sollte auch im Namen das Licht durch die Farbe des Lichtes bezeichnet werden.

7.

So kehrt im Leben vieler Menschen entweder Gleiches oder Entgegengesetztes unter gleichen Tagen, Jahren, Zahlen, Namen zurück. So war die Königin Sophie Charlotte von Preufsen an einem Sonntage geboren, getauft, vermählt; an einem Sonntage starb sie, kam sie im Sarge nach Berlin, und wurde sie begraben *). Ich weifs nicht, ist es Aberglaube, dergleichen in Geschichte und Leben für mehr als Zufall anzusehen **): aber das habe ich erforscht,

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*) S. Weisens Kuriöse Gedanken von den Nouvellen oder Zeitungen. Leipzig 1706. Kanne.

**) Was Weisens Gedanken (Zeitungsauszüge) nicht sind, kuriös und wahrhaft Unweisens Gedanken, wären solche: wenn man z. B. in der frühen Jacquerie, die unter Johann I. durch üble Administration und den Gelddruck der Lombarden und Juden veranlasst wurde, auch durch die Farbe der Mützen sich schon auszeichnete, die durch ganz verschiedene Veranlassung gleichnamig gewordenen Jacobiner angekündigt und prophezeihet fände, und in jenem Bauernaufstande eben diese ganze Revo

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dafs unser Messias erschienen ist in den ganzen Aeufsern und mit allen den Zufälligkeiten, mit welchen das vor unserer Geschichte der Menschenwelt erschienene Göttliche nachher dargestellt und mit denen es durch Jahrtausende wieder erwartet worden war, so dafs auch bis aufs Jota Alles in Erfüllung gegangen ist, was da geschrieben stand*).

8.

So ist in einer geographischen Richtung die Geschichte fortgeschritten, und hat so sich immer wiederholt.

Wie die Sonne im Morgen aufgeht, so hat sich vor unserer Geschichte die älteste Religionslehre und Sprache mit dem ganzen Völkerstrome von Osten her über den Westen ergossen. Seit einer historischen Zeit hat in den drei Weltherrschaften Alles diese Richtung genommen: Perser haben die Griechen, diese die Römer, die Römer den übrigen Abend angeregt. Im Osten stand der göttliche Lehrer auf, der das ganze Abendland umgebildet hat; im Osten zeigte sich auch der andere Lehrer, der auf den Westen in Afrika, und Anfangs selbst auf den äussersten Abend von Europa wirkte.

lution, die aus dem Finanzdrucke von einem Franzosen selbst prophezeihet war; oder wenn man in wirkliche Parallele stellen wollte, dafs Carl der Hammer (Martell) bei Poitiers den Antichristen schlug, der in die Christlichen Reiche eindringen wollte, und Judas der Hammer (Maccabäus) die Juden siegreich zur Wehr stellte gegen die Syrischen Herrscher, die den vor-Christlichen Jehovahdienst vernichten und den Götzendienst aufdringen wollten. Bei 100 dergleichen Dingen streicht der wahre Denker 1 aus und es bleiben 00. An Prophezeihungen in der Geschichte durch die Geschichte selbst kann nur glauben, wer die Secunda Petri gegen des Petrus Schlüssel zum Himmelreiche auszutauschen Lust hätte. Ich möchte das Keinem rathen.

Kanne.

*) Der Verfasser scheint hier angedeutet zu haben, was er späterhin in seiner Schrift: Christus im alten Testament. Untersuchungen über die Vorbilder und Messianischen Stellen. Nürnberg 1818. 8. 2 Theile, weiter auszuführen versucht hat, Der Herausgeber.

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