Page images
PDF
EPUB

Staate, Vereinen, Stiftungen, Anstalten zuschreibt, und sich diese hier, übereinstimmend mit den Anschauungen des Lebens, als selbständige Wesen vorstellt, und in rechtlicher Hinsicht den Menschen

[ocr errors]

einer Methode, die ohne die Vermittlung der am letzten Ende niemals ohne das Medium der äußeren Sinne oder der Beobachtung unseres eigenen Inneren zu gewinnenden Erfahrung über die Erscheinungen der äußeren Welt und unseres Seelenlebens Erkenntnisse gewinnen zu können glaubt, gerade den Vorwurf nicht ersparen dürfen, den Gierke in dem a. a. O. S. 18 über seine Gegner ausgesprochenen Anathematismus ihnen entgegenschleudert: „sie hat die Schwelle der wissenschaftlichen Selbstbesinnung nicht überschritten". Die ganze Stärke und die Macht der Propaganda der sogenannten organischen Theorie beruht lediglich darauf, daß sie von ihren Vertretern immer und immer wieder in derselben Gestalt verkündet, und Lesern und Hörern nachdrücklichst eingeprägt wird, die ihr von ihren Gegnern entgegengestellten Gründe aber einer Widerlegung nicht gewürdigt werden. Sie selbst aber stützt sich überhaupt nicht auf Gründe, sondern besteht nur in Behauptungen und Gleichnissen, für die sie, wenngleich in dem Gewande einer wissenschaftlichen Theorie einhergehend wenn man den Nebel dem Verstande nicht faßbarer metaphysischer Phrasen noch so nennen will nicht innere Überzeugung, sondern gläubige Hinnahme heischt. Das einzige Argument, das sie ihren Gegnern entgegenzusetzen weiß, liegt in dem Hinweis, daß Wirklichkeit nicht allein dem zukomme, was wir mit den Sinnen wahrnehmen können. Inwieweit dies richtig oder falsch ist, kann hier ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage, was „Wirklichkeit“ ist. Aber auch wenn man es uneingeschränkt zugeben wollte, so folgt doch daraus, daß es Wirklichkeiten gibt, die wir mit den Sinnen nicht wahrnehmen können, keineswegs, daß allem mit den Sinnen nicht Wahrnehmbaren, dem jemand Wirklichkeit vindiziert, und wenn er es mit noch so laut erhobener Stimme tut, auch Wirklichkeit zukommt. Auch die Religionsstifter aller Zeiten haben für die von ihnen verkündeten Heilswahrheiten nicht ihre eigene Autorität allein eingesetzt, sondern sich mindestens auf höhere Offenbarungen berufen. — Der metaphysische Begriff, Persönlichkeit" ist es wohl auch, den Sohm (Der Gegenstand [1905] S. 87) im Auge hat, wenn er sie für ein Rechtsgut erklärt und sagt, sie werde mittelbar geschützt durch den Anspruchsschutz aller erworbenen Rechte, unmittelbar nur nach Maßgabe des allgemeinen Rechtsgüterschutzes gegen schuldhafte Verletzung (BGB 823--826). Aber in Wahrheit ist doch Persönlichkeit nichts anderes als die Eigenschaft, eine Person, d. h. ein Mensch zu sein; also wäre die Tatsache, daß jemand ein Mensch ist, ein Rechtsgut". Wozu aber dieser Zirkel? Der Kern der Sache ist, daß alles Recht um der Menschen willen da ist und wie es keinen Rechtssatz gibt, der zuerst dem Menschen das Recht oder das Rechtsgut" Mensch zu sein verleiht, um es der Rechtsordnung möglich zu machen, alsdann einen mittelbaren oder unmittelbaren Schutz dieses Rechtsgutes zu organisieren, so liegt auch für die Rechtswissenschaft kein Grund vor, ihren ohnehin schon übergroßen Bestand an überflüssigen und zwecklosen abstrakten Begriffen um einen weiteren zu vermehren. Neuestens hat auch Hölder in seinem Werke „Natürliche und juristische Personen" sich mit der Bedeutung der Persönlichkeit" befaßt und ihr ein ausführliches Kapitel (S. 1 bis 42) gewidmet. Auch er aber kommt nicht über die Definition „Persönlichkeit ist die spezifisch menschliche Individualität“ hinaus, was doch, wenn man Persön

"

