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Stellen zukommt, in denen von einem Subjekt ausgesagt wird, daß es ex duabus personis bestehe, und auch noch in einigen anderen Verbindungen 1) 2). Auf diese Art des Gebrauches von persona aber werden wir im Hinblick auf die Abhängigkeit der Latinität des Rusticus vom Griechischen die Vermutung gründen dürfen, daß auch лоóσшлоv, obwohl es außerhalb des Compositum aлgóσwлоs sich in der Bedeutung „Substrat" nur in einer Stelle sicher nachweisen ließ3), dennoch auch als Simplex in diesem Sinne von den Griechen wird verwendet worden sein.

Im übrigen finden wir bei Rusticus persona mehrfach in dem üblichen vagen trinitarischen Sinn von „Wesen“ (vergl. oben S. 81 f.), niemals dagegen, soviel ich sehe, als bloßes Füllwort, ein Beweis vielleicht dafür, daß diese im Lateinischen so verbreitete Verwendungsweise im Griechischen außerhalb der Sprache der byzantinischen Juristen, in der sie auf unmittelbarer Übertragung aus den lateinischen Rechtsquellen beruhte, und abgesehen von den Verbindungen mit Kollektivbegriffen, in denen sie als Hebraismus ins Griechische und aus diesem ins Lateinische eingedrungen war, im Griechischen nie hat recht aufkommen können.

$ 12.

Persona und substantia bei Tertullian.

als juristische Person? Schluß.

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Persona

Eine Reihe wunderbarer Schicksale war es, die das Wort dieses Wort ganz unbekannter Herkunft

persona

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noch nach

1) Col. 1189 A. non enim ex duabus perfectissimis personis est homo neque ex praeexistentibus perfectissimis naturis. 1192 C. praedemonstravimus enim quia non ex duabus personis Dominum dicat. 1196 A. Si enim homo ex duabus personis est, erit Christus ex tribus et Trinitas ex quinque personis. 1187 D. in Christo vero persona quidem individua. 1242 B. aliquando in propria passum Filium non esse persona.

2) Diese Bedeutung von persona

=

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Substrat tritt vollkommen ausgebildet auch schon bei Boethius, de persona et duabus nat. hervor, passim, besonders deutlich aber in cap. 2 (Migne S. L. t. 64, 1342): si enim omnis habet natura pernam illud quidem manifestum est, personam subiectam esse einem Satze, der den positiven Ausdruck für den Satz ovx čotiv ȧлqóσлos púσis darstellt. Vergl. auch Boeth. in categor. Arist. 1. I (Migne S. L. t. 64 col. 189 C.).

sonam

naturae,

--

3) Vergl. oben S. 87, Anm. 2.

dem es, etwa in der Zeit des Terenz, die Grenzen des ihm vorher zugehörigen Gebietes überschritten (wer kann sagen, wie viele schon vorher) in mehr als einem halben Jahrtausend erlebt hat, und die in bunten, ewig wechselnden Bildern an uns vorüberzogen; und einen eigenartigen Reiz gewährt die Beobachtung der fortgesetzten Bedeutungsverschiebungen, die sich infolge der Korrespondenz von persona und des schon früh in eine Art schwesterlichen Verhältnisses zu ihm getretenen лóσwлov und infolge der Beziehungen zwischen лóσwлоv und vлóoraσis vollzogen haben, jener Metamorphosen, durch die persona, nachdem es auf den morgenländischen Sprachgebrauch bestimmend eingewirkt und dem Osten in einer neuen Verwendungsweise von лоóσшлоv eine Bereicherung zugeführt, von diesem selbst wiederum durch Vermittelung von vлóστασis in dem Gewinne neuer Bedeutungen mit Zinsen zurückempfing, was es ihm gegeben, eine Erscheinung, vergleichbar dem Diffusionsprozeß, wie er sich zwischen zwei verschiedenen mit einander in Berührung gebrachten Flüssigkeiten abspielt.

Aber in keiner der Phasen in der gesamten Geschichte der Bedeutungsentwicklung der Wörter persona und лоóσшлоν haben wir das ist das Endergebnis unserer Untersuchung - an irgend einem Punkte ein durch rechtliche Verhältnisse beeinflußtes oder solche beeinflussendes Moment zu erblicken vermocht.

In dem hier, wie ich hoffe, erbrachten Nachweis der Herkunft der Bedeutung, die persona und лоóσшлоv in der Trinitätslehre und in der Christologie erlangt haben, hat zugleich eine in neuerer Zeit zur Herrschaft gelangte, von der hier vertretenen sehr weit abweichende Meinung ihre Widerlegung gefunden. Nicht sowohl, um diese für den Dogmenhistoriker noch eindringlicher zu gestalten, als vielmehr um besonders skeptischen Juristen die letzte Zufluchtsstätte zu verschließen, in der sie zur Rettung ihrer Position vielleicht noch in der Verzweiflung Obdach suchen könnten, will ich diese Ansicht einer Kritik unterziehen.

