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X.

In wie weit ist der vom Vater zum Erben eingefeßte Pupillarsubstitut berechtigt, die eine der Erbschaften, zu welcher er berufen ist, anzuneh men, und die andere auszuschlagen?

Bom

Herrn Geheimen Hofrath und Professor Dr. Warnkönig zu Freiburg.

Vor mehreren Jahren behandelte der Verfasser gegenwärtiger

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Ausführung in der von Roßhirt (damals mit ihm) herausgegebenen Zeitschrift für Civil- und Criminalrecht Bb. II. S. 1-10. die bei der Pupillarsubstitution vorkom mende Frage in wie weit der Substitut, wenn er zugleich vom Vater des Pupillen zum Erben eingesezt ist, nach römischem Rechte befugt ist, die eine der beiden Erbschaften anzutreten, die andere aber auszuschlagen? Die Lösung derselben wurde durch das Unterscheiden der Hauptfälle versucht, jedoch in größt möglicher Kürze.

Der Aufsag blieb nicht unberücksichtigt 1), es fand fedoch eine der Behauptungen des Verfassers einen entschiedenen Wi

1) Derselbe veranlaßte ein Mißverständniß von Seiten Mühlenbruch's in der Fortsegung Glück's Bd. XL. S. 3. Note 64. Dagegen Beitschrift für Civilrecht u. Proceß. XVIII. 3.

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derspruch von Seiten der Herrn Mühlenbruch 1), Friß 2), v. Löhr 3) und v. Vangerow 4), nehmlich die: daß die Annahme der väterlichen Erbschaft von Seiten des Pupillarsubstituten diesen nur in dem Falle verhindere, die des Pupillen auszuschlagen, wenn dieser Erbe des Vaters geworden und geblieben sey, nicht aber wenn er erheredirt gewesen, oder durch das Beneficium abstinendi von der Annahme der väterlichen Erbschaft frei geworden seyn sollte.

Der Widerspruch der genannten Gelehrten, verschiedene in jenem Aufsage gebliebene Dunkelheiten, und der Wunsch, sich über diese auf jeden Fall sehr schwierigen und verwickelten Rechtsfragen eine so viel wie möglich vollständige Rechenschaft abzulegen, bestimmte den Verfasser, sie einer Revision zu unterwerfen, deren Resultate er zu veröffentlichen sich hiermit die Freiheit nimmt.

S. 1.

In seinem Aufsage vom Jahre 1837 befolgte der Verfasser, was die angegebenen Fragen betrifft, folgenden Ideengang: daß er vier Hauptfälle unterschied, deren beide ersten er zu entschei den versuchte, während er die Entscheidung der zwei legtern als Folgen der Entscheidung der erstern nicht weiter erörterte. Die Resultate waren:

1. Der Substitut hat die väterliche Erbschaft, in wie weit er zu derselben gerufen war, angenommen: ist er befugt, die pupillarische auszuschlagen?

machte der Verfasser eine Verwahrung in Richter's kritischen Jahrbüchern für die deutsche Rechtswissenschaft vom Jahre 1888. B. V. S. 948-949. bekannt.

1) Mühlenbruch a. a. D.

2) In seiner Ausgabe von Wening's Lehrbuch Bd. III. S. 272.

3). Im Archiv für civilistische Praxis Bd. 22. S. 2.

4) In seinem Leitfaden zu Pandecten - Vorlesungen Bd. II. S. 182.

Antwort:

1) Wenn der Pupille Erbe des Vaters ist, so kann er es nicht, besonders wegen

c. 20. C. 6. 30. (de jure deliberandi)

und fr. 59. D. 29. 2. (de A. et O. H.)

fr. 10. §. 2. 3. D. 28. 6. (de vulg. et pup. subst.)

2) Wenn der Pupille enterbt ist, so steht dem Substituten dieß frei.

3) Desgleichen wenn derselbe abstinirte, vorausgesezt, das Testament sey nicht destituirt.

Directe Beweisstellen für die beiden lezten Säge führte der Verfasser nicht an, suchte aber diese durch allgemeine Raifonnements, Argumente e contrario und durch die Analogie (was die legte, betrifft mit Rücksicht auf fr. 10. §. 2. 3. D. 28. 6. und fr. 40. D. 29. 2.) zu begründen.

II. Wenn der Substitut die pupillarische Erbschaft ausschlug, so kann er die des Vaters

1) nicht annehmen, wenn der Pupill dessen Erbe geworden; 2) wohl aber, wenn dieser erheredirt war, oder

3) sich von der väterlichen Erbschaft losgesagt hatte. Diese Säße stüßte der Verfasser auf verschiedene Stellen nemlich auf

c. 20. C. 6. 30.

fr. 40. 41. D. 29. 2. (de A. et O. H.)

fr. 29. §. 2. D. 36. 1. (ad SCtum. Treb.)

