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geseglichen Vorschrift, daß der Eid persönlich von der Parthei selbst abgeleistet werden solle, als mit v. Linde daraus zu deduciren, daß der Eid ein Zeugniß in eigener Sache und bei dem Zeugniß die Gegenwart des Zeugen erforderlich sei.

Was nun die zweite Frage betrifft, wer die schwörenden Mitglieder auszuwählen habe, wenn der Eid einzelner Mitglieder genügt, so hat v. Linde mich allerdings sehr mißverstanden, wenn er in meiner Behauptung, daß die einzelnen Mitglieder als besondere Rechtssubjecte und Individuen der Gemeinheit und ihrer Streitigkeit fremd seien, eine Sonderung ihrer Eigenschaften erblickt. Meine Behauptung geht vielmehr dahin, daß jedes Mitglied einer Gemeinde, wenn es in seiner Einzelheit betrachtet wird, eine eigene für sich bestehende Persönlichkeit ausmacht, daß jedes einzelne Mitglied im Verhältniß zur Corporation eine dritte Person bildet. Deshalb habe ich die Ansicht v. Linde's, daß durch die Eidesdelation an die Gemeinde implicite jedem Mitglied der Eid angetragen sei, für unzulässig gehalten, weil das einzelne Mitglied stets und unter allen Umständen als eine eigene und mithin fremde Person angesehen werden muß, mit welcher der Gegner der Gemeinde nichts zu schaffen hat. Nur die ideelle Person der Gemeinde steht dem Deferenten gegenüber, nie aber die wirkliche Persönlichkeit des Mitglieds, nie die individuellen Mitglieder, wenn sie auch durch ihren Compler per fictionem das Rechtssubject der Corporation bilden. Jedes Mitglied ist für den Deferenten eine andere Person als die Gemeinde, eine von dieser verschiedene Persönlichkeit und kann ihn daher in Streitigkeiten mit dieser in keiner Weise kümmern. Die Mitgliedschaft ändert nichts an der persönlichen Selbstständigkeit, fie afficirt und absorbirt durchaus nicht die für sich bestehende Persönlichkeit und deßhalb ist ein ursprüngliches auf die Aufforderung aller einzelnen Mitglieder zum Eide gerichtetes Recht des Deferenten juristisch nicht denkbar. Ein Streit mit den Mitgliedern wäre ein

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Streit mit eben so vielen verschiedenen Personen und in nichts von dem Rechtsstreit mit den Theilnehmern einer Communio, mit Litisconsorten verschieden. - Gegen meine Meinung, daß deßhalb, weil die Praris und der Gerichtsgebrauch die Ableistung des einer Gemeinde angetragenen Eides durch einzelne Mitglieder gestatten, die Befugniß des Deferenten, die Ableistung des Eides durch die Gemeinde selbst zu verlangen, aufgehoben und die Verpflichtung eingetreten sei, einen Stellvertreter zur Eidesleistung zuzulassen, führt v. Linde eincstheils an, daß solche Praris im Princip nicht rechtsbegründet sei und daher auch nicht in den daraus abgeleiteten Folgen rechtsbegründet sein könne, anderntheils, daß das Recht der Gemeinde, einen de oder referirten Eid durch einen Mandatar schwören zu las= sen, nicht bewiesen und nicht zu beweisen sei. Jener Einwand muß in der That auffallend erscheinen, da v. Linde selbst sich auf eine entschiedene Praris beruft, wornach nur einige Mitglieder zu schwören brauchen, und außerdem die Stellung der Lezteren zu der Gemeinde und deren Gegner wie das Verhältniß, unter welchem sie auftreten, nicht davon abhängt, ob die Eidesleistung derselben statt der Gemeinde theoretisch richtig oder verkehrt ist. Die Frage ist ja, wie sind die einzelnen Mitglieder, welche den der Gemeinde obliegenden Eid ausschwören, zu betrachten, wenn es zugelassen wird, daß sie denselben ableisten, und bei dieser Untersuchung ist ja eben vorausgeseßt, daß die Leistung des von der Gemeinde angenommenen Eides durch einzelne Mitglieder für statthaft erklärt worden. Nicht der Gerichtsgebrauch ist es, der im concreten Falle diese Eidesleistung durch einzelne Interessenten statuirt, sondern das durch den Gerichtsgebrauch mit Rücksicht auf Zweckmäßigkeitsgründe motivirte Urtheil. Mag dieses nun auch theoretisch verkehrt sein, so wird es doch, da die Sentenz, welche es ausspricht, daß die Eidesleistung einzelner Mitglieder genüge, nur eine sententia iniqua sein kann, durch Rechtskraft bindende Norm und die Eidesleistung der einzelnen

