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legassit suae rei, ita jus esto" la) latissima potestas tributa videtur et heredis instituendi et legata et libertates dandi tutelas quoque constituendi; sed id interpretatione coangustatum est vel legum (dafür doch wohl nur ,,legibus") vel auctoritate jura constituentium. Auch diese Stelle bezeugt, dass die Zwölftafelgesetze für alle letzt willigen Erklärungen nur das angeführte oberste Grundgesetz enthielten, und dass Pomponius die ganze Entwicklung desselben der legalen und doctrinellen Auslegung, also den leges des zur Interpretation berufenen Organ's und der Interpretation der späteren Jurisprudenz zuschrieb. Weil ich auf diese Stelle noch unten zurückkommen werde, so unterlasse ich hier weitere Bemerkungen über dieselbe.

Dass nun die aus der legalen Interpretation der Grundgesetze hervorgegangenen legis actiones solche Ausführungsgesetze waren, das folgt nicht nur aus der von Pomponius (L. 2. §. 6. D. de orig. jur.) für sie gewählten Bezeichnung ,,legitimae actiones", sondern auch aus Gaius IV. 11: Actiones, quas in usu veteres habuerant, legis actiones appellabantur, vel ideo, quod legibus proditae erant, quippe tunc edicta praetoris, quibus complures actiones introductae sunt, nondum in usu habebantur; vel ideo, quia ipsarum legum verbis accommodatae erant, et ideo immutabiles proinde atque leges observabantur: unde cum qui de vitibus succissis ita egisset, ut in actioue vites nominaret, responsum est eum rem perdidisse, quia debuisset,,arbores" nominare ideo, quod lex XII tabularum, ex qua de vitibus succissis actio competeret, generaliter de ,,arboribus succissis" loqueretur. Weil hier Gaius die legis actiones im formellen Sinne des Wortes darzulegen beginnt, von der Unabänderlichkeit der legis actiones spricht, und die materiellen Klagrechte, welche aus den Zwölftafelgesetzen entsprungen waren, noch zu seiner Zeit galten, so muss ich trotz seiner auf die materiellen Klagrechte des Grundgesetzes hinzielenden Redewendungen doch mit Keller 1b) festhalten, dass er hier nicht die materiellen, sondern nur die formellen legis actiones im Sinne hat. Weil nun Gaius für die Bezeichnung,,legis actiones" selbst zwei Gründe anzugeben weiss und uns somit eine Alternative vorlegt, so entsteht die Frage, welcher dieser beiden Bezeichnungsgründe angenommen werden kann. Ich will zuerst jenen Bezeichnungsgrund erwägen, welchen Gaius selbst erst an zweiter Stelle anführt, und damit an

1a) Genauer und richtiger Cic. de invent. II, 50: Et lex:,,Paterfamilias uti supra familia pecuniaque sua legassit, ita jus esto."

1b) Civilprocess §. 12,

deutet, dass derselbe auch ihm nur eine untergeordnete Bedeutung zu haben schien. Als zweiter Bezeichnungsgrund wird nun angegeben,,,weil diese Klagen aus dem unmittelbaren Wortlaute der Gesetze hervorgegangen waren" (ipsarum legum verbis accomodatae). Als Beleg dafür gibt Gaius die actio de vitibus succissis, welche darum auf ,,arbores succissae" zu stellen war, weil das Grundgesetz nur von ,,arbores" nicht aber von „,vites" sprach. Schon dieses, übrigens einzig mögliche Beispiel, den Namen der legis: actiones zu erklären, zeigt die Unhaltbarkeit dieser Erklärung. Weil die actio de arboribus succissis eine actio in factum delicti composita war, so musste in ihr das Delict genau mit den Worten qualificirt werden, welche das Grundgesetz enthielt. Es liegt in der Natur eines jeden mit einer Strafe bedrohten Factum, dass dasselbe nach den Worten des Gesetzes bestimmt werden muss, welches es als verpönt darstellt. Die actio de arboribus succissis hatte also bei der streng eingehaltenen Citirmethode nur die Eigenschaft aller actiones in factum delicti compositae. Wie lässt sich aber zugeben, dass mit der Fassung des Thatbestandes eines Delictes schon die ganze actio im formellen Sinne des Wortes, also die ganze forma agendi gegeben ist? Was durch diese Fassung gegeben ist, ist nur die actio im materiellen Sinne des Wortes, oder das Klagrecht, weshalb Gaius hier auf einmal der formellen actio die materielle, die nicht hieher gehört, substituirt, und dadurch hier denselben Fehlschuss macht als in IV. 1, wo er ebenfalls bei der Eintheilung der von ihm darzulegenden formellen actiones oder formulae nur von der actio im materiellen Sinne ausgeht, wie ich unten weitläufiger zu zeigen haben werde 2). Rechtfertigt nun diese Erklärung den Namen der legis actiones nicht einmal in Bezug auf die actiones in factum delicti compositae, wie soll diese Erklärung für die actiones in jus compositae ausreichen, bei welchen auch das ohnehin nicht hieher gehörige Klagrecht sich hinter allgemeinen Clauseln (z. B. oportere) verbarg? Noch mehr, wie steht es mit dem accommodare ipsarum legum verbis, wenn die actio, also wieder das nicht hieher gehörige Klagrecht, durch ausdehnende Auslegung gegeben worden war, deren Operation gerade darin besteht, dass dabei mit Beachtung des Sinnes des Gesetzes über dessen Wortlaut hinausgegangen wird? Dieser Bezeichnungsgrund scheint mir also nicht einmal von dem hier ganz unzulässigen Standpunkte der materiellcn actio als ein haltbarer, geschweige denn für die formelle legis actio. Gewisse Bedenken

