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Gedanken von zahllosen einzelnen, verschiedenen Generationen, Bildungs- und Interessenkreisen angehörigen Individuen.

Für das Endziel dieser Untersuchung, den Nachweis der Unhaltbarkeit des allgemein behaupteten juristischen Begriffs von persona ist es wichtig, auf folgende Beobachtung hinzuweisen. Auch das von dem Genet. appos. freie Wort persona tritt niemals prädikativ auf; niemals wird von einem Wesen schlechthin ausgesagt, daß es eine persona sei (wie man von jemandem aussagen kann, daß er ein Mensch sei, z. B.: homo sum, nihil humani etc.), wie es sicher dann zu erwarten wäre, wenn persona auch soviel wie rechtsfähiges Subjekt bedeutet hätte, und in der Regel findet sich persona, gleichviel welche Stellung es in dem Urteil einnimmt, entweder in Verbindung mit einem adjektivischen Attribut (z. B. libera, subiecta, interposita, supposita, honesta, vilis, turpis persona) oder mit einem Pronomen demonstr. (haec, illa, ista) oder indef. (z. B. quaedam, quaevis, quaelibet, quaecumque) oder possess. (z. B. mea, tua) oder einem Adiect. pronominale (talis), oder einem Zahlwort (una, duae, singulae, singularis, multae, plures, nonnullae, tot, quot personae). Aber auch hier soll mit personae überall nichts gesagt werden, was nicht schon aus dem auf ein oder mehrere menschliche Wesen hinweisenden Zusammenhang unmittelbar bekannt wäre; es bedeutet zwar Menschen, es soll aber mit der Aussprache dieses Wortes nicht irgendwie betont werden, daß von einem Menschen die Rede sei. Nur in selteneren Fällen, nämlich wo Menschen und Dinge einander gegenübergestellt werden, liegt ein Akzent auf persona, wie namentlich öfter in juristischen Erörterungen, z. B. bei Gaius in seiner systematischen Ausführung über die verschiedenen Teile des Rechts: omne ius vel ad personas vel ad res vel ad actiones pertinet; bei der Gegenüberstellung von actiones in personam und in rem, oder bei der bekannten Charakteristik des tutor bei Marcian1): (tutor) personae, non rei vel causae datur, aber auch außerhalb juristischer Zusammenhänge. 2)

1) Dig. 26, 2. 14.

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2) In das Französische und Englische hat persona auch in der Bedeutung von Rolle Eingang gefunden, im Französischen vielleicht sich ununterbrochen vom Altertum her in dieser Bedeutung erhalten, nur daß es sie hier nur in der Form ,personnage hat. Für das Französische vergl. Hatzfeldt und Darmesteter,

Man wird der hier versuchten Erklärung des historischen Zusammenhanges zwischen persona, Maske und persona, Person nicht

Dict. gén. de la 1. fr. personnage § 2: ‚rôle que joue un acteur', wozu als Belege: Molière, femmes sav. 1,1:,que vous jouez au monde un petit personnage'. Impr. sc. 1. Je ne me souviens pas d'un mot de mon personnage'. La Rochefoucauld réfl. 39: ‚L'intérêt joue toutes sortes de personnages, même celui de désintéressé. Ferner s. v. personné, ée, personatus, u. a. als botanischer Ausdruck: les fleurs personnées. Für das Englische vergl. Flügel, Allg. engl. W. B. s. v. person, wo eine Reihe von Stellen aus Milton und anderen Schriftstellern des 17. Jahrh. angeführt sind, in denen sustein a person (of a prince, of a magistrate, of a friend) für das Spielen einer Rolle im übertragenen Sinne angeführt ist. In eigentlichen Sinne braucht übrigens Shakespeare das Wort im „Sommernachtstraum“, Akt 3, Szene 1: Quince: Ay; or also one must come in with a bush of thorns and a lantern and say, he comes to disfigure or to present the person of moonshine.

Auch im Deutschen findet sich in der älteren Litteratur und bis auf Goethe und Schiller Person in unmittelbarer Beziehung zum Bühnenwesen gebraucht und in der den Zusammenhang mit diesem noch verratenden übertragenen Bedeutung wie im Lateinischen, wofür ich aus Grimm, D. Wb. (VII, 1561 ff.) folgende Belege anführe: 1. Roth, dict. (1571): person, ein gemachtes gesicht, ein schempart, butzenantlitz. Diefenb. 431 a. d. J. 1516: personatus, der in einem spyl person ist. Hans Sachs: tragedia mit 24 Personen. Gryphius: Das Stück mit neuen Personen vermehret vorstellen lassen. Lessing: Die spielende Person. Goethe 13, 279: die lustige Person eines Stückes; besonders aber: 19, 172: wenn das so fort geht, wird unser Souffleur auch noch aus dem Loche steigen und zur Person werden. 2. übertragen: a) auf andere öffentliche Aufführungen: Fischart (1588): ire person in der mess spielen (von Pfaffen); b) auf die Schaubühne des Lebens: Logau: Die Person, die ich jetzo führe, auf dem Spielplatz dieser Welt, Will ich nach Vermögen führen, weil sie mir so zugestellt. Goethe: eine Person spielen; 13, 279: eine doppelte Person spielen. Schiller (Picc. 1, 3): Sie sehen nun selbst, wie mißlich die Person, die ich hier spiele. 3. Verallgemeinert: das äußere Ansehen, die Figur, Statur eines Einzelwesens. 1. Sam. 16, 7: sieh nicht an seine Gestalt, noch seine große Person. Paracelsus I, 262: er hatt ein Puckel auf dem Rücken und hatt auch sonst keine Person am Leib. Schiller, 2, 379: Schade nur, daß Herr Löck für seine Rolle nicht Person genug hat; Fiesko, 2, 3: Der Graf hat Person, Welt, Geschmack. Von Person klein sein usw. Dann aber ist auch aus dem Beginn des 16. Jahrh. schon der Gebrauch von Person im Sinne des Einzelwesens selbst, wie wir es täglich brauchen, belegt.

