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Wort лоóσшлоv in dem von ihm angenommenen technischen Sinne gebrauche.1) Aufgegeben hat man aber darum den Begriff keineswegs. Man hat ihn vielmehr jetzt als einen durch die Natur der Sache von selbst gegebenen festgehalten; sein Fortleben verdankt er nunmehr der juristischen Spekulation, und die wenigen Stellen in der alten Litteratur, in denen man ihn wiederzufinden vermeinte, werden nur noch als Zeugnisse zur Bestätigung der Richtigkeit der eigenen Begriffsbildung angeführt.

Zur Befreiung des Systems von dem Schädling könnte man es bei dieser Sachlage vielleicht für ausreichend halten, wenn man ihn, wie er auf Vernunftgründe allein gestützt wird, auch wiederum mit Vernunftgründen allein bekämpfte und zu vernichten suchte. Damit würde zugleich die Unmöglichkeit der verbreiteten Annahme einer besonderen juristischen Bedeutung von persona und лоóошлоν in den für sie angerufenen Quellen dargetan sein. Aber die nur zu häufig gemachte Erfahrung, daß ein von einem alten Autor gelegentlich einmal geschriebenes und alsdann von einem, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht als maßgebend anerkannten Systematiker in einem bestimmten Sinne verstandenes und in seinem Lehrgebäude verwendetes Wort von den folgenden Generationen fort und fort als feste Ankerstelle für eine den Charakter der Wissenschaftlichkeit beanspruchende Theorie behauptet und als ausreichend erachtet wird, die triftigsten gegen sie vorgebrachten Gründe damit aus dem Felde zu schlagen oder ungeprüft beiseite zu schieben, sie läßt es als geboten erscheinen, den für den Personenbegriff herkömmlich angeführten Quellenzeugnissen unmittelbar zu Leibe zu gehen, um zu zeigen, daß nichts von dem Sinn, den man ihnen entnehmen will, in ihnen enthalten sei. Dieser Nachweis soll im folgenden geführt werden. Auf ihn aber soll sich diese Untersuchung beschränken; der mit inneren Gründen zu erbringende Nachweis der Unhaltbarkeit und Zwecklosigkeit der in dem Personenbegriff und in allem, was mit ihm zusammenhängt, vorliegenden Begriffsbildung mag einer anderen Stelle vorbehalten bleiben, wo er im Zusammenhang mit einer eingehenden Kritik der Lehre von den sogenannten juristischen Personen erbracht werden soll. Während dieser zweite Nachweis

1) Vergl. namentlich Windscheid, Pand. I § 496.

sich sehr leicht und auf ebenem Wege beschaffen läßt, ist es ein steiler Pfad, der zu der Erkenntnis der Unhaltbarkeit der angeblichen historischen Anknüpfungspunkte für den juristischen Personenbegriff hinführt. Vielleicht aber wird die Mühe damit belohnt, daß er uns an Punkten vorüberführt, die einen Ausblick auch auf andere, außerhalb des Rechts gelegene Gebiete eröffnet, denen die zunächst für das Recht hier erstrebte Einsicht möglicherweise einigen Nutzen bringen könnte.

$ 2. Fortsetzung.

Die Quellenzeugnisse, auf die er gestützt wird.

Immer sind es ungefähr dieselben Stellen, die, aus einem Compendium in das andere übernommen, von alter Zeit her als Zeugnisse für den technischen Gebrauch von persona und лоóσшлоν angeführt zu werden pflegen. Ich lasse sie in ihrem Wortlaut, soweit er für uns in Betracht kommt, folgen.

Nov. Theodosii II. XVII, 1, 2 (Hänel, p. 67):

Servos namque nec ab initio quasi nec personam habentes in iudicium admitti iubemus et si hoc ausi fuerint continuo eos flammis tradi vel bestiis.

Cassiodorius, Varia VI, 8 (rec. Mommsen, Monum. Germ. auct. antiqu. XII, p. 181, 24):

Quid enim prius fecerunt inter servos iura publica, qui personam legibus non habebant?

