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ist, und demgemäss der Kläger sich auf irgendwelche Causa stützen kann: mit welchem Recht behauptet denn Cicero in dem S. 155 abgedruckten § 13, dass Fannius sich höchstens auf Darlehn, Stipulation, Expensilation stützen dürfe, eine sonstige Causa der Klage sei ihm unerfindlich? Hier ist der Punkt, wo die bisherigen Interpreten1) einen wichtigen Umstand übersehen haben. Ich habe oben zwei Stellen der Rede angeführt, an welchen Cicero die Klage beschreibt; an beiden sagt er nicht kurzweg, dass pecunia certa eingeklagt sei, sondern er fügt noch hinzu, dass die Parteien eine Wette auf den dritten Theil eingegangen sind:

§ 10 pecunia tibi debebatur certa, quae nunc petitur per iudicem, in qua legitimae partis sponsio facta est ...

§ 14 pecunia petita est certa, cum tertia parte sponsio facta est ... .. (vgl. auch die vorhergehenden Worte: formulae et sponsioni ...)

Nun wissen wir aus Gaius 4, 13, 171, dass die sponsio tertiae partis bloss bei certa pecunia credita stattfand. Dadurch bekommt die abstracte cond. certi doch wieder ein individuelles Gepräge, ein Punkt, der mich noch später beschäftigen wird. Was aber ist pecunia credita? Gaius 3, 124 definirt sie:

pecuniam creditam dicimus non solum eam, quam credendi causa damus sed omnem, quam tum, quum contrahitur obligatio, certum est debitum iri, id est quae sine ulla condicione deducitur in obligationem...5)

4) Auch die Schriftsteller, welche gelegentlich auf den Processeingehen, vgl. als letzten Pernice, Labeo 1, 418.

5) Voigt, über die cond. ob causam S. 269 nimmt an, dass der von Gaius aufgestellte Begriff der pecunia credita sich bloss auf die 1. Cornelia de satisdationibus bezog.

so dass also auch der Kaufpreis einer Sache darunter fiele. Aber sicherlich ist dies nicht der Ciceronianische Begriff von pecunia credita. Man erinnere sich an die bekannte Stelle von African 6), worin er erklärt, dass pecunia credita aus einer nuda pactio nicht entstehen könne, und dass der Procurator des Gläubigers, welcher die Schuld vom Schuldner eingezogen hat, nicht durch einen blossen Brief das Eingezogene in pecunia credita umwandeln könne. Danach ist auch der Kaufpreis, der vom Verkäufer dem Käufer creditirt wird, keine pecunia credita im Sinne Africans und ebensowenig in dem der Jurisprudenz zu Ciceros Zeit. Unzweifelhaft unterlag der Begriff der pecunia credita einer geschichtlichen Entwickelung: er begann mit dem Darlehn), er schritt fort zur Stipulation und dem Literalcontract, er erreichte seine Vollendung in der Zulassung einer formlosen Creditabrede über irgend eine Schuld. Auf der zweiten Stufe steht der Begriff noch in dem Anfang des zweiten Jahrhunderts n. Chr.; wie man diese zweite Stufe erklären soll: ob mit Savigny, dass in der Stipulation und im Literalcontract ein fingirtes Darlehn gesehen wurde, oder mit Heimbach, dass alle Schulden aus negotia stricti iuris unter die pecunia credita subsumirt wurden: das kann hier völlig hingestellt bleiben. Für das Verständniss der Ciceronianischen Rede genügt die Feststellung, dass zu Ciceros Zeit der Begriff noch kein fertiger war; das Zeugniss des Africanus beweist dies unwiderleglich; ja, aus diesem Zeugniss folgt mit Nothwendig

6) 1. 34 pr. D. mand. 17, 1. Bekanntlich ist Ulpian in 1. 15 D. de reb. cred. 12, 1 anderer Ansicht.

7) Voigt, üb. die cond. ob causam § 39 sqq. nimmt die Stipulation als Ausgangspunkt an.

keit, dass noch zu seiner Zeit zur pecunia credita bloss die adnumerata, stipulata, expensilata gerechnet wurden; ich wüsste wenigstens, wenn man mit Africanus die nuda pactio als Grund streicht, keinen Fall ausser jenen dreien anzuführen.

