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bei dem Zustande der Quellen, woraus wir schöpfen, unmöglich. Unter diesen Umständen wird man es schon für nicht überflüssig erachten, die verschiedenen gelungenen oder beifällig aufgenom menen Versuche, welche sich zerstreuet bei verschiedenen Schriftftellern befinden, zusammenzustellen und sie, soweit es nöthig, einer neuen Prüfung zu unterwerfen. Es wird sich auf diese Weise, und in Verbindung mit einigen neuen Anschauungen, deren Beweis zu führen ist, eine mehr in allen ihren Theilen übereinstimmende Darstellung der Sache für das justinianeische Recht liefern lassen. Zweierlei habe ich noch zu bemerken. Erstens, daß es keineswegs auf eine Entwickelung der Wirfungen der Compensation insgesammt abgesehen ist, sondern nur soweit, als die Ueberschrift es anzeigt, also m. a. W. auf die Bedeutung der Wirkung ipso jure. Sodann aber, daß nicht etwa eine ausführliche Untersuchung der verschiedenen, an diesen Begriff geknüpften Bedeutungen hier vorauszuschicken war, wie sehr auch sonst eine solche, oder wenigstens eine beleuchtende Durcharbeitung der darüber schon von Andern gesammelten Resultate nöthig ist. Diese behalte ich mir für eine andere Zeit vor. Wir können uns ganz einfach mit den beiden bekannten Hauptbegriffen und Gegensägen begnügen, dem materiellrechtlichen, d. h. wenn eine Erscheinung im Rechtsgebiete ohne Vermittelung eines Menschen, nur als Folge bestehender Rechtsgrundsäge eintritt, und dem prozessualischen, welcher dem ope exceptionis entgegensteht. Denn auf diese läuft es nur hinaus, wie auch Niemand in Abrede stellt. Ich bin überzeugt, daß es zur Erreichung des vorgesteckten Zwecks in der That nur auf richtige Auslegung der eingreifenden Quellenzeugnisse, und ihr Verhältniß und ihre Verbindung untereinander ankommt. Nur Eine Erörterung von allgemeiner Natur wird dabei nöthig, wie viel auch durch das Hereinragen mannigfaltiger Lehren, es zu sein scheinen, die der Lehre von der Vorschüßung der Exceptic.en gegen das Ende des römischen Formularprozesses und nach dessen Erlöschen, unter Berücksichtigung des Unterschieds

der bonae fidei und stricti juris judicia, jedoch nur, um eine Meinung zu widerlegen, nicht eine solche darauf zu gründen. Auch ist dies Alles, was von diesem Unterschiede in nähere Betrachtung zu ziehen ist, als daß nicht auf das Bekannte Bezug ge= nommen werden dürfte. — Einen sichern Beweis der Richtigkeit dieser Verheißungen geben die ausführlichen, und wenigstens soweit wohlgelungenen Untersuchungen der beiden Monographien über die Compensation in Bezug auf die namentlich berührten Punkte, daß günstige Resultate nicht fehlen könnten, wenn sie dadurch zu erlangen wären. Ich glaube aber schon nicht Unrecht zu thun, wenn ich die Ueberzeugung ausspreche, daß durch dieselben der Stand der Dinge, wie er vorher war, um nichts verändert worden ist, wenigstens nicht zum Bessern. Der beste Beweis, wenn ich Recht habe, muß das Folgende selbst geben.

Folgender Sah darf jezt in der Doctrin des geltenden Rechts allgemein als richtig angenommen aufgestellt werden. "Wenn der Schuldner Gläubiger seines Gläubigers wird, so ist das ein Ereigniß, welches auf das Fortbestehen des früheren Schuldverhältnisses nicht nothwendig Einfluß hat, denn es lassen sich beide sehr wohl neben einander denken. Es steht aber jedem von beiden Gläubigern frei, wenn er vom andern angegriffen wird, seine Forderung auf seine Schuld abzurechnen, vorausgesezt, daß die materiellrechtlichen Erfordernisse dazu vorhanden sind. Ob er das will, und gegen welche von mehreren Forderungen er seine Gegenforderung geltend machen will, hängt von ihm ab1); er übt also damit ein Recht aus, und das Mittel dazu ist die Exception, wobei er rücksichtlich der thatsächlichen Darstellung die gewöhnlichen Regeln zu beobachten hat 2)."

