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Schriftformeln (in iure), die stricti iuris actio auf die Befugnisse der Geschworenen (in iudicio, daher richtiger actio stricti iudicii 22)).

§ 10. In welchen Fällen ist die cond. certi und triticaria eine ausschliessliche Klage?

Für mich unterliegt nicht die Frage einem Zweifel, ob die cond. certi und triticaria bei allen persönlichen Ansprüchen civilen Ursprungs, die auf dare von certa pecunia resp. von alia certa res gerichtet sind, gebraucht werden können, sondern die andere Frage, inwieweit sie allein gebraucht werden müssen. Deutlicher gesprochen: die cond. certi und triticaria sind theils concurrirende theils alleinstehende Klagen, und es fragt sich, inwieweit sie letzteres sind. Ein Fall liegt auf der Hand; es ist der der Bereicherung, natürlich sofern diese sich nicht an eine bestehende, eine Klage gegen den Bereicherten darbietende Obligation anlehnt; denn alsdann kann (wenigstens nach dem späteren classischen Recht, auf das frühere komme ich in § 17 zurück1)) auch die Klage aus der Obligation angestellt werden. Schwieriger ist die Beantwortung der aufgeworfenen Frage bei den Contracten; es handelt sich um die Fälle des Darlehns, der Stipulation, des Literalcontracts; hinzuzufügen ist der des Legats.

1. Was das Darlehn betrifft, so lehren die Justinianischen Institutionen:

22) Hierüber Windscheid, Actio § 4 u. Pandecten § 46 Note 4. 1) Vgl. vorläufig 1. 11 § 6 D. de a. e. v. 19, 1.

III, 14 pr.: ...
tur actio, quae vocatur condictio.

et ex eo contractu (mutui) nasci

Ich lege auf diese Stelle mehr Gewicht als auf die unzähligen anderen, worin von dem Condiciren eines Darlehns die Rede ist, deshalb, weil hier der Condictio der Charakter der ausschliesslichen Darlehnsklage beigelegt wird. Justinian hat sie nicht aus Gaius entlehnt; dieser schweigt über die Klage sowohl in seinen Institutionen als in der 1. 1 D. de obl. et act. 44, 7. Uebrigens ist es selbstverständlich, dass die erwähnte Condictio sowohl die certi als die triticaria ist; Justinian spricht im Vorgehenden von Darlehnen in allerhand fungiblen Sachen.

2. Was die Stipulation betrifft, so berichten die Justinianischen Institutionen:

III, 15 pr.: ... ex qua duae proficiscuntur actiones: tam condictio 2), si certa sit stipulatio, quam ex stipulatu, si incerta.

Wir müssen also die einzelnen Arten der Stipulation unterscheiden.

Ueber die stipulatio certae pecuniae besitzen wir noch ein Zeugniss in 1. 24 D. de r. cr. 12, 1:

Si quis certum stipulatus fuerit, ex stipulatu actionem non habet, sed illa condicticia actione id. persequi debet, per quam certum petitur.

Ich fasse das certum in der engeren Bedeutung (als Geldsumme), weil der Schluss der Stelle der cond. per quam certum petitur gedenkt, diese aber entschieden bloss die Condictio auf eine bestimmte Geldsumme bedeutet3). Die Stelle ist bisher oft missverstanden,

2) Dies ist die Lesart der Krügerschen Ausgabe; der Zusatz gewisser Handschriften "certi, ist verwerflich, denn die cond. triticaria konnte alsdann nicht unerwähnt bleiben.

3) 1. 1 pr. D. de trit. cond. 13, 2.

noch öfter übergangen worden; am leichtesten war es, ihren Inhalt einfach zu constatiren; und diesen letzten Weg schlagen die neuesten Processualisten ein; denn Keller1) präcisirt seine Ansicht dahin, dass nach 1. 24 die act. ex stipulatu bei certa pecunia keine Anwendung finde; darauf, worin der Gegensatz von act. ex stip. und cond. certi bestehe, geht er nicht ein. Rudorff und Bethmann-Hollweg 5) citiren die Lex in einer Weise, dass ihre Meinung nicht erhellt.

Savigny) beschäftigt sich mit der Stelle bloss zu dem Zweck, um auszuführen, dass certum eine Geldsumme bedeute; ihm vor Allen lag doch der Nachweis ob, wie es denn mit dem Gegensatz, den die Stelle zwischen actio ex stipulatu und condictio certi statuirt, bestellt sei; statt dessen macht er die Bemerkung: «die certi condictio war von so eigenthümlicher Natur und Wichtigkeit, dass man da, wo sie begründet war, meist nur diesen Namen zu gebrauchen pflegte, ohne dabei den Entstehungsgrund auszudrücken»). Ich lasse die Unrichtigkeit der Bemerkung bei Seite (- die Quellen gebrauchen nicht meist sondern stets den Ausdruck certi condictio ), jedenfalls geht daraus hervor, dass Savigny den Gegensatz zwischen condictio und act. ex stipulatu leugnet, ohne jedoch sich mit einem Worte über 1. 24 cit. auszulassen.

