Page images
PDF
EPUB

entbehren; und da der sprachliche Ursprung von persona noch unerklärt ist und es vielleicht für immer bleiben wird, so werden wir für die Bestimmung des Abstammungs- und Altersverhältnisses der beiden Bedeutungen auf die Hilfe der Etymologie zu verzichten und zunächst in psychologischen Überlegungen den einzigen Weg zu unserem Ziele zu erblicken haben. Übrigens würden wir, auch wenn sprachwissenschaftlich das höhere Alter der Bedeutung „Maske“

[ocr errors]

persona der lateinischen Zunge mehr zugesagt haben sollte, als ein mit pro beginnendes Wort, ist nicht gut einzusehen, zumal der griechischen Iɛgongóvn gerade umgekehrt lateinisch Proserpina entspricht. In neuester Zeit hat O. Wiedemann (in Bezzenberger und Prellwitz Beitr. z. K. d. indog. Spr. XXIII S. 19) auch mit Recht dagegen auf die zahlreichen nicht glaublichen Wandlungen hingewiesen, die ein Übergang von лoσwлɛtov in persona voraussetzen würde. Aber auch die von ihm selbst vermutete Abstammung des Wortes ist nicht annehmbar. Ausgehend von der Vermutung von Stolz, histor. Gramm. der lat. Sprache S. 488, daß -ōna in persona Suffix sei, nach Analogie zahlreicher dieses aufweisenden lateinischen Wörter (wie z. B. matrōna, patrōnus, Bellōna, Pomōna, colōnus) führt Wiedemann persona zurück auf einen es-Stamm lat. perces *percs von der Bedeutung „Umhüllendes“, „Hülle". Das ist aber eine Petitio principii; denn eine Wurzel perces ist sonst nirgends nachweisbar, und Wiedemann hat sie allein aus dem aus ihr zu erklärenden Worte erst gezogen und ihr die zur Erklärung geeignete Bedeutung selbst erst beigelegt. Beiläufig möchte ich hier, selbstverständlich ohne den Gedanken an einen etymologischen Zusammenhang oder an eine Analogie, bemerken, daß nach Nöldeke (bei Dittenberger, Orient. Graec. inscr. sel. I p. 6441) in allen aramäischen Dialekten góσлоv bei der Übertragung sich in parsopâ verwandelt hat, und daß ferner, nach einer freundlichen Mitteilung von Herrn Dr. G. Kampffmeyer zu einer Stelle der syrischen Übersetzung einer Schrift des Nestorius (vergl. die Stelle unten in § 5) das griechische лоóσшлоv im Syrischen die Form parsōpā angenommen hat. Nur als eines der zahlreichen Beispiele, wie die Alten Etymologien machten, führe ich die des Placidus (cod. Paris. in C. Gloss. ed. Goetz V 132,10) an: persona eo quod per se una est. So wenig sie linguistisch ernst zu nehmen ist, so ist doch sachlich der ihr zu Grunde liegende Gedanke insofern interessant, als sie an die später noch zu erwähnenden Definitionen von persona bei Boethius, Cassiodor u. a. erinnert, in denen immer das Merkmal der Ungeteiltheit oder der Unteilbarkeit (,individuum') als wesentlich für den Begriff persona betont wird, und als das per se unam esse' doch gewiß auf der gleichen Anschauung beruht, so daß ein historischer Zusammenhang mit dieser Etymologie zu vermuten ist, wie er auch zwischen ihr und einigen Bemerkungen lateinischer Grammatiker zu persona im grammatischen Sinne sich, wie ich glaube, nachweisen läßt (vergl. unten § 9). Das per se unum esse rührt jedenfalls aus der Sprache der Philosophen her; vergl. z. B. Joh. Damascenus, de haeres. c. VII (Migne patrol. S. Gr. t. 94 col. 744: λόγος, εἰ καὶ αὐτὸς καθ ̓ ἑαυτὸν εἰς ἐστιν.) Böcking, Einl. in die Pand. S. 135 führt endlich ohne Anführung ihres Urhebers die Ableitungen von лɛqičóvη und лɛдì σõμɑ an, über deren Verkehrtheit man kein Wort zu verlieren braucht.

feststände, uns die Beschreitung des zweiten Weges nicht ersparen dürfen: denn die Möglichkeit eines Bedeutungswandels von „Maske" in „Person" in dem oben S. 11 angegebenen Sinne, ist keineswegs so wenig der Erklärung bedürftig, wie man allgemein bisher angenommen zu haben scheint, und es müssen sehr verschlungene Pfade gewesen sein, durch die die Verbindung zwischen den beiden Bedeutungen hergestellt wurde.

