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andere Ausweg fehlt, allein das ist hier wirklich der Fall und kann übrigens mit geringerem Bedenken als irgendwo zur Hand genommen werden. Man beachte nur allein die Zusammenwürflung des Inhalts des Titels, worin diese Stelle steht. Es ist der de pignoribus, und er enthält nur drei kurze Paragraphen. Im ersten steht die Vorschrift, der Pfandgläubiger solle, bevor er zum Verkauf des Pfandes schreite, diese Absicht dem Schuldner vorher dreimal anzeigen. Der zweite erklärt fetus und partus pignoris nur dann für mitverpfändet, wenn es ausgemacht sei. Der dritte nun lautet fo: Compensatio debiti ex pari specie et caussa dispari adnittitur, velut si pecuniam tibi debeam et tu mihi pecuniam debeas, aut frumentum aut cetera hujusmodi, licet ex diverso contractu, compensare vel deducere debes; si totum petas, plus petendo caussa cadis. Wenn man dieser Stelle, vers möge der Art und Weise wie, und der Unzuverlässigkeit, in welcher das ganze Werk durch die westgothische Lex Romana auf unsgekommen ist, allen und jeden Werth abspricht, so läuft man wohl keine Gefahr, einem Widerspruch zu begegnen.

II.

Zur Lehre von der civilen Berechnung der Zeit.

Von

Herrn Dr. J. I. Bachofen zu Basel.

Die Bearbeitungen der Lehre des römischen Rechts von der civilen Berechnung der Zeit leiden alle an einem Gebrechen, welches unserer civilistischen Litteratur überhaupt nicht fremd ist. Sie beginnen mit der Darstellung eines fertigen Systems, welches aus gewissen allgemeinen Prinzipien abgeleitet wird, und dem sich alsdann die Aussprüche der römischen Juristen, zuvor durch willkürliche, ja völlig erzwungene Interpretationen zurecht gelegt, durchaus fügen müssen. Zu diesem Zwecke hat man nicht nur der Sprache Gewalt angethan, sondern die eigene Willkühr der Behandlung oft dadurch zu verbergen gesucht, daß man den Verfassern unserer Quellenzeugnisse bald Ungenauigkeit im Ausdruck, bald völligen Mangel an festen Prinzipien zu Schulden gab. Mit dem hier gerügten Fehler der Behandlung, wofür im Laufe der folgenden Darstellung Beispiele genug vorkommen, steht noch ein anderer in Verbindung, der nicht weniger auf Abwege geleitet hat: ich meine das rücksichtslose Bestreben, Widersprechendes zu vereinigen, und eine Uebereinstimmung in den Aussprüchen der Acten zu erzwingen, da, wo eine solche nur auf Kosten der Wahrheit gewonnen werden kann.

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Um diese beiden Klippen, an welchen selbst die neusten und ausführlichsten Darstellungen dieser Lehre, von Reinfelder (der Annus civilis Stuttgart 1829.) und von v. Savigny (System Bd. IV.) gescheitert sind, zu umgehn, giebt es wohl kein sichereres Mittel, als eine sorgfältige, dem irreführenden Einfluß vorgefaßter Ansichten nicht unterworfene Prüfung aller einschlagenden Stellen. Mit dieser soll hier begonnen, und dadurch der Weg zur Aufstellung des römischen Prinzips der Computation angebahnt werden 1).

L. Einen allgemeinen Ausspruch über das Wesen der Civilcomputation finden wir allein in einem Fragment aus Paulus Commentar über die Lex Julia et Papia in l. 134. D. de V. S. (50. 16.). Die besondere Anwendung, die hier davon gemacht wird, interessirt uns jegt noch nicht 2). Das Prinzip selbst ist in den Worten enthalten: «Annum civiliter non ad momenta temporum, sed ad dies numeramus.» Der einfache Sinn dieser Worte kann durch folgende Uebersehung gegeben werden: Nach der Regel des Civilrechts berechnen wir das Jahr nur nach Kalendertagen, nicht nach kleinern Abschnitten, etwa nach Stunden oder noch kleinern Zeittheilen ). Aus andern Nach

4) Es ist nicht der Zweck dieser Arbeit, die Erklärung jeder Stelle mit vollständigen Litteratur - Citaten zu begleiten, zumal da die Bearbeitungen des Gegenstandes von Donellus, Rücker, Koch (außer den «Belehrungen über Mündigkeit zum Testiren 2c.» und der «Bestätigung der Belehrungen 2c.», ist auch dessen «Revision einiger Stellen des Höpfnerschen Commentars » revis. 111. S. 456–474. zu vergleichen), ferner die von Hagemeister und Erb im civilistischen Magazin, endlich die neuesten von Unterholzner, v. Löhr, Reinfelder, Gmelin, v. Vangerow, v. Savigny, Göschen, sich in Jedermanns Händen finden.

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2) v. Löhr (im Archiv für die civilistische Praxis Bd. XI. S.416.) will in l. 134. c. gar kein allgemeines Prinzip finden.

