Page images
PDF
EPUB

Rechtsmittel zu gewähren, wenn er Ansprüche ex titulo singulari zu verfolgen hatte.

Es gab also schon in Folge der gleichzeitig eingeführten bonorum possessiones juris civilis supplendi causa und juris civilis confirmandi gratia vier Arten der Erbfolge, welche sich hinsichtlich der Wirksamkeit gegeneinander niedersteigend so abstuften: 1) die civile testamentarische, 2) die civile Intestaterbfolge, 3) die prätorisch-testamentarische, 4) die prätorische Intestaterbfolge.

Prüfung der Ansichten über die zur Geltendmachung des Erbrechts dienende Sponsionsklage und nähere Bestimmung der vom Praetor urbanus neben der zweiten Hauptart der vierten pontif. actio generalis zur Verfol gung und Vertheidigung auch des prätorischen Erb

rechts eingeführten legis actiones in rem.

§. 67. Wie der prätorische Intestaterbe bei der Geltendmachung seines Erbrechts lediglich an die legis actio in rem per spons. et sacram. angewiesen war (vgl. oben S. 183 fg., 198 fg.), so konnte auch der prätorische Testamentserbe sich nur der nämlichen hereditatis petitio, nicht aber auch der hereditatis vindicatio bedienen. Diesen Gegensatz der hereditatis vindicatio des civilen Testamentserben zur hereditatis petitio des prätorischen Testamentserben meint nun Cicero, wenn er in Verr. II. lib. 1. §. 115 der hereditatis vindicatio die Sponsionsklage so gegenüberstellt:

Si quis testamento se heredem esse arbitraretur, quod tum non exstaret, lege ageret in hereditatem, aut pro praede litis vindiciarum cum satis accepisset, sponsionem faceret, ita de hereditate certaret.

Ich habe nun vorerst meine Auslegung dieser Stelle weitläufiger zu rechtfertigen und dann die abweichenden Ansichten zu berücksichtigen.

Die auf den Erbrechtsfall der gens Minucia und das Verfahren des Verres sich beziehenden Stellen bei Cicero in Verr. II, lib. 1. §. 114-118 sind in ihrem Zusammenhange schon oben in der Note 4 des vorigen §. vollständig mitgetheilt. Auf Grund dieser Stellen und der Stelle bei Cicero in Verr. II, lib. 3. §. 16 1) hat jetzt

1) Scio te Romae, cum praetor esses, edicto tuo possessiones hereditatum a liberis ad alienos, a primis heredibus ad secundos (von der Tochter des P. Annius Asellus an den heres secundus L. Annius, in Verr. II. lib. 1. §§. 104 -114), a legibus ad libidinem tuam transtulisse (von der gens Minucia an einen angeblichen Testamentserben), Scio te edicta superiorum omnium cor

Leist 2) gezeigt, dass Verres nicht, wie bisher angenommen wurde, im zweiten Edict an die Stelle des den civilen Intestaterben zur Bon. Poss. berufenden Passus die Worte: ei possessionem dabo, qui se heredem esse dicet, sondern dass er zwischen das erste und zweite Edict ein neues eingeschoben, das ganze Verrinische Edict aber so gelautet habe:

1) Si de hereditate ambigetur, et tabulae testamenti obsignatae non minus multis signis, quam e lege oportet, ad me proferentur, secundum tabulae testamenti potissimum possessionem dabo.

2) Si tabulae testamenti non proferentur, secundum eum dabo possessionem, qui dicet testamentum factum (oder se testamento heredem) esse 2a).

3) Si nulla ex testamento petetur possessio, tum uti quemque potissimum heredem esse oporteret, si is intestatus mortuus esset, ita secundum eum possessionem dabo.

Das erste translaticische Edict hatte also Verres nicht geändert. Nun habe ich soeben den Beweis geführt, dass unter den ,,tabulae testamenti" dieses Edictes nicht ausschliesslich ein civilrechtlich, sondern auch ein prätorisch wirksames schriftliches Mancipationstestament zu verstehen ist. Weil aber in dem in Rede stehenden Falle ein civilrechtlich, oder ein prätorisch wirksames Testament nicht, oder nicht mehr vorhanden war, also ein wirksames Testament überhaupt nicht vorgelegt werden konnte, so hätte auf Grund des zweiten translaticischen Edictes die Bon. Poss. die gens Minucia erhalten müssen. Allein weil auf Grund des Zusatzes, welchen Verres zwischen das erste und zweite translaticische Edict einschob, auch derjenige die Bon. Poss. erbitten konnte, welcher nur die Errichtung eines ihn zur Erbfolge berufenden Testaments behauptete, und weil im gegebenen Falle ein solcher Erbprätendent auch wirklich auftrat, so hätte die gens Minucia die Bon. Poss. erst auf Grund des dritten Verrinischen Edictes, also nur vergeblich, erbitten können. Nach dem translaticischen Edict hätte nun dieser angebliche Testamentserbe gegen die civilen Intestaterben als Kläger auftreten müssen: nach dem Verrinischen Edict erhielt er als Bonorum Possessor die vortheilhafte Stellung rexisse, et possessiones hereditatum non secundum eos, qui proferrent, sed secundum eos, qui dicerent testamentum factum, dedisse; easque res novas abs te prolatas et inventas magno tibi quaestui fuisse scio.