Wenn wir ohne vorgefaßte Meinung an das Problem herantreten, so bieten sich drei Möglichkeiten, von denen eine jedenfalls eine Lösung enthalten muß, nämlich die, daß entweder:

1) die Bedeutung persona
Maske die abgeleitete ist;

=

Person die ursprüngliche,

2) daß der Bedeutungswechsel sich im umgekehrten Sinne vollzogen hat;

3) daß beide Bedeutungen selbständige und einander koordinierte Derivate aus einer Urbedeutung des Wortes sind,

die selbst schon in der Zeit der ältesten litterarischen Überlieferung in Vergessenheit geraten wäre.

Die dritte Möglichkeit werden wir nun ohne weiteres aus unseren Erwägungen ausschalten dürfen, weil, auch wenn es vielleicht einer psychologischen Betrachtung gelingen sollte, eine solche Urbedeutung zu ersinnen, von der sich gewisse Merkmale als den Begriffen Maske und Person gemeinsame erwiesen, und als gemeinsames, von jener auf sie übergegangenes Erbteil gelten könnten, (— für die beiden Bedeutungen von лоóошлоv ist ein solches wirklich erweislich1)), so würde doch eine solche, jedes litterarischen Anhalts entbehrende Annahme nur eine luftige Hypothese und nichts anderes als Petitio principii sein.

Aber auch mit der ersten Möglichkeit kann nicht gerechnet werden. Auch der lebhaftesten Phantasie wird eine von der Bedeutung „Person" zu der von Gesichtsmaske" führende Brücke nicht erkennbar werden. Es ist allerdings nicht ohne Beispiel, daß eine Sache, namentlich ein Kleidungsstück, das Menschen einer gewissen Gattung zu tragen pflegen, mit dem Namen dieser Personen

1) Vergl. unten § 5.

gattung bezeichnet wird1), wie z. B. „Spanier", ein Mantel, wie ihn. die Spanier zu tragen pflegten; „Kalabreser“ für Hüte einer gewissen Form; vielleicht auch pèlerine, Pelerine, ein Mantel von der Form, wie ihn Pilgerinnen tragen. In Fällen dieser Art findet aber eine Übertragung überall nur innerhalb der Grenze statt, die durch die Eigenart der Person bedingt ist. So würde also auch die Umwandlung der Bedeutung des auf die Person bezüglichen Wortes in die von Maske möglich gewesen sein, wenn persona nicht jede beliebige Person, sondern nur den Schauspieler oder den Träger einer Maske überhaupt bedeutete, oder wenn alle Menschen Masken trügen oder in alter Zeit einmal getragen hätten.

So sind wir zu der Annahme gedrängt, daß „Maske“ in der Tat die ursprüngliche Bedeutung gewesen und die von Person sich erst aus ihr entwickelt habe.

Anscheinend allerdings ist das Wort persona schon an der Stelle, an der es, soviel mir wenigstens bekannt, zum erstenmale litterarisch auftritt, in Plautus, Persa 783 (= 5, 2, 6) in dem Sinne von Person gebraucht.

Dordalus

Qui illum Persam atque omnes Persas atque etiam omnes personas

Male di omnes perdant.

„Zum Teufel mit diesem Perser, allen Persern und auch allen Personen."

Ist das wohl denkbar? Auch wenn zu Plautus' Zeit persona wirklich schon in dieser Bedeutung verwendet worden wäre, so hätte er in diesem Zusammenhange das Wort in dieser Bedeutung unmöglich gebrauchen können. Wollte er den Kuppler alle Menschen verwünschen lassen, so konnte er nur homines, nimmer personas

[ocr errors]

1) Diese Fälle sind, soviel ich sehe, die einzigen, in denen umgekehrt wie in der Figur des,pars pro toto' Ardas,totum pro parte' gebraucht wird. sène Darmesteter, la vie des mots (Paris 1886) p. 47 führt als eine besondere Art von Synekdoche an den Typus: le tout par la partie; aber das einzige Beispiel, das er gibt: un tableau, c'est-à-dire le sujet représenté sur un tableau, sur une toile encadrée ist in Wahrheit gerade ein Fall von pars pro toto; denn tableau ist im eigentlichen Sinne doch nur die Tafel, auf der das Bild gemalt ist, also nur ein Teil des Ganzen, das aus der Tafel, den auf sie aufgetragenen Farben und dem Rahmen besteht.

schreiben. Denn persona als Bezeichnung für Menschen wird von den Römern genau in dem Sinne wie im Deutschen unser ihnen entlehntes Wort „Person" gebraucht, und man frage sich, ob es im Deutschen möglich wäre, einer misanthropischen Stimmung einen solchen Ausdruck, wie er in der oben gegebenen Übersetzung enthalten ist, zu geben.

Offenbar ist es ein Wortspiel, das dem Kuppler das Wort persona in den Mund legt:

Persam, Persas, personas.