2) Vgl. Ihering, Geist II. 2, S. 612, Note 271.

gegen diesen Erklärungsversuch hatte jedenfalls auch Gaius selbst, weil er ihn nur als secundären hinstellt. Dass er ihn aber gleichwohl uns zur Wahl überlässt, das ist ein sicherer Beweis, dass den späteren Juristen die Kenntniss eines Institutes bereits abhanden gekommen war, deren Verlust ihnen die Einsicht in die Natur der legis actiones erschwerte: ich meine die Kenntniss des staatsrechtlichen Institutes der Interpretation der Grundgesetze, dessen Existenz ich schon oben nachgewiesen zu haben glaube, und auf dessen Fortdauer auch nach der Decemviralgesetzgebung ich bald zurückkommen werde. Gerade dieses staatsrechtliche Institut der Interpretation enthält jene Erklärung des Namens der legis actiones, welche auch Gaius an erster Stelle angibt: quod legibus proditae erant. Unter „leges" können hier nicht die Gesetze der Decemvirn verstanden werden, weil Pomponius die Composition der legis actiones ausdrücklich den Pontifices zuschreibt und dabei hervorhebt, dass diese aus den Zwölftafelgesetzen componirt worden seien 3). Unter den von Gaius erwähnten Gesetzen können also nur jene auf die formellen Klagen sich beziehenden Ergebnisse der legalen Interpretation oder jene Ausführungsgesetze verstanden werden, von welchen auch Cicero und Livius in den oben besprochenen Stellen reden. Wurden nun diese Klagen von Pomponius desshalb actiones legitimae genannt, quod legibus proditae erant, so ist damit zwar die Erklärung ihrer gesetzlichen Natur und ihrer Unveränderlichkeit gegeben, aber noch nicht die Erklärung jenes Ausdrucks, um welchen es sich hier handelt. Legis actiones hiessen diese Klagen vielmehr desshalb, weil sie mittelbare Actionen der Lex waren; wir wissen aber, dass die Römer den Ausdruck Lex sehr häufig im eminenten Sinne nehmen und darunter „,das Grundgesetz" verstehen: per eminentiam autem legitimi (tutores) dicuntur lege duodecim tabularum introducti (Ulp. Frgm. XI. 3). Aus diesem Grunde hat auch der neueste Herausgeber der Zwölftafelfragmente, Eduard Schoell, seinem Buche mit Recht den Titel gegeben: Legis duodecim tabularum fragmenta. Legis actiones sind also die durch die legale Auslegung aus dem ,,Grundgesetze" hervorgegangenen Actionen, welche wegen dieses ihres Ursprungs leges waren und darum auch legitimae genannt wurden. Waren sie aber durch die Interpretation aus der Lex hervorgegangen, so musste bei ihrer Composition der Wortlaut der Lex möglichst verwerthet werden, woraus ohne Zweifel später der zweite Bezeichnungsgrund der legis

3) Pompon. L. 2. §. 6. D. de orig. jur.: Ex his legibus actiones compositae sunt, Actiones apud collegium pontificum erant,