Theophilus, paraphr. inst. II, 14, 2 (Ferrini, p. 178, 4): ὁ γὰρ οἰκέτης ἀπρόσωπος ὢν ἐκ τοῦ οἰκείου χαρακτηρίζεται δεσπότου.

id. III, 17 pr.:

οἱ οἱκέται ἀπρόσωποι ὄντες ἐκ τῶν προσώπων τῶν οἰκείων δεσπότων χαρακτηρίζονται, καὶ ἐκεῖθεν ἕξουσι τὴν κατάληψιν πότερον ἐπερωτᾶν δύνανται ἢ οὐ δύνανται.

id. III, 29, 3 (F. p. 380, 4):

ἀπρόσωπος δε παρὰ τοῖς νόμοις ὁ δοῦλος.

Von manchen wird ferner bezug genommen auf die Überschrift von Cod. Just. III, 6:

Qui legitimam personam in iudicio habent vel non.

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Zum Beweise aber, daß die Römer auch die Wesen", die man heutzutage juristische Personen nennt, schon als personae bezeichnet, diesen Begriff also schon als technischen gekannt haben, beruft man sich einerseits auf

Frontinus, de controv. agr. II (Röm. Feldmesser, von Blume, Lachmann und Rudorff I, p. 54, 23):

Est alia inscribtio quae inscribitur „Silva pascua“ aut „Fundus Septicianus, coloniae Augustae Concordiae". Haec inscribtio videtur ad personam coloniae ipsius pertinere neque ullo modo abalienari potest a republica.

Agenius Urbicus, 8, 6 (a. a. O. I, p. 16):

Quaedam loca feruntur ad publicam personam attinere, nam personae publicae etiam coloniae appellantur. Quae habent assignata in alienis finibus quaedam loca, quae solemus praefecturas appellare. Harum praefecturarum proprietates manifeste ad colonos pertinent sunt et aliae proprietates quae municipiis a principibus sunt concessae"; andererseits auf Dig. IV, 2. 9, 1 Ulpianus:

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et ideo si singularis sit persona, quae metum intulit vel populus vel curia vel collegium vel corpus, huic edicto locus erit,1) indem man aus der Gegenüberstellung von singularis persona gegen populus, curia usw. schließt, daß Ulpian auch diese als personae, aber als personae publicae gedacht, wenn auch nicht ausdrücklich bezeichnet habe, sodaß also hier, in den Stellen des Frontinus und des Ulpian Zeugnisse für den technischen Gebrauch von persona schon aus klassischer Zeit vorliegen würden.

Daß in einem Teile der hier angeführten Stellen und zwar sicher in der Theodosischen Konstitution und in der Stelle aus Cassiodor in der Tat dem Worte persona eine von dem gemeinen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung zukommt, das läßt sich schon bei einer rein äußerlichen Betrachtung unmöglich leugnen: das in beiden wiederkehrende habere personam schließt den Gedanken an eine der bekannten sonstigen Bedeutungen von persona aus, und das Gleiche ist auch von dem Wortе лоóσшлоν zu sagen, das in dem sich drei Mal bei Theophilus findenden aлgóоwлоs

1) Vergl. Kierulff, Theorie des gem. Zivilrechts I, S. 83** Windscheid, Pand. I § 496.

steckt und mit dem lat. persona hier sicher gleichbedeutend ist. Schon prima facie wird man die Vermutung wagen dürfen, daß — was später nachgewiesen werden soll - Theophilus nichts anderes sagen will, als Theodosius und Cassiodor. Unzulässig dagegen ist es, für persona und лоóσшлоv in diesen Stellen eine für sie eigens erfundene juristische Bedeutung zu unterstellen. Den Sinn der beiden Wörter in jenen Stellen zu ergründen, müssen wir andere Wege beschreiten, und deren stellen sich zwei zunächst als möglich dar. Die besondere hier dem Worte persona und dem Worte лоóошлоν zukommende Bedeutung kann entweder eine solche sein, die sich nach den allgemeinen Gesetzen der Sprachgeschichte aus einer der diesen Wörtern zukommenden regelmäßigen Bedeutung für besondere Fälle entwickelt hat; oder ganz singuläre Verhältnisse, zufällige Ereignisse, äußere Eingriffe oder ähnliche Momente haben außerhalb der Bahn gesetzmäßiger Bedeutungsentwicklung eine eigentümliche Bedeutung für sie ins Leben gerufen, die aber auch in diesem Falle in einem, wenn auch vielleicht sehr entfernten Kausalzusammenhange mit der ursprünglichen oder einer der von dieser abgeleiteten Bedeutungen von persona und лоóошлоν steht. Mag das eine oder das andere vorliegen um es zu erkunden, ist es unerläßlich, die Geschichte dieser Wörter auch in ihren bekannten Bedeutungen, soweit es angeht, zurückzuverfolgen. Diese Untersuchung muß für persona und лоóσшлоv getrennt geführt werden. · Denn wenngleich die geschichtliche Entwicklung beider schließlich zu dem nämlichen Endziele geführt hat, so waren doch die Ausgangspunkte für beide verschieden, und so sind es auch, durch diese bedingt, die mannichfachen Schicksale, welche die Bedeutungen beider Wörter endlich in demselben Punkte haben zusammentreffen lassen.

