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führt den Namen von Zinsen, usurae. Die Zinsverbindlichkeit kann sich auf ein Rechtsgeschäft gründen, welches sie festsezt (Zinsen ex obligatione), aber auch außerdem kann es dem Recht gemäß seyn, daß Zinsen gegeben werden, so daß der Richter einen Schuldner dazu verurtheilt, obgleich ste durch kein Rechtsgeschäft festgesezt, durch keinen Vertrag versprochen sind, z. B. wenn der Schuldner durch rechtswidrigen Verzug dem Gläubiger die Zahlung vorenthalten hat, oder eine stillschweigende Verpflichtung als Absicht der Parteien anzunehmen ist;") in diesem Fall wird gesagt: officio iudicis usurae praestantur (f. g. gefeßliche Zinsen).

Die Zinsverbindlichkeit ist materiell nie selbstständig, fie sest stets eine andere Schuld, das Capital (sors, caput) voraus, zu der sie sich als Accession verhält. Aber es ist ein wichtiger Unterschied, ob sie als eine besondere (wenngleich accefforische) Obligatio besteht, oder ob sie nur (was stets bey den s. g. gefeßlichen Zinsen der Fall ist) eine Erweiterung des Gegenstandes der Hauptobligatio ist. Hier wird sie nur mit und in der Hauptschuld selbst geltend zu machen seyn, sie sezt also voraus, daß die Hauptschuld einer solchen Erweiterung überhaupt fähig (wie die bonae fidei obligatio wegen Mora §. 269) und daß die Klage aus ihr noch zuläßig ist; hätte z. B. der Kläger bey ihrer Anstellung die Zinsforderung versäumt, so würde er sie nicht nachträglich noch erheben können, denn eine besondere Klage hat er nicht, und die aus der Hauptobligatio ist durch ihren einmaligen Gebrauch consumirt.") Dort hingegen schneidet die Tilgung der Hauptschuld zwar die weitere Entstehung von Zinsen stets ab, in Folge ihrer materiell accefforischen Natur, aber die rückständigen trifft dieß nicht, da

a) L. 13 §. 20 D. de A. E. V. (19, 1): veniunt autem in hoc iudicium usurae pretii post diem traditiouis, nam cum re emtor fruatur, aequissimum est, eum usuras pretii pendere.

b) L. 49 §. 1 D. de A. E. V. (19, 1) L. 13 C. de usur. (4, 32) L. 4 D. depos. (4, 34.)

eine selbstständige Obligatio und eine besondere von der Hauptflage unabhängige Klage hinsichtlich ihrer besteht.

Das Maß der Zinsen ist bey den geseßlichen zum Theil durch den Rechtssaß, auf dem die Verbindlichkeit beruht, zugleich festgestellt,©) zum Theil hat es der Richter zu bestimmen,d) bey den Zinsen ex obligatione wird ihre Größe durch das Rechtsgeschäft gegeben, das sie zusagt. Schon früh aber hat die Gefeßgebung sich veranlaßt gefunden, habsüchtigen Capitalisten, welche die Noth der Creditsuchenden zu übermäßiger Steigerung der Zinsleistungen mißbrauchen, durch Fest= ftellung eines geseßlichen Zinsfußes d. h. eines Marimums, das nicht überschritten werden soll, entgegen zu wirken. Vor allem ist dieß für den gewöhnlichsten Fall der Zinsverbindlichfeit, den Zinscontract (fenus) geschehen, aber auch auf an dere Zinsen ist diese Schranke erstreckt worden.") Der Zinswucher spielt eine große Rolle in der politischen Geschichte Rom's, und es macht auf unser Gefühl von Anstand und Würde keinen sehr günstigen Eindruck, wenn wir die älteste Aristokratie mit Schuldscheinen und Zinsrechnungen als Offensivwaffen gegen das übrige Volk ausrücken sehen. Eine große Versuchung allerdings lag in der alten Sitte, die das Handelsgewerb des freigebornen Bürgers unwürdig hielt; diese Sitte ließ dem Reichen nur die Anlegung der Capitalien auf Zinsen und in Grundbesig übrig. Beides wurde so hoch als möglich getrieben, und im Grunde war das erstere das fleinere Uebel.f)

c) Vgl. z. B. Bd. Il §. 232 Note b.

