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worden wären. Dazu kommt noch, dass die von Bekker für die Zeit des Plautus zur Verfolgung der Ansprüche aus diesen Contracten angenommene actio ex stipulatu wenigstens später entstandenen Gegenansprüchen nicht gerecht werden konnte, weil sie weder die Clausel: ut inter bonos viros bene agier oportet, noch die ,,ex fide bona" enthielt, und dass diese Annahme zur Entwicklung der bonae fidei judicia nicht aus der judicis postulatio, sondern aus den judicia stricti juris 10) führt, also wohl nur auf der Verkennung der legis actio per judicis postulationem beruht.

Wie nun bei der pontif. legis actio fiduciae die Tragweite der Clausel: ut inter bonos viros bene agier oportet, sich durch den concreten Inhalt der Nuncupatio bestimmte, und die Parteien auch nach Beseitigung der für das depositum erforderlichen Mancipatio u. s. w. genöthigt waren, für die Klagen aus diesen Contracten den arbitratus judicis durch besondere Vereinbarungen einzuschränken, wenn sie nach Beschaffenheit des concreten Falles es nicht für gerathen fanden, sich seinem unbeschränkten Ermessen anzuvertrauen, so mussten sie um so mehr bei den Klagen aus den noch unentwickelten Consensual-Contracten die Tragweite der erwähnten Clausel und dadurch auch den arbitratus judicis so lange durch besondere Vereinbarungen fixiren, bis für diese Contracte die wichtigsten Grundsätze Anerkennung gefunden und bleibend sich festgesetzt hatten. Ich treffe also auch von meinem Standpunkte mit Bekker) darin zusammen, dass neben diesen Vereinbarungen von einer freien Bewegung im richterlichen Officium keine Rede sein konnte, woraus zugleich sich von selbst ergibt, dass für die exceptio doli generalis bei diesen Klagen in dieser Zeit noch weniger Raum war.

Wenn aber Cicero diese Exceptio schon ein „,evèrriculum malitiarum omnium" nennt; wenn im Processe der Otacilia die exceptio doli mali sogar gegen einen formalen Anspruch gewährt wird; wenn endlich Scaevola (bei Cicero de off. III, 17, §. 71) der Clausel „ex fide bona" die summa vis zuschreibt, dann dem judex bei bonae fidei judiciis die Aufgabe gegeben wird, festzustellen, ,,quid quem cuique praestare oporteat," und unmittelbar darauf von „,astutias atque malitiam tollere" die Rede ist, so ist wohl kein Zweifel, dass da unter der summa vis der erwähnten Clausel bereits die Inhärenz der exceptio doli generalis zu verstehen ist, woraus aber wieder von selbst folgt, dass diese Clausel in diesem Sinne erst in Cicero's Zeit jene weite Anwendung finden konnte, welche Scaevola (a. a. O.) vertrat. Aus dieser Freiheit des richterlichen Officium mag es sich 11) a. a. O. S. 163.

10) Aktionen I. S. 156.

wohl auch erklären, wie Klagen, welche diese Clausel gar nicht enthielten, z. B. das arbitrium rei uxoriae, die actiones in factum perfidiae, gleichwohl als bonae fidei actiones bezeichnet werden, wie also diese Klagen sich zuletzt mit den actiones aequi juris identificiren konnten.

Wenn endlich Bekker aus dem Umstande, dass Cicero und sogar die lex Julia municipalis das depositum, pignus commodatum nicht erwähnt, folgert, dass diese Geschäfte damals zwar klagbar, aber noch nicht Sachen bonae fidei waren 12), so ist dagegen zu bemerken, dass diese Rechtsgeschäfte ebenso unter dem alten civilrechtlichen Begriff der fiducia begriffen werden konnten, wie sie nach Bekkers eigenen Forschungen 13) auch Plautus nur unter dem generellen Begriff des creditum oder des Anvertrauten begreift.

Die pontific. legis actio tutelae stand mit dem gesteigerten Verkehr in keinem Zusammenhang; sie konnte also bis zu den leges Juliae in Uebung bleiben. Darauf deutet Cicero hin, wenn er in den oben S. 298 angeführten und besprochenen Stellen die legis actio tutelae in factum composita wählt (,,lege agendo plus petebat“), um an ihr die Ignoranz eines Sachwalters zu illustriren, welcher plus petendo sachfällig geworden war.