2) a. a. O. S. 57 fg.

2a) Vgl. auch Krüger, Kritische Versuche S. 21 fg.

des Beklagten. Wenn nun Cicero im §. 115 sagt: si testamento se heredem esse arbitraretur, so kann er unter „testamento" weder ausschliesslich nur das civilrechtlich-, noch ausschliesslich nur das prätorisch wirksame Testament verstehen, und wenn er da dem Testaments erben entweder die hereditatis vindicatio, oder die Sponsionsklage als zuständig erklärt, so kann er die hereditatis vindicatio nur dem civilen, die Sponsionsklage nur dem prätorischen Testamentserben zu schreiben.

Cicero spricht hier zuerst von lege in hereditatem agere, und versteht darunter zweifellos die hereditatis vindicatio 3), dann von sponsionem facere, ita de hereditate certare, er hat also im zweiten Theile dieses Satzes den zutreffenden Ausdruck lege de hereditate agere, oder lege hereditatem petere ebenso nur dem Wohlklang der Rede geopfert, wie er im Brutus 30, 113. 114 die sachlich und juristisch ausgezeichnete, aber jede falsche Künstelei verschmähende Beredsamkeit des Juristen Rutilius nicht billigt. Weil aber die herrschende Auslegung dieser Stelle das von Cicero gebrauchte aut im Sinne von vel auffasst, so darf hier auch die Bemerkung nicht unterdrückt werden, dass mit aut eine Verschiedenheit der Sache, mit vel nur die Verschiedenheit des Ausdrucks bezeichnet wird, und dass diese in der mustergiltigen Prosa feststehende Unterscheidung gerade auf Grund der Schriften Cicero's constatirt und in die Lateinischen Grammatiken aufgenommen wurde1). Meine Behauptung, dass die hereditatis vindicatio und hereditatis petitio vor den leges Juliae einander entgegengesetzt wurden, wird also auch durch den Wortlaut dieser Stelle gerechtfertigt.

Unter der hereditatis vindicatio ist hier die vom Prätor reformirte, d. h. die mit dem Vor-Act des ex jure manum consertum vocare versehene legis actio in rem per sacram. als actio duplex zu verstehen). Der ganze Nachlass wurde also unter Beiziehung von Zeugen in Augenschein genommen, wahrscheinlich auch aufgezeichnet, dann gerichtlich durch die nämlichen Zeugen constatirt und hierauf wurde vorerst die oben (S. 253 fg.) dargelegte vocatio ad vindicationem vorgenommen, und dann an dem vor Gericht gebrachten Nachlassobjecte oder einem Theile desselben die Vindication selbst vollzogen. Dabei ist noch zu bemerken, dass, weil bei dieser legis actio die Besitzregulirung noch immer der Prätor persönlich vorzunehmen hatte, er den Besitz der Erbschaft stets nur dem Bon. Pos

3) Vgl. Cicero de orat. I. c. 38, §. 175.

4) Z. B. Lat. Gramm. von C. G. Zumpt, §. 336. 10. Aufl.
5) Vgl. Gaius IV, 17.

sessor geben konnte, wenn er bereit war dem Gegner praedes litis et vindiciarum zu stellen. Bei der hereditatis petitio gab es eine solche nachfolgende Besitzregulirung nicht, sondern der Bon. Poss. musste, wenn er sich in der vortheilhaften Lage eines Beklagten behaupten wollte, noch vor der provocatio sponsione ad judicium dem Kläger die stipulatio pro praede litis et vindiciarum leisten. Auf die Sicherstellung der poena sacramenti bei beiden Klagen werde ich unten zurückkommen.

Im Vergleiche mit der hereditatis petitio als einer actio simplex gewährte die legis actio in rem per sacram. als actio duplex eine völlige Gleichstellung der Parteien bezüglich der Beweislast, wesshalb bei ihr stets auch der Beklagte seine positive Rechtsbehauptung zu beweisen, die Geschwornen aber die Beweisresultate beider Parteien gegen einander abzuwägen, und das civile Erbrecht stets jener Partei anzuerkennen hatten, deren Beweisresultat das grössere Gewicht hatte.

