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dem Gebiete des Rechts kaum zur Condictio gegriffen werden.

§ 16. Fortsetzung. Zwei Punkte aus der legis actio per condictionem.

Aus der trümmerhaften Darstellung der 1. a. per condictionem bei Gaius ragen zwei feste Punkte hervor: die Herleitung des Namens der Legisactio und ihre Unverwendbarkeit zu einer actio ficticia. Ueber beides will ich im Nachstehenden handeln.

I. Den Namen der Legisactio leitet Gaius aus der condictio her, welche er als ein einseitiges Ankündigen an den Gegner, sich am dreissigsten Tage behufs der Geschworenenwahl einzufinden, erklärt. In dieser Auffassung folgen ihm nicht bloss Festus 1) sowie Justinian und Theophilus in ihren Institutionen (IV, 6 § 15) sondern auch eine Reihe von nicht juristischen Schriftstellern bestätigen diesen Sprachgebrauch2). Es bedarf aber keines Beweises, dass dieses die ursprüngliche Wortbedeutung nicht gewesen sein kann, und es lässt sich mit Sicherheit behaupten, dass es auch in späterer Zeit nicht die einzige Wortbedeutung gewesen ist; noch Gellius, der doch in der Note 2 citirten Stelle condictio für einseitiges Ankündigen setzt, versteht an einer anderen Stelle darunter Vertrag:

1) Condicere est dicendo denuntiare; condictio in diem certum eius rei, quae agitur, denuntiatio.

2) Gellius noct. Att. 10, 24 § 9 (sacerdotes quoque populi Romani cum condicunt in diem tertium, diem perendini dicunt); Mart. Cap. I, § 97 (tunc Iuno condicit, uti postridie omnis ille deorum senatus in palatia convenirent); Glossar. Labbaei (nagayγελία = condictio, condictio = πρόκλησις)..

noct. Att. 20, 1 § 54: ... pactum atque condictum cum rege populi Romani perfide ruperat ... und das Gleiche gilt von Pomponius' Worten: in fundo vendendo quaedam, etiamsi non condicantur, praestanda sunt3), sowie endlich vom glossarium Labbaei, welches condico mit συντάσσομαι, condictum mit ὁμολογήμενον wiedergiebt.

Schwerer als diese Zeugnisse wiegt die Erklärung bei Festus: condictum est quod in commune est dictum1) sowie die Worte status condictusve dies cum hoste, welche im Militäreide 5) und als Citat bei Plautus 6) vorkommen; Cicero, welcher sie ungenau als status dies cum hoste citirt), giebt als seine Quelle die zwölf Tafeln Man ist einig darüber, dass diese Worte den Recuperatorenprocess bezeichnen; dies um so mehr, als es vom status dies direct überliefert ist:

an.

Festus: status dies vocatur qui iudicii causa est constitutus cum hoste.

Macrob. Sat. I, 16: stati qui iudicii causa cum peregrino instituuntur.

Bei unserer völligen Unkenntniss des Recuperatorenprocesses ist man auf den Streit des Römischen Volkes mit einem anderen zurückgegangen ); man behauptet

3) 1. 66 pr. D. de c. e. 18, 1.

4) Eine ganz andere Erklärung der Festusstelle hat Wieding, Libellarprocess S. 657; für meine Zwecke brauche ich auf sie nicht einzugehen.

5) Bei Gellius 16, 4 § 4.

6) Curcul. I, 1, 5.

7) De off. I, 12 § 37.

8) Voigt, ius nat. 2, 183 ff. Umgekehrt findet Danz (sacraler Schutz S. 180 f. 190 f.) eine Aehnlichkeit zwischen dem völkerrechtlichen Verfahren und der 1. a. sacramento resp. per manus iniectionem andererseits; Huschke (das Römische Jahr S. 322 ff.) bloss mit der 1. a. sacramento; in seinem Werke: Die Multa S. 487 Text bei Note 368 hat aber Huschke denselben Standpunkt wie Voigt.

cine Verwandtschaft von clarigatio, Recuperatorenprocess und l. a. per condictionem; ich glaube nicht, dass dies mit Recht geschieht. Zwar kommen bei der clarigatio dieselben dreissig Tage wie bei der 1. a. per condictionem vor; auch nennt Livius I, 32 § 10 das ganze völkerrechtliche, der Kriegserklärung vorhergehende Verfahren ein res, lites, causas condicere; allein der Recuperatorenprocess konnte doch nicht dasjenige Verfahren zum Vorbild nehmen, das durch ihn beseitigt werden sollte; er ist ein Verfahren zufolge völkerrechtlichen Vertrages, die Kriegserklärung hingegen ein einseitiger Akt; auch lässt sich nachweisen, dass gerade die dreissig Tage, welche aus der völkerrechtlichen clarigatio in den Recuperatorenprocess und aus diesem in die 1. a. per condictionem übergegangen sein sollen, in dem Recuperatorenprocess nicht Anwendung gefunden haben. In dem Latinischen Bündniss vom Jahre 261 findet sich nämlich die Bestimmung:

τῶν ἰδιωτικῶν συμβολαίων αἱ κρίσεις ἐν ἡμέραις γινέσθωσαν δέκα, παρ ̓ οἷς ἂν γένηται τὸ συμβόλαιον 9), d. h. die Austragung der Sache soll in den nächsten zehn Tagen geschehen. Die dreissigtägige Frist der 1. a. per condictionem kann also nicht aus dem Recuperatorenprocess entsprungen sein; in der That wäre diese Frist für ein Gastgericht eine unverhältnissmässig lange; im Recuperatorenprocess muss die Frist den individuellen Verhältnissen angepasst werden und jedenfalls eine kurz bemessene sein; beiden Anforderungen entsprechen die zehn Tage des Latini

9) Dionys VI, 95. Die Frage, ob innerhalb dieser zehn Tage bloss die Bestellung der Recuperatoren oder die Fällung des Urtheilsspruches geschehen musste, kann hier bei Seite bleiben; vgl. darüber Voigt, ius nat. 2, 179 Note 165; Huschke, Römisches Jahr S. 328 Note 250.

schen Bündnisses; die Frist durfte nicht länger, wohl aber konnte sie kürzer sein: sie war also in jedem Falle eine verabredete, ein dies condictus.

Wenden wir uns zur 1. a. per condictionem. Unstreitig ist hier eine Abänderung gegenüber dem Recuperatorenprocess eingetreten: die Frist ist eine ein für alle Mal bestimmte von dreissig Tagen; es lag darin ein Gewinn, nämlich eine festere Ordnung des Processes; sie war wohlbegründet, da es sich um ein Verfahren unter Bürgern handelte. Folgt aber hieraus, dass der dies condictus in unserer Legisactio ein einseitig angesagter war? Es scheint dies (und dies ist die heut allgemeine Meinung) aus den Worten des Gaius hervorzugehen; er lässt den Kläger dem Verklagten den Tag ankündigen (denuntiare). Eine genauere Untersuchung führt zum Gegentheil.

Der Vertrag, an einem durch besondere Abrede festgesetzten Tage sich vor Gericht zu stellen, zerfällt in zwei Theile: in die Abrede sich zu stellen, und in die, sich an dem verabredeten Tage zu stellen. Der dies condictus des Recuperatorenprocesses begreift beide Theile des Vertrages, derjenige in der 1. a. per condictionem enthält bloss den einen Theil, nämlich die Abrede sich zu stellen; es folgt dies aus Gaius 4, 184:

cum autem in ius vocatus fuerit adversarius neque eo die finiri potuerit negotium, vadimonium ei faciendum est, id est ut promittat se certo die sisti.

Es ist die Eigenthümlichkeit der 1. a. per condictionem, dass sie niemals im ersten Termin zu Ende gebracht werden kann; es muss stets ein zweiter Termin behufs der Geschworenenwahl stattfinden, und da dieser durch Vadinonium verabredet wird, so ist auch in der 1. a. per condictionem ein rechter dies con

dictus vorhanden. Ich lege darauf Gewicht, weil nur auf diese Weise der Name der Legis actio verständlich wird; aber ich gebe zu, dass die Abrede nur, wenn ich so sagen darf, eine halbe ist; sie ist dies um so mehr, als der Beklagte gesetzlich verpflichtet ist, die Abrede zu treffen; zwar gilt dies auch vom Recuperatorenprocess; allein in dem letzteren prävalirt der Charakter der Abrede, weil der Tag von den Parteien festgesetzt wird; in unserer Legisactio, wo das Gegentheil stattfindet, tritt der Charakter der Abrede. zurück. Und so mag denn unsere Legisactio den Anlass gegeben haben, dass das Wort condictio die Bedeutung einer einseitigen Ankündigung erhielt, und dass Gaius den Act des Condicirens in unserer Legisactio in diesem Sinne auffasste.

Werfen wir einen Blick auf die 1. a. sacramento; von ihr heisst es bei Gaius 4, 15:

. . . ad iudicem accipiendum venirent, postea vero reversis dabatur. Ut autem die trigesima iudex daretur, per legem Pinariam factum est; ante eam autem legem statim dabatur iudex.

Ich citire nach Studemund; die Lesart statim dabatur iudex ist ungewiss; Andere lesen nondum dabatur iudex, und sie wollen damit ausdrücken, dass vor der lex Pinaria überhaupt kein Geschworener gegeben sondern die Sache vom Magistrat abgeurtheilt wurde; allein es liegt auf der Hand, dass alsdann Gaius hätte schreiben müssen: non dabatur iudex. Dies vorausgeschickt, so ergiebt sich für die Zeit vor der lex Pinaria ein Gegensatz zwischen der 1. a. sacramento und der per condictionem; dort ward der Geschworene sofort, hier erst im zweiten Termine nach dreissig Tagen ernannt. Nun wissen wir weder etwas über die Zeit, zu welcher die 1. Silia noch über die, zu welcher die 1. Pinaria gegeben wurde. Gewöhnlich hält man

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