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Die Theologie der Druiden hatte zum Fundament eine Psychologie, welche als wichtigsten Grundsatz die Unsterblichkeit der Seele zum Ausdrucke brachte. War der Mensch, wie sie lehrten, von Gott dem unsterblichen Wesen erschaffen, so verlangte eine folgerichtige Entwickelung dieses Satzes von der Unsterblichkeit der Gottheit auch die Unsterblichkeit der Menschenseele und die Annahme einer Fortdauer nach dem leiblichen Tode1. Aber wie dachte man sich diese Fortdauer? Vielfach hat man im Altertume geglaubt und auch jetzt noch besteht die irrige Anschauung, dass die Druiden mit Pythagoras eine Seelenwanderung (Metempsychosis), d. h. eine Wanderung der Seele nach dem Austritte aus dem Körper 2 durch verschiedene Thier- und Menschenleiber gelehrt hätten. Dem ist jedoch nicht so, sondern sie lehrten eine lange, nach dem Tode fortgesetzte Trennung des irdischen und jenseitigen Lebens 3. Was man fälschlich für eine Metempsychosis hielt, war, streng genommen, nichts anderes als der

liches Walten hinlänglich erwiesen (Pomp. Mela III, 6; Strabo, IV, 4), und die Elbentänze sind dunkle Erinnerungen an nächtliche Kultushandlungen. Aber selbst diese spärlichen Überreste keltischer Religion zeigen eine feinere Geistesbildung, wie Grimm, Deutsche Mythol. p. XXVI sagt, als uns deutsche oder nordische Mythologie kund geben; es dringt darin mehr von priesterlicher Lehre durch.

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1 Strabo, IV, 4: ἀφθάρτους εἶναι τὰς ψυχάς. Diod. Sicul. V, 28: τὰς ψυχὰς τῶν ἀνθρώπων ἀθανάτους εἶναι συμβέβηκε. Valerius Maximus II, c. 6. Persuasum habuerant, animas hominum immortales esse. Amm. Marcell. XV, c. 9: Druidae . . . pronuntiarunt animas immortales. Pomp. Mela, III, 2: Unum ex iis, quae praecipiunt, in vulgus effluxit, videlicet ut forent ad bella meliores, aeternas esse animas, vitamque alteram ad manes.

2 Caesar, VI, 14: Inprimis hoc volunt persuadere, non interire animas, sed ab aliis transire ad alios. Diod. Sicul. V, 28: eiç ëτepov σῶμα τὴν ψυχὴν εἰςδόνεσθαι· τὰς ψυχὰς δι ̓ ἐτῶν ὡρισμένων παλινβιοῦν. 3 Pomp. Mela, III, 2. Lucan, Pharsal. I, 454 u. ff.: Vobis auctoribus, umbrae,

Non tacitas Erebi sedes, Ditisque profundi

Pallida regna petunt: regit idem spiritus artus

Orbe alio: longae (canitis si cognita) vitae

Mors media est.

Vgl. Macrobius in Somnium Script. lib. I, c. 9. Virgil. Aeneis VI, 732-751, wo von der tausendjährigen Reinigung der Seele durch Feuer, Wasser, Luft und endlicher Auferstehung die Rede ist.

4 Vgl. Döllinger, Heidentum und Judentum, S. 560. Was übrigens die Lehre des Pythagoras betrifft, so handelt es sich bei ihm nicht so

Inhalt eines dritten psychologischen Druidenlehrsatzes, nämlich : die Seele wird nach einer bestimmten Frist wieder geboren, das heisst, sie vereinigt sich aufs neue mit dem Körper, um dann in ihm ewig zu bleiben, mit anderen Worten die Druiden lehrten gleich den persischen Magiern eine Auferstehung der Toten 2.

