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stehen wollen, daß ein schriftlich errichteter Miethcon tract gar nicht stillschweigend erneuert werden könne. Denn hier ist nicht von der Form und Gültigkeit der stillschweis genden Relocation, welche, als sich von selbst verstehend, vorausgeseht wird, sondern bles von der Dauer derfelben die Rede. Es läßt sich aber von der Form der ersten Errichtung des Contracts auf die Relocation um so we niger ein gültiger Schluß machen, weil sonst daraus fol. gen würde, daß die Erneurung des Contracts auch nicht einmal mit ausdrücklicher Einwilligung der Contrahenten ohne Scriptur gültig geschehen könnte, wenn der erste Contract schriftlich errichtet worden ist, welches doch wohl Niemand behaupten wird. Ueberhaupt aber ist gar nicht abzusehen, warum das einmal, obgleich durch einen schrifts lichen Contract, begründete Rechtsverhältniß nicht still. schweigend verlängert werden könnte, wie auch schon Hr, Prof. Weber) ganz richtig erinnert hat. Man müßte überdem, wenn man diese Erklärung annimmt, ein Emblema Triboniani voraussehen, weil die Verordnung des Röm. Rechts über die schriftliche Errichtung der Con tracte (L. 17. Cod. de fide instrumentor.) sich vom Kr. Justinian herschreibt, folglich die darin aufgestellten Såa he zu Ulpians Zeiten noch nicht galten; wozu aber doch kein hinreichender Grund vorhanden ist. Ich kann nicht läugnen, daß unter allen angeführten Erklärungen mie

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bie

Eingehung der Verträge und Contracte 2. Th. §. 306. Hopf, ner Commentar über die Heinecc. Institutionen §. 891. Not. 3. und Carl Bucher Recht der Forderungen. Leipzig 1815. §. 73. S. 142.

63) zu Höpfners Commentar a. a. D. S. 949.

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die erste die natürlichste zu seyn scheint, welche auch dem Gegenstande, wovon das Gefeß redet, am angemessensten ist. Denn es ist schwer zu begreiffen, warum bey den praediis urbanis die stillschweigende Relocation, um des schriftlichen Contracts willen, gerade auf ein Jahr, wie bey den praediis rusticis, oder auch auf so lange, als die erste Miethzeit verabredet war, sich erstrecken solle; da bey den praediis rusticis, bey denen doch mehr Grund bazu vorhanden gewesen wäre, auf die Zeit der verab redeten ersten Verpachtung gar keine Rücksicht genom men werden soll, und der Grund, warum bey dem still schweigenden Wiederpacht der Landgüter ein Jahr an. genommen wird, auf die praedia urbana gar nicht paßt. Man kann indessen, der oben angeführten Ausnahme unbeschadet, Ulpians Worte gar füglich auch von der ersten Vermiethung der Wohnung verstehen, und man wird daraus ungezwungen einen ganz vernünftis gen und der Sache angemessenen Sinn erhalten. Nåmlich bey der Miethung der Wohnungen bekümmert man sich gewöhnlich blos darum, was man für einen gewissen Zeitabschnitt, B. vierteljährlich, halbjährlich oder jähr. lich an Miethzins zu bezahlen hat. Man macht sich aber nicht leicht verbindlich, eine bestimmte Zeit von Jahren in der Wohnung bleiben zu wollen. Es ist also der Con tract mit jedem Zeitabschnitt, da man das Miethgeld zu bezahlen pflegt, auch geendigt. Bleibt nun der Miethsmann dennoch mit Willen des Vermiethers nach wie vor in der Wohnung, so ist der Contract stillschweigend erneuert. Daß aber der Miethsmann sich dadurch auch still. schweigend verpflichtet habe, wieder so lange, als vorher, in dem Hause bleiben zu wollen, liegt weder in dem Be

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griff der stillschweigenden Relocation, noch in den Wor. ten des Gesetzes. Diese lehren uns vielmehr ganz klar, daß der Miethsmann nur auf fo fang verpflichtet sen, als er wirklich in dem Hause gewohnt hat. Er kann also ab. ziehen, wenn er will, und zahlt dann nur bis auf die Zeit. feines Abzugs den Miethzins. Eine Ausnahme würde nun aber freylich alsdann Etatt finden, wenn gleich Anfangs in dem darüber schriftlich aufgefeßten Miethcontracte eine gewisse Zeit, wie lange die Miethe dauern soll, wäre festgefeßt worden. Hier kann dann kein Theil dem andern vor Ablauf dieser Zeit die Miethe aufkündigen 69). Es läßt sich aber

