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Centumvirn verweist, und damit ausspricht, dass zu seiner Zeit der Streit über das Eigenthum an einem Fundus noch immer in der Form der legis actio in rem entschieden wurde. Wäre die formula petitoria schon in dieser Zeit ein judicium legitimum gewesen, so hätte sie entweder der Praetor urbanus durch seine potestas juris civilis interpretandi schaffen müssen, was aber eine Unmöglichkeit in sich schliesst; - oder sie hätte geradezu durch ein besonderes Gesetz eingeführt werden müssen, wogegen aber nicht bloss die legislative Politik, sondern auch die ganze Rechtsentwicklung dieser Zeit spricht. Weil aber nicht-gesetzliche Ansprüche durch judicia legitima nicht verfolgbar waren, so hätte das prätorische Eigenthum durch die formula petitoria auch dann nicht verfolgt werden können, wenn sie wirklich ein judicium legitimum gewesen wäre, weil die Fähigkeit, nicht-gesetzlichen Ansprüchen auch durch judicia legitima Verfolgbarkeit zu gewähren, ausschliesslich nur die Sponsio enthielt. Zur Geltendmachung des prätorischen Eigenthums konnte also der Prätor urbanus die formula petitoria in Rom nur als ein judicium imperio continens proponiren, allein eine solche auf die Proposition der judicia imperio continentia gerichtete Reform hätte die grosse Mehrzahl der verfassungsmässigen judicia zerstört und die römischen Bürger in die Lage der Peregrinen und Provincialen versetzt. Wenn also die formula petitoria auf Grund dieser Stelle des Cicero als eine actio zur Geltendmachung des quiritischen Eigenthums, also als judicium legitimum reconstruirt wird 6), so darf diese formula petitoria nicht mehr als ein judicium legitimum im Sinne der republikanischen Verfassung betrachtet werden, sondern sie ist dann als ein neues judicium legitimum des Kaiserrechtes aufzufassen. War nun die formala petitoria erst durch die leges Juliae ein judicium legitimum geworden, so lässt sich auch die Publiciana in rem actio als die Fortbildung der formula petitoria nur als ein neues judicium legitimum des Kaiserrechtes betrachten. Diese Behauptung rechtfertigt nun auch die Function, welche die Publicana in rem actio hatte.

Die Publ. in rem actio enthielt die Fiction der UsucapionsVollendung: sie war also dazu bestimmt, das werdende quiritische Eigenthum in ein gewordenes zu verwandeln und die Wirkungen der civilen rei vindicatio zu erzielen '). Bei dieser Klage wurde also der Kläger als quiritischer oder gesetzlicher Eigenthü

6) Keller, Civilpr. S. 109; Rudorff Edictum perpet. p. 73. Bekker, Ztsch. für RG. V S. 347 u. 353.

7) L. 7. §. 6. D. de Publ. in rem act. 6, 2: Publiciana actio ad instar

mer behandelt 8). Die auf Grund der actio Publ. erfolgte Pronuntiatio enthielt also für den siegenden Kläger die Anerkennung seines quiritischen Eigenthums, mochte diese Klage der civile Eigenthümer nur zu dem Zwecke gewählt haben, um sich seine Beweislast zu erleichtern, oder mochte sie der bonitarische Eigenthümer angestellt haben, um sein prätorisches Eigenthum zu verfolgen. Hätte also die actio Publiciana schon ursprünglich zur Geltendmachung des prätorischen Eigenthums gedient, und wäre somit der prätorische Eigenthümer schon ursprünglich als quiritischer behandelt worden, hätte also seine Klage schon ursprünglich die Wirkung der civilen rei vindicatio gehabt, so hätte sich das aus den formfreien Erwerbungsarten entstandene Eigenthum gleich bei dem ersten Angriff auf dasselbe in Folge seines Durchgangs durch das Medium der fingirten Usucapion ebenso alsogleich in ein quiritisches verwandelt, wie der aus dem formfreien Darlehn entstandene Anspruch in Folge seines Durchgangs durch das Medium der Sponsio ein civiler wurde und als solcher durch die condictio geltend gemacht werden konnte. Hätte also der Prätor urbanus die Fiction der Usucapions-Vollendung schon zur Zeit der Begründung des prätorischen Rechtes in Anwendung bringen können, so hätte im römischen Eigenthumsrecht der von Gaius angegebene Dualismus als bleibende Form gar nicht in Erscheinung treten können. Allein der richterliche Magistrat stand in der Zeit der Republik nicht über, sondern unter dem verfassungsmässigen judicium er hatte somit auch kein Recht, den von der Verfassung berufenen Geschwornen irgend welchen Befehl zu ertheilen, wesshalb in der Zeit der Republik Fictionen nur für judicia imperio continentia, also in Rom vorwiegend nur im Gebiete der prätorischen Delictsklagen zulässig waren. Es gehörten somit alle judicia legitima, welche Fictionen enthielten, bereits dem durch die leges Juliae eingeführten Ordinarprocesse an, in welchem die Fiction zur Gewinnung neuer judicia legitima sich als ein noch wirksameres Mittel erwies, als vor den leges Juliae die sponsio praejudicialis. Ich muss also Bethmann - Hollweg 9) beistimmen, wenn er bemerkt: Wiewohl mit der actio Publiciana auch das Eigenthum nach jus