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actiones abgeleitet wurde. Belege für die wirkliche Verwerthung des Wortlauts des Grundgesetzes bei der Composition der Legis actiones hat Ihering gegeben). Waren nun die legis actiones aus der Lex durch die von Pomponius bezeugte Interpretation der Pontifices hervorgegangen, und hatten diese actiones legitimae die Natur jener leges, von welchen Cicero, Livius und Gaius reden, so muss der Pontifex Maximus mit seinem Collegium die alte königliche potestas legum interpretandarum für das Gebiet des Civilrechts noch nach der Decemviralgesetzgebung ausgeübt haben. Dass dies wirklich der Fall war, lässt sich aber sogar auch aus der in der L. 2. §. 6. D. de orig. jur. erhaltenen Nachricht des Pomponius nachweisen: Omnium tamen harum (scil. legum) et scientia interpretandi et actiones apud collegium pontificum erant. So wie uns diese Nachricht jetzt vorliegt, kann freilich weder Pomponius noch sein Gewährsmann Varro sich ausgedrückt haben. Es ist geradezu sprachwidrig von legum scientia interpretandi zu sprechen, und weil hier das,,apud" für den ersten Theil des Satzes gewiss nicht im localen, sondern nur im juristischen Sinne von „,penes, in potestate" interpretirt werden kann, so ist es auch widersinnig zu sagen, dass diese scientia interpretandi in potestate collegii pontificum sich befand, oder dass die Wissenschaft der Auslegung dieser Gesetze ein Recht der pontifices war. Weil nun dieser Satz sowohl seine grammatische als sachliche Richtigkeit erhält, wenn für die widersinnige und sprachwidrige „legum scientia interpretandi" die sinn- und sprachgemässe ,,interpretatio" gesetzt wird, so bleibt nichts anderes übrig als anzunehmen, dass das Substantiv ,,scientia" weder Pomponius noch Varro angehört. Wird nun hier für die „,scientia interpretandi" der ursprüngliche Ausdruck „interpretatio" gesetzt, so wird dieser Satz nicht bloss grammatisch und sachlich richtig, sondern auch sonst völlig klar: Omnium tamen harum (scil. legum) et interpretatio et actiones apud collegium pontificum erant: d. h.,,Allein sowohl die Auslegung als die Klagen (im materiellen und formellen Sinne) aller dieser Gesetze lagen in der Gewalt des Pontifical - Collegiums". Damit ist aber von Varro und Pomponius ausdrücklich bezeugt, dass der Pontifex Maximus mit seinem Collegium die civilrechtliche potestas legum interpretandarum noch nach der Decemviralgesetzgebung ausübte, dass somit die Entwicklung des gesammten grundgesetzlichen Civilrechts und seines Processes seiner Gewalt anvertraut, er also noch immer custos juris civilis war. Weil nun die Pontifices das jus interpre

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tandi batten, so war es auch natürlich, dass die Ergebnisse ihrer Interpretation in ihrem Archive aufbewahrt wurden. Die legis actiones werden von den späteren Schriftstellern auf die Bücher der Pontifices zurückgeführt 5) und Valerius Probus identificirt geradezu die monumenta pontificum (§. 1) mit den legis actiones (§. 4)®).

Wie die Klagen, so hatten auch die aus der legalen Interpretation der Pontifices hervorgegangenen Bestimmungen des materiellen Civilrechts eine gesetzliche Natur. Dies bestätigt zunächst ein Vergleich der Stellen bei Cicero pro Caecina c. 19 §. 54 und Topic. IV, 23 mit Gaius II, 42. Bei Cicero heisst es: Lex usum et auctoritatem fundi jubet esse biennium: at utimur eodem jure in aedibus, quae in lege non appellantur; Quoniam usus auctoritas fundi biennium est, sit etiam aedium, at in lege non appellantur et sunt ceterarum rerum omnium, quarum annuus est usus. Hingegen heisst es bei Gaius: Usucapio autem mobilium rerum anno completur, fundi vero et aedium bienno, et ita Lege XII tabularum cautum est. Die Ergebnisse der Interpretation hatten also eine so entschieden gesetzliche Natur, dass sie später sogar in den Tenor des Gesetzes aufgenommen wurden. Weil nämlich nicht angenommen werden kann, dass hier ein persönlicher Irrthum des Gaius vorliegt so leichtfertig schrieb der Commentator der Zwölftafeln wohl nicht, so muss der Gaius vorliegende Text wirklich so gelautet haben, wie er ihn im Gegensatze zu Cicero angibt; dass wir aber hier mit keinem persönlichen Irrthum des Gaius zu thun haben, sondern dass die Ergebnisse der Interpretation später theilweise sogar in den Text der Lex aufgenommen wurden, dafür sprechen noch folgende mit einander zu vergleichende Stellen: Cicero sagt in Disput. Tusc. III. 5, 11 über den furiosus: qui ita sit affectus, eum dominum esse rerum suarum vetant XII tabulae; itaque non est scriptum: ,,si insanus, sed si furiosus" esse incipit), und de inventione II. 50, 148: Lex: Si furiosus escit, agnatum gentiliumque in eo pecuniaque ejus potestas esto 8)., Dagegen muss Ulpian die Bestimmung der Interpretation über den prodigus bereits in den Text des Gesetzes aufgenommen vorgefunden haben, weil er im frg. XII, 2 so schreibt: Lex XII tabularum furiosum itemque prodigum, cui interdictum est, in curatione jubet esse

5) Cicero de orat. I. 43.

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6) Mommsen, Berichte der sächsischen Gesellsch. der Wiss. histor. philol. Klasse, 1853 S. 131. vgl. Ihering, Geist II. 2, S. 265, 581, 614 Note 874. 7) Dieses Citat findet sich auch bei Nonius p. 443 M.

8) Vgl. Auct. ad Herennium I. 13, 23.

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