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einer Erndte bis zur andern. Allein angenommen, es trete hier ein conflictus zwischen dem strictum conventionis ius und aequitas ein, von welcher Ansicht man hier ausgeht **), so kann man doch diese Billigkeit, ohne die größte Unbilligkeit und Ungerechtigkeit zu begehen, nicht so weit ausdehnen, daß nur der Pächter allein zum Nachtheil des Verpachters begünstiget werde, der gewiß den Pacht. ains, um deffen willen er sein Grundstück verpachtet hat, eben so ungern einbüßt, als der Pächter die Früchte, um deren wegen er gepachtet hat. Ist es denn nun nicht Billig keit genug, daß die Früchte der Pachtung vor der Perception nicht auf der Gefahr des Pächters stehen, und dieser nur die Aussaat und Bestellungskosten verliert, wåh. rend der Verpachter oft das ganze Pachtgeld entbehren muß, wenn die Früchte durch einen ungewöhnlichen und unabwendlichen Zufall verunglücken? Ist es, wie Wests phal 62) behauptet, für eine besondere Begünstigung des Pächters zu halten, daß er in diesem Falle einen Erlaß des

Pachts von dem Verpåchter verlangen kann, wie läßt sich dann jene Ausdehnung mit dem Princip vereini gen, nach welchem ein singulåres Recht, welches von den Grundsäßen des strengen Rechts aus Gründen der Billig. keit abweicht, keine Ausdehnung zuläßt? Daß jene Meinung der Praxis nicht gemäß sey, haben schon Carpe 30v 63) und Wernher 64), zu ihren Zeiten bemerkt. Wie wenig sie aber auch der Theorie entspricht, lehrt noch die L. I.

61) S. Ge. Lud. BOEHMER cit. Diss. Cap. I. §. 11.

62) Von Kauf ic. §. 972.

63) P. II. Constit. 37. Def. 20.

64) Select. Obs. for. T. II. P. VI. Obs. 414.

L. I. Cod. h. t., wo der Kaiser Antoninus refcribirt: Dominus horreorum periculum vis majoris, vel. effracturam latronum conductori praestare non cogitur. Steht nun der Locator nicht für die Gefahr der in dem Magazin verwahrt gewesenen Sachen, so kann auch der Conductor deshalb keinen Erlaß des Miethzinses for dern. Denn das heißt eigentlich vim praestare, wie aus L. 15. §. 2. D. h. t. erhellet. Er steht also auch nicht für die Gefahr, wenn die Früchte, die darin untergebracht worden sind, durch feindliche, oder eine andere unwider. Stehliche Gewalt, verlohren gegangen sind, und es ist ganz einerley, der Locator mag derjenige selbst seyn, welcher das Grundstück, worauf die Früchte gebauet worden, oder derje, nige, welcher die Scheune, worin die Früchte untergebracht worden, verpachtet hat. Noch mehr aber wird jene Meinung durch die L. 78. D. de Rei vindicat. widerlegt, wo es heißt: Perceptionem fructus accipere debemus, non si perfecti collecti, sed etiam coepti ita percipi, ut terra continere se fructus desierint: veluti si olivae, uvae lectae nondum autem vinum oleum ab aliquo factum sit. Statim enim ipse accepisse fructum existimandus est. Zwar wendet man dagegen ein 65), diese Stelle handle von keinem Pachter, sondern von einem bonae fidei possessor, der ein fremdes Grundstück besessen und genugt hat, dasselbe aber zurückzugeben vers urtheilt worden ist. Allein wie wenig die Eigenschaft das b. f. possessor hier in Anschlag zu bringen sen, erhellet aus L. 13. D. Quib. mod. ususfr. vel usus amitt.,

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65) von Winkler Abhandlung von Kriegsschäden 1. Abschn. 3. Hauptst. Nr. 112. S. 114.

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wo in Beziehung auf den Fructuar gesagt wird: fructum percipi, spica aut foeno caeso, aut uva ademta, aut excussa olea: quamvis nondum tritum frumentum, aut oleum factum, vel vindemia vindemia coacta sit. Es bleibt also immer bey der Regel, daß die Perception vollendet sen, so bald die Früchte von der fruchttragenden Sache getrennt sind, die Erwerbung mag von einem bonae fidei possessor, oder von einem Pachter, oder Fructuar geschehen. Der bonae fidei possessor hat nur darin vor jedem Andern, der sein Recht auf die Früchte einer fremden Sache von dem des Eigenthümers ableitet, ein vorzüglicheres Recht, daß er schon durch jede Absonderung, sie sen geschehen, wie und von wem sie wolle, ein pråtorisches Eigenthum an den Früchten erwirbt, weshalb ihm auch sogar die condictio furtiva zusteht, wenn sie von einem Dritten diebischer Weise abgesondert seyn sollten; dahingegen der Usufructuar, und der hierin mit demselben gleiche Rechte habende Pächter, erst durch die ihrer Seits geschehene Besißergreifung das Eigen. thum an den Früchten erwerben, welches also von denselben nicht erworben wird, wenn die Separation von einem Drit. ten wider deren Willen geschiehet 66). Hier kommt aber dieser Unterschied in keine Betrachtung, da man selbst ein. räumt, daß die Gefahr auf den Pachter übergeht, sobald die Früchte in Rücksicht seiner für percipirt zu halten sind.