proprietatis non ad instar possessionis respicit. L. 35, pr. D. de oblig. et act. 44, 7: Publiciana, quae ad exemplum vindicationis datur.

8) Gaius IV, 36: Nam quia non potest eam (scil. rem) ex jure Quiritium suam esse intendere, fingitur rem usucepisse, et ita, qua si ex jure Quiritium dominus factus esset, intendit hoc modo.

9) Civilpr. II S. 310.

gentium verfolgt werden konnte, so hatte dieses doch nicht die erste Veranlassung zu ihrer Einführung gegeben."

muss ich

Wie ich nun die Klagbarkeit der Ansprüche aus den formfreien Contracten auf die lex Silia und die durch dieselbe eingeführte provocatio sponsione ad judicium zurückgeführt habe, so auch die Klagbarkeit des aus der formfreien Traditio an res mancipi und nec mancipi erworbenen Eigenthums der nämlichen Lex Silia mittelbar zuschreiben, und die von Gaius in IV, 95 erwähnte legis actio in rem per sponsionem et sacramentum als die ursprüngliche Klage zur Verfolgung des prätorischen Eigenthums bezeichnen. Wenn also der Prätor in seinem Edicte die Bedingungen angab, unter welchen er aus der formfreien Tradition einer res mancipi oder nec mancipi ein judicium geben wolle, so genügte der Act der provocatio sponsione, um allen formfrei erworbenen Eigenthumsansprüchen die Klagbarkeit in der Form der legis actio in rem per spons. et sacram. zu verschaffen. Doch machte sich zwischen der durch die sponsio praejud. vermittelten Klagbarkeit der Ansprüche aus den formfreien Contracten und der durch das gleiche Mittel erzielten Klagbarkeit des prätorischen Eigenthums der wichtige Unterschied geltend, dass die nicht-civilen Obligationen durch ihre Einkleidung in die Sponsio zugleich in civile verwandelt wurden, das prätorische Eigenthum aber durch seine Einkleidung in die Sponsio sich nicht in das quiritische verwandeln liess, weil die Sponsio ihrer Natur nach nur auf eine Leistung gerichtet ist. Weil nun die Sponsio dem Praetor urbanus die Function der Verwandlung des prätorischen Eigenthums in das quiritische versagte, so blieb der auf Grund der legis actio in rem per spons. et sacram. siegende Kläger bis zur Vollendung der Usucapion nur bonitarischer Eigenthümer (Gaius II, 41) und hatte somit bis zu dieser Zeit durch seinen Usucapionsbesitz nur den factischen Genuss seines Eigenthums. Die legis actio in rem per spons. et sacram. gewährte also in dieser Beziehung nicht die Vortheile der späteren Publiciana in rem actio.

Was nun die Bedingungen betrifft, unter welchen der Praetor urbanus aus der formfreien Tradition einer res mancipi oder nec mancipi eine Klage geben konnte, so habe ich schon oben (S. 130) den Beweis geführt, dass der Praetor urbanus seine potestas juris civilis corrigendi und supplendi, soweit als möglich nur mit Beachtung der Principien des Civilrechts zur Anwendung zu bringen hatte. Nach dem Civilrecht aber galt der Grundsatz, dass formfrei erworbenes Eigenthum erst durch Vollendung der Usucapion die Natur des civilen oder gesetzlichen Eigenthums erhalten solle. Wiewohl

nun die usucapio pro herede und die usureceptio das Requisit der bona fides nicht kannte 10), so kann die bona fides als Requisit der Usucapion dem Grundgesetze doch darum nicht völlig fremd gewesen sein, weil es dem Dieb die Usucapion der gestohlenen Sache, wie Gaius in II, 45 angibt, nur darum versagt hatte, „quia mala fide possidet." Wenn nun der Prätor als Requisit der Erwerbung einer res mancipi oder nec mancipi durch formfreie Tradition die bona fides des Erwerbers bestimmte und zugleich den Rechtsgrund der Tradition bezeichnete, so hatte er ganz im Geiste des Civilrechts gehandelt. Um also die Klagbarkeit des Eigenthums ex causa emti zu erreichen, brauchte der Prätor im Edicte nur zu erklären, dass er jenem, welcher eine Sache bona fide gekauft habe und dem sie tradirt worden sei, eine Klage geben werde. Der Käufer erhielt dadurch einen völlig ausreichenden Schutz seines Eigenthums, weil die legis actio in rem per sponsionem et sacram. allen prätorischen Actionen und Exceptionen civile Wirksamkeit verschaffte. Eine Bestätigung des Gesagten finde ich in folgenden Stellen:

L. 7. §. 11. D. de Publ. in rem act. 6, 2: Praetor ait: „,qui bona fide emit."

L. 17. D. eod.: Publiciana actio non ideo comparata est, ut res domino auferatur sed ut is, qui bona fide emit possesionemque ejus ex ea causa nactus est, potius rem habeat.

L. 7. §. 16. D. eod.: Ut igitur Publiciana competat, haec debent concurrere, ut et bona fide quis emerit et ei res eo nomine sit tradita.

Werden nun diese Stellen verglichen mit:

L. 1. D. eod.: Ait Praetor:,,Si quis id, quod traditur ex justa causa non a domino et nondum usucaptum petet, judicium dabo",

so ergibt sich für die ursprüngliche Fassung des Edictes, durch welches das prätorische Eigenthum an einer ex causa emti tradirten Sache klagbar wurde, folgende von der L. 1. D. eod. abweichende Fassung:

Si quis id, quod bona fide emit, quodque ei traditum est, petet, judicium dabo.

Dass die Fassung des in der L. 1. D. eod. enthaltenen Edictes nicht mehr die ursprüngliche ist, wurde schon längst anerkannt, und in letzter Zeit auch von Mommsen in seiner Ausgabe der Di

10) Scheurl, Beiträge II. 1 S. 29. Puntschart, Civilrecht der Römer,

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gesten wiederholt, indem er bemerkt, dass in dem Edicte die Worte standen: „,qui bona fide emit", und dass auch die Worte,,non a domino" wahrscheinlich ein späterer Zusatz sind. Nach dem, was ich oben von der actio Publiciana geltend gemacht habe, kann ich aber auch die Worte: ,,et nondum usucaptum" nicht dem ursprünglichen Edicte zuschreiben. Endlich konnte der Prätor, welcher von id, ,,quod bona fide emit" sprach, nicht auch von der viel erörterten ,,justa causa" gesprochen haben 11). So sehr nun aber auch das in der L. 1. D. eod. enthaltene Edict verändert erscheint *), so enthält es gleichwohl noch den für die Geltendmachung des prätorischen Eigenthums zutreffenden Ausdruck,,petere", und vermeidet bezeichnender Weise den ursprünglich nur für die Verfolgung des quiritischen Eigenthums gebrauchten Ausdruck ,,vindicare" während die Pandekten-Juristen das petere von vindicare nicht mehr streng unterscheiden, und vindicare auch von der Verfolgung des prätorischen Eigenthums und Erbrechts brauchen.

Auf die angegebene Weise konnte der Prätor auch andere Eigenthumserwerbungen nach jus gentium zur Anerkennung bringen, und schützen. Allein dies geschah auch, indem er, z. B. gewissen Personen ein prätorisches Erbrecht gab, die nach dem jus civile keine Erben waren; ferner, indem er in der späteren Zeit die Gläubiger in den Besitz der Güter eines insolventen Schuldners einwies mit dem Rechte sie zu verkaufen.

Nähere Bestimmung der vom Prätor neben der ersten Hauptart der vierten pontif. actio generalis eingeführten, zur Verfolgung und Vertheidigung auch des prätorischen Eigenthums brauchbaren legis actiones in rem.

§. 65. Weil bei der legis actio in rem per spons. et sacram. die dingliche Klage in der sponsio praejud. ihren Ausdruck fand, so bestimmten sich diese verschiedenen legis actiones in rem nach der Verschiedenheit der Fassung der sponsio praejud., wesshalb ich hier nur die verschiedenen Fassungen der letzteren darzulegen habe.

Die legis actio in rem per sponsionem et sacram. war zur Verfolgung und Vertheidigung des prätorischen Eigenthums und Erbrechts vor den Centumvirn noch zu Gaius Zeiten in Uebung (vgl. oben S. 183 fg.); ich glaube also zuerst Fälle benützen zu dürfen, welche die Pandekten-Juristen anführen.

Aus den Schriften Papinians habe ich schon oben (S. 186) die in der L. 14. D. de Publ. in rem. act. 6, 2 angegebene Exceptio

11) z. vgl. Rudorff Edict. perpet. p. 75. *) Mit dem Eigenthums-Dualismus musste auch das Edict über das prätorische Eigenthum entfallen.

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