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Mitglieder ist demzufolge, wo sie geschieht, immer rechtsbegründet, weil ihr stets ein sie zulassendes rechtskräftiges Erkenntniß voraufgeht. Dieses auf den Gerichtsgebrauch als ratio decidendi gebaute Erkenntniß gewährt in dem concreten Falle der Corporation das Recht, den ihr obliegenden Eid durch einzelne Mitglieder ableisten zu lassen, und damit ist was ich gegen den zweiten Einwand v. Linde's bemerke das Recht der Gemeinde, sich hinsichtlich der Ausschwörung des Eides vertreten zu lassen, bewiesen. - Denn die einzelnen Mitglieder es ist ja immer vorausgeseßt, daß nicht die Majorität schwört bilden die Gemeinde nicht, indem sie schwören, schwört nicht die Gemeinde, sondern es schwören dritte Personen. Dennoch aber wird für die Gemeinde, statt dieser geschworen, der Eid gilt nicht als von der Corporation, sondern als für dieselbe geleistet und die rechtlichen Folgen dieser Eidesleistung kommen der Gemeinde zu Gute. Was ist dies anders als Stellvertretung? Ich wenigstens meines Theils wüßte das Verhältniß, in welchem die einzelnen Mitglieder bei der Eidesleistung auftreten, unter keinen andern Gesichtspunct zu bringen, und schwerlich möchte ein anderer dafür aufzufinden sein. - Das kann ich nicht beweisen und habe ich nie beweisen wollen, daß jede Gemeinde in abstracto das Recht hätte, einen de- oder referirten Eid durch einen Mandatar schwören zu lassen, allein das habe ich behauptet und wie mir säjeint hinlänglich nachgewiesen, daß da, wo einzelne Mitglieder den einer Gemeinde angetragenen Eid ausschwören dürfen, diese Mitglieder Stellvertreter der Gemeinde, und daß sie deßhalb, weil die Bestimmung der Person des Mandatars lediglich vom Mandanten abhängt, von der Gemeinde auszuwählen sind. Lezteres Resultat ist rechtliche Folge des Rechtsverhälmisses, worin die einzelnen Mitglieder zu der Gemeinde stehen, für welche sie den Eid leisten, und eben deßhalb kommen Zweckmäßigkeitsgründe bei der Entscheidung der Frage, wem vas Wahlrecht competire, um so weniger in Betracht, als es sich hier Zeitschrift für Civilrecht u. Prozeß. XVIII. 2.

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nicht de lege ferenda handelt. Die Untersuchung, ob vom legislativen Standpunkte aus das Recht zur Auswahl der einzelnen Mitglieder der Gemeinde ab und ihrem Gegner zuzusprechen sei, will ich gleichfalls anderen überlassen; so viel liegt aber vor, daß das Recht, sich seinen Vertreter selbst zu wählen, erst aufgehoben sein muß, um dem Gegner der Gemeinde das fragliche Wahlrecht beilegen zu können.

Schließlich bemerke ich nur noch, daß ich die spätere Abhandlung v. Linde's über das bisher abgehandelte Thema freilich sehr wohl gekannt, daß ich sie aber um deßwillen unberückfichtigt gelassen habe, weil sie außer dem Versuch, durch const. 2. §. 5. C. 2. 59. nachzuweisen, daß schon nach römischem Rechte die Ableistung des einer Gemeinde obliegenden Eides von allen Gliedern derselben nicht für unbedingt nöthig gehalten worden sei was ich nie bestritten habe nur particularrechtliche Bestimmungen referirt, welche selbstverständlich für ●die Entscheidung einer gemeinrechtlichen Controverse nichts releviren.

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IX.

Bemerkungen über den Gegenstand der vorher. gehenden Abhandlung.

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Die unmittelbar vorhergehende Abhandlung des Herrn Huß,

welche eine Erwiederung auf meine früheren Bemerkungen über denselben Gegenstand im Bd. 15. Heft 2. dieser Zeitschrift enthält, bedarf nach meiner Ansicht keiner nochmaligen speziellen Entgegnung von meiner Seite, weil ich die in meinen eben erwähnten Bemerkungen erhobenen Anstände nicht beseitigt halte, und wünschen muß, daß mir gegenüber Herr Huß das legte Wort behalte, und ein anderer Prozessualist die Differenzen abwäge; einen Wunsch, den ich am Ende der Bemerkungen im Bd. 15. S. 171. ausgesprochen habe.

Außerdem ist interessant, wie in neuester Zeit auch v. Savigny im Syst. d. heut. röm. Rechts B. II. §. 92. S. 297. über diesen Gegenstand sich ausspricht. Er bemerkt: wenn eine juristische Person in ihrem eigenen Rechtsstreite einen Eid zu schwören habe, so entstehe eine besondere Schwierigkeit, da der Eid eigentlich nicht auf die juristische, sondern auf die rein menschliche Persönlichkeit der Partei (die Gewissenhaftigkeit des einzelnen Menschen) berechnet sei. Das römische Recht er

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