Harnack hat wiederholt und nachdrücklich behauptet, daß Tertullian es gewesen, der als Jurist die ihm geläufigen juristischen Begriffe und Ausdrücke persona und substantia (= Vermögen) in den theologischen Sprachgebrauch eingeführt habe, und daß so das

katholische Dogma in der Fassung seiner Formeln durch juristische Begriffe unmittelbar beeinflußt worden sei1).

Harnack's Ansicht hat bei zahlreichen Theologen Anklang und Billigung gefunden 2), wenngleich es an vereinzeltem entschiedenen Widerspruch gegen sie nicht gefehlt hat3), und es wäre nicht zu verwundern, wenn vielleicht einzelne Juristen gerade daraus, daß persona und substantia als juristische Begriffe auch in der Theologie Anerkennung gefunden hätten, einen Beweis für die hergebrachte Meinung von der juristischen Bedeutung beider Wörter herleiteten.

Aber vom Standpunkte des Juristen ist jene von Harnack zu Ehren gebrachte und jetzt fast als communis opinio der Theologen zu bezeichnende Ansicht abzulehnen.

Vor allen Dingen scheint die Frage berechtigt: wie konnte ein Jurist, der sich neben seiner Jurisprudenz auch mit theologischen Dingen befaßte, dazu kommen, in seine theologischen Betrachtungen und Konstruktionen juristische Kategorien einzumischen, ja ihnen hier einen geradezu maßgebenden Einfluß zu gewähren? Was hat die Trinität, was haben die zwei Naturen Christi mit dem Rechte zu

1) Lehrb. d. Dogmengesch. II3 S. 825 Anm. 1: „Das Wort persona bot dem Tertullian die lateinische Bibel; denn (adv. Prax. 6) in Prov. 8, 30 las sie,cottidie oblectabar in persona eius und Threni 4, 20 (adv. Prax. 14) spiritus personae eius Christus dominus' (LXX an beiden Stellen оóσшлоν). Вeide Stellen mußten die Aufmerksamkeit in besonderem Grade erregen. Nun aber war Tertullian auch Jurist. Als solchem waren ihm die Begriffe persona und,substantia' ganz geläufige. Ich vermute nun, und es ist wohl mehr als eine Vermutung daß Tertullian bei dem Gebrauch dieser Worte von dem juristischen Sprachgebrauch stets beeinflußt geblieben ist. Juristisch ist gegen die Formel, daß mehrere Personen Inhaber ein und derselben Substanz (Vermögen) sind, daß sie in uno statu sind, ebensowenig einzuwenden, wie gegen die andere, daß eine Person mehrere Substanzen unvermischt besitzt. In der juristischen Betrachtung ist persona

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bald Erscheinung, bald ideales Subjekt, bald fiktives Subjekt, bald Individuum, und substantia ist das Vermögen, das Wesen, das Reale, der wirkliche Inhalt des Subjektes im Unterschied zu seiner Form und Erscheinung (persona)“. selben Sinne äußert sich Harnack a. a. O. S. 304 und I. S. 532.

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In dem

2) Es folgte ihm hierin u. a. Loofs, Realencykl. f. d. prot. Theol. IV 3 S. 40. Bethune-Baker a. a. O. S. 21 ff. Hatch a. a. O. S. 206. G. Krüger, Dreieinigkeit und Gottmenschheit (1905) S. 144.

3) Vergl. Esser in Wetzer und Welte's Kirchenlex. XI2 S. 142, 2. Bardenhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. II2 S. 388. Seeberg, Lehrb. der Dogmengeschichte I S. 871.

schaffen? Tertullian müßte ein gar schwach veranlagter Geist gewesen sein, wenn er die beiden Gebiete, auf denen er sich betätigte, in seinem Kopfe zu sondern nicht vermocht haben sollte; auch von dem, der zwei Sprachen spricht, aber Wörter der einen fortwährend mit denen der anderen verwechselte, würde man behaupten dürfen, daß er keine von beiden beherrsche. Aber weiter: persona und substantia bezeichnen weder eigentümliche juristische Begriffe, noch sind sie technisch-juristische Ausdrücke. Für persona ist das bereits im Vorangehenden dargetan; es für substantia zu beweisen, genügen wenige Bemerkungen.

Zunächst ist in terminologischer Beziehung darauf hinzuweisen, daß in der Juristensprache substantia für „Vermögen" verhältnismäßig selten, und häufiger erst in byzantinischer Zeit auftritt, daß vielmehr in Volksgesetzen und im prätorischen Edikt ausschließlich, und in den Schriften der klassischen Juristen, insbesondere auch in der Zeit Tertullians, überwiegend das Vermögen durch ,bona (orum)' ausgedrückt wird 1).

