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fragt sich aber auch ferner, auf welchem indirecten Wege jene offenbare Ungerechtigkeit verhütet werden soll. Denn, daß, nach der Strenge des Eigenthumsprinzipes, der Befiger, so lange er noch wirklich Eigenthümer derselben ist, mit voller Wirksamkeit die Früchte consumiren und insbesondere veräußern kann, leidet keinen Zweifel. Soll er als fictus possessor, qui dolo malo fecit, quo minus possideret, haften? Das möchte darum sehr bedenklich sein, weil hier ja, nach der Ansicht der Gegner, nicht von einer Person die Rede ist, welche als Besiger einer Sache dem Eigenthümer derselben haftet, sondern von dem anerkannten Eigenthümer der Sache, noch dazu einer solchen Sache, die keiner selbstständigen Rückforderungsklage unterworfen ist. Auch finden wir nirgends im Corpus Juris eine Spur der Anwendung der ficta possessio auf dieses Rechtsverhältniß, während Fälle der Art doch sehr oft hätten vorkommen müssen, es also von großem practischen Interesse gewesen wäre, davon zu sprechen. Wie soll es ferner gehalten werden, wenn, nach eingetretener mala fides des Fruchterwerbers, der Besig der Früchte zufällig in die Hände des Eigenthümers der Hauptsache gekommen? Verbleiben sie, wie die Gegner annehmen, troz dem noch im Eigenthume des ehemaligen b. f. possessor, so fann er sie unbedenklich vindiciren. Der Eigenthümer der Hauptsache hat auch natürlich nicht die exceptio dominii; aber auch schwerlich eine andere wirksame Einrede, welche ihn zum Behalten der Früchte berechtigt. Entscheiden dann nicht, wenn die Hauptsache inzwischen durch Zufall zu Grunde gegangen ist. Denn die Einrede könnte ja nur aus der obligatio ad reddendos fructus entlehnt werden. Aber eine solche eristirt hier gar nicht, weil sie nur als Anhang der Verbindlichkeit aus dem die Hauptsache betreffenden Vindicationsprozeß, nur als zur omnis causa gehörig, geltend gemacht werden soll. Von der omnis causa kann jedoch ohne Klaganspruch auf die Hauptsache nicht füglich die Rede sein. Selbst, wenn die Hauptsache noch bei dem ehemaligen b. f. possessor sich befindet, selbst da bliebe dem mit

der rei vindicatio auf Herausgabe der Früchte verklagten Eigenthümer der Hauptsache nichts übrig, als die Früchte herauszugeben und sie hinterdrein mit der Hauptsache selbst zusammen zurück zu vindiciren.

Es bleibt uns zweitens noch übrig, einigen Einwendungen, die unserer Theorie entgegengestellt werden können, zu begegnen. Natürlich aber nur solchen Einwendungen, die nicht schon in dem Bisherigen ihre Erledigung gefunden haben. Man hat es insbesondere für unbillig erachtet, daß der Besiger, wenn er der Vindication der Hauptsache selbst überhoben ist, erst nach besonderen Vindicationen wegen der davon gezogenen Früchte ausgesezt bleiben soll. Allein es läßt sich fragen, ob nicht umgekehrt eine weit größere Härte für den Eigenthümer der Hauptsache in dem entgegengeseßten Principe liegt. Er ist, ohne seine Schuld, etwa durch ihren zufälligen Untergang bei dem Besiger, um seine Sache gekommen und, in Gefolge dieses Zufalles, soll er nun auch noch das Recht verlieren, die Früchte, worauf er, nach der eigenen Theorie der Gegner einen obligatorischen Anspruch hat, zu verlangen! Hätte das römische Recht in solcher Art das Interesse des Eigenthümers dem des Besizers nachsegen wollen, so würde es schwerlich überhaupt eine Verbindlichkeit des Leyteren zur eventuellen Restitution der Früchte beliebt haben. Es würde dann dem Besiger die bona fide gezogenen Früchte nicht blos interimistisch, sondern vielmehr gleich definitiv zugesprochen haben.

Man hat es ferner in besonders hohem Grade für unzweckmäßig erklärt, daß der Besizer der Früchte, auch nachdem ihn die bereits abgelaufene Usucapionszeit über sein Eigenthum an der Hauptsache sicher gestellt hat, wegen der vielleicht kurz vorher gezogenen Früchte, noch einer Vindication ausgesezt bleiben solle. Allein darin liegt nichts Unnatürliches. Nach römischem Rechte kam ja das sehr oft vor, daß jemand, auch nach vollendeter Usucapion der Hauptsache, wenigstens die noch

vorhandenen Früchte derselben dem ehemaligen Eigenthümer der Hauptsache auf erhobene Vindication, herausgeben mußte. Nemlich dann, wenn er die Früchte, nach schon begonnener Usucapion der Sache, aber nach schon eingetretener mala fides, welche die Fortsegung der Usucapion nicht hinderte, gezogen hatte. Wenn ferner es auf der einen Seite eine Härte zu haben scheint, daß der Besizer, nach schon vollendeter Usucapion der Hauptsache, noch vorhandene Früchte derselben restituiren muß, so ist es doch gewiß umgekehrt nicht weniger hart, daß der bisherige Eigenthümer der Hauptsache, nachdem er sie durch Usucapion verloren hat, nun auch noch aufferdem nicht ein Mal befugt seyn soll, die noch vorhandenen Früchte zu vindiciren, obgleich diese entschieden noch nicht durch Usucapion eines Anderen seinem Eigenthume definitiv entzogen sind.