1) Fr. 5. 13. 18. §. 1. de Compens. Fr. 1. §. 4. de contrar. tut, act. 2) Krug die Lehre von der Compensation S. 209. Hartter das röm. deutsch. R. der Comp. S. 205. ff.

Dieser Saß beruht auch auf doppelte Weise in der Nothwendigkeit; der Richter kann ja weder die gegenseitigen Forderungen alle kennen, noch wissen, ob die Gegenrechnung dem gelegen ist, wer sie für sich geltend machen kann. Sodann erkennen ihn die Quellen in den Ausdrücken: opponere compensationem 1), summovere creditorem 2), reputare 3), reputationem habere 4), retinere in Verbindung mit Compensation 3) compensationes aequitatem postulare ), objicere") und ähnlichen ausdrücklich an. Dagegen kommt nicht vor exceptio compensationis, wohl aber öfters, daß der Gesammtbetrag einer Forderung in Folge einer Gegenrechnung ipso jure verringert oder verloschen sei, minutum est, desinere nos invicem esse obligatos, ipso jure factam liberationem. Es fommen hier nas mentlich folgende Stellen in Betracht:

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1. Fr. 4. de Comp. Verum est, quod et Neratio placebat et Pomponius ait, ipso jure eo minus fidejussorem ex omni contractu debere, quod etc. compensatione reus retinere potest; sicut enim cum totum peto a reo, male peto, ita et fidejussor non tenetur in majorem quantitatem, quam reus condemnari potest. (PAUL. s. ad Sab.)

2. Fr. 10. pr. und §. 1. eod. Si ambo socii parem negligentiam societati adhibuimus, dicendum est desinere nos invicem esse obligatos, ipso jure compensatione negligentiae facta. Simili modo probatur, si alter ex re communi aliquid percepit, alter tantam negligentiam exhibuerit, quae eadem quantitate aestimatur, compensationem factam videri, et ipso jure invicem liberationem. §. 1. Si quis igitur compensare potens,

1) Fr. 10. §. 2. eod. C. 7. ej. Tit.

2) Fr. 2. de Comp.

3) Fr. 1. §. 4. de contrar. tut. aci.

*) Fr. 1. §. 2. de Impens. in res dotal.

) Fr. 31. §. 2. de Donat. i. v. et ux.

) C. 6. de Compens.

') C. 8. 10. eod.

solverit, condicere poterit, quasi indebito soluto. (ULP. 63. ad Ed.)

3. Fr. 30. pr. de A. E. enthält den Fall: es ist ein Sclav mit dem peculio verkauft worden; noch vor der Tradition bestiehlt er den Verkäufer, retentionem eo nomine ex peculio me habiturum ait (Africanus), i. e. ipso jure ob id factum minutum esse peculium, eo scilicet, quod debitor meus ex caussa condictionis sit factus. (AFRIC. 8. qu.)

4. Fr. 5. pr. de Impens. in res dot. etc. beschreibt die Sache so: quod dicitur, necessarias impensas dotem minuere, sic erit accipiendum, ut ait Pedius, non ut ipsae res corporaliter deminuantur, utputa fundus, vel quodcunque aliud corpus; etenim absurdum est, deminutionem corporis fieri propter pecuniam, ceterum haec res faciet desinere, esse fundum dotalem vel partem ejus; manebit igitur maritus in detentionem, donec ei satisfiat; non enim ipso jure corporum, sed datis fit deminutio. Ubi ergo admittimus, deminutionem datis ipso jure fieri? ubi non sunt corpora, sed pecunia; nam in pecunia ratio admittit, deminutionem fieri. Proinde si aestimata corpora in dotem data sint, ipso jure dos deminuetur per impensas necessarias 1). Etc. (ULP. 35. ad Sab.) (s. noch Fr. 15. eod.)