Die actiones der zweiten Hauptart der zweiten pontif. actio generalis, die arbitria, wurden von den veränderten Verhältnissen des Verkehrs ebenfalls nicht berührt, und blieben somit bis zu den leges Juliae in Uebung. Eine Bestätigung dessen enthält die Stelle bei Cicero de orat. I, 56 §. 237: qui, quibus verbis erctum cieri oporteat, nesciat, idem erciscundae familiae causam agere non possit, wo das Praesens ,,oporteat" und "possit" auf den Gebrauch dieser legisactio noch in der Zeit des Cicero hindeutet, wesshalb auch Rudorff 14) diese legis actio durch die lex Aebutia nicht ausser Uebung kommen lässt. Dasselbe folgt aus Cicero pro Caecina c. 7: nomine heredis arbitrum familiae erciscundae postulavit. Doch wurde die von Cicero de legibus I, c. 21. §. 55 erwähnte actio ex lege XII tab. (die controversia de fine) durch die lex Mamilia beseitigt 15).

Die zweiten Hauptarten der ersten und zweiten pontif. actio generalis hatten also das Gemeinsame, dass sie bis zu den leges Juliae in Uebung blieben.

Werden nun die sponsiones praejudiciales der ersten Hauptarten der ersten und zweiten pontif. actio generalis mit einander ver

12) Aktionen I. S. 166. 14) Rg. I. S. 105.

13) a. a. O. S. 145, Note 35. 15) Rudorff, Edict. perpet. pag. 87.

glichen, so zeigt sich, dass sie genau den legis actiones entsprechen, deren Brauchbarkeit für das prätorische Recht sie zu vermitteln hatten, und dass sie somit diesen legis actiones entsprechend, zwei genera sponsionum darstellen. Das sind aber zwei genera sponsionum jener vier genera, welche Gaius in IV, 1 erwähnt, und mit den vier genera actionum der Schule des Labeo in Verbindung bringt.

XIII. Capitel.

Die dritte pontif. actio generalis und die Einführung neuer zur Verfolgung und Vertheidigung auch des bonitarischen Eigenthums an Sclaven in Statusfragen brauchbaren legis actiones in rem neben der ersten Hauptart der dritten pontif. actio generalis.

§. 56. Weil zu Gaius Zeiten die legis actio in rem per sacram. nur mehr als Eigenthums- und Erbrechtsklage vor den Centumvirn praktisch war, wie er selbst in IV, 31 andeutet und sein Zeitgenosse Gellius in XX. 10 angibt, so beschränkt Gaius seine Angaben über diese legis actio in IV, 16 auf den Fall, in welchem nicht die Frage, ob Jemand überhaupt Sclave, sondern nur wessen Sclave er sei, zur Entscheidung vorlag. Dass aber einst diese legis actio auch zur Entscheidung über die Frage, ob Jemand überhaupt Sclave sei, diente, dies geht aus seinen Bemerkungen über das Sacramentum in IV, 14 hervor: At si de libertate hominis controversia erat, etsi pretiosissimus homo esset, tamen ut L assibus sacramento contenderetur, eadem lege cautum est —. Auch ist es gewiss ein bezeichnender Umstand, dass gerade der assertor in libertatem eigentlich vindex hiess, und dass das vindicare geradezu die Bedeutung von liberare erhielt 1). Es ist somit kein Zweifel, dass auch die Frage, ob Jemand die publicistische Qualität der libertas, oder diese oder jene familienrechtliche Qualität besitze, also die Fragen, welche später durch die s. g. Statusklagen entschieden wurden, in der ältesten Zeit in der Form der legisactio in rem per sacram. zur Entscheidung gebracht wurden. Die verschiedenen familienrechtlichen Qualitäten einer Person bestimmten sich in der späteren Zeit nach der Verschiedenheit der potestates des pater familias und ihrer Surrogate (tutela, cura), allein ursprünglich hatte die Herrschaft des Hausherrn über Weib, Kinder und Sclaven, die Heri schaft des Gläubigers über seinen Schuldner, die des Eigenthümers über sein Eigenthum

1) Z. B. Livius I. c. 4; a crudelitate vindicare.

den gleichen Inhalt und den gleichen Charakter einer vollkommenen Machtfülle 2). Diese Herrschaft des Hausherrn über seine familia, Sachen sowohl als Personen, hiess ursprünglich manus 3), und Livius fasst sogar die tutela muliebris mit der patria potestas und manus mariti unter dem Ausdruck „manus“ zusammen 4); erst später spaltete sich diese Herrschaft in die väterliche, eheherrliche Gewalt und das Eigenthum an Sclaven, wiewohl der Sclave mit der Sache niemals ganz identificirt wurde 5). Die dieser einheitlichen Herrschaft des pater familias entsprechende Qualität des Rechtsobjectes war die ,,Angehörigkeit" im Allgemeinen, also das esse alicujus ex jure Quiritium, wesshalb diese Angehörigkeit ebenfalls in der allgemeinen Form des ,,aio hunc hominem meum esse" geltend zu machen war, mochte der „,Angehörige“ Sclave, Sohn, Tochter, Gattin (in manu) oder ein homo liber in mancipio gewesen sein. Welchen Namen der Angehörige hatte, und welche besondere Art der Angehörigkeit im besonderen Falle geltend gemacht wurde, das hatten die Litiscontestationszeugen für den Inhalt des Urtheils ebenso zu constatiren, wie sie auch die ganze Individualität eines fundus zu constatiren hatten. Der Angehörige befand sich also in manu, potestate patris familias, mariti, domini.

