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§ 3. Servitutium (servitium scr.) solemus appellare familias.

Idem lib. 67 ad edictum (Dig. 50, 17, 149).

Ex qua persona quis lucrum capit, eius factum praestare debet.

Paulus lib. 9 ad edictum. Dig. 3, 5, 14 (15).

Pomponius 1. XXVI. in negotiis gestis initio cuiusque temporis condicionem spectandam ait. quid enim, inquit si pupilli negotia coeperim gerere filii familias.

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vel servi aut

hic enim pro qualitate personarum et

actio formatur et condemnatio moderatur.

In allen diesen und zahlreichen anderen Stellen (vergl. z. B die bei Dirksen, man. lat. s. v. persona § 4 angegebenen) wird persona offenbar lediglich in dem gewöhnlichen Sinne von „Person" gebraucht, in Gaius' Institutionen I, 9 stehen persona und homo friedlich nebeneinander als Synonyma für Gewaltunterworfene jeder Art, zu denen doch auch die Sklaven gehören, wie für Gewaltfreie, ja in I, 120 serviles personae geradezu neben liberae personae.1) Solchen Stellen gegenüber wäre es eine kümmerliche Ausflucht, den Gebrauch von persona hier als eine auf Nachlässigkeit beruhende Abweichung von dem, was die strenge Terminologie erheischte, zu bezeichnen. Wozu wären denn die technischen Ausdrücke da, wenn sie gerade von den Technikern an entscheidenden Stellen in einer anderen als ihrer technischen Bedeutung gebraucht werden dürften. Die Wahrheit ist, daß in den meisten Stellen, in denen die römischen Juristen das Wort persona verwenden, sich ihre Aussagen einfach auf Menschen schlechthin beziehen und in ihnen keinerlei Veranlassung zu besonderer Betonung, daß es sich um durch „Rechtsfähigkeit" besonders qualifizierte Menschen handle, vorliegt.

Ebenso wie in der nichtjuristischen Litteratur findet sich bekanntlich auch in der juristischen persona sehr häufig in Verbindung mit einem Genetivus appositionalis und ohne einen anderen Zweck

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1) Andere Stellen, wo servi als personae bezeichnet werden, sind Dig. 30, 86, 2 (Julian.): servi quae eius personam attingunt 50, 16, 215 (Paulus): in persona servi dominium 50, 17, 22 (Ulpian.): In personam servilem nulla cadit obligatio.

als den stilistischen, dem Ausdruck eine gewisse Fülle zu verleihen, (persona patris, liberorum, patroni, liberti, cognatorum, socii, actoris, persona tua, eius etc.).

Ohne Bezeichnung der gespielten Rolle, also absolut, aber mit adjektivischem Attribut (wie bei Cicero: gravem severam etc. personam) steht es z. B. im Cod. Theod. 8, 18 3 Constantin. (326):

Insinuatum est quondam patres principalis coniugii copulatione destitutos in perniciem filiorum ultra misericordiam sanguinis properare et receptis deinceps aliis matrimoniis maiorem sibi in rebus filiorum vindicare personam;

d. h. sie maßen sich eine größere Rolle, umfassendere Rechte an, als ihnen zukommen.

Cod. Just. 6,60, 1,1 Constantin.

Parentes

ita omnia agere, tamquam solidum per

fectumque dominium et personam gerant legitimam.

Die Väter sollen in Bezug auf die zum Muttergut gehörigen Sachen ihrer Kinder so gestellt sein, als ob sie deren Herren wären und eine gesetzliche Rolle in Bezug auf sie spielten, d. h. als ob sie die Eigentümer wären (obwohl das Muttergut den Kindern gehört und dem Vater nur ein sehr freies Verwaltungs- und Nießbrauchsrecht daran zusteht).

Cod. Theod. 3, 17,1. Constantin. 319.

In universis litibus non prius puberem iustam habere personam, nisi interposito decreto aut administrandi patrimonii gratia aut ad litem fuerit curator datus.

Endlich mag, weil man auch den Cassiodor als Zeugen für die Bedeutung von persona als „rechtsfähiges Subjekt" angezogen hat, hier noch erwähnt werden, daß dieser Autor persona auch im Sinne von Maske im bildlichen Sinne gebraucht, und zwar hier nicht in der schon lange vor ihm üblichen übertragenen Bedeutung einer im Ernst gespielten Rolle und geübten Funktion, sondern als Bild für einen von jemandem hervorgerufenen Schein, also für Heuchelei:

Varia I, 4 (Mommsen, p. 14, 17):

in cassum personam fictae severitatis inducit, cum avarus pecuniae ambitum dissuadet,

wo in einer sonst sich seltener findenden Weise nicht ein eine

bestimmte Person oder einen bestimmten Menschentypus, sondern eine Eigenschaft ausdrückendes Nomen im Genetiv hinzugefügt erscheint, und wo dieses Nomen nicht wie sonst dasjenige bezeichnet, als was der Träger erscheint, sondern das, was er als Maske anlegt. 1)

Auch diese auf den Gebrauch von persona in juristischen und ihnen nahestehenden Quellen bezüglichen Nachweise haben also kein der unter den Juristen herrschenden Meinung irgendwie günstiges Ergebnis geliefert, ja zum Teil sogar ihre Unmöglichkeit dargetan.

