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jener Wörter gegebenen Rahmens: Schwarzröcke Schürzen konnten die erwähnte Bedeutung nur annehmen, weil Geistliche schwarze Röcke, Mädchen Schürzen zu tragen pflegen: mit caput, Kopf, Haut, Seele konnte sich der Sinn von Person, Mensch, verbinden, weil alle Menschen Köpfe usw. haben, und man jedem Menschen eine Seele zuschreibt. Nach Analogie dieser Übertragungen würde persona nicht den Menschen überhaupt, sondern nur den Schauspieler oder sonst maskierte Menschen bezeichnen können, wie ja in der Tat persona in den oben (S. 15) besprochenen Stellen aus Plautus, Persa und im Deutschen Maske nicht bloß die Gesichtsmaske, sondern auch den eine Maske tragenden Menschen bezeichnet. Daß aber eine solche metonymische Benennung des Schauspielers oder des maskierten Menschen die Bedeutung von Mensch, Person schlechthin angenommen haben könnte, ist nicht glaublich.1)

Um die nächste Phase in dem Bedeutungswechsel von persona zu erklären, muß man sich außer den beiden bisher allein in Betracht gezogenen Bedeutungen,,Gesichtsmaske", „Person" auch gewisse andere häufige Bedeutungen dieses Wortes und ferner die verschiedenen Verbindungen, in denen es auftritt, vor Augen halten.

Die an Alter der vorhin besprochenen Plautusstelle am nächsten stehende Stelle ist der Prolog zum Eunuchus des Terenz.

23. Exclamat

25. Colacem esse Naevi et Plauti, veterem fabulam
Parasiti personam inde ablatam et militis.

30. Colax Menandrist: in east parasitus Colax.
Et miles gloriosus: eas se non negat
Personas transtulisse in Eunuchum

Ex Graeca.

35. Quodsi personis isdem huic uti non licet:

Qui magis licet currentem servum scribere,
Bonas matres facere, meretrices malas

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1) In dieser Art stellt sich freilich Boethius die Entwicklung der Bedeutung von persona vor. cf. de persona et duabus naturis c. 3 (Migne, patr. S. L. LXIV, col. 1343): Sed quoniam personis inductis histriones individuos homines quorum intererat in tragoedia vel comoedia ut dictum est, repraesentabant, i. e. Hecubam vel Medeam idcirco caeteros quoque homines, quorum certa pro sui forma esset agnitio et Latini personam et Graeci лоóσжлα nuncupaverunt.

35 sq.

Hier bezeichnet persona

das zeigen besonders deutlich v.

augenscheinlich den Typus von Menschen, wie sie in der Komödie geschildert werden.

Ferner begegnen wir unzählige Male in der römischen Litteratur seit Cicero bis in die späteste Zeit den Verbindungen personam alicuius (Ballionis — regis — militis etc.) agere, gerere, suscipere, sustinere, denselben Verben ferner mit dem Objekt personam und einem adjektivischen Attribut: gravem et severam, vehementem et acrem.1)

Die Bedeutung dieser Ausdrücke ist überall: eine gewisse Rolle, die Rolle des Ballio, des Königs, des Soldaten, eine ernste Rolle usw. spielen. Hierbei ist zu bemerken, daß darum nicht etwa dem Worte persona für sich allein die Bedeutung Rolle zugeschrieben werden darf, daß vielmehr nur der ganze Ausdruck personam alicuius gerere = die Maske jemandes tragen, in einem Bilde ausdrückt, was wir unter Anwendung eines anderen Bildes (nämlich unter Vertauschung der von dem Schauspieler gesprochenen Worte mit der sie enthaltenden Papierrolle) durch „, die Rolle (des Königs usw.) spielen" bezeichnen, und was auch der Römer sonst in dem dem unserigen fast genau entsprechenden Bilde: partes alicuius agere ausdrückt, wo partes gewiß nichts anderes bedeutet, als die von dem Schauspieler auswendig zu lernenden und zu rezitierenden, vielleicht auch bei den Römern für die einzelnen Spieler ausgeschriebenen Stücke - Teile des Schauspiels.2)3)

1) Es ist unnötig, Belege anzuführen; die Wörterbücher, insbesondere Forcellini-Vit, geben ein massenhaftes Material. Auch in der juristischen Litteratur finden sich zahlreiche Beispiele, von denen ich hier nur anführe: Dig. 28,5. 16: et instituti et substituti personam sustinet 45,3. 1,4: communis servus duorum servorum personam sustinet.