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

zur Seite stellt, überträgt man auch auf sie den Namen Person und nennt sie bekanntlich juristische Personen" im Gegensatz zu den „physischen Personen". Manche Systematiker haben deshalb den Begriff der Person durch eine die physischen und juristischen Personen zusammenfassende Definition bestimmt, in der sie als Person ein mit Rechtsfähigkeit begabtes „Wesen“ bezeichnen, um alsdann diese für das Recht in betracht kommenden Wesen in solche, die Menschen sind, und solche, die es nicht sind, einzuteilen.1)

lichkeit als eine Eigenschaft versteht, nichts anderes bedeuten würde als: „Persönlichkeit ist die Eigenschaft, ein spezifisch menschliches Individuum zu sein“, und wenn sie ein Wesen ausdrückt: „Person ist ein spezifisch menschliches Individuum“. Da nun das Wort „spezifisch" irgend ein besonderes Merkmal hier nicht bezeichnet, und da es ferner selbstverständlich, daß ein wirklich existierender oder als existierend gedachter Mensch, wie jedes Ding Individualität hat oder ein Individuum ist, so besagt Hölders Definition genau dasselbe wie: Eine Person ist ein Mensch. Damit ist es nun freilich wenig vereinbar, wenn er Persönlichkeit als eine der Steigerung fähige Eigenschaft bezeichnet (S. 115). Ist der Mensch eine Person in seiner Eigenschaft als Mensch so kommt ihm Persönlichkeit in um so höherem Grade zu, je voller, kräftiger und gesunder sein spezifisch menschliches oder geistiges Leben entwickelt ist." Wie übrigens in einer anderen Wissenschaft, - der christlichen Theologie - vor mehr als anderthalb Jahrtausenden der ursprünglich ohne eine besondere Tendenz in sie eingeführte Begriff „persona“ ganz ähnliche wissenschaftliche Evolutionen hervorgerufen hat, wie es in der Rechtswissenschaft geschehen ist, darüber vergl. unter §§ 8 ff. 1) Diese Begriffsbildungen sind in der juristischen Litteratur, und nicht nur in der deutschen, so verbreitet, daß es der Anführung von Belegen kaum bedarf. Nur für den Nichtjuristen, der diese Blätter vielleicht zur Hand bekommen sollte, lasse ich einige auf Person und Persönlichkeit bezügliche Ausführungen älterer und neuerer Juristen hier in kurzem Auszuge folgen.

[ocr errors]

Heineccius bei Arn. Vinnius in IV libr. Inst. (1726) p. 29: Jure veteri discrimen erat inter hominem et personam. Homo igitur, cuicumque contingit in corpore humano mens humana At persona est homo statu quodam veluti indutus. Höpfner, Theor.-prakt. Comm. über die Heineccischen Inst. (1783, in der 7. Ausg. von 1803, S. 91): Persona est homo statu civili praeditus. Folglich heißt nur der Mensch eine Person, welche einen bürgerlichen Zustand (status), welche Rechte im römischen Staate hat. Person ist ein Mensch, welcher einen bürgerlichen Zustand besitzt. Glück, Praktische Erläut. der Pand. II (2. Aufl.) S. 607: Überhaupt versteht man unter einer Person ein Wesen, dem Rechte zukommen. Thibaut, Pand. I (8. Aufl. 1834) § 118: Derjenige, welcher in irgend einer Rücksicht als Subjekt eines Rechts betrachtet wird, heißt insofern Person; besonders sofern man ihn als Subjekt bürgerlicher Rechte betrachtet. Kierulff, Theorie des gem. Zivilrechts I (1839) S. 83: Das Wesen des Rechts und des juristischen Besitzes ist der Wille - Das zum Wollen juristisch befähigte Subjekt hat Rechtsfähigkeit, juristische Persönlichkeit und Person. Böcking, Einl. in die Pand. des gem. Zivilr. (2. Aufl. 1853) S. 135: Die Persönlichkeit als die Eigenschaft einen

Dieser ganzen Begriffsbildung fehlt es, so wichtig man sie auch zu nehmen und für so unentbehrlich man sie zu halten pflegt, an jedem wissenschaftlichen und praktischen Werte. Man

gedachten Willens heißen die Menschen ihre Stellung im Recht bezeichnet. lichkeit eines rechtlichen Willens

