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vor allem auch durch ihre praktische Thätigkeit als R-konsulenten (respondere), beteiligten sich die Juristen an der Fortbildung des R. So übten sie einen großen Einfluß auf die R-anwendung aus durch ihre R-gutachten (responsa), welche sie den sie in R-fragen vielfach zu Rate ziehenden Privaten, Magistraten, Richtern erteilten. Ferner trugen sie auch durch die kunstgerechte Abfassung von rechtsgeschäftlichen Formularen (cavere) - Formular- und Kautelarjurisprudenz nicht unwesentlich zur Entwickelung des Privat-R. selber bei, indem man sich so erst des juristischen Wesens der einzelnen R-geschäfte und der sich aus demselben ergebenden Konsequenzen deutlich bewußt wurde. Mit der praktischen Thätigkeit der Juristen war zugleich verbunden die Heranbildung instructio Jüngerer für den Juristenberuf, welche den Konsultationen als Zuhörer (auditores) beiwohnten und praktische Unterweisung empfingen.

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§ 8. II. Die Zeit des klassischen Rechtes.

Die durch Augustus begründete neue bleibende Staatsform (Prinzipat) war eine Monarchie mit republikanischen Formen, in welcher der Kaiser (Princeps, Imperator, Caesar, Augustus) die höchsten republikanischen Amtsgewalten in seiner Person vereinigte, die republikanischen magistratus (consules, praetores, aediles, tribuni plebis) wenn auch zum Teil nur nominell neben den neuen kaiserlichen Beamten (praefecti praetorio, praef. urbi, praef. vigilum, praef. annonae u. s. w.) fortbestanden und die Staatsgewalt verfassungsmäßig zwischen Kaiser und Senat derartig geteilt war, daß lesterer nicht allein dem Kaiser in der Regierung zur Seite stand, sondern auch - freilich nicht lange die Oberaufsicht über den Staatsschaß und die Finanzen (aerarium) und die unmittelbare Administration eines Teiles der Provinzen (provinciae senatus populique Rom.: proconsules; provinciae Caesaris: legati Augusti) behielt. Jedoch wurde im Laufe der Zeit der Senat durch die Macht des Prinzeps nach und nach aus der Mitregierung verdrängt und behielt nur noch formelle Rechte, bis schließlich die ganze Staatsgewalt sich in der Hand des Kaisers konzentrirte und der lezte Schimmer der republikanischen Verfassung völlig verschwand.

Obwohl in dieser Zeit der Orbis terrarum infolge der Unterordung unter das imperium des Kaisers als ein staatlich geeinigtes und geordnetes Ganzes auftritt, so gelangte man doch nicht dahin, die vielen der Röm. Herrschaft unterworfenen Länder und Völkerschaften zu einem einheitlichen Staatswesen zu konsolidiren. Die Provinzen wurden dem Röm. Staate nicht organisch eingefügt, sondern blieben wenngleich sich ihre Lage unter dem Prinzipat bedeutend verbesserte und für viele von ihnen eine Blütezeit eintrat - bis gegen das Ende dieser Periode nach wie vor abhängige, abgabenpflichtige Reichsgebiete, welche als praedia populi Romani

galten und die Mittel zur Erhaltung der Röm. Herrschaft selbst hergeben mußten.

Infolge der theoretisch fortbestehenden höchsten Souveränität des Volkes, von welcher die kaiserliche Gewalt sich ableitete, blieb vorläufig auch die Volksversammlung als legislativer Faktor anerkannt, und es wurde anfangs der Kaiserzeit noch eine Reihe wichtiger Volksschlüsse (leges) erlassen. Aber schon seit Tiberius schwand die Volksgesehgebung, und die legislative Kompetenz der Comitien ging auf den Senat über, welcher jedoch in seinen Beschlüssen immer mehr in Abhängigkeit von der Gewalt des Prinzeps geriet, bis endlich unter Septimius Severus auch die formelle Mitwirkung des Senates bei der Legislation aufhörte. An die Stelle der Senatusconsulta traten nunmehr vollständig die (seit Hadrian an Bedeutung gewinnenden) Constitutiones principum, deren Gesezeskraft freilich von jeher feststand, welche aber bis dahin - gemäß ihrer Natur als Aussprüche der höchsten richterlichen und administrativen Autorität — das geltende R. immer nur in einzelnen Punkten näher bestimmt und abgeändert, aber nicht in legislativer Form durchgreifend reformirt oder organisch umgestaltet hatten. Nur die kaiserlichen Erlasse betr. die Erteilung des Bürger-R. (leg. de civitate) und die Städteverfassung (leges municipales) hatten und behielten auch formell den Charakter und die Gestalt einer eigentlichen lex publ. pop. Rom., indem sie als im Auftrage des Volkes, vermöge der dem Kaiser ad hoc delegirten geseßgebenden Gewalt desselben, erlassene Geseze (leges datae im Gegensaße zu den leges latae, den rogirten Comitialgesehen) erscheinen.