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2) Charakteristisch ist darum auch der Plural,partes', weil es in der Regel eine Mehrzahl nicht zusammenhängender Abschnitte des Dramas ist, die der Schauspieler vorzutragen hat. Partes heißen übrigens auch die Lektionen, die den Schülern zum memorieren aufgegeben werden (vergl. Forcellini - Vit s. v. pars). Die Verschiedenheit der Ausgangspunkte, von denen aus die synonymen Ausdrücke personam gerere und partes agere zu ihrer gemeinsamen Bedeutung des Spielens einer Rolle gelangt sind, ergibt sich aus den verschiedenen Wörtern, die auf der einen Seite mit persona, auf der anderen mit partes verbunden werden. Die in Verbindung mit persona auftretenden deuten sämtlich auf einen körperlichen Gegenstand die Maske hin, die man anlegt, trägt, jemandem übergibt, abnimmt: personam capere, suscipere, sumere, induere, inducere, imponere; gerere, tenere, sustinere, ferre, tractare (schleppen); — deponere, abicere;

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Endlich heißt personam gerere etc. häufig nicht blos soviel wie eine Rolle auf der Bühne, im Drama spielen, sondern auch im Leben irgend eine Funktion verrichten; und darum ferner auch: eine andere Person vertreten, sofern der Vertreter gewisser

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dare, praebere, detrahere, demere alicui; ferner sub persona, ex persona alicuius. Von diesen werden einige allerdings imponere, suscipere, sustinere auch mit partes verbunden, was aber nur darum möglich war, weil diese Verba auch sonst schon in übertragenem Sinne gebraucht wurden, während bei einer Reihe anderer unter ihnen, z. B. inducere, abicere, detrahere eine Verbindung mit partes kaum denkbar gewesen wäre. Einige im eigentlichen Sinne nur auf körperliche Gegenstände beziehbare, aber oft auch in übertragenem Sinne gebrauchte Verben, die in der ursprünglichen Bedeutung auch mit persona hätten verbunden werden können, finden sich dennoch, wie es scheint, immer nur in Verbindung mit partes: excipere, subire; obtinere, deferre alicui; aber es beruht vielleicht nur auf Zufall, daß sie uns in Verbindung mit persona nicht überliefert sind. Mehrere Verben umgekehrt, die, in eigentlichem Sinne gebraucht, mit partes verbunden vorkommen, aber wenn auch freilich etwas gezwungen, persona als Objekt hätten zu sich nehmen können, finden sich mit diesem nie zusammen: tribuere, habere, deposcere. Endlich werden und hierin tritt die Verschiedenheit der Ausgangspunkte besonders klar zu tage mit partes zwei Wörter zusammengestellt, die mit persona sich unmöglich verbinden können: discere, transigere. Cicero Harusp. resp. 28 verbindet einmal pleonastisch persona und partes: hanc orationem non suscepissem, nisi hanc personam et has partes deberem et possem sustinere.