S. 136:

es

Willen für sich haben zu können ist im Gebiete des Rechts identisch mit „Rechtsfähigkeit", der Eigenschaft, möglicherweise einen juristischen Willen für sich zu haben Rechtssubjekt zu sein. so erkennt das römische Recht die Willensfähigkeit des Sklaven nicht an und erklärt daher, der servus sei iure gentium nicht Person. Der servus bildete also einen Gegensatz zu der Person, welche er von Natur und im Recht ist; diese nennen wir die physische oder natürliche Person das Substrat, der Träger (tỏ ýлozεíμevov) dieser Persönlichkeit ist die natürliche, leibliche Individualität des Menschen; können Subjekte, welche nicht Menschen sind, als Personen gelten; wir nennen sie daher juristische Personen. Puchta, Pand. 522: Indem wir den Menschen in seinen rechtlichen Beziehungen betrachten, heben wir dies an ihm hervor, daß ihm die Möglichkeit eines Willens zukommt. Als Subjekt eines solchen in der Potenz Personen; mit diesem Wort wird daher Persönlichkeit ist also die subjektive Mögdie Eigenschaft, wodurch der Mensch ein Subjekt rechtlicher Beziehungen ist. Sie ist durch Rechtsvorschrift mit der Existenz des menschlichen Individuums verknüpft. Arndts, Lehrb. der Pand. § 24: Person ist im juristischen Sinn ein Individuum, das Subjekt von Rechten ist oder sein kann; darin, daß jemand als solches anerkannt ist, besteht die Rechtsfähigkeit, Persönlichkeit. Wächter, Pand. I, S. 172: Persönlichkeit ist diejenige Eigenschaft eines Wesens, vermöge deren es als mögliches und wirkliches Subjekt von Recht anzuerkennen und zu achten ist. Ein Wesen, welchem Persönlichkeit zukommt, nennen wir Person. Dernburg, Pand. I § 49: Rechtsfähig oder Rechtssubjekt oder Person ist, wer Rechte haben kann, wodurch er eines selbständigen Anteils an den Lebensgütern fähig ist. Regelsberger, Pand. I, S. 234: Was ein Wesen zur Person erhebt, ist die Rechtsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. S. 235: Die Rechtsfähigkeit ist durch Rechtssätze bestimmt. Hölder, Pand. S. 89: Person im Sinne des Rechts ist dasjenige Wesen, welches das Recht als Willenssubjekt anerkennt. Gierke, Deutsches Privatrecht I, S. 356: Rechtsfähigkeit bildet den wesentlichen Inhalt der Persönlichkeit und kann ihr niemals fehlen. kaum ein Lehrbuch des Privatrechts, das es verschmäht hätte, sich mit einer der der Definition von Person und Persönlichkeit dienenden Phrasen zu schmücken; und die eine solche Definition nicht geben, setzen sie jedenfalls voraus. Auch in die deutschen Gesetzbücher ist der juristische Begriff von Person eingedrungen: Allgem. preuß. Landr. I, 1, 1: Der Mensch wird, insofern er gewisse Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft genießt, eine Person genannt. Österr. ABGB § 16: Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als eine Person zu betrachten. Auch das BGB hat diese Begriffe und diese Einteilungen übernommen und sieht offenbar in der „Rechtsfähigkeit" das dem Menschen und den von ihm zu den „juristischen Personen" gerechneten Wesen gemeinsame, das Wesen der „Person“ ausmachende Kriterium. Vergl. BGB § 1, die Überschrift zu I, 1,1: „Natürliche Personen“, zu I, 1, 2: „Juristische Personen" und die im § 21 ff. gebrauchten Ausdrücke Rechtsfähigkeit erlangen, verlieren,

[ocr errors]

Es gibt

schleppt in den Begriffen „Person", „Persönlichkeit", "physische, juristische Person", "Rechtsfähigkeit" nur einen unnützen Ballast fort, mit dem die oberflächliche Systematik des achtzehnten Jahrhunderts über dieses reichen sie kaum zurück die wissenschaftliche Darstellung des Privatrechts beladen hat; und des Privatrechts allein; denn andere Disziplinen, wie z. B. Strafrecht und Staatsrecht haben in ihren Systemen entsprechende Figuren nicht aufzuweisen, so leicht es ihnen auch gewesen wäre, dem Privatrechtssystem hier in selbständigen Begriffsbildungen nachzuahmen.1)

Auch wenn die Aufnahme des Personenbegriffs und seine stete Verwendung in juristischen Erörterungen sich als für das Rechtsleben völlig harmlos und unschädlich erweisen sollte, so müßte er, sobald seine Wert- und Zwecklosigkeit einmal erkannt ist, aus dem System verbannt werden. Denn die Einschiebung zweckloser, wenn auch für den schließlichen Erfolg wissenschaftlicher und praktischer Schlußfolgerungen unschädlicher Begriffe, stellt immer eine nutzlose Verlängerung des Weges zur Erreichung des anzustrebenden Zieles dar, und selten auch läßt es sich mit Sicherheit voraussehen, ob nicht der rechtlose Eindringling unter Umständen dieArgumentationen, zu denen man ihm den Zutritt gestattet, auch einmal auf Abwege führen könnte. Und in einer Beziehung hat in der Tat der Personenbegriff, wenn vielleicht nicht so sehr in den praktischen Resultaten der auf ihn gestützten Rechtsprechung, als in dem Gange der wissenschaftlichen Forschung unabsehbaren Schaden angerichtet. Der endlose Streit um das Wesen der sog. juristischen Personen hätte niemals ent

