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Die Gegenüberstellung von mori non debere und personam amittere beweist unwiderleglich, daß das zweite die Todesstrafe bezeichnet, und persona hier nichts anderes als die Existenz, das Leben des Verurteilten bedeuten kann; und es ist wohl nicht zu kühn, diese Bedeutung mit jener in historischen Zusammenhang zu bringen, die wir in der kirchlichen Litteratur und ihrem personam habere kennen gelernt haben 1).

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Funktion der Wörter persona und IIPOON in den trinitarischen und christologischen Erörterungen und Entstehungsgründe ihrer besonderen Bedeutung.

Mit dem hier gewonnenen Ergebnis ist das dieser Untersuchung gesteckte Ziel erreicht. Nirgends hat sich ein Punkt gefunden, an den für die Wörter persona und лоóσшлоν die ihnen von der herrschenden Lehre vindizierte Bedeutung „Rechtssubjekt“, ,,rechtliche Persönlichkeit" u. ä. unmittelbar oder mittelbar sich hätte anknüpfen lassen, und wir sind, da es auch irgend ein anderes diesen von der neueren Theorie angenommenen Begriff ausdrückendes lateinisches oder griechisches Wort nicht gibt 2), zu dem Schlusse berechtigt, daß dieser ganze Begriff, dessen Inhaltlosigkeit durch innere Gründe darzutun nicht mehr Aufgabe dieser Abhandlung ist, den römischen wie auch den byzantinischen Juristen fremd war.

Bei der Zähigkeit aber, mit der einmal einem herrschenden System einverleibte und von einer Reihe von Generationen eingelernte Begriffe sich zu behaupten pflegen und merkwürdiger

1) Bei Ducange 1. c. findet sich noch eine Catalanische Konstitution aus einer von ihm nicht näher bezeichneten Handschrift: Statuimus quod Saracenus vel Saracena non possit fieri Judaeus vel Judaea et qui hoc fecerunt

amittant personas suas.

2) Daß das Wort,caput diesen Begriff nicht bezeichnete, liegt auf der Hand; schon darum konnte er es nicht, weil caput den Römern nicht etwas war, was jemand ist, sondern was er hat. Im übrigen liegt die Bedeutung und der Ursprung der technischen Bedeutung von caput, der wahrscheinlich auch den Römern der späteren Republik und der Kaiserzeit nicht mehr ganz klar gewesen sein wird, noch sehr im Dunkeln.

weise vielleicht in keiner Wissenschaft mehr als in der Jurisprudenz empfiehlt es sich, die Lebensschicksale der Worte persona und лоóошлоν auf allen seinen Wegen zu verfolgen und ihnen namentlich auch auf jenen Pfaden nachzugehen, die sie auf dem Gebiete der Theologie und der theologischen Philosophie eingeschlagen haben. Wie leicht könnten sie noch einen Schlupfwinkel bieten, in dem die herrschende Lehre von der „Person" einen den Verfolger täuschenden Rückhalt fände, und der ihr darum von vornherein verlegt werden müßte!

Vor allem ist hier die Frage nach der Funktion zu untersuchen, die den Wörtern persona und лоóσшлоν in den trinitarischen und christologischen Erörterungen zufiel, zumal nach A. Harnack's Vorgange von zahlreichen neueren Kirchenhistorikern ein Zusammenhang zwischen dem trinitarischen und christologischen persona (лo̟óówлov) und einer vermeintlichen spezifischjuristischen Bedeutung des Wortes mit großer Bestimmtheit behauptet wird.

Von präjudizieller Bedeutung für diese Untersuchung aber ist die Ermittelung des Ursprungsgebietes des in den Worten persona und лоóошлоν sich ausprägenden theologischen Begriffs.

