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Irrthum des Bestohlenen; er hat sibi dari oportere intendirt, während er rem suam esse intendiren musste; der Dieb kann sich nicht auf den rein formalen Fehler des Bestohlenen berufen, so dass er pluribus actionibus tenetur. Es ist dieselbe Anschauung wie diejenige, welche die recuperatorische Natur der interd. retinendae possessionis hervorgerufen hat; auch hier hat, der Kläger ein dem Diebstahl verwandtes Unrecht die Entsetzung, erlitten, auch hier begeht er den Fehler, dass er eine falsche Klage, das int. uti possidetis, anstellt, aber der Fehler nützt dem Entsetzenden nichts, auch von ihm kann man die Gaianischen Worte sagen: pluribus actionibus tenetur.

Denken wir uns nun in den processualischen Vorgang bei der cond. furtiva hinein! Der Bestohlene erscheint in iure und erbittet sie sich. Hätte er hierbei dem Prätor berichtet, er sei bestohlen worden, so würde dieser ihm die Klage unbedingt denegirt haben; denn entweder ist der Bestohlene Eigenthümer oder er ist es nicht; im ersten Fall musste ihn der Prätor auffordern, zur rei vindicatio zu greifen, im zweiten Falle zur condictio possessionis (ein bestohlener Detentor hat überhaupt keine Klage auf Schadenersatz), die cond. rei (und das ist die cond. furtiva) musste er ihm denegiren. Denken wir uns den allerersten Fall, in welchem die cond. furtiva erbeten wurde, so musste die denegatio condictionis selbst dann erfolgen, wenn der Kläger behauptete, dass die gestohlene Sache beim Diebe durch Zufall untergangen sei; denn nicht die eigenthümlichen Grundsätze über Casus haben (nach dem Bericht von Gaius) die cond. furtiva zu Wege gebracht, sie haben sich erst nach Einführung der Klage entwickelt. Und als sie bereits entwickelt waren, so musste die denegatio condictionis jedenfalls dann erfolgen, wenn der Kläger eine solche Behauptung

nicht aufzustellen vermochte; der Prätor konnte nicht gestatten, dass aus purer Laune die technischen Processregeln verletzt wurden.

Allen diesen Schwierigkeiten entgehen wir nur durch die Annahme, dass die causa in iure bei Erbittung der Condictio nicht angeführt wurde. Erbat sich der bestohlene Eigenthümer eine abstracte Klage auf sibi dari oportere, so war die denegatio condictionis undenkbar, das Versehen des (rechtsungelehrten) Klägers ermöglicht. Der Fall lag ähnlich wie bei der heredis institutio ex re certa; die bestimmte juristisch technische Bedeutung, welche den Worten heres und dare zukam, war dem Gedächtniss des Volkes entschwunden; die rechtsungelehrte Menge legte ihnen untechnisch einen viel weiteren Sinn bei. Es ziemte sich, in solchen Fällen nachsichtig zu sein; geradezu geboten war die Nachsicht gegenüber dem Diebe; eine Abweisung des bestohlenen Eigenthümers aus rein formalen Gründen, auf Grund einer Differenz zwischen der juristisch technischen Wortbedeutung und dem sprachlichen Verständniss des Volkes wäre eine Verletzung des öffentlichen Rechtsgefühls gewesen. Und einer solchen Verletzung hätte sich der Geschworene (- denn dieser hatte die Entscheidung zu fällen —) schuldig machen sollen? Der Mann, der zwar unter dem Banne der Formel stand, sicherlich aber sie nicht init der Ehrerbietung betrachtete wie ein Mitglied des Juristenstandes, hätte aus Respekt vor einem Worte ein materielles Unrecht begehen sollen?

Ich will übrigens nicht unterlassen, zu constatiren, dass meine Annahme auch äusserlich beglaubigt ist, einmal durch die Formel der cond. furtiva, die uns wörtlich überliefert ist, und in welcher sich keine Bezugnahme auf den Diebstahl findet; sodann durch die 1. 13 § 2 D de iurei. 12, 2:

Julianus scribit eum qui iuravit, furtum se non fecisse, videri de toto iurasse, atque ideo neque furti neque condicticia tenetur... Ceterum si contendat, qui condicit, quasi cum herede se furis agere, non debet repelli, et quasi povouéons condictio ei dari debet adversus furis heredem, nec pati eum iudex debet, si coeperit tentare, probare furem. Der Sinn der Stelle ist klar; ich lege Gewicht auf die Schlussworte, wonach der Geschworene den vom Kläger angebotenen Beweis, dass der Verklagte der Dieb sei, zurückweisen soll; sie würden völlig überflüssig sein, wenn des Diebstahls in der Condictionsformel gedacht worden wäre; denn es hätte alsdann nicht bloss der Diebstahl schlechthin sondern auch der Thäter (der Erblasser des Verklagten) mit Namen erwähnt sein müssen, und der vom Kläger angebotene Beweis, der Verklagte sei der Dieb, wäre widersinnig und erfolglos gewesen; es hätte einer Ermahnung an den Geschworenen, den Beweis nicht zuzulassen, überhaupt nicht bedurft.

