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findet sich die cond. mutui, hingegen die cond. ex stipulatu und ex testamento ist selbst diesen fremd.

2. Die classische Jurisprudenz hat bloss die Eintheilung nach dem Object in cond. certi, triticaria und incerti; diese allein kam in der Formel zum Ausdruck, und war für die Thätigkeit des Geschworenen massgebend.

Ich wende mich zur Begründung des ersten Satzes. Dabei gestatte ich mir cine Trennung der Beweisführung; ich behandle zuerst die Condictio aus Rechtsgeschäften, sodann die Bereicherungscondictio (§§ 5. 6), endlich die cond. ex lege (§ 7).

I. Bezüglich der Rechtsgeschäfte ist der Beweis sehr leicht; die Justinianische Compilation und die uns erhaltenen vorjustinianischen Rechtsquellen kennen den Ausdruck condictio ex mutuo, stipulatu u. s. w. nicht; sie brauchen unzählige Mal das Zeitwort condicere unter Beifügung der Causa (condicam ex stipulatu u. dgl.), allein zwischen diesem Ausdruck und dem Substantiv condictio mit beigesetzter Causa ist ein grosser Unterschied; während das Substantiv entschieden das Gepräge des Kunstausdrucks an sich tragen würde, besagt das Zeitwort bloss die Causa, auf welche der Condicent vor dem Geschworenen sich stützen muss, und ohne welche er selbstverständlich den Process nicht gewinnen kann. Ich kann mich hier um so kürzer fassen, als die bisher herrschende Meinung den Schluss aus dem Zeitwort auf das Substantiv nicht gemacht hat, meine obige Behauptung also voraussichtlich keinen Widerspruch erfahren wird. Savigny selbst hat es auf das Bestimmteste ausgesprochen (No. XLII seiner Condictionenabhandlung), dass weder condictio ex mutuo noch ex stipulatu in den Quellen vorkommt; dass er daran Anstoss nahm, geht daraus hervor, dass er es zu rechtfertigen suchte; freilich ist

ihm dies nicht gelungen. «Die certi condictio (schreibt er) war von so eigenthümlicher Natur und Wichtigkeit, dass man da, wo sie begründet war, meist (?) nur diesen Namen zu gebrauchen pflegte, ohne daneben den Entstehungsgrund auszudrücken.» Man wird zugeben, dass hierin kein folgerichtiger Schluss enthalten. ist. <<Wo aber (fährt Savigny fort) nicht sie sondern eine Condiction der zweiten (auf alia certa res) oder dritten (auf incertum) Classe Statt fand, da war die Bezeichnung des Entstehungsgrundes (cond. indebiti, sine causa, ex causa furtiva u. s. w.) üblicher.>> Diesen Worten halte ich vorläufig nur. Einen Umstand entgegen, nämlich dass man doch auch eine bestimmte Geldsumme (certum) mit den Bereicherungsklagen einfordern durfte, und dass Savigny sich also mit seinem ersten Satz im Widerspruch befindet. «Nach dieser Analogie (so schliesst Savigny) hätte man also auch von einer condictio ex stipulatu sprechen können, es ist aber üblich geworden, dafür den Namen actio ex stipulatu zu gebrauchen, vielleicht aus keinem anderen Grunde, als um hier die Unterscheidung von der certi condictio ex stipulatu schon durch den Ausdruck schärfer zu bezeichnen.>> Eine sonderbare Beweisführung! Die certi condictio ist bei bestimmten Geldforderungen zulässig; um nun eine Klage mit andersgeartetem Objekt anzudeuten, habe man nicht einen. entsprechenden Zusatz (etwa triticaria, incerti) gemacht, sondern die Klagebezeichnung condictio in actio verwandelt; warum sagte man nicht incerti (triticaria) condictio ex stipulatu, zumal der Ausdruck incerti condictio unzählige Male vorkommt?

Ich finde den Ausdruck condictio in Verbindung mit dem Rechtsgeschäft zuerst bei Theophilus1); aber

1) Paraphr. III, 15 § 1; III, 16 pr.; II, 20 § 2.

auch bei ihm nur als condictio mutui, nicht als cond. ex stipulatu, auch nicht als cond. ex testamento. Der Grund ist offenbar folgender. Bei der Stipulation geben die Institutionen als Klage für die certa die condictio certi, für die incerta die act. ex stipulatu an; dieser vom Gesetzbuch ausdrücklich statuirte Gegensatz liess es nicht zu, dass Theophilus die cond. certi mit einer cond. ex stipulatu vertauschte. Für das Legat führen alle Quellen des classischen Rechts die act. ex testamento als Klage an; diese konnte von Theophilus nicht durch eine condictio ersetzt werden. Dahingegen nannten die Institutionen III, 15 pr. § 1 die Darlehnsklage und die Rückforderungsklage bei Indebitum eine condictio, condicticia actio; diese zu scheiden, fühlt Theophilus Bedürfniss, und er nennt sie δανειακὸς κονδικτίκιος und ἰνδέβιτος κονδικτίκιος, cond. mutui und cond. indebiti. Dies ist der Sprachgebrauch der Basilikenscholiasten; auch bei ihnen stösst man auf eine cond. mutui, nicht aber auf eine cond. ex stipulatu noch ex testamento 2). Erst die Romanistische Jurisprudenz des Mittelalters resp. unserer Zeit hat diese Kunstausdrücke erfunden.