Die vorangegangenen Beobachtungen haben uns darüber belehrt, daß die Entwicklungsgänge dieser beiden, im wesentlichen denselben Begriff ausdrückenden Wörter wie zwei verschiedene Ströme in der abendländischen und morgenländischen Theologie in derselben Richtung nebeneinanderherliefen, daß aber von dem einen gewisse Einwirkungen eine Art von Induktionswirkung

sich auf den Parallelstrom geltend gemacht haben, und daß der auf dem hellenistischen Gebiet fließende sich in zwei nahezu parallele, in den Wörtern лgóowлov und vлóστασıç sich erkennbar machende Arme verzweigte. Wo haben wir die Quelle dieser Ströme zu suchen? Hat jeder seinen eigenen Ursprung? Oder hat vielleicht der eine, und welcher von ihnen sich von dem andern erst an einer späteren Stelle seines Laufes abgezweigt? und an welcher Stelle und infolge welcher Ursachen?

Auf diese Fragen ließe sich vielleicht auf dem Wege sprachwissenschaftlicher oder rationalistischer Reflexionen eine befriedigende Antwort finden. Glücklicherweise sind wir aber auf diesen

oft trügerischen Weg nicht angewiesen. Ausdrückliche Aussagen zweier in diesem Punkte für zuverlässig zu erachtender Zeugen stehen uns zu Gebote, die uns die gewünschte Auskunft erteilen.

Augustinus und Boethius berichten uns in völligem Einklange, daß zur Bezeichnung der drei in der Trinität vereinigten Wesen die Griechen als einen genau zutreffenden Ausdruck vлóσταois gebrauchten, daß aber die Lateiner, denen ihre Sprache ein dafür vollkommen geeignetes Wort vorenthalten habe, sich dafür des eigentlich für ganz andere Zwecke geprägten Wortes persona bedienten 1). So berichten sie, obwohl ihnen genau bekannt war, daß die Griechen neben ὑπόστασις als Synonymum dafür auch πρόσωπον verwenden, das, wie sie gleichfalls wußten, zu ihrer Zeit schon zum griechischen Substitut des lateinischen persona geworden war. Wenn wir nun wahrnehmen, daß sich die morgenländische Theologie vorwiegend des Wortes vлóστaσis bedient, daß erst im vierten Jahrhundert sich der Gebrauch von πρόσωπον abwechselnd mit dem von ὑπόστασις, öfter auch von beiden mitro oder yovv nebeneinandergeordneten Wörtern in Konzilsverhandlungen und -Beschlüssen, wie auch in Kaiserkonstitutionen bemerkbar macht, und hier überwiegend vлóστaois an erster Stelle zu erscheinen pflegt, so können wir keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß dem Worte persona als Ausdruck für den von den Griechen seit dem vierten Jahrhundert bald durch ὑπόστασις, bald durch πρόσωπον und später oft durch beide zugleich bezeichneten Begriff 2) die zeitliche Priorität vor dem griechischen лоóσшлоv gebührt, und daß die griechischen

1) Augustinus de trinitate VIII, 6, I1 (Migne S. L. t. 42, 943): Quamquam et illi (sc. Graeci) si vellent, sicut dicunt tres substantias, tres hypostases, possent dicere tres personas, tria prosopa. Illud autem maluerunt, quod forte secundum linguae suae consuetudinem aptius diceretur. Boethius, de persona et duab. nat. cap. III (Migne S. L. t. 64, 1344 A.) Longe vero illi signatius naturae rationalis individuam subsistentiam iлooτáσews nomine vocaverunt; nos vero per inopiam significantium vocum, translaticiam retinuimus nuncupationem eamque, quam illi vлóστaoiv dicunt, personam vocantes. Sed peritior Graecia sermonum ¿лóστασι vocat individuam subsistentiam.