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fr. 12. D. 28. 6. (de pup. et vulg. subst.)

Die oben angeführten Rechtsgelehrten sind, was den ersten und die drei legten Fälle betrifft, mit dem Verfasser einverstanden z nicht aber, wie schon bemerkt, hinsichtlich der unter 2. u. 3. in Nr. I. aufgeführten.

Nach ihrer Ansicht kann der Pupillarsubstitut, wenn er die väterliche Erbschaft annahm, in keinem Falle die des Pupillen ausschlagen, wenn auch dessen Erbschaft mit der väterlichen

nie in Verbindung fam (etiamsi non juncta sit pupilli hereditas patris hereditati) und zwar blos wegen der allgemeinen Fassung des

worin es heißt:

fr. 59. D. 29. 2.

Qui patri heres extitit, si idem filio impuberi substitutus est, non potest hereditatem ejus praetermittere; quod sic recipiendum est, etiam si vivo pupillo mortuus erit, deinde pupillus impubes decesserit; nam is, qui heres extiterit, pupillo quoque heres necessario erit; nam si ipsum invitum obligat, conjungi eam paternae hereditati et adcrescendi jure acquiri cuicunque patris heredi, existimandum est.

Der das Prinzip enthaltende Anfang der Stelle ist allerdings so allgemein gefaßt, daß alle in Nr. I. enthaltenen drei Fälle unter dasselbe fallen, also nicht blos der, wo der Pupill Erbe des Vaters wurde, sondern auch wenn er es nicht wurde. Allein der am Ende der Stelle angegebene Entscheidungsgrund, der auch in fr. 10. §. 2. D. 28. 6. vorkömmt, hatte den Verfasser bestimmt, die Stelle auf den ersten Fall (I. 1.) zu beschränken.

Dazu bewog ihn ferner die Betrachtung, daß nach ihm kein Grund vorhanden ist, bei diesen Fällen ein anderes Prinzip zu befolgen, als im Falle des Ausschlagens der väterlichen Erbschaft durch den Pupillarsubstituten, weil auch hier der Grundsag: eine Erbschaft könne theilweise nicht ausgeschlagen werden, nur dann zur Anwendung kommt, wenn wirklich nur eine Erbschaft da ist, d. h. wenn der Pupill auch wirklich Erbe des Vaters geworden ist. In den entgegengesezten Fällen find ja zwei von einander ganz getrennte Erbschaften vorhanden, deren eine anzunehmen und die andere auszuschlagen nach allgemeinen Grundsägen erlaubt seyn muß. Die ganz allgemeine Auslegung des fr. 59. würde dennoch ein durch keinen Grund zu rechtfertigendes jus singulare enthalten, was

aber schon der Fassung der Stelle wegen nicht anzunehmen ist.

Wenn die genannten Rechtsgelehrten es verwerflich finden, daß der Verfasser die Stelle restrictiv auslegt, so trifft sie theilweise, nemlich Mühlenbruch und v. Vangerow, der gleiche Vorwurf rücksichtlich ihrer Auslegung der

fr. 27. §. 2. D. 36. 1.

fr. 12. pr. D. 28. 6.

fr. 40. D. 29. 2.

worauf sie ihre Behauptung stügen, daß nur, wenn der Pupill erheredirt war, (oder abstinirt hatte) der Substitut ausschlagen könne nicht aber, wenn der Pupill die väterliche Erbschaft annahm denn beide Stellen sprechen ganz all

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gemein.

S. 2.

Indem wir die sechs Fälle nun nochmals genau prüfen, wollen wir jedoch einen andern Gedankengang einschlagen, um die mit einander verwandten sowohl durch ein unmitielbares Nebeneinanderstellen, als durch das Entgegensegen der von ihnen verschiedenen, in ein klareres Licht zu sehen; gehen aber von der hier vor allem zu erwähnenden (wie uns scheint) unwidersprechlichen juristischen Wahrheit aus: daß wenn jemand zu verschiedenen, von einander ganz getrennten Erbschaften gerufen ist, (welche also mit einander nichts gemein haben,) er nach Belieben die eine derselben annehmen und die andere ausschlagen fann.

Eine Verpflichtung, beide anzunehmen, oder beide auszuschlagen - fann nur entweder durch ein jus singulare ge boten seyn, oder die Folge einer juristischen Verbindung und Einheit der beiden Erbschaften, die selbst wieder die Wirkung einer juristischen Thatsache seyn muß; z. B. der, daß einer der Erblasser Erbe des andern geworden ist.

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