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Dieb höchstens um die possessio bereichert sei, dass aber die cond. furtiva keine cond. possessionis sondern rei sei, oder dass die cond. furtiva nicht bloss auf die Bereicherung sondern auf vollen Schadenersatz gehe. Die ganze Bereicherungsanschauung hat weiter keine Grundlage als den Platz, welchen die Compilatoren der cond. furtiva in ihrer Codification gegeben haben; er ist von um so geringerer Bedeutung, als in den Digesten die Bereicherungscondictionen den grössten Theil des 12. Buches bilden, während die cond. furtiva das 13. Buch beginnt.

§ 7. Fortsetzung. Die cond. ex lege.

III. Eine einzige Condictio giebt es, welche selbst von Savigny nicht als Bereicherungsklage aufgefasst wird: die cond. ex lege. Savigny stellt sie ohne weitere Motivirung als Ausnahme vom Condictionenprincip hin; es genügt ihm «der sehr geringe Umfang der Abweichung»; um dessenthalben hofft er, dass man aus der Ausnahme keinen Zweifel gegen die Richtigkeit seiner allgemeinen Auffassung der Condictionen als Bereicherungsklagen erheben werde; um dessenthalben hält er eine Motivirung für überflüssig. Demgegenüber betone ich, dass die Ausnahme geradezu als ein Räthsel erscheint; allein nicht hierbei will ich mich aufhalten; meine Aufgabe ist vielmehr zu zeigen, dass die cond. ex lege eine Justinianische Schöpfung ist. Ueber den Rechtszustand zur Zeit der classischen Juristen haben wir nur zwei Stellen: 1. un. D. de cond. ex lege 13, 2 von Paulus und 1. 28 (bei Mommsen 1. 29) D. ad 1. Jul. de ad. 48, 5 von Marcianus. Die 1. un. cit. lautet:

si obligatio lege nova introducta sit, nec cautum eadem lege, quo genere actionis experiamur, ex lege agendum est.

Paulus ist soweit von einer cond. ex lege entfernt, dass er nicht einmal der Condictio erwähnt; aus seinen Worten folgt nicht einmal, dass eine durch ein neues Gesetz eingeführte Klage im Condictionenprocess geltend zu machen ist; ohne die (von den Compilatoren herrührende1)) Titelüberschrift «de condictione ex lege» und ohne die zweite oben citirte Digestenstelle würde schwerlich Jemand in der Paulusstelle die cond. ex lege finden; Paulus scheint bloss sagen zu wollen, dass, wenn ein Gesetz eine Obligation einführt, es nicht nöthig hat, die Klageart zu bestimmen, der Gläubiger kann auf Grund des Gesetzes eine actio fordern: ex lege agendum est. Ist dies der Sinn der Paulusstelle, so hat sie einen mehr rechtshistorischen Inhalt; es ist bekannt, dass die Gesetze aus der Zeit des Legisactionenprocesses sehr häufig die Processart bestimmten; sie gaben bald die legisactio per iudicis arbitrive postulationem bald die per manus iniectionem (in ihren verschiedenen Formen) bald die per pignoris capionem, und Gaius erklärt deshalb die sacramenti actio für eine subsidiäre:

Gaius 4, 13 ... de quibus enim rebus ut aliter ageretur, lege cautum non erat, de his sacramento agebatur.

Das musste sich nach der Einführung des Formularprocesses ändern, denn der Formularprocess war ein einheitlicher. Was für Gegensätze gab es denn zu

1) Diesen Umstand übersieht Savigny System 5, 543; er giebt zu, dass die Worte nicht ausdrücklich von einer Condiction sprechen, aber er meint, dass in Verbindung mit der Titelüberschrift man eine solche Klage unter agendum est verstehen müsse.

Paulus' Zeiten in den Klagformen? Wenn man von der extraordinaria cognitio absieht, und den noch bestehenden Ueberrest der legisactio sacramento (Gaius 4,31) bei Seite lässt, so war jeder Process ein agere per concepta verba, per formulam. Paulus will also sagen: heutzutage könnte zwar das Gesetz das genus actionis bestimmen, aber wenn es darüber nichts bestimmt hat), so wäre es verkehrt, an die extraordinaria persecutio oder an die legisactio sacramento zu denken, vielmehr hat der Gläubiger seine Forderung im regelmässigen Process geltend zu machen, er kann eine actio mit Formularprocess fordern3). Ich lege dem Paulus keineswegs die Absicht bei, die Condictio auszuschliessen; ich meine nur, dass er nicht von ihr sondern von dem allgemeineren Begriff (der actio) spricht; ist dies der Fall, so kann man in der Paulusstelle keine cond. ex lege finden.

Es bleibt die Stelle von Marcian:

1. 28 cit. quod ex his causis debetur, per condictionem, quae ex lege descendit, petitur.

