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und vermutlich den in dieser so häufigen Gebrauch des für viele Fälle so bequemen Wortes persona in sein Griechisch übertragen hat. Und noch näher liegt es, bei dem griechisch schreibenden Römer Herennius Modestinus in der gelegentlichen Verwendung voп лооошлоν пach Art des ihm gewohnten persona einen Latinismus zu erblicken.1)

Das Auftreten voп лоóσшлоν mit adjektivischem Attribut und mit einem Genetiv bei den Kirchenschriftstellern des 2. und 3. Jahrhunderts beruht, abgesehen von allgemeinen Ursachen, auch noch auf einem ganz besonderen Grunde, der alsbald den Gegenstand einer besonderen Darlegung bilden wird. Dagegen liegt es nahe, den Gebrauch von лоóσшлоv im Sinne von persona, namentlich mit einem Genet. appos. nach Art des bei persona geläufigen in den Papyrusurkunden wiederum auf römischen Einfluß zurückzuführen, der sich vermutlich in Ägypten in der Gerichtssprache und dann auch in der Vulgärsprache geltend gemacht haben wird.2)

1) Daß er nicht Grieche war, ist besonders zu schließen aus Dig. 38, 10, 4,6: mater autem eorum socius appellatur, cum apud Graecos proprii viri pater ἑκυρός, mater vero ἑκυρά vocatur apud Graecos δαήρ.

glos

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levir

apud Graecos yáλws etc. In seinen lateinischen Schriften gebraucht er persona in der allgemein üblichen Weise als Füllwort (Dig. 23, 1, 14, 35, 1, 51, 1. 42, 1, 10. 49, 1, 16. 50, 16, 101, 1) und absolut (Dig. 48, 4, 7, 3, 50, 17, 196).

2) Ein lehrreiches Beispiel für die Art, wie dieser Einfluß sich betätigen konnte, gibt der Papyrus von Cairo (um d. J. 322). (vergl. oben S. 45 Anm. 1). Der griechische Text ist, wie Collinet u. Jouguet a. a. O. richtig bemerkt, eine vom Gerichtsschreiber auf Grund des Protokolls angefertigte griechische Übersetzung des in lateinischer Sprache erlassenen Dekrets, die den des Lateinischen nicht mächtigen Parteien zugestellt wurde. In dem Dekret aber hieß es: Q Sper d(ixit). demonstrantae suscepto tuo obnoxias personas exactor civitatis nullam inquietudinem contra justitiae rationem ex persona eorundem eundem susceptu(m) tuum sustinere patietur, und dem entsprechen in der griechischen Übersetzung genau die Worte des griechischen Textes τὰ ὑπεύθινα πρόσωπα

ἀπὸ προσ

που τῶν αὐτῶν. Da außerhalb der kirchlichen Litteratur in dieser Zeit лgóơωπον mit einem Genet. appos., wie es scheint, noch nicht üblich war, SO wird dieser Gebrauch wohl auf diesem Wege damals in die Gerichtssprache und auch in die Vulgärsprache eingedrungen sein. (Über den Gebrauch der lateinischen Sprache in den Provinzen des hellenistischen Sprachgebiets vergl. Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht S. 185 f.). Auf den Zusammenhang der Bedeutung von „Person" für лo̟óσwлоv mit der Gerichtssprache läßt sich vielleicht auch aus einer Stelle bei Phrynichos Ἐκλογὴ ῥημάτων καὶ ὀνομάτων (rec. Rutherford p. 474 CCCLVI) ein Schluß ziehen: Τὰ πρόσωπα παρῆν ἀμφότερα· οἱ ἀμφὶ τὰς δίκας ῥήτορες οὕτω λέγουσι παραπαίοντες, worauf er nach einer wortreichen Aus

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Daß in den in griechischer Sprache erlassenen Kaiserkonstitutionen seit dem 5. Jahrhundert лоóσwлоv in derselben Weise wie im Lateinischen persona auftritt, das erklärt sich, wenn man annimmt, daß die griechischen Konstitutionen zum Teil erst lateinisch aufgesetzt wurden.1)