Dem gegenüber kannte aber das Grundgesetz auch eine potestas in homine.

So heisst es bei Cicero de iuvent. II, 50, §. 148: Lex: Si furiosus escit, agnatum gentiliumque in eo pecuniaque ejus potestas esto. Wie nun hier die cura legitima eine potestas in homine genannt wird, so heisst in der L. 1. pr. D. de tutelis (26, 1) nach der Definition von Servius Sulpicius, dem Freunde Cicero's, die tutela eine vis ac potestas in homine libero. Die Vormundschaft galt nicht als Pflicht gegen den Pupillen, sondern als ein Recht an seiner Person. Darum erscheint sie nur als wirthschaftliche Schirmherrschaft und im letzten Grunde nur als ein Vermögensrecht und Anhang des eventuellen Erbfolgerechtes, dazu bestimmt dieses zu sichern und zu ergänzen. Diese Natur einer wirthschaftlichen Schirmherrschaft zeigt nicht bloss die Agnatentutel, sondern auch die testamentarische Tutel, wie dies die Worte des Grundgesetzes noch deutlich erkennen lassen: Uti legassit (paterfamilias) super pecunia tutelave rei suae, ita jus esto, wozu Ulpian

2) Ihering, Geist II. 1. S. 95, 139. 3) Ihering, Geist II. 1, S. 153.
4) Liv. 34, 2: in manu esse parentum, fratrum, virorum.
5) Ihering Geist II, 1. S. 154.

in der L. 1. pr. D. de legitim. tut. 26, 4 und L. 3. §. 7. eod. folgenden Commentar gibt: hoc summa providentia, ut qui sperarent hanc successionem, iidem tuerentur bona, ne dilapidarentur, und hierauf: legitima hereditas, ergo et tutela).

Es gab also im pontif. Civilrecht ebenso einen ,,homo in potestate" und eine ,,potestas in homine", wie es eine res alicujus ex jure Quiritium und ein jus in re gab. Es entspricht daher die vollkommene Herrschaft über eine Person und die Ausübung derselben in einer bestimmten Richtung genau der vollkommenen Herrschaft über eine körperliche Sache und der Ausübung derselben in einer bestimmten Richtung. Wie nun das jus in re keinen Theil des Eigenthums, sondern nur das Recht der Ausübung desselben in einer bestimmten Richtung enthält, so enthält auch die potestas in homine keinen Theil der patria potestas, sondern nur das Recht der Ausübung derselben in einer bestimmten Richtung. Dieser Unterscheidung zwischen dem homo in potestate und der potestas in homine und der dabei hervortretenden Analogie der potestas in homine und des jus in re muss somit auch die Formel entsprochen haben, mit welcher die tutela und cura vindicirt wurde. Weil nun die Formel der Cession der Formel der Vindication entsprach, die Formel der Cession der tutela legitima ") wegen der besprochenen Analogie der potestas in homine mit dem jus in re aber der Formel der Cession der jura in re entsprochen haben muss, so können die Worte des Pomponius über die Cession der Servituten) auch für die Cession der tutela legitima, und somit auch für die Vindication jeder Tutel verwerthet werden, weil die Tutel zwar nur der Tutor legitimus cediren, aber jeder Tutor vindiciren konnte ").

Weil nun der „homo in potestate" von ,,der potestas in homine" genau unterschieden wurde, diese Unterscheidung aber sich nur als ein Gegenstück der Unterscheidung der res alicuius und des jus in re darstellt, so muss es ebenso eine vindicatio hominis und potestatis in homine gegeben haben, wie es eine vindicatio rei und juris in re gab. Hiernach muss auch die dritte pontif. actio generalis zwei Hauptarten enthalten haben: I) die vindicationes hominis, II) die vindicationes potestatis vel juris in homine.

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6) Kuntze, Excurs. S. 390. 7) Gaius I, 168, Ulp. XI, 6, 8, 17.

8) L. 20. D. de servit. praed. rust. 8, 3: Si mihi

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(con) cesseris

uti frui eo jus esse, deinde ego (con)cessero jus mihi uti frui

non esse.

9) Ihering, Geist II, 2, S. 521.

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