d) L. 1 pr. D. de usur. (22, 1) L. 10 §. 3 D. mand. (17, 1.) e) Bezeichnet wird die Größe der Zinsen als Quote des Capitals, die für einen gewiffen Zeitraum gegeben werden soll. Am nächsten liegt es, den Zeitraum eines Jahres zu Grunde zu legen, die späteren Römer aber erleichterten sich die Berechnung für kürzere Zeiträume dadurch, daß fie die Zinsen nach der monatlich zu zahlenden Quote des Capitals bezeichneten. So heißen centesimae usurae die, welche monatlich 100 des Capitals (also jährlich 12 Procent) betragen. f) Vgl. Bd. I §. 57.

Der älteste gesegliche Zinsfuß, welcher erwähnt wird, ist das fenus unciarium, er wurde später auf die Hälfte, fenus semunciarium, herabgefeßt. Die Einführung jenes schreibt Tacitus den Zwölf Tafeln zu,8) Livius erzählt zum Jahr 397, daß de unciario fenore ein Plebiscit von Duilius und Mänius durchgesezt worden sey,1) im Jahr 407 habe man das fenus semunciarium eingeführt.) Die Richtigkeit der Behauptung des Tacitus zu bezweifeln, ist kein Grund, und daß Livius die ihm vorliegende Nachricht über das Duilische Gesez von einer ersten Einführung dieses Zinssußes verstanden zu haben scheint,*) hindert nicht anzunehmen, daß dieses Gesez, wenn auch nicht bloß eine neue Einschärfung, doch nur Beseitigung von Umgehungsversuchen, oder irgend eine neue Feststellung, sey es hinsichtlich der Personen oder der Berechnung gewesen ist. Man hat früher das fenus unciarium meistens von Einem jährlichen Procent verstanden. Auf dieses undenkbare Resultat (denn Ein Procent als Marimum wäre fo gut als ein Zinsverbot, und damit die nachherige Herabseßung auf die Hälfte eine Lächerlichkeit) ist man folgendergestalt gekommen. Man nahm die uncia, von der dieses Fenus seinen Namen hat, als das Zwölftheil der Asmünze, diese uncia hätte monatlich bezahlt werden müssen, also jährlich ein As

g) Tac. annal. VI. 16: nam primo duodecim tabulis sanctum, ne quis unciario fenore amplius exerceret, cum antea (Liv. II. 23. VI. 14. Dionys. VI. 58) ex libidine locupletium agitaretur. (Cato de re rust. praef. Est interdum praestare mercaturis rem quaerere, ni tam periculosum siet et item fenerari, si tam honestum siet. Maiores nostri hoc sic habuerunt et ita in legibus posiverunt furem dupli condemnari, feneratorem quadrupli. Quanto peiorem existimarint feneratorem, quam furem, hinc licet existimari. Hiernach wäre das Zwölftafelgefeß eine minus quam perfecta lex gewesen, wofern nicht das Vierfache auf die Ler Marcia [Note s] zu beziehen ist. R.)

h) Liv. VII. 16. (Wahrscheinlich führte es eine ädilitische Mult gegen die Wucherer ein Liv. VII. 28. [411] Huschke, Recht des Nerum S. 121. R.) k) Liv. VII. 19, 5.

2) Liv. VII. 27.

von

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hundert Asses. Dieses Ganze, worauf alles ankommt, wäre mithin bey einer Bezeichnung des Zinsfußes gar nicht angegeben, und die Römer hätten die Größe der Zinsen mit einem Wort bezeichnet, das die Größe verschweigt, und nur die Zinstermine, die Zahlung in monatlichen Raten ausdrückt. Auf die einfachste Weise hat Niebuhr die Sache erledigt.') Fenus unciarium bedeutet Zinsen, die in einem Zwölftheil bestehen. Als das Ganze, von dem diese Quote gemeint ist, kann, da kein andres ausdrücklich angegeben wird, nur das Capital verstanden werden, wie dieß auch bey der späteren centesima usura der Fall ist. Würde man nun ein monatli; ches Zwölftheil vorausseßen, so käme ein Zinsfuß von Hunz dert vom Hundert jährlich heraus, der durch seine Größe als ein billiges Maß undenkbar ist, wie jener von Ein Procent durch seine Kleinheit. Aber zu jener Vorausseßung sind wir durch nichts genöthigt; es ist vielmehr sehr wohl zuläßig, eine jährliche Berechnung anzunehmen, wodurch also das fenus unciarium sich auf ein ähnliches Zwölftheil vom Capital, also auf 84 Procent stellt, und zwar, wie es wahrscheinlich ist, für das romulische Jahr von 304 Tagen (Bd. II §. 199).TM)