Zweifellos hat sich im Deutschen die Bedeutung Person = Einzelwesen, Mensch, nicht erst aus der Bedeutung „Rolle“ entwickelt, sondern alle die verschiedenen Bedeutungen, die das lat. persona allmählich angenommen hat und die in der römischen Litteratur noch nebeneinander auftraten, sind jedenfalls aus dieser unmittelbar entlehnt worden, so daß der Entwicklungsprozeß, wie er sich im Lat. vollzogen, im Deutschen nicht noch einmal durchlaufen zu werden brauchte. Merkwürdigerweise treten einzelne Bedeutungen, namentlich die des im Drama agierenden Schauspielers (vergl. oben die Stelle aus Goethe, 19, 172, wird zur Person") in

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den Einwand entgegensetzen dürfen, daß die Maske erst verhältnismäßig spät, erst etwa gegen Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr. in das römische Theater Eingang gefunden habe1), dagegen aber, wie die oben S. 18 angeführten Stellen aus dem Prolog zum Eunuchus des Terenz zeigten, mindestens eine der ersten übertragenen Bedeutungen von persona schon in der Zeit des Terenz in der lateinischen Sprache eingebürgert gewesen sein müsse. Aber bei der gewiß schon in alter Zeit, wie noch heute dem Südländer eigenen Vorliebe für Mummenschanz, werden auch außerhalb der Bühne bei privaten Lustbarkeiten von altersher bei den Römern Maskeraden heimisch gewesen sein, und auch im Theater wurden in den Atellanen in der Zeit schon, in der sie zuerst nach Rom gelangten, d. h. schon etwa seit der Mitte des dritten

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schärferer Akzentuierung auf als in der uns überlieferten römischen Litteratur. Schon aus den wenigen hier angeführten Belegstellen wird man schließen können, daß die Rezeption des Wortes persona in der deutschen Sprache auf gelehrtem Einfluß, jedenfalls dem der Humanisten, beruhe; die Verbindung eine Person führen“, wie sie noch Logau anwendet und die unverkennbar auf das personam gerere' zurückzuführen ist, weist bestimmt darauf hin. In der heutigen Verkehrs- und Schriftsprache scheinen sich übrigens die unmittelbar an das Theaterwesen anknüpfenden Bedeutungen fast völlig verflüchtigt zu haben, und das Sprachbewußtsein dafür, wie es bei Goethe noch lebendig war, geschwunden zu sein. Bemerkenswert ist übrigens, daß im 16. Jahrh. und bis tief in das 18. hinein eine Bedeutung von Person sich findet, die in der römischen Litteratur kein Vorbild hat, nämlich äußere Gestalt, so daß man von jemandem auch sagen konnte, er habe Person. Diese Bedeutung knüpft vielleicht an eine Bedeutung an, die persona im mittelalterlichen Latein angenommen zu haben scheint. (Vergl. das Zitat bei Ducange, Gloss. lat. V, p. 215 aus Stat. Mantuae [ohne Jahresangabe]: Qui quidem guaragnum talem et equum de Persona, forma et membrorum proportione de viribus et sufficientia opportuna examinent diligenter, wo persona doch wohl nichts anderes als die äußere Erscheinung des Pferdes bedeutet, eine besonders auch aus dem Grunde interessante Stelle, weil sie wohl in der gesamten bekannten Litteratur aller Zeiten abgesehen von der später zu erörternden Kirchensprache die einzige ist, in der persona auf andere als menschliche Wesen bezogen wird. Sie hat aber mit persona in personam habere', non habere', wie es später in § 7 zur Sprache kommen wird, keinen erkennbaren Zusammenhang.

1) Dazu stimmt es, daß Terenz die Rolle des Schauspielers im eigentlichen oder im übertragenen Sinne wo er von ihr spricht, niemals durch persona, sondern immer durch partes (gerere etc.) ausdrückt. (cf. Heaut. prol. 1 sq. quor partis seni Poeta dederit, quae sunt adolescentium. 10. Hunc quam ob rem has partis didicerim paucis dabo. Eun. 151: Sine, illum prioris partis hosce aliquot dies Apud me habere. Phorm. prol. 27: Quia primas partes qui agit.