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II. Was die sog. Bereicherungscondictionen anbetrifft, so hat bereits Voigt3) ausgesprochen, dass <«<das prätorische Edict weder specielle normative Vorschriften noch eigene Klagformeln, vielmehr die diesfalsigen Abschnitte in Justinian's Digesten XII, 4-7, XIII, 1 und Codex IV, 5-9 ebenso Digesten XIII, 2 und Codex IV, 9 bezüglich der cond. ex lege eine von Tribonian herrührende systematische Anord

2) Vgl. die beiden Scholien von Stephanus (13. 15) bei Heimbach II, 598; zum letzteren Scholion ist zu bemerken, dass der männliche Artikel die Condictio (ó xovdıxtixios), der weibliche die Actio ( dywyn) anzeigt.

3) Cond. ab causam S. 286-288.

nung enthalten. >> Seine Beweisführung ist folgende. Alle früheren auf das Edictssystem gestützten Werke, nämlich Paulus' sententiae receptae, der Codex Gregorianus und Theodosianus enthalten keine besonderen Abschnitte über die Bereicherungscondictionen, und dieser Umstand kann nicht aus einem Mangel des bezüglichen Stoffes erklärt werden; ferner lassen auch einzelne Ediktscommentare, nämlich Paulus lib. 284) und Gaius lib. 9 durchaus keine Spur erkennen, dass in ihnen von den Bereicherungscondictionen ex professo gehandelt worden sei, und dieser Umstand kann nicht daraus erklärt werden, dass Tribonian den desfalsigen Stoff jener Werke einfach übergangen habe; endlich aber ist das System, welches die Justinianische Compilation bietet, den Pandectenjuristen selbst fremd.

Von den drei Voigt'schen Argumenten sind die beiden ersten gewiss nicht gering anzuschlagen; das bedeutendste aber ist offenbar das dritte; dieses allein bedarf einer näheren Darlegung. Und hiebei werde ich in scharfen Gegensatz zu Voigt treten; denn wenn derselbe auch dem prätorischen Edict eine Systematisirung der Bereicherungscondictionen abspricht, so findet er doch eine solche in den Schriften der classischen Juristen; mir scheinen die classischen Juristen von der Systematisirung weit entfernt 5); einzelne von ihnen machten zwar Versuche, die in der Praxis häu

4) Denn 1. 27 D. de cond. ind. 12, 6, die aus dem 1. 28 des Paulinischen Edicts commentars stammt, handelt nicht von einer Bereicherungscondiction, sondern von der actio de eo quod certo loco.

5) Aehnlich Windscheid § 424 Note 1, welcher sich dahin äussert, dass in der classischen Jurisprudenz sich kein festes und zur allgemeinen Anerkennung gelangtes System finde. Bekker bemerkt, dass das aus den Titelrubriken in den Pandekten sich ergebende Condictionsschema zu Paulus' Zeit keine canonische Geltung hatte (Aktionen 1, 122).

figsten Fälle der Bereicherung zusammenzustellen; aber die Aufzählung von Fällen ist von einer Systematik so weit verschieden wie der Steinhaufen von einem Gebäude, wie ein Bücherladen von einer Bibliothek. Es fehlt jenen Versuchen das das Einzelne ordnende und zu einem Ganzen zusammenfügende geistige Band; ist die Systematik niemals die Stärke der classischen Juristen gewesen, so haben sie uns in der Bereicherungsmaterie Aussprüche hinterlassen, welche unerklärlich wären, wenn sie eine Systematik besessen hätten, umgekehrt aber deshalb zu begreifen und entschuldigen sind, weil für eine abstracte Klage die Systematik der Klagegründe gleichgiltig ist. Man nehme nur folgende Stellen:

1. Das fr. Vat. § 266 lautet wie folgt:

(Ulpianus). Indebitum solutum accipimus non solum, si omnino non debebatur sed et si per aliquam exceptionem peti non poterat, id est perpetuam exceptionem; quare hoc quoque repeti poterit, si quis perpetua exceptione tutus erit; unde si quis contra legem Cinciam obligatus non excepto solverit, debuit dici repetere eum posse, nam semper exceptione Cinciae uti potuit

Es handelt sich um einen Fall des obligari contra legem Cinciam, wie Ulpian sagt; daraus folgt, dass nicht die Formvorschriften der Lex vernachlässigt sondern die Massvorschriften derselben verletzt sind; es ist sonach klar, dass nur die sog. condictio ex iniusta causa gebraucht werden könnte, denn die donatio immodica war an personae non exceptae verboten"); nichtsdestoweniger argumentirt Ulpian mit den Vorschriften über das indebitum solutum. Aber selbst

6) Vgl. das capere liceto in Vat. fr. § 298, das non prohibetur in 1. 24 D. de don. 39, 5.

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