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War die Gottheit gerecht und die Seele unsterblich, so musste sich je nach Beschaffenheit des irdischen Wandels an die Fortdauer der Seele Lohn oder Strafe im Jenseits knüpfen. Allerdings glaubten die Druiden auch, dass die durch Feuer geläuterten schuldbeladenen Seelen in ein besseres Leben eingingen, wie sie dies von den auf dem Scheiterhaufen hingerichteten Verbrechern annahmen 3. Den Feigen traf in der anderen Welt Strafe, der Tapfere erntete Belohnung. So erklärt sich auch die von Caesar, Strabo, Pomp. Mela u. a. betonte Tapferkeit und Todesverachtung, mit der sich die Gallier ebenso mutvoll ins Schlachtgetümmel wie in die prasselnde Lohe des Scheiterhaufens stürzten, denn sie war eine Ausgeburt druidischer Psychologie. Sogar auf den Alltagsverkehr und auf die geschäftliche Verbindung des Volkes erstreckte sich der Einfluss jener Seelenlehre. Der den Galliern angeborene Ehrlichkeitssinn wurde durch dieselbe zu einer ganz merkwürdigen Ausgestaltung gebracht. Der Gläubiger konnte nämlich seinem Schuldner, der in die Ewigkeit abschied, ganz ruhig und unbesorgt ins Grab nachsehen; er wusste ja, dass die Eintreibung seines Guthabens auch im Jenseits gesichert sei und dass Schuldbriefe, dem Toten mitgegeben, auch über das Grab hinaus ihren Wert

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fast um eine Seelenwanderung als vielmehr um eine Neugeburt (Palingenesis). Pythagoras vero non μετεμψύχουσιν sed παλινγενεσίαν esse dicit, hoc est redire, sed post tempus. Servii Comment. in Virgil. Aen. III. vs. 67 p. 274. Scholiast. ad Pindar. Olymp. II. p. 31. Sententia de Palingenesia antiquior est. Primus dogma proposuit Pythagoras. Nonnulli dicunt mentionem hic fieri Palingenesiae, quam Pythagoras statuit. Ille enim animas in alia corpora transeuntes dicit renovari. Demetr. Triclin. Schol. ad Pind. Olymp. II. p. 146. Indes scheint auch Pythagoras seine Lehre aus der persischen Philosophie, die er bei den Magiern Persiens studierte (Valer. Maxim. VIII, 7), welche selbst eine Auferstehung annahmen (Döllinger, a. a. O. S. 380. 381), geschöpft zu haben.

1 Diod. Sicul. V, 26 cfr. Note 1.

2 Pelloutier, II, p. 342.

3 Mary-Lafon, Hist. du midi de la France I, p. 23.

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Strabo, IV, 4. Pomp. Mela, III, 2.

beibehielten 1. So durchdrang die Seelenlehre der Druiden alle irdischen Lebensverhältnisse und verlieh ihnen das Gepräge einer grösseren Vollkommenheit. Was Wunder, dass die Alten, welche diesen Barbaren die Entdeckung so bedeutender Kenntnisse nicht zutrauten, die druidischen Lehren einstimmig für pythagoräisch erklärten 2, obschon es anderseits nicht an Anschauungen fehlte, welche als Ursprung der pythagoräischen Philosophie den Druidismus bezeichneten; denn wie Aristoteles und Sotion nach dem Zeugnisse des Diogenes Laertius sich ausdrückten, habe die Philosophie ihren Ausgangspunkt bei den Magiern der Perser, bei den Chaldäern der Babylonier und Assyrer, bei den Gymnosophisten der Inder und bei den Druiden der Kelten und Galater (Gallier), die man auch Semnothei nenne, genommen3, von welchen sie zu den

Griechen gelangt sei†.

1 Valer. Maxim. II, 6. Pomp. Mela, III, 2. Diod. Sicul. V, 28: Wenn Valer. Maxim. seine Angabe: persuasum habuerant, animas hominum immortales esse mit dem hämischen Zusatze begleitet, dass man darüber lachen könnte, wenn nicht Pythagoras das Nämliche geglaubt hätte, und er sich über die Philosophie der Gallier, die er wegen ihrer alten transalpinischen Beinkleidertracht nur spöttisch die Behosten (braccati) nennt, so ehrt dies weder ihn noch die Religion seines Volkes, wie Mone 1. c. S. 408 mit Recht bemerkt.