§. 4. Die Formel der Klage aus Darlehn, Indebitum, stipul. certa und Expensilation.

Ich wende mich jetzt zu Condictionen, von denen ich zwar nicht nachweisen kann, dass die Verschweigung der Causa in der Formel unbedingt nothwendig war, bei denen aber quellenmässig nachgewiesen werden kann, dass die Verschweigung stattgefunden hat. Ich meine die Condictio aus dem Darlehn, die cond. indebiti sowie die Condictio aus der stipulatio certa und aus der Expensilation.

I. Die Formel der Darlehnsklage ist sowohl als cond. certi wie als triticaria denkbar. Erhalten ist sie bei

Gai. 3, 91: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur, nam proinde ei condici potest: si paret eum dare oportere ac si mutuum accepisset.

Ebenso in Justinian's Institutionen III, 14, § 1, und auch nach Theophilus klagt der Darlehnsgläubiger τοῖς αὐτοῖς χρώμενος ρήμασιν wie der, welcher ein Indebitum condicirt. Die Formel enthält keine Angabe der Causa; sie kann sie nicht enthalten haben, denn die Klage bei Indebitum und Darlehn wird ja für identisch erklärt; gerade daraus wird (worauf ich später bei II. eingehen werde) von Gaius und Justinian die sog. Quasicontractsobligation durch Empfang einer Nichtschuld abgeleitet; und gerade mit Bezug hierauf heisst es in

1.5 § 3 D. de obl. et act. 44, 7: is quoque qui non debitum accipit per errorem solventis, obligatur quidem quasi ex mutui datione et eadem actione tenetur qua debitores creditoribus.

Die eadem actio verlangt die Nichterwähnung der Causa. Aber wir haben noch ein anderes Zeugniss in der Rede Cicero's pro Roscio comoedo. Eine vollständige Erörterung des Processes zwischen Fannius und Roscius gehört nicht an diese Stelle; ich werde sie später geben (§11-§13); hier genügt es festzustellen, dass unstreitig in der von Fannius gewählten Klagformel keine Erwähnung der numeratio, stipulatio, expensilatio noch überhaupt irgend einer Causa geschehen war; unstreitig gilt als diese Klagformel die von Cicero cap. IV § 11 als Theil der condictio certi erwähnte Intentio:

si paret HS Iɔɔɔ dari ...

Das ist dieselbe Formel wie sie bei Gaius und in den Institutionen als Darlehns- resp. Indebitum - Klagformel angegeben ist. Soviel Unklarheit und Streitfragen über den Process gegen Roscius herrschen: das geben alle Interpreten der Ciceronianischen Rede zu, dass die Formel gegen Roscius keine Causa enthielt. Diese Rede erbringt übrigens nicht bloss den Beweis hinsichtlich des Darlehns sondern auch hinsichtlich der Stipulation und der Expensilation; auf die Stipulation komme ich später unter III. zurück.

II. Die Stelle, in welcher die Formel der cond. indebiti überliefert wird, ist soeben unter I. abgedruckt worden. Dort ist auch bemerkt, dass auf die Identität der Formel der Darlehns- und der Indebitumklage die obligatio quasi ex contractu bei Zahlung einer Nichtschuld gestützt wird. Auf diesen Punkt will ich näher eingehen.

Noch in den Lehrbüchern von Puchta und Arndts werden der Quasicontract und das Quasidelict als Römische Entstehungsgründe der Obligationen hingestellt1). Viel vorsichtiger ist Windscheid, welcher lehrt, dass die hierher gehörigen Entstehungsgründe «entweder mehr nach der Seite der Rechtsgeschäfte oder mehr nach der Seite der Vergehen liegen»; aber auch er glaubt, dass der Begriff des Quasicontracts und Quasidelicts der Römischen Rechtswissenschaft angehört. Wäre dies der Fall, so würde es unerklärlich sein, dass Modestin eine Eintheilung der Entstehungsgründe der Obligationen aufstellt, welche Puchta eine sehr tumultuarische nennt:

1. 52 D. de obl. et act. 44, 7: obligamur aut re

1) Der Code Napoléon hat die Quasicontracte und Quasidelicte sogar gesetzlich zu Entstehungsgründen der Obligationen erhoben; siehe die Ueberschriften zu Titel 4 Cap. 1. 2. u. den Art. 1371.

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