[ocr errors]

entziehen, die im BGB und in der neueren Reichsgesetzgebung überhaupt nichts anderes bedeuten als: den Charakter einer juristischen Person erlangen, verlieren, entziehen. Auch die naturrechtlichen Systeme des 18. Jahrh. haben sich nicht enthalten können, dem von den Juristen so hoch gehaltenen Begriff von Person ihre Achtung dadurch zu erweisen, daß sie Definitionen von Person und Persönlichkeit gaben. So Kant, Metaphysik der Sitten (Kirchmann) I, S. 23 f. und Hegel, Grundlinien der Phil. des Rechts, § 35 f. Es ist nicht zu verwundern, daß ein Begriff, dessen Bürgerrecht in der Rechtswissenschaft so allgemein anerkannt ist, in den anderen Wissenschaften, als ein innerlich begründeter hingenommen und auch verwertet wird; so namentlich in neuerer Zeit von zahlreichen Historikern des christlichen Dogmas. Vergl. hierüber § 11.

1) Aber auch Staatsrechtslehrer haben den Begriff der Rechtsfähigkeit, der Person, Persönlichkeit, wie sie ihn in der Theorie des Privatrechts vorfanden, einfach entlehnt. So z. B. Jellinek, Allgem. Staatslehre S. 140 ff., 160.

stehen und eine außerordentliche Kraftvergeudung hätte verhütet werden können, wenn man nicht kritiklos, wie so viele andere hohle Begriffe, den der „Person" aus den scholastischen Lehrgebäuden des achtzehnten Jahrhunderts übernommen hätte. Daß man über die Frage, um die man auf dem als die Lehre von den juristischen Personen bezeichneten Gebiete unablässig streitet, nicht ins Reine zu kommen vermag, daß man es hier überhaupt noch nicht einmal zu logisch richtigen Fragestellungen gebracht, und daß endlich eine so heillose Theorie, wie die sogenannte organische Theorie nicht nur entstehen, sondern eine große Zahl von zum Teil enthusiastischen Anhängern finden konnte, an alledem tragen in erster Reihe die Schuld die Begriffe „Person“ und „rechtliche Persönlichkeit“.

Was dem Personenbegriff in seiner angeblichen technischen Bedeutung seinen festen Platz im Privatrechtssystem ursprünglich verschafft hat, das war die Erscheinung, daß die römischen Juristen Tata mit einer gewissen Vorliebe und zwar namentlich auch in systematischen Darstellungen des Privatrechts den Ausdruck persona gebrauchen, daß Gaius und die justinianischen Institutionen die personae als Gegenstand eines Hauptteils des ius privatum des ius quod ad personas pertinet bezeichnen und behandeln und daß auch bei nichtjuristischen Schriftstellern das Wort persona sich mitunter in einer von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichenden Verwendungsweise findet, die man nicht anders glaubte deuten zu können, als dadurch, daß man auch hier jene vermeintlich technischjuristische Bedeutung annahm.1)

[ocr errors]

new

Ein Teil der neueren Systematiker zwar scheint sich jetzt dem Bekenntnis nicht zu entziehen, daß jener Gebrauch von persona den klassischen Juristen nicht geläufig sei und sich nur bei einigen nichtjuristischen Schriftstellern finde, und daß unter den justinianischen Juristen der Antecessor Theophilus der erste und einzige sei, 15+ der das dem lateinischen persona korrespondierende griechische

1) Diese Annahme findet sich nicht nur bei allen Romanisten, sondern auch bei Germanisten, die jenen hierin folgten. Vergl. z. B. O. Gierke, das Genossenschaftsrecht III S. 36: „So entwickelte sich innerhalb des Privatrechts und für das Privatrecht der römische Begriff der Person, der bereits in dem alten Kunstausdrucke ,caput zum Durchbruch gelangt, sodann aber von der Jurisprudenz in der technischen Verwendung des Wortes persona' eine noch abstraktere Fassung empfing.“

[ocr errors][ocr errors][ocr errors][ocr errors]
« PreviousContinue »