Ganz evident aber ist es endlich, daß die zur Zeit Justinians plötzlich sich zeigende Überflutung der Sprache der Gesetze und der juristischen Litteratur durch das Wort лоóσшлоv in allen jenen Anwendungsarten, wie wir sie an persona kennen gelernt, mit der Justinianischen Kodifikation zusammenhing. Die mit ihr befaßten Juristen, die auch gewiß zum Teil bei der Redaktion der neuen Gesetze Justinians beteiligt waren, atmeten die Luft der römischen Juristenschriften und Konstitutionen und sogen nicht nur römische Rechtsbegriffe und Rechtssätze, sondern auch syntaktische Verbindungsweisen der lateinischen Sprache in sich ein, und wo sie römisches Recht in griechische Formen zu gießen hatten, da haben sie bekanntlich, wie besonders die Schrift des Theophilus und die Basiliken zeigen, meist in sklavischer Anlehnung an die lateinischen Texte diese wörtlich übersetzt. So haben sie auch persona in unzähligen Fällen, in denen sie es in ihren Vorlagen fanden, ins Griechische übertragen, und zwar in allen Fällen, in welcher Bedeutung es ihnen auch entgegeneinandersetzung über die Notwendigkeit der Rückkehr zur Sprache der alten Redner in seinem übertriebenen Purismus schließt: Τὰ δὲ πρόσωπα, πῶς πρόκειται, οὐκ ἐροῦμεν, ἀλλὰ καθάπερ οἱ παλαιοὶ, οἷον καλὸν ἔχει πρόσωπον. Der im Eingang stehende Satz stellt offenbar eine in den Gerichten gebräuchliche Formel dar, in der in irgend einem aus der Stelle nicht feststellbaren Zusammenhange von den Gerichtsrednern die Anwesenheit beider Parteien bei einem Vorgange konstatiert wurde. Daß der Sprachkritiker aber gerade nur gegen diese Formel mit dem in ihr enthaltenen лоóσшлоν seinen Tadel richtete, das spricht dafür, daß der Gebrauch voп лоóσшлоν im Sinne von „Person" sich damals (im 2. Jahrh. n. Chr.) in Kleinasien auf die Gerichtssprache beschränkte, in die es aus der von den römischen Beamten und ihrem Personal in den Verhandlungen verwendeten lateinischen Sprache, als Übersetzung des im Lateinischen ja, wenn auch niemals als technischer Ausdruck, so häufig gebrauchten persona sich übertragen haben könnte.

1) Das nimmt an Krüger, Gesch. der Quellen des röm. R. S. 274, Anm. 84. Allerdings wird es durch die von ihm dafür angeführte Stelle der Notitia dignitatum c. 19 nicht voll bewiesen. Es heißt dort (O. Seeck 44,12): Magister epistolarum graecarum: Eas epistolas, quae graece solent emitti aut ipse dictat, aut latine dictatas transfert in graecum; aber der Begriff epistola deckt sich doch nicht mit dem der constitutio. Über den Gebrauch der lateinischen Sprache im Ostreich seit der Teilung des Reiches vergl. Krumbacher, Gesch. der byzant. Litt. (2. Aufl.) S. 3 f.

treten mochte, schablonenmäßig mit лоóσлоv wiedergegeben, das in der Bedeutung „Maske" schon von altersher dem lat. persona korrespondierte, später aber, wie oben nachgewiesen wurde, vereinzelt auch in anderen Bedeutungen im Griechischen verwendet worden war. Von diesem in der Juristensprache errungenen Siege datiert wahrscheinlich seine allgemeine Herrschaft in der Volkssprache.

$ 6.

Fortsetzung. ПIPоION bei den Kirchenschriftstellern und bei den byzantinischen Juristen. — 'AПPOQ1102(ON). · ΑΠΡΟΣΩΠΟΣ (ΟΝ).

