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der Schluß scheint verstümmelt, da man für et infelices ein neues Prädikat erwartet. Möglich wäre; et infelices [mendicare cogit], Der vermischte Hauptsag aber ist vielleicht im Folgenden enthalten: Attamen crudelem rem facis; nur wäre facit ober fecit zu schreiben: Attamen crudelem rem facit, qui sua de re infantes perdidit et infelices [mendicare cogit]. Ein Beispiel dafür, daß die beiden Hälften eines Sages aus einander geriffen und an verschiedenen Stellen erhalten sind, hat Bursian p. 186 bezeichnet: 3. 28 Erat navigium, immo fuerat, sed hoc und das sich daran unmittelbar anschließende ein paar Zeilen höher, putre, resolutis compagibus, infelix omen navigationis. Es bleibt dann an unserer Stelle noch eine Lücke hinter respublica, wo mindestens laeditur oder laesa est ausgefallen ist. Die Stelle ergiebt nun nach diesen Herstellungsversuchen folgenden Zusammenhang: Duo debilitantur, nondum respublica [laesa est]. Potuerunt, inquit, duces fieri. potuerunt et sacrilegi esse et homicidae, potuerunt et perire. Attamen crudelem rem facit, qui sua de re infantes perdidit et infelices [mendicare cogit]. et lanista [qui iuvenes cogit ad gladium], nec damnatur reipublicae laesae, et leno qui cogit invitas pati stuprum, nec laedit rempublicam.

P. 323, 25 Hunc sensum quidam Latini dixerunt, sed sic ut putem illos non mutuatos esse arti hoc sententiam, sed imitatos.

Statt arti hat der Antwerpener arci: Bursian vermuthet : Addaei ober ab Addaeo hanc, weil vom Addäus unmittelbar die betreffende griechische Sentenz angeführt ist. Wahrscheinlicher aber hat Seneca den Latini den Graecus oder die Graeci gegenüber gestellt: putem illos non mutuatos esse a graecis hanc sententiam, sed imitatos.

Controv. X 34 p. 328, 19 Quid facturi sumus si bellum volueris pingere? diversas virorum statuemus acies et in mutua vulnera armabimus manus, † ducte sequentur, victores revertentur cruenti? Ne Parrhasii manus temere ludat coloribus, internecione humana emendum est.

Bursian vermuthet: ducem te sequemur, victores revertemur. Aber daß Parrhasius selbst der Führer zum Kampf sein soll, ist auch in der Ironie unpassend, da es ihm ja nur um das Bild des Krieges zu thun sein kann. Was da gestanden, ist nicht schwer zu errathen. Die Zurüstungen zum Kampfe und der Abschluß, die Rückkehr der Sieger, sind bezeichnet. Die Hauptsache fehlt, der Kampf und die blutige Niederlage. Seneca schrieb: clades sequentur.

Freiburg im Breisgau, Juni 1858.

J. Vahlen.

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Die lex curiata de imperio.

Bei Festus p. 351. 352 Müller findet fic folgender ver. ftümmelte Artikel:

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Paulus hat ihn übergangen. Der erste Buchstab des fehlenden Lemmas war T, den zweiten läft hier die Reihenfolge der Artikel (vgl. Müller praef. p. XXVIII) nicht erkennen. - Es sind meines Wiffens zwei Versuche gemacht worden die verlorenen Worte zn ergänzen, der eine von Urfinus:

Tribuni

cia rogatione lex curiata fertur, quo Hanni-
bal anno in conspectu Romae cum esset nec ex praesidi-
is discedere liceret, Q. Fabius Maximus Verru-
cosus id per tr. pl. et Marcellus cos. facere in-
stituerunt, ut notavit Aelius in XII signi
ficationum verborum

der zweite von Rubino (röm. Verfaffung I, 381 fg.), dem D. Müller in seiner Ausgabe und Marquardt im Handb. 2, 3, 189 infofern gefolgt find, als Müller das durch einen Irrthum über die Grenzen des Erhaltenen und des Ergänzten in Rubinos Restitution

veranlaßte sprachlich wie sachlich unzulässige Verrucosus egit per tr. pl. et Marcellus cos. facere instituit angemessen abänderte : Tri

Hanni

ginta lictoribus lex curiata fertur, quod,
bal in propinquitate Romae cum esset nec ex praesidi-
is discedere liceret, Q. Fabius Maximus Verru-
cosus M. Claudius Marcellus cos. facere in-
stituerunt, ut nota vit Aelius in XII signifi-
ficationum verborum