3) Unstatthaft wäre es hier, sich auf die in den Plautus- und Terenzausgaben durchgängig den einzelnen Komödien unter der Überschrift personae oder dramatis personae vorausgeschickten Verzeichnisse der spielenden Personen des Stückes zu berufen, um zu beweisen, daß persona schon bei jenen Dichtern die Bedeutung „Person" gehabt habe. Denn diese Verzeichnisse sind nur zur Bequemlichkeit des modernen Lesers von den Herausgebern hinzugefügt. Für Plautus finden sie sich weder im Palatinus noch im Ambrosianus, wie für ersteren die photographische Wiedergabe von Zangemeister, für letzteren das Apographum von Studemund zeigt; nur über den einzelnen Szenen sind die in ihnen auftretenden Personen aufgeführt. Ebenso steht es bei Terenz. In den illustrierten Handschriften seiner Komödien (über deren antiken Charakter zu vergl. Fr. Leo, die Überlieferungsgeschichte des Terenz, im Rhein. Museum für Phil., N. F. Bd. 38 S. 317 ff., 338) sind vor der Mehrzahl der in ihnen enthaltenen Komödien die Masken der Personen des Stücks in einem Armarium aufgestellt, aber ohne Angabe ihrer Namen, abgebildet (vielleicht nach dem Vorbilde der armaria, in denen die imagines, die Wachsmasken der Ahnen der Adligen im Atrium aufbewahrt waren) (cf. Codd. Graec. et lat. photogr. depicti t. VIII. (1903) Terentius, cod. Ambros. etc. ed. Bethe). Zu der ganzen Frage vergl. noch Wieseler, Theatergebäude und Denkmäler des Bühnenwesens bei den Griechen und Römern (1851) S. 43 sub 28. A. Spengel, Szenentitel u. Szenenabteilungen in der lat. Komödie, in den Sitzungsber., der phil.-hist. Kl. d. bayr. Akad. d. W. 1883 S. 257, 298 u. dazu O. Seyfert in Bursians Jahresber. über die Fortsch. der cl. AW., Bd. 47 (1887) 2. Abt. S. 10.

maßen die dem anderen eigentlich zukommende Rolle spielt; und in diesem Sinne tritt es auch in der juristischen Litteratur nicht selten auf.1)

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1) Z. B. Cicero, de off. 1, 34: magistratus gerit personam civitatis. Aus der juristischen Litteratur: Cod. Theod. 4, 22, 1: iudices absentium suscipiant in jure personam. Dig. 34,3 7,5: pupillum personam sustinere eius a quo legetur. 41,1 34: hereditas non heredis personam, sed defuncti sustinet. 46,2 24: heredem, cuius personam interim hereditas sustinet. 47,2 57 (58) 4: curator furiosi personam domini sustinet, (vorher: tutor domini loco habetur.) Es ist unrichtig, in den Stellen, in denen von der hereditas ausgesagt wird, daß sie personam defuncti sustinet, in diesen Worten, wie gewöhnlich geschieht, den Ausdruck der Personifikation der Erbschaft zu sehen. Wie eine Person, d. h. so als ob sie ein Mensch wäre, wird nicht etwa als eine „juristische Person" sie allerdings in gewissen Beziehungen behandelt. Das aber ist es nicht, was in diesen Stellen ausgesprochen wird. Das wird in ihnen vielmehr als bekannt vorausgesetzt; sie wollen nur sagen, es werde so angesehen, und die Rechtsverhältnisse werden, soweit das Vorhandensein, nicht auch etwa das Handeln, eines wirklichen Menschen erforderlich ist, so behandelt als ob hierauf allein kommt es dabei die Erbschaft der, als noch lebend gedachte Erblasser, nicht als ob sie der zur Erbschaft Berufene wäre. Die Fiktion, daß die Erbschaft eine persona d. h. ein Mensch sei, findet sich nur einmal in den Quellen ausgesprochen, in Dig. 46,1, 22 (Florentinus) in den Worten: hereditas personae vice fungitur, sie vertritt die Rolle eines Menschen, der als Träger der auf den Erben zu übertragenden Rechte und Pflichten erforderlich erscheint. Auf einer Kontamination beruht die Ausdrucksweise in Jnst. III, 14,2: nondum enim adita hereditas personae vicem sustinet, non heredis futuri, sed defuncti.