1) Wie das: dos minuitur, hier zu verstehen sei, ist theils aus der Stelle felbst, theils aus der Verbindung mit Fr. 1. §. 4. de Dote prael. zu entnehmen, wo es heißt, dies sei ad universitatem referendum und C. un. §. 5. de Rei ux. act. dotis minnunt quantitatem, f. noch bes. Fr. 2. Tit. cit. Vergl. auch Glück Commens tar Bd. 27. S. 398. ff. Da die Erklärung so nahe liegt, so darf man sich billig wundern, daß von den ältern Interpreten so mannigfaltige und weitläuftige Versuche und Anstalten dazu getroffen worden sind. Nur hier ist des Versuchs in einer Schrift, die als academische nicht sehr bekannt geworden zu sein scheint, nem= lich: EINERT de Compensat. Sp. I. Lips. 1830. zu gedenken, den Stellen, worin auf die Compensation bezogen ipso jure vorkomut, eine ganz andere Auslegung zu geben. Das Seltsame und Gezwungene derselben ist aber eigentlich zu stark, als daß es dem besonnenen Verf. hätte entgehen können, und es gewinnt den Anschein, als habe

Gleichwohl wiederspricht dem Eingangs aufgestellten Saße weder der Mangel einer wirklichen Exceptio compensationis, noch das Wirken der legtern ipso jure, sondern es verhält sich damit also. Die Compensation ist ein Produkt der aequitas 1). Ueber die Entstehung ihres Einflusses auf geltend gemachte Forderungen belehren uns Gajus 2) und Justinian3). Anfangs fand ein solcher gar nicht Statt, nemlich wenn wir uns in die Zeit zurückversehen, wo es nur stricti juris judicia gab. Zuerst machte er sich geltend bei den b. f. judiciis 4). In his enim libera potestas judici permitti videtur ex bono et aequo aestimandi, quantum actori restitui debeat. In quo et

er sich einmal in Paradoren gefallen. So z. B. wird in Fr. 4. cit. das erste ipso jure eo minus etc. so verstanden: eo jure ipso, und dann für quod ex comp. etc., quo cmendirt, und das zweite ipso jure wird auf das Bürgschaftsverhältniß überhaupt bezogen. Gegen Fr. 10. cit. wird bemerkt, daß ja ipso jure hier auf negligentia gehe, nicht auf debitum und creditum! Von C. 4. de Comp. (f. nachher oben im Text,) heißt es: aliud est, solutionem fieri ipso jure, aliud, compens. ipso jure pro soluto haberi. Sämmtliche übrige Stellen verspart der Verf. für ein anderesmal (Largior, esse alia loca a commentatoribus diligenter collecta, quae clare admodum enunciant, comp. ipso jure fieri etc.); nach Krugs Vorr. zu s. Buche von der Comp. hat der Verf. den Gegenstand nicht weiter verfolgt.

1) Fr. 36. de Administr. et periculo tut.

aequitas, quae merum jus

compensationis inducit, etc. Fr. 18. pr. de Comp.

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compensationis uti. Vergl. Krug a. a. D. S. 17. ff. 22. ff.

2) Comm. Lib. IV. §.§. 62. 63.

3) Inst. §. 30. de Action. coll. §. 39.

4) Vergl. Krug, a. a. D. S. 38. ff. Sarigny in seinem Syftem B. V. S. 489. hält die b. f. und str. jur. actiones für gleich alt, und glaubt S. 639., daß namentlich auch »das System sämmtlicher Condictionen mit einemmale entstanden sei.« Dies ist ein Feld, worüber schwerlich jemals volles Licht verbreitet werden wird. Ges gen jene Meinung scheint mir die höchste Unwahrscheinlichkeit zu sprechen. Sollte sie richtig sein, so ändert sich an der obigen Darstellung gar nichts weiter, als daß die Compensatio von Anfang an bei den b. f. actiones erscheint, soweit fich deren Geschichte verfolgen läßt.

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