Endlich mag noch kurz bemerkt werden, warum bei der ganzen bisherigen Ausführung lediglich das römische Recht berücksichtigt worden ist. Das canonische Recht konnte deßhalb nicht mit hinein gezogen werden, weil es über das Verhältniß des Besizers zu den Früchten gar keine besondere Bestimmungen enthält. Nur so viel ist gewiß, daß, wenn wir den ganzen Geist des canonischen Rechtes, wie er sich namentlich in Beziehung auf die Usucapion ausspricht, berücksichtigen wollten, dieser der Theorie der Gegner weit weniger günstig sein würde, als der hier vorgetragenen. Denn unverkennbar legt das canonische Recht da, wo das Interesse des Eigenthümers mit dem des b. f. possessor in Conflict kommt, auf die Fortdauer der bona fides in der Person des Legteren mehr Gewicht, als das römische Recht. Indessen soll aus diesem Umstande keineswegs ein besonderes neues Argument für unsere Theorie entlehnt werden. Denn es ist wohl das einzig Richtige, das canonische Recht hier ganz aus dem Spiele zu lassen.

VIII.

Ueber die Ableistung des Schiedeseides bei Cor

porationen.

Von dem

Herrn Advokaten Huß zu Ahrensburg in Holstein.

Eine im 2ten Hefte des XV. Bandes dieser Zeitschrift abgedruckte Abhandlung von mir über die Ableistung des Schicdeseides von Corporationen hat v. Linde zu einigen Gegenbemerkungen veranlaßt, welche mich hinwiederum zu einer furzen Entgegnung auffordern.

Allerdings habe ich die Betrachtung des Eides, als eines Zeugnisses in eigener Sache, mit Rücksicht auf die Natur des eigentlichen Zeugnisses für unzulässig gehalten, allein wenn es zur Frage steht, ob der Eid als ein Zeugniß in eigener Sache angesehen werden könne, so kann hiefür offenbar auch nichts anderes als der juristische Begriff des Zeugnisses überhaupt entscheidend sein. - Der juristische Begriff des legteren befaßt, aber nur die Aussage eines Dritten, nicht aber die der Parthei selbst und wenn man demnach den Eid ein Zeugniß in eigener Sache nennt, so kann diese Bezeichnung folgeweise eben so wenig eine juristische Bedeutung haben, als geeignet sein, rechtliche Consequenzen zu gewähren. Jmmerhin mag man den Eid uneigentlich ein Zeugniß in eigener Sache nennen, allein was nügt es, denselben als solches zu

betrachten, wenn er kein Zeugniß im juristischen Sinne sein kann. Die Folgerungen, welche man aus der Natur des Zeugnisses in seiner eigentlichen Bedeutung zieht, lassen sich ja nicht ableiten, wenn das Verhältniß, woran man jene Folgerungen knüpfen will, kein wirkliches Zeugniß ist. v. Linde deducirt auch nichts aus der Natur des Eides, als eines Zeugnisses in eigener Sache, sondern er deducirt aus der Natur des eigentlichen Zeugnisses und folgert hieraus die Nothwendigkeit der persönlichen Ableistung des Eides. Er behauptet nämlich in seiner früheren Abhandlung, weil persönliche Erklärung des Zeugen (damit ist denn doch wohl nicht die Parthei, sondern der Dritte, der eigentlich und im juristischen Sinn sogenannte Zeuge gemeint) zur vollen Glaubwürdigkeit erforderlich, der Eid aber nichts anderes, als ein Zeugniß in eigener Sache sei, so müßte der Eid auch von der Parthei persönlich abgeleistet werden. Unverkennbar subsumirt also v. Linde den Eid unter das Zeugniß (im eigentlichen Sinn) und wendet auf jenen an, was von diesem gilt. Mit vol= lem Fug und Recht durfte ich daher v. Linde die Verschiedenheit der juristischen Begriffe, der rechtlichen Natur des Zeugnisses und des Eides entgegenhalten und hieraus die Falschheit des Schlusses nachweisen, daß persönliche Ableistung des Eides um deswillen nöthig sei, weil bei dem Zeugen die persönliche Erklärung erfordert werde. Daß die Betrachtung des Eides als eines Zeugnisses in eigener Sache nicht nöthig, vielmehr ganz müßig sei, um die Nothwendigkeit der persönlichen Ableistung zu erklären, hat v. Linde nun selbst zugegeben, indem er bemerkt, daß der Grund, weßhalb persönliche Gegenwart bei dem Zeugnisse und bei der Eidesleistung erforderlich sei, bei beiden bloß in positiv rechtlicher Vorschrift liege. Ist dieses der Fall, wie ich es selbst behauptet habe, so möchte es doch ohne Zweifel viel einfacher sein, den Saß, daß der Regel des Rechts nach die Majorität der Corporation schwören müsse, mit mir aus der

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