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In diese Periode fällt der vollendete Ausbau des Röm. R., welches vornehmlich durch die wissenschaftlichen Arbeiten der großen (sog. klassischen) Juristen seine Klassizität (d. i. die systematische Durchbildung und begriffsmäßige, dabei aber stets der konkreten Gestaltung der Lebensverhältnisse und den Bedürfnissen des R-verkehres entsprechende, von den Prinzipien der aequitas beherrschte Entwickelung des gesamten R-stoffes) erlangt. Das ius gentium, welches durch die Pflege der Juristen — insbesondere in Anlehnung an das prätorische R. zu einem vollendeten System ausgebildet wurde, verdrängte in der praktischen Anwendung, zumal da die Peregrini (Provinzialen) den bei weitem überwiegenden Teil der Bevölkerung des Weltreiches bildeten, zunehmend das ius civile propr. Rom., wie es denn auch allein den hochentwickelten Verkehrsverhältnissen angemessen war.

Die Rechtsquellen dieser Periode sind:

I. Leges. A. Die wichtigsten unter den privatrechtlichen leges sind die 1. Aelia Sentia (§ 37. 38.) und vor allem die 1. Iulia (de maritandis ordinibus) et Papia Poppaea v. J. 4 u. 9 n. Chr. (§ 44. IV. § 45. II. b. § 47. II. b. § 146. I. b. § 172. § 175. II.) Zu diesem umfassenden, in den gesamten R-zustand, namentlich in das Erb-R. tief eingreifenden, die innere Einheit und Konsequenz

des R-systems vielfach störenden Geseze, welches noch durch einige Senatsschlüsse ergänzt wurde, schrieben die späteren Juristen (wie Terentius Clemens, Gaius, Marcellus, Ulpianus) besondere Kommentare, durch die uns in Just. Digesten manche Bestimmungen dieser lex überliefert sind. Restitutionsversuche von Heineccius (ad 1. Iul. et Pap. Popp. comment. ed. nov. Lips. 1778 enth. zugleich eine Bearbeitung des R. der 1. Pap.), van Hall (font. III. iur. civ. Amstelod. 1840), Demelius (leg. qu. ad ius civ. spect. fgmta. 1857).

B. Unmittelbar erhalten sind 1) Lex Salpensana und 1. Malacitana, zwei von Flavius Domitianus 81-84 n. Chr. den latinischen Gemeinden Salpensa und Malaca in Baetica verliehene Städteordnungen, von welchen je eine Tafel (aes Salp. enth. c. 21-29., aes Mal. enth. c. 51-69.) bei Malaga 1851 aufgefunden ist. (Mommsen, die Stadtrechte d. lat. Gemeinden 2c. 1855. Bruns p. 130-141.) 2) Tabulae honestae missionis in Diptychen bisher über 50 aus der Zeit von Claudius bis Diokletian welche Verleihungen des Bürger-R. oder des conubium an einzelne Veteranen, d. H. Auszüge für die Person der Beliehenen aus der jedesmaligen, den Veteranen der betr. legio insgesamt die Civität verleihenden lex enthalten. (Bruns p. 196.) S. auch VI. B. d.