3) Durch dieß «etwa» möchte ich dem Einwurf begegnen, welchen Cujacius dem Donellus gemacht hat. Es ist keineswegs zu behaupten, daß kleinere Zeittheile als Stunden nicht auch noch be

richten juristischer und nicht juristischer Klassiker erfahren wir, daß das Jahr nach der Revision des Kalenders durch J. Cäsar zu 365 Kalendertagen gerechnet wurde 1), mithin etwa den Viertheil eines Tages in Vergleich mit dem Sonnenjahr zu kurz war; und ferner, daß der Kalendertag nach römischer Sitte mit Mitternacht anhob, und mit Mitternacht schloß 2). Alle Ereignisse, welche in den Zwischenraum zweier solcher Mitternachtspunkte fallen, gehören mithin einem und demselben Tage an. So wird z. B. gesagt, daß die, welche zwischen denselben Mitternachtsstunden geboren sind, denselben Geburtstag haben 3). Hiebei ist darauf nicht weiter Rücksicht genommen, zu welcher Zeit dieses Tages das fragliche Ereigniß stattgefunden hat. Zwei Geburten können so nahe, als nur denkbar, an die 24 Stunden auseinander liegen, sie haben sich doch an demselben Tage ereignet, wenn sie nur zwischen dieselben Mitternachtspunkte fallen. Hiebei ließe sich nun denken, daß man eben diese mögliche Differenz von beinahe vollen 24 Stunden für zu bedeutend erachtet, als daß man dieselbe völlig hätte vernachlässigen mögen. Es giebt im täglichen Leben viele Handlungen, welche man für wichtig genug ansieht, um neben dem Tag auch noch die Tageszeit; sogar die Stunde zu bemerken. Die in der Anlegung eines solchen kleinern Maßstabes sich äußernde Genauigkeit der Zeitbestimmung rechtlich wichtiger Ereignisse wird aber von dem Civilrecht nicht nur nicht verlangt, sondern auch in der Regel völlig unberücksichtigt gelassen. Dieß ist die praktisch wichtige Seite des von Paulus in l. 134. c. für die Jahres

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rücksichtigt werden, weil Ulpian in l. 3. §. 3. D. de minor. (IV. 4.) als Momentum gerade die hora nennt. Vergl. Unterholzner Ver-, jähr. 1. S. 295. u. 303.

1) CENSORINUS de die nat. c. 20. §. 9. L. 134. D. de V. S. (L. 16.) 2) Paulus in 1. 8. D. de feriis (11. 12.); Varro bei GELLIUs N. A. 111. 2.; CENSOR. dc D. N. c. 23. §. 3. Vergl. Erb im civil.

Mag. VI. S. 196. ff. *) Diese und noch andere merkwürdige Anwendungen des Prinzips bei CENSOR. de D. N. c. 23. §§. 4. 5. cf. MACvOBIUS Saturn. 1. c. 3.

berechnung aufgestellten Prinzips des Civilrechts. Wir können demselben nun folgende allgemeine Gestalt geben. Das Civilrecht nimmt nur auf Kalendertage, nicht auf kleinere Zeittheile Rückficht 1). — Das Prinzip zeigt seine juristische Wichtigkeit auch noch in andern Beziehungen, als bei der Berechnung eines Jahres, worauf es Paulus zunächst anwendet, oder einer Zeitfrist überhaupt. Die Pfandpriorität wird in Folge dieses Grundsages nur nach Tagen bestimmt. Die Stundenzahl, wenn auch genau erwiesen, kann an der Gleichzeitigkeit mehrerer an demselben Tage bestellten Pfandrechte nichts ändern 2). In der ersten, uns hier allein interessirenten Anwendung äußert sich jenes Prinzip so, daß der Tag des Ereignisses, von welchem an der Ablauf des Jahres gerechnet werden soll, selbst schon mitgezählt wird 3). Von der Geburt eines 12 Uhr Mittags am 1. Jan. zur Welt gekommenen Kindes wird ein Jahr, d. h. ein Zeitraum von 365 Tagen, mit der Mitternachtsstunde, die den 31. Dec. schließt, abgelaufen seyn. Denn der erste Januar ist als Geburtstag schon in die 365 Tage einzuzählen. Wer ihn von der Einrechnung ausschließt, weil das Kind den größten Theil desselben noch nicht gelebt, der würde der Regel des Civilrechts zuwiderhandeln, welche kleinere Zeittheile, als den Kalendertag, völlig unberücksichtigt haben will.

Es ist von Wichtigkeit für den Fortgang der Darstellung, gleich hier gewisse Ausdrucksweisen, in welche neuere Juristen diese Regel des Civilrechts einzukleiden gewohnt sind, einer

1) hiemit ist natürlich auch die Beachtung des Zeittages, im Gegensag zu Kalendertag, verworfen. Wo die Römer von dies schlechthin reden, ist stets der Kalendertag zu verstehn. Vergl. Erb S. 219. Anders z. B. v. Löhr S. 417. N. 14.; S. 419.

2) L. 16. §. 7. D. de pignor. (XX. 1.),

*) Sehr bestimmt giebt auch Hagemeister Civil. Mag. 111. S. 13-16. diese Behauptung als die Grundlage feiner weitern Darstellung. Erb S. 219-221. entwickelt das Prinzip der civilen Computation richtig. Nicht so glücklich ist er in der Anwendung desselben.

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