Es ist bisher einer Erscheinung noch nicht Erwähnung geschehen, die sich bei den Kirchenschriftstellern in einer bisher meines Wissens noch nicht genügend beachteten Weise zeigt, und deren Würdigung nicht blos unser sprachgeschichtliches Interesse beansprucht, sondern auch für die vorliegende Untersuchung von Wichtigkeit ist, weil die Verteidiger der technischen Bedeutung von persona und лóσшлоv sie vielleicht, wenn auch unberechtigterweise, für ihre Lehre auszubeuten versucht sein könnten.

Während nämlich bei лоóσwлоv im profanen Gebrauch, genau wie bei persona, durch einen hinzugefügten Genetiv stets nur ein einzelner Mensch bezeichnet wird, so zeigt sich bei dem лооошлоν der Kirchenschriftsteller, besonders bei Origenes und in der Kirchengesetzgebung eine große Mannigfaltigkeit der Wesen, deren Namen im Genetiv zu ihm hinzutreten.

Nicht nur von dem лo̟óσшлоv menschlicher, sondern auch göttlicher Wesen, von Engeln und Heiligen wird gesprochen; und nicht nur von dem einzelner Menschen und von Mehrheiten individuell bestimmter Menschen usw., sondern auch von dem лоóσшлоv1) der Kirche, und nicht nur von dem лоóошлоv sichtbarer, sondern auch unsichtbarer Dinge 2).

1) Vergl. Cod. Just. 1, 2, 15 pr. (Zeno): Ei vis dwgeàv nivytāv î ánivýtwv πραγμάτων ἢ οἱουδήποτε δικαίου ποιήσοιτο εἰς πρόσωπον οιουδήποτε μάρτυρος ἢ ἀποστόλου ἢ προφήτου ἢ τῶν ἁγίων ἀγγέλων

2) Vergl. z. B. Irenaeus contra haeres. III, 10, 9 (Migne patr. S. Gr. 7, 890) ματαίοι πάντες καὶ ἀμαθεῖς προσέτι καὶ τολμηροὶ οἱ εἴτε πλείονα εἴτε

Wenn mancher Jurist vielleicht behaupten wird, und von dem hergebrachten Standpunkt aus folgerichtig behaupten würde, hier sei die Kirche als juristische Person gemeint, so würde man ihm entgegenhalten dürfen, daß dann auch die Seele eines Menschen, die heilige Schrift, die Evangelien es sein müßten.

Aber wie kam man zu diesem Sprachgebrauch? Es scheint nahe zu liegen, hier auf Stellen bei griechischen Dichtern hinzuweisen, in denen gleichfalls πρόσωπον mit im Genetiv beigefügten abstrakten Nomina verbunden auftrat; so Euripides, Iphig. in Aul. 977 sq.:

ποῦ τὸ τᾶς

αἰδοῦς, ἢ τὸ τῆς ἀρετᾶς

σθένει τι πρόσωπον

Aristoph. Aves, 1318 sq.

τί γαρ οὐκ ἔνι ταύτῃ
καλὸν ἀνδρὶ μετοίκειν;

Σοφία Πόθος ἀμβροσίαι Χάριτες

τό τε τῆς ἀγανόφρονος ἡσυχίας εὐάμερον πρόσωπον.

Und Lobeck1) hat sogar die Vermutung ausgesprochen, daß derartige Stellen es gewesen seien, die der Verbindung von πρόσωπον mit Personenbezeichnungen im Genetiv zum Vorbilde gedient und den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Bedeutung „Person“ gebildet hätten.

Aber abgesehen davon, daß aus naheliegenden Gründen dieser Hergang der Dinge ganz unglaublich scheinen muß, so geht man vollkommen fehl, wenn man in jenen Stellen etwa in dem Worte πρόσωπον den bildlichen Ausdruck für ein menschliches Wesen sieht, ja überhaupt diesem Worte hier irgend eine übertragene Bedeutung