III. der Fall denken, daß bey dem vermietheten Haufe einige Länderen, oder bey dem verpachteten Landgute eine Wohnung befindlich ist, und das Miech, oder Pachtgeld dafür in einer Summe bestimmt worden, Nach welchen Grundsäßen ist hier die stillschweigende Relocation zu be urtheilen? Das Gefeß hat nicht bestimmt, welches Prae dium in diesem Falle den Vorzug haben solle. Nach der Rechtsanalogie türste aber es darauf ankommen, welches die Absicht der Contrahenten dabey, gewesen sey War nåmlich gleich Anfangs ben Errichtung des Miethcontracts das Hauptablehen der Contrahenten blos auf das Praedium urbanum, nämlich auf die eigentliche Wohnung, ges richtet, “und der dabey befindliche Garten oder sonstige Lån. derey nur als Nebensache angesehen, so würde der Con

tract

69) So erklären diefe Stelle auch de COCCEJI iur civ. controv. h. t. Qu. 3. in fin. und fus. Fried Griesinger im Commentar über das Wirtemberg. Landrecht. 4. Band S. 971. f.

Glücks Erläut. d. Pand. 17. Íb.

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tract in der Hauptsache, als über ein praedium urbanum geschlossen, anzusehen und zu beurtheilen seyn. Wäre hingegen die Hauptabsicht der Contrahenten auf das Praedium rusticum und den damit verknüpften Nahrungs. zweig gerichtet, so daß die dabey befindliche Wohnung nur das Accefforium ausmachte, so würde alsdann in der "Hauptfache eine Locatio et conductio praedii rustici zum Grunde zu nehmen seyn 7°).

IV) Ift von beweglichen Sachen die Rede, wel. che den Nußen, wozu sie gemiethet worden sind, zu jeder Zeit gewähren, z. B. von gemietheten Pferden; so heißt es auch hier, wie bey den Wohnungen, prout quisque usus fuerit, ita et obligatur 7*).

V) Ueber die stillschweigende Relocation der Dienste findet sich keine bestimmte Verordnung in dem Röm. Recht. Die hier eintretenden Rechtsgrundsäße müssen daher nach

,*,

der

70) S. Ernst Ferd. Klein's Annalen der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit in den Preuß. Staaten. 1. Bd. Nr. XXIX. S. 119. ff.

..

71) VOET Comm. ad Pand. h. t. §. 10.

TITIUS iur. privat. Rom. Germ. Lib. IV. Cap. 6. §. 3. WILLENBERG Ex. de tacita relocatione §. 10. 3war will SALICETUS ad L. 16. C. h. t. läugnen, daß bey beweglichen Sachen eine stillschweis gende Relocation Statt finde, weil sich der Miether eines furti usus schuldig mache, wenn er die gemiethete Sache über die bestimmte Miethzeit behalte. Allein eine stillschweigende Relocation beruhet ja auf der Einwilligung des Eigenthümers, welcher dem Miethsmann den fernern Gebrauch der Sache gestattet. Hier läßt sich kein furtum gedenken. L. 46. §. 7. D. de furt. S. Io. HARTMANN Diss. de tacita locatione conductione. lenae 1724. §. 28,

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der Analogie der L. 13. §. ult. D. h. t. beftimmt wer den). Es kommt daher vor allen Dingen darauf an, ob die Dienste zur Errichtung eines ganzen Werks ge. miethet worden sind, oder nicht. In dem ersten Falle ist nach der Natur der Sache anzunehmen, daß die stillschweis gende Relocation auf so lange geschehen sen als erfordert

, um das Ganze auszuführen. In dem lehtern Fals le hingegen ist wieder zu unterscheiden, ob von Tagelöhner. arbeiten, oder von solchen Diensten die Rede ist, die auf eine långere Zeit geleistet werden. In Ansehung der ers ftern, dauert die fillschweigende Relocation immer nur auf den Tag, da die Dienste geleistet werden. Bey den less teren aber ist wieder ein Unterschied zu machen, ob die Dienste zum Nußen der Landwirthschaft gemiethet worden find, (operae rusticae) oder zu einem andern erlaubten städtischen Gebrauche (operae urbanae). Im ersten Fal.. *le ist nach der Analogie die stillschweigende Relocation bey *den Land-Gesinde Diensten immer von einem Jahre zu verstehen, denn auf solche Dienste paßt der Grund, warum bey Landgütern der stillschweigende Wieverpacht ein Jahr dauert, weil sie hauptsächlich zu gewiffen Zeiten des Jahrs, nåmlich zur Bestellzeit, zur Erndtezelf, und zur Zeit der Weinlese den beabsichtigten Nußen gewähren 73).

Mie

72). Ge. Aug. GROTE Diss. de relocatione et reconductíone tacita operarum. Goettingae 1796.

73). GROTE Diss. cit. §. 11. Hiermit ftimmen auch mehrere deutsche Landesgefeße überein. E. das allgemeine Land. recht für die Preuß. Staaten. 2. Th. 5. Tit. §. 114. Ferner die Chur-Braunschweig. Lüneburg. LandesGeseze 3. Th. S. 212. u. 213.

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