Zum Verständniss schicke ich voraus, dass nach der 1. Julia de adulteriis), wenn ein Sclave des Ehebruchs angeklagt ist, und deshalb auf Verlangen des Anklägers gefoltert wird, der letztere im Falle der Freisprechung des Sclaven dessen Herrn den doppelten Werth ersetzen muss; wird aber ein Sclave im Ehebruchsprocess bloss als Zeuge gefoltert, und erfolgt

2) Das ist die Voraussetzung; deshalb ist es unrichtig, wenn Bekker (Aktionen 1, 135 N. 2) als Beispiel der cond. ex lege die Ansprüche aus der 1. Aquilia anführt, denn für diese war bekanntlich die legisactio per manus iniectionem vorgeschrieben.

3) So interpretirt auch Rudorff in Ztschr. f. gesch. Rw. 14, 367; der Ton ruhe nicht auf ex lege sondern auf agendum est.

4) 1. 27 §§ 1-6, 11-16 D. ad 1. Jul. de ad. 48, 5. 1. ult. D. de cal. 3, 6. 1. 6 C. eod. 9, 46.

cine Freisprechung des Angeklagten, so ist dem Herrn des Sclaven einfacher Ersatz zu leisten. Um die Klage, mit welcher dieser Ersatz eingefordert wird, handelt es sich; Marcian bezeichnet sie als condictio quae ex lege descendit, und ich denke, dass diese Worte weit von der Justinianischen cond. ex lege verschieden sind; Marcian lehrt, dass eine Condictio anzustellen, und dass sie auf die lex Julia zu stützen sei; er behandelt die Condictio als eine ganz allgemeine Klage, die überall anwendbar ist, wo ein Klagegrund vorliegt; im vorliegenden Falle bezeichnet er die lex Julia als den Klagegrund. Und es lässt sich nicht leugnen, dass für die in Frage stehenden Ansprüche die Condictio allein die angemessene Formel verschafft; die abstracte Formel der Condictio enthielt eine Angabe des Klagepetitum; hätte man eine concrete Klageformel gewählt, so hätte offenbar die Bezugnahme auf die 1. Julia nicht genügt, es hätte zugleich der concrete Thatbestand, namentlich die von der 1. Julia vorgeschriebene Schätzung des gefolterten Sclaven Seitens der Geschworenen 5) eingefügt werden müssen; das wäre selbst für eine act. praescriptis verbis zu viel gewesen; die abstracte Klagformel der Condictio half über die Schwierigkeit hinweg.

Ob ausser der 1. Julia uns andere Gesetze erhalten sind, in welchen für einen neuen Anspruch eine besondere Klagform nicht eingeführt wurde, das ist bestritten. In der 1. Julia municipalis c. 10 ist dem Strassenpflasterer gegen den Hauseigenthümer eine Klage «utei de pecunia credita», d. h. die cond. certi nebst sponsio tertiae partis gegeben. Dahingegen bedienen sich mehre andere Gesetze der Worte dare damnas esto; so die 1. Mamilia cap. 4, die 1. Quinctia

5) 1. 27 § 15 D. ad 1. Jul. de ad. 48, 5.

de aquaeductibus, die 1. Ursonensis cap. 61. 92. 93. 97. Huschke und Bruns fassen jene Worte als dare dato; anders Karlowa 6), und ich möchte letzterem beitreten. Dahingegen finden sich in den Digesten zwei Fälle einer obligatio lege introducta ohne gleichzeitige Bestimmung der Klagform. Der eine ist im sct. Pisonianum enthalten, wonach der Verkäufer eines Sclaven, welcher wegen Verbrechens einer öffentlichen Strafe unterworfen wird, dem Käufer den Kaufpreis zurückerstatten soll); der zweite hat seinen Ursprung in der 1. Julia de maritandis ordinibus), wonach der Ehemann, welcher gegen den Willen oder im Auftrag seiner Frau einen Dotalsclaven freilässt, derselben zu gewissen Leistungen verpflichtet ist. In beiden Fällen aber wird die Klage mit Stillschweigen übergangen; und sie war deshalb in dem angeführten zweiten Fall, welcher allein im Mittelalter praktisch war, streitig; Cujaz thut sich etwas darauf zu Gute, dass er sie als cond. ex 1. Julia bezeichnet: haec vero est illa diu perquisita necdum ab interpretibus inventa actio 9). Im Codex mehren sich natürlich die hierher gehörigen Fälle; es gehört hierher die 1. 1 C. de cond. ex lege 4, 9 von Diocletian und Maximian, welche die Forderungen eines Primipilars, welcher dem Fiscus gegenüber in Verlegenheit geräth, schon vor der Verfallzeit für fällig erklärt, die 1. 4 C. fin. reg. 4, 39 von Constantin, wonach derjenige, der bei einer Grenzstreitigkeit das streitige Stück vor der Entscheidung des Processes in Besitz genommen hat und hierauf den Process verliert,

6) Huschke, Gaius S. 212; Bruns in der Ztschr. f. Rechtsg. 3, 362; Karlowa, Civilproc. z. Zeit d. Legisact. S. 198 ff.

7) 1.8 pr. D. ad sct. Silan. 28, 5.

8) 1. 611. 65 D. sol. matr. 24, 3. 9) Obs. lib. 2 cap. 34.

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