2) Häufig findet sich aber bei griechischen Theologen zur Bezeichnung der drei Wesen der Trinität und dessen was sonst durch vлóστασıç bezeichnet wurde, nur πρόσωπον, was wohl damit zusammenhängt, daß manche dem Worte ὑπόστασις die Bedeutung von puois beigelegt haben. Vergl. z. B. Basilius (lib. 5 c. Eunom. (de proph. et apost.). Symb. Theodori Mopsvest. (Hahn S. 302) Oμoloyovμev dè

Theologen aus einem hier dahingestellt zu lassenden Grunde erst später das, was sie vorher allein mit dem offenbar der griechischen Philosophensprache entlehnten Worte iлóσraois bezeichnet hatten, nach dem Vorbilde der Lateiner auch durch das dem Worte persona korrespondierende лоóσwлоv ausgedrückt haben. Daß dies e Rezeption sich nicht ohne Widerspruch vollzogen hat, davon gibt eine gelegentlich einer trinitarischen Betrachtung von Gregor von Nazianz gemachte Bemerkung Kunde 1), deren Sinn ist: es lohne sich nicht darüber zu streiten, ob ὑπόστασις oder πρόσωπον die treffendere Bezeichnung für die drei Wesen der Trinität sei, und wenn jemand die Bezeichnung лоóσшлоv vorziehe, so könne man ihn ruhig gewähren lassen, da niemand bezweifeln könne, daß beide Wörter dasselbe besagen; und die in den späteren Konzilienbeschlüssen und Kaisergesetzen fast ständig sich wiederholende Nebeneinanderstellung beider Wörter bezweckte offenbar gerade, der früher von manchen bezweifelten Gleichwertigkeit beider eine autoritative Anerkennung zu verleihen. Nach alledem werden wir, um die Funktionen von persona und лоóошлоv zu studieren, uns zunächst den Lateinern zuzuwenden haben 2).

лarέqa téhɛiov лооσóлР. Nestorius in den bei Loofs a. a. O. S. 176, 5 sq. 16, S. 196, 15 sq. 21, S. 224, 12 sq., S. 280, 9 sq., S. 331, 7 abgedruckten Stellen. Vergl. ferner Symb. der 2. Syn. v. Sirmium (Hahn S. 198) XIX. Symb. des Apollinaris Hahn S. 279). Acta Conc. Ephes. (Mansi IV. p. 1348).

1) Gregor von Nazianz an der oben S. 79 Anm. 1 angef. Stelle: quoi pèv κατὰ τὰς ἰδιότητας εἴτουν ὑποστάσεις εἴ τινι φίλον καλεῖν εἴτε πρόσωπα οὐδὲν γὰρ περὶ τῶν ὀνομάτων ζυγομαχήσομεν, ἕως ἂν πρὸς τὴν αὐτὴν ἔννοιαν αἱ συλλαβαὶ pέowow); vergl. ferner die dort zit. Stelle aus Theodoret, Eranistes.

2) Auf welchem Wege das Wort persona (in seiner griechischen Übersetzung in лоóσшлоν) seinen Weg zu den orientalischen Theologen gefunden hat, um bei diesen neben vлóστασis einen Platz zu erringen und für immer zu behaupten, darüber lassen sich nur Vermutungen aufstellen. Zuerst findet sich persona in seiner eigentümlichen Verwendung in der Trinitätslehre bei Tertullian (die Verwendung von persona zur Bezeichnung der Wesen der Trinität ist bei Tertullian so überaus häufig, daß es der Anführung von Belegen kaum bedarf. Ich verweise hier nur auf adv. Prax. capp. 21-27, 31). Daß die Griechen es aber von ihm unmittelbar entlehnt hätten, ist darum unwahrscheinlich, weil die Schriften des mit seinem Übertritt zum Montanismus der katholischen Kirche entfremdeten Tertullian im Orient wenig bekannt waren. (Vergl. hierüber besonders A. Harnack, in den Sitzungsberichten der preuß. Akad. der Wissensch. Phil. - hist. Cl. 1895 S. 541 ff. und Lehrb. der Dogmengesch. I3 S. 318. In der einzigen ins Griechische übersetzten und in den Orient gedrungenen Schrift T's., dem Apologeticus findet sich persona in seiner