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Es konnte Rubino nicht schwer fallen die Incongruenz der ursini schen Ergänzung darzuthun; Hannibal ist nicht unter Fabius und Marcellus Consulat 540, sondern erst unter dem des Sulpicius und Fulvius 543 gegen Rom marschirt und ein Curiatgeseg kann nimmermehr mittelst einer tribunicischen Rogation erlassen werden, anderer zahlreich sich aufdrängender sprachlichen und fachlichen Bedenken zu geschweigen. Die von ihm selber vorgeschlagene ruht wefentlich auf Ciceros Angabe, daß die lex curiata de imperio in Scheincomitien durch dreißig Victoren rogirt werde (de lege agr. 2, 12, 31: illis comitiis curiatis ad speciem atque ad usurpationem vetustatis per XXX lictores auspiciorum causa adumbratis). Fabius, meint er, habe nach der Schlacht von Cannä den Angriff Hannibals auf Rom vorausgesehen und, um die Stadt stets auf einen Belagerungsstand vorbereitet und namentlich auch darauf, daß ein Feldherr im Kampfe fallen und schnell ein neuer zu bestellen sein werde, gerüstet zu halten, die Form der Ertheilung des Imperiums abgekürzt. Um das Volk nicht von den Wachtposten abzuziehen und den Tumult, den die Herolde durch die Berufung an den Stadtmauern (circum muros Varro 6, 90) erregten, zu vermeiden, habe jede Curie die Anerkennung des Imperiums auf den ihr zugehörigen Lictor übertragen, und dabei sei es später geblieben. Indeß auch gegen diese Annahme, so scharfsinnig sie ist und so vielfacher Billigung sie daher sich erfreut hat, erheben sich dennoch sehr ernstliche Bedenken. Die Ladung zu den Curiatcomitien erfolgte nicht durch militärische Signale an den Stadtmauern, wie die zu den Centuriatcomitien, sondern durch bloßes Abrufen des

Lictor curiatus (Gell. 15, 27); gesezt auch, daß die Römer schreckhaft genug gewesen wären das Horn des Gemeindeherolds mit dem Allarmsignal zu verwechseln, so hätte man nicht die Curiat-, sondern vielmehr die Centuriatcomitien einstellen müssen. Es ist ferner weder bezeugt noch glaublich, daß den Scheincomitien zur Ertheilung des Imperium keine Ladung vorausgegangen sei; denn daraus, daß bloß dreißig Lictoren zu stimmen pflegten, folgt dies keineswegs, und dem Charakter des ad speciem beibehaltenen Aktes ist das Wegfallen der Ladungsformalität wenig angemessen. Andererseits ist das Erscheinen der Stimmberechtigten bei der Abstimmung in Rom beständig facultativ geblieben; so daß die Einladung zu den praktisch nichtigen Curiatcomitien weder der Schildwache ein Recht geben konnte ihren Posten zu verlassen noch auch nur vernünftiger Weise als ein Grund betrachtet werden kann, die Bürger von ihren sonftigen Obliegenheiten abzuziehen. Ob die seltsame Delegation der Rechte der Curie auf den Lictor curiatus, welche Rubino annimmt, nach römischem Staatsrecht überhaupt denkbar ist, mag dahinstehen; das wird nicht bestritten werden, daß es keines Gesezes bedurfte um die Bürgerschaft aus den Curiatcomitien de imperio zu ver treiben, sondern daß vielmehr von selber Niemand kam und der Magiftrat, um nur stimmende Individuen zu finden, seine Amts diener dazu verwenden mußte. Sagt doch Cicero (pro Sest. 51, 109), daß es in den wirklich beschließenden Tributcomitien sehr oft nicht viel anders herging, daß kaum je fünf Individuen, und zwar nicht selten in einem andern als ihrem eigenen Bezirk, ihre Stimmen abgaben; was den besten Fingerzeig dafür giebt, wie und warum jene dreißig Victoren die Curien vertreten konnten und ver traten. Man wird hienach einräumen, daß Rubinos Ergänzungen theils auf ein positives Gesez zurückführen, was allem Anschein nach auch ohne ein solches sich von selber gemacht hat, theils dem Fabius und Marcellus eine Verfassungsänderung zuschreiben, von der ein praktischer Nugen nicht abzusehen ist. Der Akt, durch den das Imperium ertheilt ward, war allem Anschein nach an sich weder weitläuftig noch schwierig und ward lediglich unbequem dadurch, daß er die Anwesenheit des mit dem Imperium auszustattenden Magi.

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