1) Wie das Wort substantia überhaupt und zwar wohl zuerst im Sinne von „Stoff“ erst im Beginn der Kaiserzeit aufgekommen zu sein scheint, so wird es auch die übertragene Bedeutung von „Vermögen“ erst später angenommen haben, und zwar vielleicht anfänglich in der Vulgärsprache, indem man Geld und Geldeswert als den für die Existenz des Menschen wichtigsten „Stoff“ betrachtete und sie darum als „Stoff" xar' ¿§oxýv bezeichnete, ähnlich wie in der Studentensprache gewisse, von dem Studenten besonders geschätzte flüssige Stoffe schlechthin „Stoff“ genannt werden. Übrigens hat in byzantinischer Zeit sich die dem lat. substantia zukommende Bedeutung „Vermögen“, auch auf das ihm sprachlich korrespondierende Wort iлóσraσis übertragen, wie sich aus ägypt. Papyri ergibt. Vergl. Notices et extraits des manuscr. de la bibl. impér. t. 18 (Paris 1865) p. 239, 10 (Pap. 20) zwischen 582 und 602 λόγους κεκινήκασιν πρὸς ἀλλήλους περὶ τῆς καταλειφθήσης παρ' αὐτῶν ἐλαχίστης ὑποστάσεως κινητῆς τε καὶ ἀκινήτου καὶ αὐτοκινήτου, und ebendas. p. 255, 13 sq. Pap. de Berlin nr. 1 aus der Zeit des K. Phokas (602610): ἐγὼ ὁ προσχόμενος Διόσκορος ἰδίῳ μου κινδύνῳ κα[ὶ] πόρῳ τῆς ἰδίας μου ὑποστάσεως συνθέσθαι σοι Die griechischen Novellen Justinian's haben, soviel ich sehe, überall, wo im Authenticum Vermögen durch substantia ausgedrückt ist, ovoía (αı) oder лeqiovoia, mit Ausnahme von Nov. 131 c. 5 (ßovlevtinŵv vлooτáσεwv); vergl. ferner Edict. Just. 13 c. 10 (Schöll p. 784, 29): ên tñ5 ἰδίας ὑποστάσεως. Joh. Malalas drückt dagegen mehrfach Vermögen durch ὑπόoraσis aus (vergl. Corp. script. hist. Byzant. p. 439, 21, 440, 1 u. 12, 444, 14); sehr oft findet sich das Wort so bei Theophanes, Chronogr. (rec. de Boor) cf. I, 82, 2 u. 3, 170, 3, 184, 19, 230, 10, 236, 9, 479, 32, 486. Es liegt hier sicher eine Einwirkung des Lateinischen vor, wie wir sie in Bezug auf лóσшлоv annehmen mußten.

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Aber das „Vermögen" ist überhaupt gar kein juristischer, sondern ein rein wirtschaftlicher Begriff.

Als substantivierter Infinitiv eigentlich das, was jemand, vermag", die Macht, bedeutend, bezeichnet es, auf wirtschaftliche Verhältnisse bezogen, die wirtschaftliche Macht eines Menschen, und im übertragenen Sinne die Mittel, durch die jemand etwas vermag, also die Summe seiner wirtschaftlichen, regelmäßig in Gelde schätzbaren Güter. Dieses Vermögen ist ein nicht erst vom Rechte geschaffener, sondern ein jederzeit von ihm als gegeben vorgefundener Faktor. Das Recht enthält nur die Normen über die Verteilung der Güter unter die einzelnen Glieder der Rechtsgemeinschaft und über den Schutz der einzelnen im Genusse der ihnen zugeteilten Güter. Im übrigen bildet das Vermögen und namentlich auch die Erscheinung, daß das Bestehen und die Art der Organisation eines Vermögensschutzes ein für die Bemessung des Wertes der Güter sehr stark ins Gewicht fallendes Moment bildet, einen Gegenstand der Wirtschaftslehre. Das Vermögen darum, und weil das Recht es vielfach als ein Ganzes oder in seinen einzelnen Bestandteilen zum Gegenstande besonderer Regelung macht, und weil die vom Rechte dem einzelnen unter bestimmten Voraussetzungen auferlegten Verpflichtungen einen den Wert des Vermögens mindernden Faktor darstellen können, als einen juristischen Begriff zu bezeichnen, das wäre ebenso unberechtigt, wie wenn man die Begriffe Sache", „Mutter“, „Kind“, „Fluß“, „Meer“, „Frucht" usw. für Rechtsbegriffe ausgäbe lediglich aus dem Grunde, weil das Recht auf sie bezügliche Satzungen enthält, oder den Begriff „Mensch", weil alle Rechtsnormen sich auf Menschen beziehen1).

"

Ebensowenig kann die andere Annahme Harnacks, daß ein Vermögen mehreren Personen zustehen könne, zugegeben werden. Überall, wo ein Vermögen als Ganzes, d. h. als eine Summe von wirtschaftlichen Gütern und gewisse als ihren Geldwert mindernd gedachten Schulden den Gegenstand rechtlicher Normierung bildet,

Daß die Basiliken substantia überall, wo sie es in den justinianischen Rechtsbüchern fanden, mit лóσraσ15 wiedergaben, ist bei ihrer Abhängigkeit von den justinianischen Texten nicht zu verwundern.

1) Vergl. meine Abh. „Der Begriff des Eigentums" in Iherings Jahrb., Bd. 45, S. 295 ff.

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