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Ferner die Glosse si quis certum zu 1. 24 D. de r. cr. 12, 1:

...

nam et ad incerta datur (cond. certi), puta ad interesse, si modo fieri non potest certum... Die Glosse verlangt also zur cond. certi nicht eine von Anfang an bestimmte Geldsumme; sie begnügt sich mit der vom Richter fest bestimmten Geldsumme. In einer anderen Beziehung bestand eine Controverse unter den Glossatoren: nämlich ob mit der cond. certi bloss bestimmte Geldsummen oder auch andere bestimmte Sachen eingeklagt werden können; Bulgarus hatte die erstere, Martinus die letztere Meinung 37).

Die Ansicht der Glosse bleibt bis in's 18. Jahrhundert; man greift zum Zweck ihrer Begründung zu den sonderbarsten Argumentationen; Noodt 38) z. B. bringt alle Obligationen unter den Begriff der res creditae, und zwar die Delicte unter Berufung auf 1. 52 D. de re iud. 42, 1 (in welcher die act. rer. amotarum als Klage ex male contractu et delicto bezeichnet wird) und auf Aristoteles. Im Einzelnen finden sich. kleinere Abweichungen; ich hebe Cujacius und Donellus heraus, da eine ausführliche Dogmengeschichte sich aus den im § 2 gedachten Gründen nicht verlohnt. Cujaz 39) hält an dem von den Glossatoren gemachten Unterschied zwischen cond. generalis und specialis fest, und er lässt mit der ersteren alle bestimmten Sachen (wie Martinus) condiciren, auch den Kaufpreis Seitens des

37) Haenel, dissens. dominorum p. 19 (vet. coll. § 28), p. 111 (Roger § 73); über die Anhänger der beiden Ansichten s. Haenel, 1. c. p. 155 sq. (§ 49 und die Note g).

38) Ed. Col. v. 1732 tom. 2 p. 223. Aehnlich später Heffter (obs. ad Gai. p. 69) unter Berufung auf 1. 4 D. de o. et. a. 44, 7 (....... nam hae re tantum consistunt, id est ipso maleficio). 39) Opp. 7, 649 ff.

Verkäufers; allein es scheint, dass er das Selbstschätzungsrecht des Klägers nicht kennt, denn er giebt die cond. certi nicht bei dem Contract facio ut facias, quia facta incertis annumerantur. Donellus 40) polemisirt gegen die Eintheilung der cond. certi in generalis und specialis, weil sie quellenwidrig und überflüssig sei; im Uebrigen giebt er die cond. certi dem Verkäufer auf den Kaufpreis, dem mit der act. 1. Aquil. Klagenden (quia aestimatio certi corporis et ipsa certa est), nicht aber auf das Interesse, weil es incertum ist; von dem Selbstschätzungsrecht schweigt auch Donellus. Die Ansicht, dass die cond. certi an bestimmte Entstehungsgründe der Obligationen geknüpft sei, scheint zuerst in unserem Jahrhundert aufgestellt zu sein11). Zu einer gemeinen Meinung ist es vor Savigny nicht gekommen, und auch nach diesem Schriftsteller hat Keller's Widerspruch die Bildung einer solchen verhindert.

§ 9.

Fortsetzung. Condictio triticaria.

Zunächst ist der Umfang derselben festzustellen. Nach Savigny1) ist die cond. triticaria jede, die nicht auf bestimmtes baares Geld geht, also sowohl die auf bestimmte andere Sachen als die auf unbestimmte Gegenstände; so dass durch sie und die cond.

40) Opp. 10, 147 ff.

41) Vgl. Glück, 13, 1–9; Gans, Röm. Obl. S. 25 ff. 125–129. Heffter, obs. ad Gai. cap. 5; Zimmern, Civilpr. § 61 (dieser bringt die certi condictio sogar mit der manus iniectio in Verbindung); Hasse im Rhein. Mus. f. Jurispr. 6, 60. 61. 75 f.; Bachofen, de Rom. iud. civ. p. 189-193. 212. 229. 337; Huschke in den krit. Jahrb. 7, 483.

1) System 5, 626 f.

certi der ganze Umkreis der Condictionen erschöpft wird. Zum Beweise beruft sich Savigny auf die 1. 1 pr. D. de cond. trit. 13, 3:

qui certam pecuniam numeratam petit, illa actione utitur si certum petetur; qui autem alias res, per triticariam condictionem petet.

Dass nämlich unter den aliae res alle Vermögensobjecte ausser dem bestimmten baaren Geld zu verstehen seien, gehe aus den später angeführten Beispielen hervor: fundus vectigalis, Ususfructus, Besitz. Die Beispiele stehen theils in dem weiteren Fortgange der 1. 1 cit. theils (Besitz) in l. 2.

Nun hat Rudorff) von 1. 1 cit. eine solche Interpretation gegeben, dass sie als Argument der Savignyschen Meinung nicht benutzt werden kann. Die Stelle lautet:

quare fundum quoque per hanc actionem petimus, etsi vectigalis sit sive ius stipulatus quis sit veluti usumfructum vel servitutem utrorumque praediorum.