II. Senatusconsulta. A. Die Senatsschlüsse treten erst in der Kaiserzeit als Form der Gesetzgebung auf. Der Antrag zu dem SCtum wurde von dem die Senatssitzung abhaltenden Consul nach welchem es dann auch benannt wurde, s. aber auch § 120. II. —, später häufig vom Kaiser in Form einer im Senat durch den quaestor principis verlesenen und dann in der Regel durch einfache Acclamation angenommenen oratio (principis) gestellt, welche, da sie die R-sagung enthielt, meistens statt des nachfolgenden SCtum selbst als R-quelle genannt wird. (Vgl. § 148. I. e. §. 151. I. b.) Unter Septimius Severus hörte auch die formelle Mitwirkung des Senates bei der Legislation auf.

Senatusconsultum est quod senatus iubet atque constituit, idque legis vicem obtinet, quamvis fuerit quaesitum. Gaj.I. §4. B. Von Senatsschlüssen ist nur weniges in unmittelbarer Gestalt uns überliefert darunter das SC. Hosidianum und Volusianum a. 41 u. 56, mehr in wörtlichen Referaten. (Vgl. § 120. II. § 145. I. a. § 176. I. c. § 185. II. c. Bruns p. 145. sqq.)

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III. Constitutiones principum. A. Const. princ. ist eine vom Kaiser einseitig getroffene Verordnung, welche, falls sie einen allgemeinen neuen R-sat aufstellt (generalis constitutio im Gegensatz zu der auf den vorliegenden speziellen Fall beschränkten personalis const.), Gesezeskraft hat. Man unterscheidet: 1) Edicta d. h. Erlasse, durch welche der Kaiser kraft des ihm als höchstem Magistrat zustehenden ius edicendi etwas zur Nachachtung öffentlich bekannt macht. 2) Mandata: Instruktionen an höhere Beamte, insbesondere Provinzialvorsteher (vgl. § 158. a.) 3) Decreta: Ent

scheidungen und Verfügungen des Prinzeps, als höchsten Richters, in den an ihn gelangenden R-sachen. 4) Rescripta (die für das PrivatR. wichtigste Klasse der const. princ. in dieser Periode): Bescheide, welche der Prinzeps auf Anfragen von Parteien (libelli, preces, supplicationes) oder Behörden (relatio, consultatio, suggestio) um Rbelehrung in Betreff einer zweifelhaften R-frage und des im vorliegenden Falle anzuwendenden R-sages in Form einer auf die Eingabe gesezten subscriptio s. adnotatio resp. einer besonderen epistula erläßt. Durch das Reskript wurde alsdann die R-frage in dem vorliegenden R-streite entschieden, während die Untersuchung und Feststellung der die Entscheidung bedingenden thatsächlichen Verhältnisse des Falles dem Richter oblag. - Meistens wurden in Dekreten und Reskripten nur bestehende R-säge zur Anwendung gebracht; häufig aber enthielten sie auch neue R-säße oder Entscheidungen von Kontroversen (authentische Interpretationen), und sie hatten dann nicht bloß für den einzelnen Fall Geltung, sondern überhaupt Gesegeskraft. Die an den Prinzeps gelangenden R-sachen wurden allemal in dem consilium (später auditorium) principis verhandelt, welches seit Hadrian eine ständige Gestaltung und feste Organisation erhalten hatte. Da demselben auch hervorragende Juristen als Mitglieder (consiliarii) angehörten, so nahmen die Vertreter der Rwissenschaft selbst teil an der Entstehung der Reskripte und Dekrete und der durch dieselben bewirkten Fortbildung des R. Eine offizielle Publikation und Zusammenstellung dieser kaiserlichen R-bestimmungen fand nicht statt, vielmehr wurden solche nur entweder gelegentlich in den schriftstellerischen Arbeiten der Juristen oder auch in Privatsammlungen derselben (so von Papirius Iustus constit. 1. XX Reskripte von Marcus und Verus, von Paulus decretor. 1. III Dekrete von Severus) überliefert. — Mit dem Absterben der übrigen Organe der R-bildung im 3. Jahrh. blieb als R-quelle einzig bestehen das Gesetzgebungs R. der Kaiser, in deren Händen nunmehr allein die weitere, vorzugsweise durch zahllose Reskripte (namentlich von Diofletian, von welchem allein gegen 1300 Konstitutionen uns bekannt find) geförderte R-entwickelung lag.