Aber auch im Wortspiel wäre die Verwendung des Wortes in der Bedeutung „Person" gar zu geschmacklos gewesen. Persona heißt hier vielmehr gewiß nichts anderes als „Maske", und an Masken zu denken und allen Masken alles Böse zu wünschen, lag nach allem Vorangegangenen dem Kuppler nahe genug. Sagaristio und die Jungfrau, die Tochter des Parasiten, waren ihm in persische Gewänder verkleidet gegenübergetreten und hatten ihn in dieser Vermummung betrogen und um sein Geld gebracht, und das wußte er bereits, als er seine Verwünschung aussprach. Denn schon am Schlusse des vorangegangenen Aktes hatte der Parasit sich ihm als Vater der ihm von dem vermeintlichen Perser verkauften persischen Sklavin zu erkennen gegeben. So erklärt sich leicht, daß der Geprellte neben diesem Perser und allen Persern auch alle personae, d. h. alle, die in Verkleidungen solcherlei Taten verüben, zum Kuckuck wünscht. Freilich ist nicht sicher, ob die beiden persischen Gestalten auch mit Gesichtsmasken aufgetreten waren; wenigstens verlautet nichts davon in dem Stücke

nur daß sie sich durch fremdländische Tracht unkenntlich gemacht, wird gesagt. (Vergl. 1, 3, 75, sq. u. 4, 2, 1 sq.) Aber zur Verkleidung gehört ja, wenn auch nicht damals schon in der Komödie, doch meist auch die Maske, persona, und um das Wortspiel Persam, Persas, Personas, in dem persona wie ein von Persa abgeleitetes Wort erschien1), anzubringen, konnte der

1) An die wirkliche Bildung des Wortes persona von Persa, durch Anhängung des Suffixes ona (vergl. oben S. 13 Anm.) und etwa an die Analogie von лεqσinοi und лɛqσɑía Pfirsich) oder an „Persiennes“ ist natürlich nicht zu denken. Denn die Masken haben die Römer nicht erst von den Persern kennen gelernt. Darum besteht gewiss auch keinerlei Zusammenhang des Wortes persona mit den

Dichter sich diese Metonymie in Masken, im Sinne von maskierten Menschen, schon gestatten. Wir dürfen hierin den ersten Schritt zu einer im folgenden nachzuweisenden Entwicklung sehen, die allmählich zu der Bedeutung „Person" hinüberleitete.

Bei dem Versuche, einen Zusammenhang zwischen persona = Maske und persona = Person herzustellen, scheint es am nächsten zu liegen, die zweite dieser Bedeutungen auf eine Synekdoche zurückzuführen. Außerordentlich häufig nämlich werden ja ganze Kategorien von Personen bekanntlich nach einem Gegenstande, besonders nach einem Gewande benannt, das von ihnen getragen wird, oder nach etwas sonstigem, was im eigentlichen oder uneigentlichen Sinne einen Bestandteil von ihnen bildet. So finden sich z. B. für das Wort toga, zum Teil allerdings wohl nur in okkasioneller Verwendung, die Bedeutungen: Advokaten, die höheren Bureaubeamten, die Klienten, die Buhldirne.1) So werden im Deutschen Geistliche mit dem Spottnamen „Schwarzröcke", Mädchen als „Schürzen", Matrosen als „Blaujacken" bezeichnet. Wörter, die einen Körperteil bezeichnen, werden oft mit einem mit ihm verbundenen Attribut zur Bezeichnung einer Menschengattung gebraucht, z. B. Graukopf, Kahlkopf, Rothaut; eine ehrliche, treue Haut; Geizhals; Leichtfuß. Auch ohne individualisierenden Zusatz dienen nicht selten Wörter, die einen Teil des menschlichen Körpers oder des Menschen als Ganzen oder seiner äußeren Erscheinung ausdrücken, als Benennung für den ganzen Menschen; so z. B. im Lateinischen caput; im Deutschen: Kopf, Seele (Kopfzahl, Seelenzahl); Gestalt („Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten"; vermummte, Bassermannsche Gestalten). Sollte nicht so vielleicht auch persona, Maske, zu der Bedeutung von „Person" gelangt sein? Dieser Gedanke ist zurückzuweisen. Denn solche Übertragungen sind doch immer nur denkbar und finden sich auch in der Tat immer nur innerhalb des durch die eigentliche Bedeutung von Ammianus Marcellinus und anderen Schriftstellern geradezu als Masken geschilderten eisernen Visierhelmen an den den ganzen Körper bedeckenden Panzerungen der persischen Reiterei, von denen wir nicht einmal wissen, ob sie in eine sehr alte Zeit zurückreichen (vergl. über sie Benndorf, Antike Gesichtshelme und Sepuliralmasken, in den Denkschriften der Wiener Akad. Phil.-hist. Cl. 28. Bd. [1878], S. 352 ff.).

1) Vergl. die Belegstellen bei Georges, Handw. d. lat. Spr. s. v. Toga B, c.

« PreviousContinue »