$ 5.

Geschichte des Wortes ΠΡΟΣΩΠΟΝ.

Mit Rücksicht auf die als Stütze für die unter den Juristen herrschende Auffassung allgemein verwendeten Stellen des Theophilus (vergl. oben S. 9) ist auch das Wort лоóошлоv einer Вetrachtung zu unterziehen, für das man als das dem lat. persona entsprechende Wort die nämliche technisch-juristische Bedeutung „rechtsfähiges Subjekt" vindiziert hat. Eine eingehende Untersuchung über die Bedeutungsentwicklung voп лоóσшлоv ist von Interesse nicht blos für das in dieser Abhandlung verfolgte Ziel, sondern auch für ein anderes Gebiet, auf dem der Begriff лó̟óσwлоv eine wichtige Rolle spielt, für die Geschichte des christlichen Dogmas; und da von neueren Kirchenhistorikern ein unmittelbarer Zusammenhang des лоóσwлоv der Trinitätslehre und der Christologie mit dem vermeintlichen juristischen Personenbegriff behauptet worden ist, 2) so erscheint eine möglichst genaue Feststellung des Tatbestandes des Gebrauchs des Wortes лоóσшлоv unter Berücksichtigung aller für seine Bedeutungsentwicklung einflußreich gewordenen Momente geradezu geboten.

Die älteste Bedeutung von лоóσшлоν, in der es sehr häufig, und zwar ohne Konkurrenz einer anderen schon bei Homer auftritt,

1) Ein anderes Beispiel dafür vergl. in der bei Georges s. v. persona zitierten Stelle aus Lampridius: Gravitatis severitatisque personam non appetivi, sed a republica mihi impositam appetivi.

2) Vergl. unten § 11.

ist Gesicht" oder „Antlitz", dem es wohl auch der zu Grunde liegenden Vorstellung nach entspricht, als das was entgegenblickt".1) Alle anderen Bedeutungen können sich daher, da eine ältere etwa in vorlitterarischer Zeit schon untergegangene, schon mit Rücksicht auf die mit jener Bedeutung vollkommen harmonierende Etymologie nicht angenommen werden kann, nur aus der Bedeutung „Gesicht" entwickelt haben, und wir können demnach den Ursprung der verschiedenen Bedeutungen von πρόσωπον anders als die von persona bis zu einer auch in etymologischer Beziehung völlig aufklärenden Stelle zurückverfolgen.

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Als abgeleitete Bedeutungen werden in den Wörterbüchern regelmäßig verzeichnet:

1. Maske, die später auch durch лооошлεiоv ausgedrückt wird, 2) 2. Person.

Von einigen anderen, wie Vorderseite, Front eines Heeres, Bild,3)

"

1) Vergl. für die Etymologie von лоóошлоv K. Brugmann, Griech. Gramm. S. 31; für „Antlitz“ Heyne, D. W.-B. s. h. v. Von einer sonderbaren, die Bedeutung Maske" als die ursprüngliche zu Grunde legenden Ableitung berichtet aber Michael Ephesius in Arist. de part. animal. (Comm. in Aristot. ed. Acad. Litt. Reg. Boruss. T. XXII, 2 p. 52, 24): τὸ δὲ πρόσωπον, φησίν, ἢ ἐκ τοῦ πρόσθεν ὀπωπέναι καλεῖται πρόσωπον, ἢ ἐκ τοῦ πρόσω τὴν φωνὴν διαπέμπειν, die offenbar durch die bekannte Herleitung des Wortes persona von personare beeinflußt ist. 2) Nach Ulpian ad Demosth. de falsis leg. (vergl. die Stelle bei Stephanus Thes. s. v. лооwnɛłov) soll zu seiner Zeit лоσwnɛłοv allein, nicht mehr wie früher πρόσωπον die Maske bedeutet haben. In Wahrheit ist πρόσωπον zu allen Zeiten in diesem Sinne in Gebrauch geblieben; z. B. Origenes, лɛì εvõñs 20, 2 (II, p. 344, 11) ὥσπερ δὲ οἱ ὑποκριταὶ οὐχ ὅπερ λέγουσιν εἰσιν, οὐδ ̓ ὅπερ βλέπονται καθ ̓ ὁ περίκεινται πρόσωπον τοῦτο τυγχάνουσιν. adv. Celsum I, 48 (I p. 100, 6) ὅτι καὶ τοῦτο τῷ Ἰουδαικῷ προσώπῳ περιεθήκασιν ; vergl. ferner das. Ζ. 10; p. 109, 9, 164, 23; 201, 34 περιθεῖναι τῷ Ἰουδαικῷ προσώπῳ ἕνα προφήτην u. a. Nestorius, Fragm. bei Loofs, Nestoriana S. 358: ὅτι μορφὴ θεοῦ ὑπάρχων μορφὴν περιβέβλημαι δούλου, πρόσωπον.