Rudorff macht darauf aufmerksam, die Stelle besage nicht, dass mit der cond. triticaria eine Emphyteuse, ein Ususfructus 3) eingeklagt werden könne, sondern dass, wenn mit der cond. triticaria ein Grundstück eingeklagt worden ist, an welchem dingliche Rechte (Emphyteuse, Servituten) bestehen, die Existenz der letzteren der Klage nicht im Wege stehen; m. a. W. wer vom Eigenthümer des fundus vectigalis oder vom Proprietar des fundus fructuarius sich das Eigenthum des Grundstücks promittiren lässt, kann die cond. tri

2) Rechtsg. 2, 147 Note 13.

3) Dieser ist ein Incertum, wenigstens pflichtet Ulpian der Ansicht derjenigen bei, welche ihn für ein Incertum erklären: 1.75 § 3 D. de verb. obl. 45, 1.

ticaria mit fundum dari oportere anstellen. Zweifel gegen die Zulässigkeit einer solchen Formel entstanden daraus, weil die öconomische Bedeutung des Ususfructus (noch mehr die des vectigalischen Rechts) die Römischen Juristen dazu veranlasst hatte, den Niessbrauch als pars dominii, allerdings nur in multis partibus aufzufassen1). Paulus warnt, diese Auffassung nicht zu weit zu treiben:

1.25 D. de v. s. 50, 16: recte dicimus eum fundum nostrum esse, etiam quum ususfructus alienus est, quia ususfructus non dominii pars sed servitutis sit ut via et iter, nec falso dici totum meum esse, cuius non potest ulla pars dici alterius esse; hoc et Julianus et est verius.

In ganz demselben Sinne sagt Ulpian in der oben citirten 1. 1 h. t., dass von einem fundus vectigalis resp. fructuarius nicht bloss ein nostrum esse sondern auch ein dari oportere intendirt werden könne.

Fällt nun auch die 1. 1 cit. als Zeugniss der Savignyschen Meinung hinweg, so existirt doch unzweifelhaft ein anderes, wonach die persönliche Klage auf Realservituten die cond. triticaria ist:

1. 19 D. de serv. pr. rust. 8, 3: si unus ex sociis

4) 1. 4. 1. 33 § 1. D. de usufr. 7, 1; l. 76 § 2 D. de leg. II. (31); 1. 49 D. de ev. 21, 2; 1. 27 § 8 D. de pact. 2, 14; 1. 58 D. de v. o. 45, 1. Im Mittelalter wurde viel darüber gestritten, und am verbreitetsten war die Meinung, dass der ususfr. causalis eine pars dominii sei, nicht aber der ususfr. formalis. In der neueren Zeit sind mannigfache Auffassungen zu Tage getreten; vgl. die Literaturnachweise bei Mandrea, de usufr. quasi parte dom. 1864; hinzugekommen sind Baron in krit. Ztschr. 7, 516; Degenkolb, Platzrecht S. 161 u. Windscheid § 200 Nr. 3. Interessant ist es, dass Goethe unter den Thesen, über welche er am 6. August 1771 disputirte, aufgestellt hat: ususfructus non dominii pars sed servitus est; vgl. Lewes, Goethes Leben, übers. v. Frese 1, 517.

stipuletur iter ad communem fundum, inutilis est stipulatio, quia nec dari ei potest; sed si omnes stipulentur sive communis servus, singuli ex sociis sibi dari oportere petere possunt, quia ita dari eis potest. Was den Ususfructus betrifft, so

...

möchte man aus 1. 11 § 2 D. de iurei. 12, 2: item si iuravero usumfructum alicuius rei vel meum esse vel dari mihi oportere...

schliessen, dass auch hier eine cond. triticaria zulässig gewesen sei; indess würde der Schluss vom Eid auf die Klagformel ein unbegründeter sein; denn wiederholentlich hebt Gaius bei Besprechung der Condictio das Erforderniss der certa pecunia, der alia certa res hervor (4, 19. 33); über die desfallsige Eigenschaft des Ususfructus bestand noch unter den classischen Juristen eine Streitfrage 5), indess neigte man (mit Rücksicht auf die ungewisse Dauer des Niessbrauchs) zu der Annahme, dass er zu den Incerta gehöre. Trotz dieser Eigenschaft konnte die Stipulation auf dari usumfructum, der Eid auf dari usumfructum oportere gestellt werden; nicht aber konnte eine Klagformel angewendet werden, welche zwar eine Intentio mit dari oportere enthielt, aber bloss für certae res durch Gesetz eingeführt und im Album des Prätor proponirt war. Erst von diesem Gesichtspunkt aus wird die 1. 75 D. de V. o. 45, 1 verständlich; sie

5) Dies ergiebt die 1. 75 § 3 D. de verb. obl. 45, 1; denn nachdem hier der Ususfructus für Incertum erklärt worden, folgt der Zusatz: hoc enim magis iure utimur. Puchta (Inst. II. § 165 Note k) will übrigens conjiciren; man solle fundi certi provincialis lesen, so dass es sich bloss um den Besitz handle; die Conjectur ist ohne allen Grund, vgl. Keller in der Ztschr. f. gesch. Rechtswiss. 15, 147 N. 20. Vgl. noch Karlowa, Civilpr. z. Z. d. Legisact. S. 238; Huschke, Multa S. 493 Note 392.

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