Die Sponsionsklage, von welcher Cicero hier spricht, ist die legis actio in rem per spons. et sacram., oder die prätorische hereditatis petitio, welche ich schon oben angegeben habe, und bald näher zu bestimmen haben werde.

Indem ich nun auf die Prüfung der abweichenden Ansichten übergehe, habe ich zunächst zu constatiren, dass die herrschende Lehre

1) unter dem im §. 115 erwähnten Testamente ausschliesslich nur das civilrechtlich giltige versteht, und somit dem civilen Testamentserben zwischen der hereditatis vindicatio und petitio die freie Wahl überlässt;

2) dass sie diese Klagen überhaupt nicht unterscheidet; und 3) dass sie unter der von Cicero im §. 115 erwähnten Sponsionsklage nicht die angegebene legis actio, sondern die actio in rem per sponsionem et formulam versteht, und somit die von Cicero erwähnte Sponsionsklage nicht den Centumvirn, sondern dem judex unus zuweist 5a).

Ich habe nun vorerst zu zeigen, dass dem civilen Intestaterben gegenüber weder der civile, noch der prätorische Testamentserbe die freie Wahl der Klage hatte, wobei jedoch für den Kläger die rechtliche Möglichkeit nicht bestritten wird, mit freier Einwilligung des Beklagten auch einen civilen Anspruch in der

5a) z. vgl. Leist, Bonorum Possessio, I, S. 145, und Pandekten-Commentar I, S. 122; Keller, Civilpr. S. 100; Römer, Münchner Krit. Ueberschau, II. Bd. S. 272; Bethmann-Hollweg auch noch im Civilpr. II, S. 234 u. A.

Form der legis actio in rem per sponsionem et sacram. zur Entscheidung zu bringen.

Wenn der Testaments erbe auf Grund eines civilrechtlich giltigen Testamentes gegen den gesetzlichen Intestaterben klagend auftrat, so war jener Conflict des Civilrechts mit dem prätorischen Rechte gar nicht vorhanden, welcher die Intervention des Prätors zur Durchsetzung des prätorischen Rechtes nöthig machte, wesshalb in diesem Falle der Prätor die ihm durch die lex Silia ertheilte Macht, die Sponsio auch zwangsweise in Anwendung zu bringen, gar nicht ausüben durfte, ohne die Intercession jeder par majorve potestas herauszufordern. In diesem Falle konnte also der Prätor den Beklagten gar nicht zwingen, die klägerische provocatio sponsione anzunehmen. Ja noch mehr; hätte der Prätor in diesem Falle den Parteien die hereditatis vindicatio verweigert, und sie sogar zur actio in rem per sponsionem et formulam gezwungen, so hätte er ebenso das Interesse des Klägers als des Beklagten beeinträchtigt und beiden Parteien jene grossen Vortheile entzogen, welche ihnen die hereditatis vindicatio gewährte. Hätte also der Kläger wirklich eine solche freie Wahl der Klage gehabt, so hätte er diese nicht ausüben können, ohne sich selbst der verfassungsmässigen Eigenrechte zu berauben, und sein eigenes Interesse zu gefährden. Wie es aber mit der Sicherheit der vom Prätor gewährten, und somit von seiner Bewilligung und Versagung abhängigen Rechte bestellt war, dafür gibt das oben angegebene Verfahren des Verres einen handgreiflichen Beleg, welcher kraft seiner potestas edicendi summa nicht nur das interdictum translaticium änderte, sondern seinem Edicte sogar eine solche Fassung gab, dass von ihm auch derjenige die hereditatis possessio verlangen konnte, welcher weder Intestaterbe war, noch ein auch nur prätorisch giltiges Testament vorzuweisen vermochte. Die Sicherheit des prätorischen Rechtes war also von der rechtlichen Gesinnung der übrigen Träger des Imperiums abhängig, da Verres gewiss nicht der erste und letzte Praetor urbanus war, welcher die Rechtspflege im eigenen Interesse ausbeutete. Es muss vielmehr schon viel, sehr viel gesündigt worden sein, bis sich Verres so viel erlauben zu dürfen glaubte als ihm Cicero zuschreibt ").

6) c. 46. §. 119: Itaque L. Piso multos codices implevit earum rerum, in quibus ita intercessit, quod iste aliter, atque ut edixerat, decrevisset. Quod vos oblitos esse non arbitror, quae multitudo, qui ordo ad Pisonis sellam isto praetore solitus sit convenire, quem iste collegam nisi habuisset, lapidibus coopertus esset in foro.

« PreviousContinue »