ὅτι δεσπόζων τοῦ παντός, πτωχεύοντος δι ̓ ὑμᾶς περιβέβλημαι

1:

3) cf. Polybius, 6, 53, 15: Ἡ δὲ εἰκών ἐστι πρόσωπον εἰς ὁμοιότητα διαφερόντως ἐξειργασάμενον καὶ κατὰ τὴν πλάσιν καὶ κατὰ τὴν ὑπογραφήν (von den römischen Ahnenbildern). Die Inschriften bei Dittenberger, Orient. gr. inscr. I 432, τοῦτο τὸ πρόσω(π)ον Μασδάνου κτέ. 433, 1; 434, 1. Anath. Conc. V. Constantinop. (Hahn, Biblioth. der Symbole u. Glaubensregeln der alten Kirche p. 171): · καὶ κατ' ισότητα βασιλικῆς εἰκόνος εἰς πρόσωπον τοῦ θεοῦ λόγου προσκυνεῖσθαι. Nestorius ad Hebr. 3, 1 bei Loofs, Nestoriana p. 237, 19: & Havlos deínvvoi tậ τοῦ Χριστοῦ προσώπῳ τὰ τοῦ νόμου κεκινημένα.

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Erscheinung, Gestalt 1), Glanz, Ansehen, Ruf 2), Person im grammatischen Sinne darf hier abgesehen werden.

Die Bedeutung Maske ist schon für die klassische Periode der griechischen Litteratur nicht zweifelhaft, und vollkommen klar ist auch, auf welche Art sie sich von der ursprünglichen Bedeutung abspalten konnte. Die Schauspielermaske ahmt ein menschliches Gesicht nach, und man kann sie darum, wenn wir von ihrer stofflichen Beschaffenheit und davon absehen, daß sie den ganzen Kopf umgab, und ihren Zweck und den mit ihr bis zu einem gewissen Grade auch erreichten Erfolg, anderen ein menschliches Gesicht vorzutäuschen, allein ins Auge fassen, geradezu ein Gesicht nennen; sie ist ein künstliches Gesicht, genau so, wie die Vorderseite des menschlichen Kopfes ein natürliches ist. Es ist aber eine bekannte Art von Synekdoche, welche die Species (hier: das künstliche Gesicht) durch das das ganze Genus (hier: Gesicht) bezeichnende Wort ausdrückt. Wenn wir uns aber bei Gesicht doch nicht blos die abstrakte mathematische Fläche, sondern ein substanzielles Stück des menschlichen Kopfes mit seinen Farben, seinem Inkarnat, seinem seelischen Ausdruck vorstellen, und wenn ferner nicht selten das Mittel, durch das ein beabsichtigter Erfolg erzielt wird, durch das diesen selbst oder durch das auf dessen Hervorbringung gerichtete Handeln ausdrückende Wort bezeichnet wird (z. B. „Sicherheit" für Pfänder und Bürgen, cautio für eine Schuldurkunde), so konnte das Wort лоóσwлоv infolge eines Zusammenwirkens dieser verschiedenen psychologischen Momente zu der Bedeutung der Gesichtsmaske gelangen, und so ist es vermutlich schon von der Zeit her, da die Griechen zum ersten Male Gesichtsmasken vor Augen bekamen oder sie selbst erfanden, als Ausdruck für sie verwendet worden. Mit dieser Art der Erklärung wird man sich zufrieden geben dürfen; es läßt sich schwerlich auch in den

1) z. B. Eurip. Med. 1198: εὐφυὲς πρόσωπον. Auf die äußere Gestalt eines Dinges bezieht sich auch die Stelle aus Plutarch, epit. I, 29 bei Diels, Doxogr. Gr. p. 326: Επίκουρος ἄστατον αἰτίαν προσώποις χρόνοις τόποις.

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2) Vergl. Praechter, Philologus N. F. Bd. 63 S. 155 ff. und die dort angef. Stellen. Im Sinne von Ruf ist es aber wie dieses deutsche Wort neutral; so daß z. B. Theophilus paraphr. 2, 18, 1 (Ferrini p. 197) aiozęòv лóоwлоV in der Bedeutung von Bescholtenheit gebrauchen konnte: ἡνίκα αἰσχρὸν ἐπέχουσιν οἱ γεγραμμένοι πρόσωπον οἷον ἡνίοχοι μῖμοι κτἑ.

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