Nunmehr stellt sich die Klage des Fannius folgender

massen:

Er hat mit der cond. certi geklagt, und ist deshalb befugt, irgend welche Causa zur Begründung der Klage auszuführen; im Nachstehenden wird gezeigt werden, dass er zwei Causae behauptet: Literalcontract und Societät. Er hat aber gleichzeitig die sponsio und restipulatio tertiae partis mit Roscius abgeschlossen, und diese Wette gewinnt er nur dann, wenn er die pecunia credita beweist (im vorliegenden Fall den Literalcontract); gelingt ihm dieser Beweis nicht, so gewinnt er, wenn er eine andere Causa (im vorliegenden Fall die Societätsforderung) beweist, zwar das eingeklagte Processobject von 50 000 Sesterzen, er wird aber wegen der Restipulatio zu einem Drittel des Processobjects verurtheilt. Nach dieser Erörte rung wird man die Worte Ciceros in §§ 14. 15 verstehen; nachdem er nämlich in den ersten 13 Paragraphen der Rede zu zeigen gesucht, dass keine pecunia credita vorliege, und den betreffenden Theil der klägerischen Ausführung sattsam widerlegt zu haben sich berühmt, fährt er also fort:

Hic ego si finem faciam dicendi, satis fidei et diligentiae meae, satis causae et controversiae, satis formulae et sponsioni, satis etiam iudici fecisse videar, cur secundum Roscium iudicari debeat... quid ergo est? Quod et reus is est, cui res et pecunia levissima et existimatio sanctissima fuit semper, et iudex est is, quem nos non

minus bene de nobis existimare quam secundum nos iudicare velimus, et advocatio ea est, quam propter eximium splendorem ut iudicem unum vereri debeamus: perinde ac si in hanc formulam omnia iudicia legitima, omnia arbitria honoraria, omnia officia domestica conclusa et comprehensa sint, perinde dicemus. Illa superior fuit oratio necessaria, haec erit voluntaria; illa ad iudicem, haec ad C. Pisonem; illa pro reo, haec pro Roscio; illa victoriae, haec bonae existimationis causa comparata.

Cicero thut einen Augenblick so, als habe Fannius durch Abschluss der sponsio tertiae partis den abstracten Charakter der cond. certi abgestreift, als habe er sie dadurch in eine Klage mit den drei Causae der pecunia credita umgewandelt, und erklärt sein Amt deshalb als beendigt. Da er sich aber erinnert, dass diese Auffassung der sponsio tertiae partis weder der Gegner gelten lassen noch der Richter anerkennen wird, so erklärt er, freiwillig diejenigen Ausführungen geben zu wollen, wie sie die Natur einer abstracten Klage verlangt; das ist der Sinn der oben cursiv gedruckten Worte, in denen er verspricht, die Formel so aufzufassen, als wären in ihr alle iudicia legitima, alle arbitria honoraria beschlossen; rednerisch fügt er noch die officia domestica hinzu, die doch überhaupt in keine Formel passen. Puchta) hat diese Worte missverstanden; er führt die regelmässige Gliederung der Reden bei den Römern an: principium, narratio, divisio, confirmatio, confutatio, conclusio, und bemerkt, dass diese Theile in der Praxis nach Bedürfniss des Falles eine andere

8) Rhein. Mus. f. Jurispr. 1, 319 f.

Ordnung erhalten konnten; dies konnte namentlich die narratio betreffen, und so habe denn Cicero die Narratio erst in dem zweiten Theil der Rede gebracht, der erste Theil (meint Puchta) sei bloss die Darlegung, dass der Anspruch des Fannius so, wie er erhoben worden, unbegründet sei. Meines Erachtens erhält der erste Theil der Rede gerade so gut eine Narratio wie der zweite; die Narratio des ersten bezieht sich auf die klägerische Behauptung, dass pecunia credita vorliege, die des zweiten auf die Begründung des klägerischen Anspruchs aus der Societät.

Pecunia credita ist zu Ciceros Zeiten, wie ausgeführt, dreifach: eine Schuld aus Darlehn, aus Stipulation, aus Literalcontract. Man streitet, welche Causa Fannius behauptet habe. Dass er kein Darlehn behauptet habe, sagt Cicero wiederholentlich; Heimbach und Puchta denken nun an Stipulation 9), bei Abschluss des Vergleichs im Vorprocess habe Roscius ebenso 100 000 Sesterzen dem Flavius durch Stipulation versprochen, wie er umgekehrt von ihm durch Restipulation das Gegenversprechen empfing, dass er ihm die Hälfte des etwa von Flavius später Erhaltenen herauszahlen werde; Unterholzner, Schmidt und BethmannHollweg denken an Literalcontract. Mit Sicherheit trete ich den letzteren bei. Cicero äussert sich so:

§ 13: Iam duae partes causae sunt confectae; adnumerasse sese negat, expensum tulisse non dicit, quum tabulas non recitat; reliquum est, ut stipulatum se esse dicat; praeterea enim, quemadmodum certam pecuniam petere possit, non reperio. Stipulatus es? ubi? quo die? quo tem

9) Auch Keller, Inst. S. 109 spricht gelegentlich diese Meinung aus.

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