Versuchen wir nun den Sinn des bisher hier wie eine unbenannte Größe behandelten Wortes persona in seiner trinitarischen Bedeutung zu ermitteln, so fällt uns zunächst die Erscheinung ins Auge, daß es niemals prädikativ gebraucht wird: kaum wird sich irgend eine Stelle in den Schriften der lateinischen Theologen nachweisen lassen, in der von Gott, Christus oder dem Heiligen Geiste ausgesagt wäre, daß sie Personen seien1). Vielmehr werden sie trinitarischen Bedeutung nicht). Viel mehr hat die Annahme Bethune-Baker's, the meaning of homousios, in Texts and studies VII (1901) p. 73 Anm. 1 für sich, daß die zahlreichen, in griechischer Sprache geschriebenen Schriften des römischen Presbyters Hippolyt, die im Orient in hohem Ansehen standen (vergl. über ihn Barden hewer, Gesch. der altkirchl. Litt. II S. 497), und in denen лρóσшлоν zum ersten Male in trinitarischen Erörterungen auftritt (c. Noetum §§ 7, 14), diesem Worte den Weg in den Sprachgebrauch eröffnet haben. Er, der, wie Bethune-Baker bemerkt hier jedenfalls lateinisch dachte und griechisch schrieb, wird aber vielleicht nicht der erste gewesen sein, der das Wort лóσшлоv in seiner besonderen trinitarischen Bedeutung verwendet hat; er fand wohl persona als einen bei den lateinischen Theologen in diesem Sinne schon hergebrachten Ausdruck vor und übertrug ihn nur in лоóошлоv, das ja schon lange vorher auch von einzelnen Profanschriftstellern, wie Dionysius von Hal. und Plutarch im Sinne des lat. persona gebraucht worden war. Vielleicht auch hat hier die Prosopeonlehre des Sabellius mitgewirkt. Daß sie ketzerisch war, würde dieser Annahme nicht entgegenstehen. Denn ketzerisch war sie doch nur, insofern sie eine zeitliche Aufeinanderfolge der drei Hypostasen behauptete, an Stelle ihres von der rechtgläubigen Theologie gelehrten, schon vor aller Welten Anfang vorhandenen Nebeneinanderbestehens, nicht dagegen um der in ihr verwendeten Terminologie willen, die doch ihre Bekämpfer selbst in ihrer Polemik gegen den Sabellianismus zu gebrauchen nicht umhin gekonnt haben werden. (Vergl. hierzu auch die weiter unten S. 108 Anm. 1 zit. Bemerkung des Facundus von Hermiane. Bedenken könnte gegen diese Vermutungen nur die Tatsache erregen, daß der Gebrauch von лоóσшлоν als Äquivalent für vлóστασis nicht vor dem 4. Jahrhundert zum Vorschein kommt; aber es könnte schon lange vorher in mündlicher Lehre und Diskussion in Übung gewesen und später erst in den Schriftgebrauch eingedrungen sein.

1) Einige Stellen bei Tertullian erwecken allerdings den Schein, als ob er mit persona einen intensiveren Sinn als den im Texte bezeichneten verbunden und das Wort auch prädikativ von Christus und dem H. Geist gebraucht habe. Um diesen Schein zu zerstreuen, und zur Sicherstellung der oben aufgestellten Behauptung, muß ich auf diese Stellen näher eingehen, zumal sie zugleich besonders geeignet sind, die Kampfes- und Arbeitsweise Tertullian's zu beleuchten.

1. Adv. Praxeam c. 14. Die Stelle lautet bei Migne, patr. S. L. t. 2, 172: Ergo facies erit filii pater. nam et scriptura quid dicit? Spiritus personae eius, Christus dominus (Thren. IV, 20). Ergo si Christus personae paternae spiritus est, merito cuius spiritus persona erat, id est patris, eum faciem suam, ex unitate scilicet, pronuntiavit. Nach den Worten ,cuius spiritus persona erat scheint es (gleichviel, ob man spiritus hier als Nominativ oder Genetiv versteht), als wollte

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