ἐλάττονα τῶν εἰρημένων παρεισφέροντες Εὐαγγελίων πρόσωπα. Origenes Sam. I, 28 (III p. 2, 29 sq.) – καὶ ἔπεσεν ἐπὶ πρόσωπον καὶ προσεκύνησεν. εἶτα πάλιν τὸ πρόσωπον τῆς γραφῆς. Hom. über Jerem. ΧΙΧ (ΙΙΙ p. 167, 1 sq.) — ἵνα ἡ ἐπιφάνεια αὐτοῦ ποιήσῃ φῶς ἐπὶ τοῦ προσώπου τῆς ψυχῆς μου. Johannes - Komm. (IV p. 473, 6) πρὸς τὰ Μωϋσέως γνωσθέντα καὶ δοξάσαντα τὸ πρόσωπον τῆς ψυχῆς αὐτοῦ. ibid. IV p. 148, 15: ταῦτα πάντα δεῖν ἀκούεσθαι καὶ περὶ τοῦ προσώπου τοῦ διὰ τοῦ Ἰωάννοου νοουμένου. Nestorius ad Hebr. 3, 1 (Loofs, Nestoriana p. 239, 17) καὶ τὸ τῆς φύσεως κοινὸν ἐν τῷ τοῦ ̓Αβράαμ ἀναδέχεται γένει, ἵνα δείξας ἐν ἑαυτῷ τὸ τῆς φύσεως πρόσωπον ἁμαρτίας ἐλεύθερον.

1) In seiner Ausgabe des Phrynichos (1820) S. 380.

beimißt. Sicher wollten die Dichter, indem sie vom Gesichte der Tugend, der Moral, des Friedens sprachen eben von nichts anderem als von ihrem Gesichte sprechen. Denn es wäre in hohem Grade unpoetisch, wenn ein Dichter, um dem Hörer einen abstrakten Begriff in menschlicher Gestalt erscheinen zu lassen, ihn, wie der Maler ihn allegorisch als solchen darstellt, ausdrücklich, und täte er es auch nur durch einen metaphorischen Ausdruck, geradezu als solche bezeichnete. Er denkt sie sich als menschliche Gestalten, und von dieser Vorstellung ausgehend kann er alsdann im eigentlichen Sinne von ihrem Antlitz sprechen und es wie Euripides und Aristophanes hier taten, als ein kraftvolles, mildes, heiteres schildern, wodurch allerdings der Hörer genötigt wird, nicht etwa das Antlitz als den Ausdruck für die ganze Gestalt zu verstehen, aber doch die Vorstellung der ganzen Gestalt, von deren Gesicht ihm gesprochen wird, sich selbst in seiner Phantasie zu bilden 1). Von hier aus gab es keinen Weg, auf dem das Wort лóσшлоν zu der Bedeutung „Mensch“, Person hätte gelangen können.

Daß in den oben erwähnten Zusammenhängen Origenes und die anderen genannten Schriftsteller mit dem Gebrauch von лоóσwлоv einen poetischen Effekt bezweckt haben könnten, ist ausgeschlossen. Nur ein anderer Weg kann sie zu diesem Sprachgebrauch geführt haben; und sofort wird er uns sichtbar, wenn wir bedenken, daß es sich um einen Sprachgebrauch der Theologen handelt. So liegt es nahe, an eine religiöse Quelle zu denken. Und welche läge hier näher als die Bibel? Außerordentlich häufig findet sich denn auch im Neuen Testament лóошлоv in Verbindung mit Genetiven der zu bezeichnenden Person, wobei das Wort лóσwлov für das Bewußtsein des Lesers völlig zurücktritt und als bedeutungsloses Füllwort erscheint (wie in dem unzählige Male zu lesenden πρόσωπόν μου, σου, ἡμῶν, αὐτοῦ, τοῦ κυρίου, τοῦ Χριστοῦ, ferner dyyέlov, IIɛiλátov u. a.), in einer Verwendungsart also, die, abgesehen von den Kirchenschriftstellern und anderen, wahr

1) Das gleiche poetische Kunstmittel gebraucht Plotin, enn. I, 6, 4 (ed. Creuzer I p. 104, 11 D.): οὐδὲ περὶ ἀρετῆς φέγγους, τοῖς μηδὲ φαντασθεῖσιν, ὡς καλὸν τὸ τῆς δικαιοσύνης καὶ σωφροσύνης πρόσωπον, καὶ οὔτε ἔσπερος οὔτε ἑῷος οὕτω καλόν.

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