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Das griechisch-kleinasiatische Ornament um

967 n. Chr.

(Tafel V und VI nach Aufnahmen des Verfassers.)

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Jedem Besucher der Akropolis wird sich angesichts der beim Belvedere aufgeschichteten Ornamenttrümmer die Erkenntnis aufdrängen, daß Athen und Griechenland im christlichen Mittelalter einen Schmuckstil besessen haben, der es wohl verdiente, in seiner Entwicklung vorgeführt zu werden. Die Arbeit ist nicht leicht und wurde nur deshalb bisher nicht im Zusammenhange unternommen, weil es an datierten Anhaltspunkten fehlt und die Frage nach der Selbständigkeit der Formen oder ihrem Zusammenhange mit anderen Kunstkreisen etwas voraussetzt, was niemand besitzt: eine sehr genaue Kenntnis der im Gebiete der östlichen Mittelmeerländer während des frühen Mittelalters im Gebrauch befindlichen Formensprache und ihrer Dialekte. Allmählich freilich sind die Laufgräben soweit vorgeschoben, daß eine energische Hand auch diese scheinbar uneinnehmbare Feste zur Öffnung ihrer Thore wird zwingen

können.

Für Athen habe ich feststellen können, daß es im vierten Jahrhundert eine Ornamentik von flauem Schnitt, anschließend an die Formen des Erechtheionschmuckes, besaß1), im fünften Jahrhundert aber zweifellos bereits für den von Konstantinopel und den prokonnesischen Steinbrüchen ausgehenden Export zugänglich war2). Beiträge für diese Zeit, das fünfte und sechste Jahrhundert, haben die Ausgrabungen in Delphi) und die Bearbeitung von

1) „Kaesariani" Έφιμ. ἀρχ. 1902 (im Druck) und Παλαία βυζ. βασιλική ἐν Χαλκίδι, Δελτίον τῆς ἱςτ. καὶ ἐθνολ. ἑταιρείας 1899, S. 711 f.

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2) Die Akropolis in altbyz. Zeit". Athenische Mitt. XIV (1889), S. 271 f 3) Laurent, Bull. de corr. hell. XXIII, 206 f.

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Magnesia, Ulu Dschami:

Linke Hälfte des vom Jahre 967 datierten Architravs.

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Magnesia, Ulu Dschami:

Rechte Hälfte des vom Jahre 967 datierten Architravs.

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förmigen Basen, die man sich gut in zwei Reihen zu sechs und vier Würfeln übereinander gelegt denkt. Die vier äußersten Würfel sind glatt gelassen, die inneren sechs durch einen Rand in eine kleinere Stufenfolge zusammengefaßt, deren Fläche durch lot- und wagrechte Schnitte punktiert erscheint. Die Stütze darüber ist zwischen schmalen Rändern diagonal gestreift. Die Bogen werden durch ein fortlaufendes, dreistreifiges Band gebildet, die Zwickel dazwischen sind wieder schraffiert. An den Enden läuft das Bogenband wagrecht weiter und verschwindet hinter Rosetten, die zusammen mit je einem Tiere die Ecken bilden. In den Bogen stehen als Füllungen Palmetten aufrecht; die beiden mittleren sind rund-, die vier äußeren spitzblätterig. Man beachte die Technik: die Ränder wurden als Stege stehen gelassen, die Flächen vertieft. Ebenso gearbeitet sind die über den Eckpfeilern nach der Seite wehenden Akroterien. Die Rosetten werden durch achteckige Sternunterlagen gebildet, über die sich ein zweiter achteckiger Stern heraushebt. Der untere zeigt eine Belebung der Fläche durch Doppelführung der Ränder und Diagonalen, der obere dadurch, daß nach jeder Einziehung ein dreistreifiger Radius läuft. Die Mitte bildet ein Bohrloch. Die den Reliefs treifen abschließenden und der Mitte zugewendeten Tiere sind ungleich gearbeitet. Beide stellen Löwen dar; doch erscheint der zur Linken kleiner und in einem zweistreifigen Kreise mit drei Eckschleifen, während der andere rechts größer und ohne Umrahmung gebildet ist. Die Vorderbeine sind vorgesetzt, die rückwärtigen eingezogen. Aus dem Maul steht die Zunge vor, und der Schwanz endigt blattartig. Die Arbeit ist flach und roh, der Kontur zumeist doppelt.

Es kann kein Zweifel sein, daß wir es mit Schmuckresten einer christlichen Kirche zu tun haben: einem Türsturz oder dem Architrav einer Bilderwand. Die Maße legen nahe, an erstere Verwendung zu denken; dafür spricht auch die Inschrift, die sehr gut über den Eingang der Kirche paßt. Eine sichere Entscheidung wird nur auf Grund des Augenscheines zu gewinnen sein, wenn die beiden Stücke einmal herausgenommen und auf die Spuren tektonischer Verbindung hin untersucht sind.

Die Analogien für dieses klein asiatische Stück vom Jahre 967 findet man sehr zahlreich auf dem Boden des mittelalterlichen Hellas. Nach den vom Jahre 974/75, also etwa gleichzeitig datierten 1)

1) Diese Datierung steht infolge der Zerstörung der Inschrift nicht außer Zweifel. Vgl. Aeλtíov a. a. O., S. 121.

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