an

Die Bedeutung, die persona bei den lateinischen Grammatikern hat, bei denen es für die Personalpronomina und die die grammatische Person andeutenden Flexionsformen des Verbum das bezeichnet, was auch wir in der Grammatik unter „Person" verstehen (1., 2., 3. Person) habe ich im Texte übergangen, weil sie für den Zweck dieser Untersuchung nicht in Betracht kommt. Es scheint mir übrigens nicht zweifelhaft, daß auch sie mit der Bedeutung „Maske“ zusammenhängt. Diese Verwendung des Wortes haben die römischen Grammatiker sicher von den griechischen entlehnt, die das Wort лóσшлоv gebrauchen. In diesem Sinne wendet es, wie sich aus den Bemerkungen des Theodosius Alexandrinus (Gramm. graeci ed. R. Schneider vol. IV p. 10, 22) und des Sophronios (ibid. p. 413, 17 sq.) ergibt, schon der Verfasser des ältesten Handbuchs der griechischen Grammatik, Dionysius Thrax an. Apollonius Dyscolus (лεQì ȧvrovvμías ed. R. Schneider 1. c. vol. I p. 18, 14 sq.) sagt aber von den Pronomina und den die Person andeutenden verbalen Flexionsformen: ἐπιτήδειον γὰρ τοῦτο δεῖξιν σωματικὴν καὶ ψυχικὴν διάθεσιν παραστῆσαι. ὀρθῶς οὖν ἡ διορίζουσα λέξις τὰ προκείμενα πρόσωπον ἐκλήθη. Die Pronomina und die Verbalformen sind, so meint er offenbar die Erkennungszeichen für die hier in Frage stehenden Begriffe, wie die Gesichtsmasken (denn das ist ja auch eine Bedeutung von лo̟óσшлоv) solche für die im Drama darzustellenden Charaktere sind. Vielleicht sind auch die Bezeichnungen πρῶτον, δεύτερον, τρίτον лоóошлоν in der Grammatik mit den drei Personen des griechischen Dramas, dem πρωταγωνιστής (πρωτόλογος) δευτερο -, τριταγωνιστής in Zusammenhang zu bringen.

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Überschauen wir diese verschiedenen Bedeutungen, von persona insgesamt, so können wir nicht bezweifeln, daß erstens die Bedeutung von personam gerere etc. „eine Rolle auf der Bühne spielen nur davon hergeleitet sein kann, daß der Spieler eine persona, Maske, trägt; wir werden es behaupten müssen, weil da, wo einem Ausdruck zwei verschiedene Bedeutungen, eine sinnliche und eine nichtsinnliche, zukommen, diese sich in der Regel erst aus jener entwickelt hat, und weil ferner auch die mit persona zusammen hier auftretenden Verba gerere, suscipere, sustinere usw. augenscheinlich ursprünglich allein auf einen körperlichen Gegenstand bezogen waren 1), und sich der Gebrauch derselben Verba in den Fällen, in denen personam gerere die andere Bedeutung hat, nur aus späterer Übertragung erklären läßt.

Eines besonderen Beweises bedarf ferner auch nicht die Behauptung, daß auch die Bedeutung von persona als Typus einer im Drama auftretenden Person, wie sie bei Terenz uns begegnete, nicht eine ursprüngliche, sondern wiederum nur durch Übertragung von der Maske her genommen sein kann, eine Übertragung, die hier sehr nahe lag: waren ja doch gerade in der römischen Komödie die in ihr auftretenden Figuren die typischen, zum größten Teile regelmäßig wiederkehrenden Ausdrucksformen für bestimmte Menschenklassen, so daß sehr leicht die Maske des miles gloriosus von Terenz als metaphorische Bezeichnung des Typus von Menschen, wie Menander oder Plautus in seinem miles gloriosus sie gezeichnet haben, für die Gestalt eines Prahlhanses benutzt werden konnte, die parasiti persona (Colax) für den Typus des schmeichlerischen Schmarotzers. Ebenso leicht aber konnte man von hier aus oder auch unmittelbar von persona (Maske) militis gloriosi, parasiti, lenonis etc. dazu kommen, darunter auch die konkrete Figur, wie sie in der wirklich gespielten Komödie auftrat, zu verstehen, den Soldaten, den Parasiten, den Kuppler, der durch den maskierten Schauspieler in leiblicher Gestalt den Zuschauern vorgetäuscht wurde.

1) Vergl. oben S. 19, Anm. 2.

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