IV. Der

66) L. 48. pr. D. de acquir. rer. domin. L. 13. in fin. D. Quib. mod. ususfr. vel us, amitt. L. 12. §. 5. D. de Usufr. L. 25. §. 1. D. de Usur. §. 36. 1. de rer. divis. S. den 8. Th. tieses Commentars §. 590. S. 260. u. von ́ Savigny Recht des Besizes §. 22. 2. S. 257. f.

IV) Der Schaden muß von Bedeutung feyn. If der Verlust an den Früchten mäßig, so muß ihn der Påchter tragen, und er kann deshalb keinen Erlaß am Pachtgelde fordern. Dagegen kommt ihm aber auch in einträglichen Jahren der wenn gleich aufferordentliche Gewinn zu Gute, ohne deshalb ein erhöhtes Pachtgeld zahlen zu dürfen. Modicum damnum, sagt Cajus 67), aequo animo ferre debet colonus cui immodicum 68) lucrum non aufertur, und Ulpian 69) giebt das Beyspiel, wenn vorüberziehende Truppen auf den Pachtfeldern aus Muth, willen einigen Schaden anrichten Ein anders wåre frey.

lich, wenn vorüberziehende Truppen dort Halt gemacht, oder auch im Vorüberziehen Schäden von Beträcht lichkeit angerichtet haben sollten. Es fragt sich aber, wenn ehe der Schaden für so erheblich zu halten sey, daß er einen Anspruch auf Erlaß des Pachtgeldes begründet? Cajus har sich darüber nicht deutlich erklårt, sondern sagt blos: Vis major non debet conductori damnosa esse, si plus quam tolerabile est, laesi fuerint fructus. Die meisten 7°) wollen daher die Größe des Scha.

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67) L. 25. §. 6. D. h. t. 68) Accursius erklärt dieses immodicum sehr sonderbar durch valde modicum, auf eben die Art, wie das Wort impru dentes in der L. 52. §. 3. D. pro Socio für valde prudentes. 6. Ger. NOODT Comm. ad Dig. h. t. pag. 425. in fin.

69) L. 15. §. 2. D. h. t. Man sehe über diese Stelle Bod. mann's Erörterung der Grundsätze, wornach die Kriegsscha den jeder Art festzustellen zc. find. 4. Abschn. §. 28. Not. c. 174.

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70) Io. BRUNNEMANN Comment. ad L. 25. D. h, t. nr. 16.

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dens nach den Grundsäßen einer Verlegung über die Hälfte beurtheilt wissen, und nehmen die L. 2. Cod. de resc. vend. zu Hülfe. Sie stellen demnach das Princip auf, der Schade an den Früchten ist unerträglich, wenn aus den Nuhungen des erpachteten Guts, nach Abzug der Aussaat, und der übrigen Bestellungskosten, nicht einmal die Hälfte des versprochenen Pachtgeldes hat erhoben werden können, oder wenn die aus dem Gute erhaltenen Früchte, nach nur gedachtem Abzuge, nicht einmal die Hälfte des dafür zu zahlenden Pachtgeldes betragen. Allein wenn gleich das Rechtsmittel aus der L. 2. Cod. de resc. vendit. nach der richtigern Meinung, die schon øben (S. 342.) weiter ausgeführt worden ist, allerdings auch beym Pachtcontract Statt findet; so wird doch eine solche Låsion vorausgeseßt, welche aus dem Contract selbst herrührt, und in einem Irrthum bey Bestimmung des Pachtgeldes ihren Grund hat. Nimmermehr aber kann diesem Rechtsmittel, auch selbst beym Kaufcontract nicht, ben dem es doch zunächst ist eingeführt worden, in dem Falle Statt gegeben werden, wenn die Läsion in einem blo Ben Zufall ihren Grund hat, der sich erst nach dem

ge.

Dav. MEVIUS Decision. P. IX. Decis, 116. nr. 5. Ben. CARPZOV P. II. Const. 37. Def. 11. Ant. FABER Cod. definition. for. Lib. IV. Tit. 42. Def. 3. Sam. STRYK ́ de Cautel. contractuum Sect. II. Cap. 9. §. 24. Vine) CAROCIUS Tr. de locatione et cond. P. III de remiss. merced. §. 5. RIEDESEL ab EISENBACH cit. Commentat. Cap. II. §. 18. et 19. Io. Steph. PÜTTER in Praefat. ad hanc Commentat. §. Interea. und David Ge. Struben rechtliche Bedenfen 1. Th. Beb. 9. und Bed. 83. Ge. Fr. ALBRECHT Diss. cit. de mercedis remiss. §. 17.

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