Quod principi placuit, legis habet vigorem [nec umquam dubitatum est, quin id legis vicem obtineat. Gaj. I. § 5]: utpote cum lege regia, quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem conferat. §. Quodcumque igitur imperator per epistulam et subscriptionem statuit vel cognoscens decrevit vel de plano interlocutus est vel edicto praecepit, legem esse constat. Haec sunt quas vulgo constitutiones appellamus. §. Plane ex his quaedam sunt personales nec ad exemplum trahuntur: nam quae princeps alicui ob merita indulsit vel si quam poenam irrogavit vel si cui sine exemplo subvenit, personam non egreditur. Ulp. 1. 1 D. de const. princ. 1, 4. B. Überliefert ist ein großer Teil von const. princ. in den

späteren Konstitutionensammlungen (§§ 9. 10.). Von geringerer Bedeutung sind die uns inschriftlich oder bei anderen Autoren erhaltenen Konstitutionen. (Bruns, p. 189., Haenel, corpus legum etc. Lips. 1857.)

IV. Edicta magistratum. A. Das edictum perpetuum (§ 7. II. B.) hatte schon beim Beginn der Kaiserherrschaft seinen Abschluß erreicht, und wenngleich die Jurisdiktionsmagistrate das ius edicendi behielten und nach wie vor beim Amtsantritt ein Edikt erließen, so kamen doch, abgesehen von den wenigen, durch die neueren leges und SCta notwendig gewordenen Zusägen, keine Änderungen desselben mehr vor. Das Bedürfnis einer zeitgemäßen Revision des Ediktes wurde befriedigt durch die von Julianus (V. C. 11.) im Auftrage Hadrians veranstaltete neue Redaktion desselben (edicti compositio), in welcher das Edikt des praet. urban. und das des praet. peregrin. unter Ausscheidung der veralteten Bestimmungen in eines verschmolzen, geordnet und vereinfacht und das ädilicische Edikt demselben angehängt wurde. Diese Redaktion erhielt dann durch ein SCtum v. 131 für das ganze Reich Geseßeskraft, und wurde fortan von den Juristen in umfangreichen Kommentaren und systematischen Werken wissenschaftlich bearbeitet.

B. In Just. Digesten sind uns viele Titelrubriken und aus den dort excerpirten Ediktskommentaren, namentlich dem des Ulpianus, eine Anzahl mehr oder minder vollständiger Säße des Ediktes erhalten. Zusammenstellung der überlieferten Fragmente bei Bruns, p. 165-186. Neuester Redaktionsversuch des vollständigen Ediktes: Rudorff, ed. perp. quae reliqua sunt. Lips. 1869.

V. Responsa prudentium. A. Zur Zeit der Republik war die Jurisprudenz noch nicht eigentliche R-quelle, da die von den R-kundigen abgegebenen R-gutachten (responsa) und die in ihren Schriften ausgesprochenen R-säge und Lehrmeinungen (sententiae et opiniones) lediglich eine, wenn auch gewichtige, innere Autorität besaßen. Erst Augustus führte als dauernde, von den späteren Kaisern beibehaltene und befestigte, Einrichtung die Erteilung des ius publice (ex auctoritate principis) respondendi an angesehene Juristen ein, wodurch ein besonders ausgezeichneter Juristenstand geschaffen und den von solchen autorisirten Juristen (iuris auctores s. conditores im Gegensaße einerseits zu den - ihr Ansehen behaltenden voraugusteischen Veteres, andererseits zu den nicht privilegirten Juristen) in bestimmter Form für den einzelnen R-fall abgegebenen R-gutachten, unter Voraussetzung ihrer Übereinstimmung, eine äußere, den Richter bindende Autorität verliehen wurde. Das gesetzliche Ansehen der responsa übertrug sich dann weiter auf die in den Schriften dieser Juristen niedergelegten R-ansichten und Entscheidungen, soweit sich in denselben eine übereinstimmende Meinung der gegenwärtigen Autoritäten (ius certum, receptum) bekundete, wie sich denn überhaupt der Einfluß der juristischen Literatur auf die Rentwickelung nach Abschließung des prätorischen Ediktes durch die

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