2 Pseudoorigines Philosophemena. c. XXV. ed. Gronov. in Thesauro Antiqu. Graec. t. X, p. 264: Druidae in Celtis Pythagoricae summopere philosophiae fuerunt innixi. Auctor hujus illius disciplinae et meditationis Zamolxis, Pythagorae exstitit servus genere Thracius. Is ab Pythagorae decessu illuc delatus ansam dedit hujus Philosophici studii amplectendi. Habentur a Gallis eo quod arte Pythagorica e calculis et numeris praedicerent ipsis quaedam futura, prophetarum et praesciorum numero. Cujus etiam ipsius artis occasione, quoniam nonnulli quoque ausi sunt sectas ex his erigere, silentio non praeteribimus. Quin et magicis utuntur Druidae Porro ex discipulis . . . . fuere Lysis et Archippus, et Pythagorae servus Zamolxis, qui etiam Druidas dicitur apud Celtas Pythagorica philosophari docuisse. Aber Herodot, die Quelle über Zamolxis, (III, 96, IV, 94) gesteht selbst, dass dieser viele Jahre vor Pythagoras gelebt habe (δοκέω δὲ πολλοῖσι ἔτεσι πρότερον τὸν Ζάλμοξιν toûtov yevéodal IIvJayópɛw) und ist überhaupt nicht geneigt, an die Existenz des Zamolxis zu glauben, eine Anschauung, welche er mit der von Suidas' Lexicon (ed. Kuster, Cantabrigae 1705) vertretenen teilt, wonach Zamolxis eine dem Cronos der Griechen entsprechende Gottheit bedeutet.

3 Τὸ τῆς φιλοσοφίας ἔργον ἔνιοὶ φασιν ἀπὸ βαρβάρων ἄρξαι· γεγεννῆσθαι γὰρ παρὰ μὲν Πέρσαις Μάγους, παρὰ δὲ Βαβυλωνίοις ἢ Ασσυρίοις, Χαλδαίους καὶ Γυμνοσοφίστας παρὰ Ἰνδοῖς· παρά τε Κελτοῖς καὶ Γαλάτοις τοὺς καλουμένους Δρύδας και Σεμνοθέους. Diogen. Laert., Prooem. I.

Mit der Philosophie verbanden die Druidenschulen die eifrigste Pflege der Beredsamkeit1. Die Redekunst war so recht das Lieblingsstudium der Druiden, denn keine Wissenschaft begünstigte mehr den ausgesprochenen redeseligen Hang der Keltenrasse. Zwei Dinge, sagt Cato, lieben die Gallier besonders, das Kriegswesen und die Kunst gewandt zu reden 2. In ihrer Leidenschaft für schöne Reden überboten die Gallier selbst die Griechen, wie der Sophist Themistius bemerkt, welcher sagt, der Anblick eines Rednermantels wirke auf sie wie Eisen auf Magnet 3. Eine eigentümliche Gepflogenheit brachte es mit sich, dass demjenigen, welcher einen Redner durch Lärm unterbrach, nach dreimaliger Verwarnung vom Ratsdiener zur Strafe der Mantel durch Abschneiden eines Stückes unbrauchbar gemacht wurde 1. Diese Sitte muss als Beweis für das Ansehen betrachtet werden, in welchem die Redekunst stand. Nicht minder eigenartig ist die Beschaffenheit des gallischen Gottes der Beredsamkeit. Als solchen verehrten die Gallier nicht, wie die Griechen den Merkur, sondern den Herakles, den sie nach einer Meldung des Satyrikers Lucian aus Samosata (geb. etwa 117 n. Chr.), der selbst eine Reihe von Jahren als Lehrer der Rhetorik in Gallien gewirkt, in ihrer Sprache Ogmios nannten 5. Derselbe Schriftsteller erzählt auch von einem

Η Φιλοσοφία πάλαι μὲν ἤκμασε βαρβάροις, κατὰ τὰ ἔθνη διαλάμψασα· ὕστερον δὲ καὶ εἰς Ἕλληνας κατῆλθεν· προέστησαν δ ̓ αὐτῆς Αἰγυπτίων τε οἱ προφῆται, καὶ Ἀσσυρίων οἱ Χαλδαῖοι, καὶ Γαλάτων οἱ Δρύδαι, καὶ Σαμαναῖοι Βάλτρων, καὶ Κέλτων οἱ φιλοσοφήσαντες, καὶ Περσῶν οἱ μάγοι. Clem. Alexand. Strom. I, p. 305. Ähnlich urteilt auch Tatian (Rede an die Griechen c. 1), wenn er schreibt: »Benehmet euch nicht ganz und gar feindlich gegen die Barbaren, ihr Griechen, noch verachtet sie; denn welche von euren Einrichtungen kommt nicht von den Barbaren ?<«<

1 Habent tamen et facundiam suam magistrosque sapientiae Druidas. Pomp. Mela, III, 2.

2 Pleroque Gallia duas res industriosissime persequitur, rem militarem et argute loqui. Charisius, Instit. Grammat II (Keil, Grammat. Latin. I, p. 202).