Jahrhunderts v. Chr. von den Spielenden Masken1) getragen, und endlich war der Gebrauch der Maske ja auch bekannt aus der gewiß in alten Zeiten schon geübten Sitte, daß Schauspieler die Wachsmasken der Ahnen des Verstorbenen tragend und in deren Tracht diese im Leichenzuge auf Wagen sitzend darstellten2) und so könnte sich der Bedeutungswechsel auch schon vor Terenz vollzogen haben.

Es bedarf schließlich nicht besonderer Erwähnung, daß die Ergebnisse der verschiedenen Entwickelungsphasen, die das Wort persona durchlaufen hat, uns nicht nur in den uns erhaltenen Sprachdenkmälern von Plautus an bis in die späteste Zeit erhalten, sondern daß auch alle hier nachgewiesenen Bedeutungen zu allen Zeiten lebendig und nebeneinander in Gebrauch geblieben sind.

Für die Frage aber, deren Beantwortung den Zielpunkt dieser ganzen Untersuchung bildet, ergibt sich, daß nirgends in der Geschichte des Wortes persona ein Punkt sich findet, in dem eine technisch-juristische Bedeutung, wie man sie neuerdings wenigstens

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für die spätere Kaiserzeit annimmt, hätte einsetzen können, geschweige, daß sich eine solche für die Zeit der Republik oder die ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit bemerkbar gemacht hätte.

Zur Vervollständigung dieses Resultates soll hier aber auch noch an einigen Proben aus den juristischen Quellen gezeigt werden, daß sie eine spezifisch juristische Bedeutung von persona nicht nur nicht aufweisen, sondern auch die Annahme einer solchen mit der Art des Gebrauchs von persona in jenen Quellen in vollem Widerspruch steht.

Zunächst ist auf die von den Vertretern der herrschenden Meinung hervorgehobene, von ihrem Standpunkte aus natürlich als

1) vgl. L. Friedländer in Marquardt Röm. Staatsverw. III S. 527. Schanz, Gesch. der röm. Lit. I S. 153.

2) vergl. Benndorf, a. a. O. S. 374. Diese Masken, oder Duplikate von ihnen, wurden bekanntlich im Atrium der Häuser der Adligen in dafür bestimmten Gehäusen (armaria) aufbewahrt und hießen imagines; aber man wird sie gewiß auch personae genannt haben, wenn man ihre Funktion, dem Träger ein anderes Gesicht aufzusetzen, und nicht gerade die, das Abbild des Verstorbenen darzustellen, hervorheben wollte. So sagt auch Sueton, Vespasianus 19 mit Bezug auf die Bestattung Vespasians: sed et in funere Favor archimimus personam eius ferens imitansque, ut est mos exclamavit.

Anomalie anzusehende Erscheinung hinzuweisen, daß die römischen Juristen wiederholt auch Sklaven ganz unbefangen als personae bezeichnen. Da man den Sklaven allgemein die für den angeblichen Rechtsbegriff von persona als wesentlich bezeichnete „Rechtsfähigkeit" abspricht, so würde es eine nicht zu glaubende und den römischen Juristen unmöglich zuzutrauende Verwilderung ihrer Terminologie sein, wenn sie das Wort in juristischen Erörterungen auf Menschen angewendet hätten, denen das für die persona im Rechtssinn unentbehrliche Merkmal fehlte. Aber eine noch nachdrücklichere Sprache redet hier die Tatsache, daß gerade an solchen Stellen, in denen am sichersten ein Festhalten an dem technischen Gebrauch von persona zu erwarten gewesen wäre, nämlich in rein doktrinären, systematischen Ausführungen, persona sich in der vulgären Bedeutung „Person" findet. Namentlich ist hier hinzuweisen auf die Institutionen des Gaius, ein für Studierende bestimmtes Lehrbuch, in dem der Verfasser sich einer strengen Terminologie doch ganz besonders hätte befleißigen müssen. Hier finden wir folgendes:

I. 8. Omne ius quo utimur vel ad personas pertinet vel ad res vel ad actiones. et primum videamus de personis. 9. et quidem summa divisio de iure personarum haec est, quod omnes homines aut liberi sunt aut servi.

48. Sequitur de iure personarum alia divisio . nam quaedam
personae sui iuris sunt, quaedam alicuius iuri sunt
subiectae.

50. Videamus nunc de iis quae alieno iuri subiectae sunt
52. In potestate itaque sunt servi dominorum.

III., 16.

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itaque quotquot erunt ab utraque parte personae, in tot portiones etc.

IV. 136. Quaecumque autem diximus de servis eadem de ceteris quoque personis

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dicta intellegemus.

I., 120. eo modo et serviles et liberae personae mancipantur.
III., 128.
fit autem nomen transscripticium duplici
modo vel a re in personam vel a persona in personam.
Ferner Ulpian lib. 46 ad edictum (Dig. 50, 16, 1 sq).

Familiae appellatio qualiter accipiatur videamus. et quidem varie accepta est: nam et in res et in personas deducitur.

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