Schwieriger findet Savigny die Institutionenstelle; er giebt zu, dass in dem vorliegenden Texte der Institutionen der act. ex stipulatu die Eigenschaft einer Condiction abgesprochen werde; er hilft sich auf

4) Civilpr. § 88 Note 1114 der 5. Ausg.

5) Rudorff, Rechtsg. Bd. 2 S. 148 N. 29; Bethmann-Hollweg, Civilpr. 2, 269 N. 56.

6) System 5, 633 f.
7) A. a. O. S. 531.

geradezu gewaltsame und dennoch erfolglose Weise). Zuerst conjicirt er; es soll statt «condictio»> gelesen werden «cond. certi», so dass der Sinn entsteht, bei der stipulatio certa finde die cond. certi Anwendung, bei der stip. incerta die act. ex stipulatu, und nunmehr glaubt er, dass von dieser Seite eine völlige Uebereinstimmung der verschiedenen Zeugnisse erzielt sei; zu dieser Meinung gelangt er nur dadurch, dass er zugleich behauptet, die actio ex stipulatu sei eine condictio, «man hätte auch von einer condictio ex stipulatu sprechen können, es ist aber üblich geworden, dafür den Namen actio ex stipulatu zu gebrauchen»> 9). Aber auch jene Conjectur und diese Supposition erbringen noch nicht ein acceptables Resultat; «es bleibt noch (fährt Savigny fort) die zweite Schwierigkeit übrig, dass nun die certi condictio auf den Fall jeder certa stipulatio bezogen werden müsste, also auch auf den Fall eines Ackers oder eines Buchs»; und nun macht Savigny den Institutionenverfassern den Vorwurf der Uebereilung, er entschuldigt sie damit, dass seit Abschaffung des Formularprocesses der Unterschied aus der Praxis verschwunden war und nur noch aus Büchern erlernt werden konnte. Wir haben aber gesehen, dass die cond. certi ein durchaus der Praxis angehöriges Klagmittel zu Justinians Zeit ist. Wir haben ferner gesehen, dass die 1. 24 D. de r. cr. die cond. certi mit act. ex stipulatu nicht identificirt sondern beide in einen Gegensatz stellt 10).

Für mich stellt sich die Sache so, dass die stip. certa mit einer abstracten Klage geltend gemacht

8) A. a. O. S. 636 f.

9) A. a. O. S. 631.

10) Bei Bekker habe ich nichts über die Institutionenstelle gefunden. Die 1. 24 D. de r. cr. 12, 1 fand ich bloss in einer Note erwähnt (Actionen 1, 99 N. 9).

wird, es sei mit der cond. certi oder mit der cond. triticaria; dass aber die stip. incerta keine abstracte Klage hat. Das erstere habe ich bereits oben aus den Quellen zu erweisen gesucht (§ 4), das letztere steht ausdrücklich in Gaius 4, 136, welcher der Formel der Stipulationsklage eine Demonstratio und Intentio giebt:

Quod AA. de NN. incertum stipulatus est, quic

quid ob eam rem NN. AA. dare facere oportet... Vielleicht wird man es als eine räthselhafte Erscheinung ansehen, dass dieselbe Obligation je nach dem Gegenstande eine so verschiedene processualische Behandlung erfährt, und wird nach einer Lösung verlangen, ich werde sie später in § 15 geben.

Der Vollständigkeit wegen muss noch die Ansicht von Voigt, Jus natur. Bd. 4 S. 393. 395. 397. 414. erwähnt werden, wonach ausschliesslich die mit doli clausula versehene Stipulation die act. ex stipulatu erzeugt, jede andere die cond. incerti. Er stützt sich dabei auf

1. 4 § 15 D. de doli mali exc. 44, 4: Labeo etsi ex stipulatu actio competat propter doli clausulam tamen nocere doli exceptionem ait § 16 ... In stipulatione plane doli clausula non erit detrahenda, quia ex doli clausula non de dolo actio intenditur sed ex stipulatu.

Im § 15 zieht Voigt die Worte propter doli clausulam zu competat, während sie offenbar zum Folgenden (tamen nocere) gehören; im § 16 leitet er die act. ex stip. aus der doli clausula ab, während doch der Sinn ist, dass trotz der doli clausula die act. ex stip. stattfinde. Die Institutionenstelle (III, 15 pr.) wird von Voigt damit beseitigt, dass in der byzantinischen Kaiserzeit eine Stipulation ohne doli clausula nicht mehr vorgekommen sei!

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