Ein Plebiscit des Genucius von 412 soll den Zinscontract überhaupt verboten haben.") Daß dieses Verbot wieder

7) Niebuhr röm. Geschichte III S. 61 ff.

m) (Eine decuma als donum moribus antiquis pro usura wird in der berühmten Beuteinschrift des Mummius v. J. 608 erwähnt. Orelli n. 1862 Ritschl Vorrede zum Bonner Sommerkatalog 1852 p. IX. Dagegen bezog fich die so genannte unciaria lex des Sulla v. J. 666 [Festus s. v.] nicht auf die Zinsen, sondern wohl auf eine Verminderung der Kapitalschuld um 10 Prozent, welche die Ler Valeria v. J. 668 [Note o] bis auf 75 Prozent zu treiben wagte. N.)

n) Liv. VII. 42: praeter baec invenio apud quosdam, L. Genucium trib. pl. tulisse ad populum, ne fenerare liceret. Tac. ann. VI. 16 (vgl. Note g) dein rogatione tribunicia ad semuncias redacta, postremo vetita versura. (Appian. B. C. I. 54. vóμov tiròs пalαioĩ пooαγορεύοντος μὴ δανείζειν ἐπὶ τόκοις, ἢ ζημίαν τὸν οὕτω δανείσαντα προσοφλεῖν.

.)

aufgehoben worden sey, davon schweigen alle Nachrichten, und doch war es im siebenten Jahrhundert nicht mehr in Uebung; es wird erzählt, daß im Jahr 665 der Prätor Afellio den Versuch, die alten Geseze wieder geltend zu machen, mit dem Leben bezahlen mußte.") Man könnte auf den Gedanken kommen, jene Ler Genucia habe nur die Niederschlagung der Zinsen zu Gunsten der damaligen Schuldner verordnet, eben so wie die Ler Licinia von 387 nur die bestehenden Zinscontracte außer Wirkung seßte (Bd. I §. 57), indem sie neben der Abrechnung der schon bezahlten Zinsen vom Capital ohne Zweifel auch die Tilgung der noch nicht bezahlten aussprach. Es scheint doch kaum möglich, daß ein Gesetzgeber sich hätte schmeicheln können, das verzinsliche Darlehen ohne den Capitalisten nicht bloß, sondern auch den Creditbedürftigen ein Surrogat zu bieten, abzuschaffen.

Indeffen stellt sich die Sache selbst und die Entstehung des späteren Rechts in ein anderes Licht, wenn wir den Inhalt der alten Zinsgefeße näher ins Auge faffen. Man darf nämlich zwey Beschränkungen, denen fie unterlagen, nicht aus den Augen verlieren. Zuvörderst waren die Geseze nur auf Zinsgeschäfte unter römischen Bürgern anwendbar, Geschäfte zwischen Bürgern und Latinen oder Peregrinen wurden dadurch nicht beschränkt. Dieß gab Veranlassung, daß man sich der Nichtbürger als Mittelspersonen bediente, um das Gefeß zu

o) Appian. bell. civ. I. 54. (Liv. epit. 74 cum aere alieno oppressa esset civitas, A. Sempronius Asellio praetor, quoniam secundum debitores ius dicebat, ab iis, qui fenerabantur, in foro occisus est. Val. Max. IX. 7. 4. Damit stehen die gefeßlichen Erleichterungen in Verbindung, welche die Consuln des folgenden Jahrs 666 durch die Ler Pompeja und Cornelia den Schuldnern und ihren Bürgen gewährten (§. 265 Note s], ferner die Ler Valeria v. I. 668, welche die Schulden auf ein Viertheil herabseßte. Vell. II. 23 L. Valerius Flaccus turpissimae legis auctor, qua creditoribus quadrantem solvi iusserat: cuius facti merita eum poena intra biennium consecuta est. R.)

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