3 Aubertin, l'eloquence politique et parlementaire en France avant 1789. (Revue des Deux Mondes 1873 p. 654.)

4 Strabo, IV, 4, 3.

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5 Lucian, op. (ed. Schmieder) p. 335-338 (Hercules). Tov 'Hρaxλéx οἱ Κέλτοι Ὄγμον ὀνομάζουσι φυνῇ τῇ ἐπιχωρίῳ. Τὸν λόγον ἡμεῖς οἱ Κέλ τοι, οὐχ ὡσπερ ὑμεῖς οἱ Ἕλληνες, Ἑρμῆν οἰόμεθα εἶναι, ἀλλ ̓ Ἡρακλεῖ αὐτὸν εἰλάζομεν, ὅτι παραπολὺ τοῦ Ἑρμοῦ ἰσχυρότερος οὗτος. Einige Verwandtschaft mit der Idee der alten Gallier bekundet der Gedanke der

Gemälde, auf welchem Herakles als hochbetagter Greis mit einer grossen Glatze und wenigen schneeweisen Haaren abgebildet war. Seine Zungenspitze war mit einer aus Gold und Bernstein ungemein fein gearbeiteten Kette durchlöchert, mit welcher er eine grosse Schar von Menschen, sämtlich an den Ohren gebunden, nach sich zog, wobei ihm die Menge nicht nur widerstandlos folgte, sondern sogar unter lebhafter Freudenbezeugung jauchzend und munter nachdrängte. Das Bild verkörperte die Macht der Beredsamkeit und zwar jener durch das höhere Alter zur edlen Reife ausgegorenen. Die enge Verwandtschaft zwischen Zunge und Gehör gelangte durch die Kette zur Darstellung, welche die Zungenspitze des Gottes mit den Ohren der Menschen verband. Die Stärke des Herkules lag nach Meinung der Gallier weniger in seinem Körper als in seiner Überredungsgabe, und als seine Geschosse dachten sie sich die wohlgezielten und schnell treffenden Worte, die tief in die Herzen der Zuhörer sich einsenken.

Der Gewährsmann Lucians, welchem dieser die Erklärung jenes Bildes verdankte, war ein in griechischer Wissenschaft tüchtig bewanderter gallischer Philosoph, also ein Druide, der das griechische Idiom vollkommen beherrschte1. Aber man darf aus dieser Erscheinung noch keinen zu weit greifenden Schluss auf sprachliches Wissen der Druiden ziehen. Wenn man absieht von der blossen Kenntnis der griechischen Schriftzeichen, die ja, wie oben gezeigt wurde, in einem grossen Teile Galliens bestand, so war das Beherrschen der griechischen Sprache selbst wenigstens zu Caesars Zeiten unter den gallischen Philosophen auf das verhältnismässig eng umschriebene Territorium Massilias beschränkt. Konnte doch Caesar, welcher des Griechischen kundig war, mit dem Druiden Divitiacus, der sich in Rom als Abgesandter befunden hatte, weder griechisch noch lateinisch, sondern nur durch einen Dolmetscher verkehren 3.

Nächst der Beredsamkeit verwandten die Druiden nach übereinstimmender Aussage der Alten besondere Sorgfalt auf die Natur

Griechen, den Herkules als povσnyéτng zum Haupte der Musen zu machen, welches Beispiel die Römer nachahmten, indem sie im Cirkus Flaminius zur Ehre des Herkules und der Musen, wie Plin. lib. XXXV, c. 10 erwähnt, einen Tempel errichteten. Dieser wurde später in die Kirche Della Santa Lucia umgewandelt.

1 Κελτὸς δέ τις παρεστὼς οὐκ ἀπαίδευτος τα ἡμέτερα, ὡς ἔδειξεν, ἀκριβῶς Ἑλλάδα φωνὴν ἀριείς, φιλόσοφος, οἶμαι, τὰ ἐπιχώρια. Lucian, 1. c.

2 Cicero, De divinat. lib. 1, 90.

3 Caesar, I, 19.

Denk, Gallo-Fränkisches Unterrichts- u. Bildungswesen.

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