§ 3.

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Geschichte des Wortes persona.

Zwei Bedeutungen des Wortes persona treten uns in häufigster Übung in der römischen Litteratur entgegen.

1. In der verbreitetsten bezeichnet persona nichts anderes, als was auch wir unter Person verstehen: einen Menschen. Aber wie wir, so brauchten auch die Römer es nur da, wo es nicht irgendwie auf

Betonung der menschlichen Eigenschaften eines menschlichen Individuums oder eines Gegensatzes zwischen Menschen und anderen, niederen oder höheren Wesen ankommt, sondern nur ein menschliches Wesen in einem Zusammenhange, in dem seine Eigenschaft als Mensch als selbstverständlich gilt, bezeichnet werden soll. Wie es uns in den meisten Fällen, in denen wir das Wort Person verwenden, widerstrebt, dafür „Mensch" oder „Mann“ zu sagen, wird es auch den Römern als unangemessen erschienen sein, es durch homo oder vir zu ersetzen und umgekehrt, wogegen persona den verächtlichen Sinn, in dem wir zuweilen das Wort „Person", allerdings aber auch das Wort „Mensch" brauchen, bei den Römern wohl niemals gehabt hat. Auch von den Juristen wird, wo ein Mensch als an einem rechtlichen Verhältnis irgendwie beteiligt erwähnt wird, meistens persona, nicht homo gewählt, ohne daß man jedoch daraus die Berechtigung herleiten dürfte, persona als ein Juristenwort zu bezeichnen: in der juristischen Litteratur stellt sich uns der Gebrauch von persona und sein Verhältnis zu homo, vir genau in der nämlichen Weise dar, wie in der nichtjuristischen.

2. Die andere, seltener zwar, aber doch häufig genug auftretende Bedeutung von persona ist: Gesichtsmaske, Larve, die der Schauspieler auf der Bühne trägt.

Es ist nun für die vorliegende Untersuchung und auch darüber hinaus für die Sprachgeschichte von Interesse, das historische Verhältnis dieser beiden Bedeutungen von persona zu einander zu ermitteln.

Von jeher hat man, wie auch die Alten schon taten, die Bedeutung Maske" als die ursprüngliche angesehen und sich dafür auf Etymologien berufen 1), die jedoch durchgängig aller Begründung

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1) Nach Gellius' (V, 7) Berichte leitete Gavius Bassus persona von personare her, wegen der in der Schauspielermaske angebrachten askustischen Vorrichtung. Man wird diese Etymologie mit Rücksicht auf die Quantitätsverschiedenheit des ŏ in persōna und in personare und in Erwägung des Ŏ in den Kompositen persŏnus, consonus, dissõnus ohne weiteres verwerfen dürfen; ebenso, aber aus anderen Gründen die in Comment. Einsidl. in Donati artem minorem (Gramm. lat. ex rec. H. Keil. suppl. anecd. Helvet. ex rec. Hagen p. 248,33) angegebene Ableitung: Persona, verbale nomen a verbo persono, personas' et dicitur persona, eo quod per se sonat. Im höchsten Grade unsicher ist auch die von vielen Neueren verteidigte Ableitung von лооσшлεłοv, die Maske, das die römische Volkssprache in die dem Lateiner bequemer liegende Form persona umgewandelt haben soll. Warum

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