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factum composita per judicis postulationem greifen mit folgender Intentio des Klägers und folgendem Widerspruch des Beklagten: aio ob eamque rem te mihi id animal (eum hominem) noxae dedere, aut tantum aes dare oportere, quanti ea res est. nego (me tibi quidquam dare oportere).

Alle angeführten Intentionen der legis actio per judicis postulationem enthalten Ansprüche, welche durch eine materielle causa begründet sind. Die Bestimmung des klägerischen Anspruchs durch den Geschwornen war also von der materiellen causa abhängig, mochte diese ein factum oder ein Rechtsgeschäft sein. Aus diesem Grunde musste die materielle causa des Anspruchs der Intentio auch in dem Falle vorgesetzt werden, in welchem ihre Existenz kein Gegenstand der Untersuchung des Geschwornen war. Die legis actio per judicis postulationem musste also in diesem Falle die Demonstratio im engeren Sinne des Wortes enthalten haben.

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Die legis actio in jus und in factum composita per judicis postulationem stellt sich also wirklich als eine genau correspondirende Ergänzung der legis actio in pers. in jus und in factum composita per sacramentum dar, und wenn Gaius in IV. 20 nur eine theilweise Ergänzung der legis actio in pers. per sacramentum durch die legis actio per jud. postulationem angibt, so erklärt sich dies daraus, dass er an dieser Stelle eben nur jene Unterart der legis actio per judicis postulationem erwähnen konnte, welche auf ein dare gerichtet war.

Die gewonnenen Ergebnisse setzen mich nun auch in den Stand, den leitenden Gedanken der poena temere litigantium näher zu bestimmen.

Die bisher erörterten legis actiones standen sich als judicia stricti und aequi juris gegenüber. In den Fällen, in welchen der Anspruch des Klägers von vornherein endgiltig bestimmt vorliegt, also auch jeder Gegenanspruch des Beklagten ausgeschlossen ist, konnte der Beklagte gegen seinen Willen nur dann zum Processiren genöthigt werden, wenn er den Anspruch des Klägers ganz und gar verneinte. That er nun dies, so verdiente er als ein temere litigans bestraft zu werden, wenn der Kläger nicht leichtfertig zur Klage griff. Wegen dieser Möglichkeit musste also auch der Kläger das jusjurandum promissorium ablegen, die poena temere litigantium zu sacriren. Bei der actio stricti juris gab es also keine relative Rechtsbehauptung und keine relative Rechtsverneinung, wesshalb sich die pontif. legis actio stricti juris auch in dieser Beziehung als ein feindlicher Zweikampf darstellt: Einer der beiden Gegner muss fallen; wer also das Schwert dieser legis actio

zieht, muss seiner im Rechte gelegenen Kraft sicher sein. Ist dies nicht der Fall, so fällt er durch das Schwert seines Gegners. Die legis actio aequi juris in jus composita stellt nun zwar auch einen Zweikampf dar, aber die Gegner kämpfen da nicht, weil sie wollen, sondern weil sie müssen. Schreiten also die Parteien nur darum zum Kampfe, weil eine unparteiische Entscheidung ihrer eina nder nicht aufhebenden, sondern bloss beschränkenden Behauptungen nothwendig ist, oder weil bei der Begründung des klägerischen Anspruchs das Rechtsobject nicht allseitig bestimmt wurde und eine unparteiische Entscheidung durch einen Vertrauensmann auch in diesem Falle nothwendig ist, so wäre es eine Thorheit, Parteien strafen zu wollen, welche processiren, nicht weil sie wollen, sondern müssen. Da es sich aber hier um einen Geschwornen handelte, welcher das Vertrauen beider Parteien wirklich besass, so war ihnen verfassungsmässig das Eigenrecht eingeräumt, sich eine bestimmte Person zum judex zu wählen, und diese Person vom Prätor zu postuliren. Darum hatte nur diese legis, actio den Act der judicis postulatio, nicht aber auch die legis actio stricti juris, bei welcher der judex an den Wortlaut der forma gebunden kein freies Ermessen hatte, und somit vom Prätor ohne eine solche entscheidende Einflussnahme der Parteien bestellt wurde. Der Act der judicis postulatio erscheint also nur dadurch motivirt, dass die postulatio auf eine bestimmte Person bezogen wird. Wird hingegen angenommen, dass die Parteien keine bestimmte Person als judex zu verlangen hatten, dann ist nicht abzusehen, warum der Act der judicis postulatio nicht auch bei der actio in pers. stricti jur. nothwendig war. Ich glaube also, dass die zweifelhafte Sigle des Valerius Probus mit Puchta desto gewisser auf eine bestimmte Person als judex zu beziehen ist, als auch die Redensart: praetorem judicem postulare sonst bei Juristen nicht gebraucht, sondern dafür a praetore aliquid postulare gesagt wird. Für das judicium de moribus mulieris hat Valerius Maximus (VIII, 2, §. 3) ein Beispiel einer solchen Einigung der Parteien über eine bestimmte Person erhalten: C. Marius mulierem sumptus inter eos judex impudicitiae sestertio nummo, Titinium summa totius dotis damnavit. Die Art, wie Cicero 41) von arbitrum adigere (vor Gericht bringen) und Valerius Maximus 42) von arbitrum adducere spricht, deutet an, dass die Parteien ihren Vertrauensmann sogar zur legis actio vor Gericht mitbrachten, seine Wahl also in der Zeit zwischen der gerichtlichen Vor- und Hauptverhandlung vorgenommen wurde.

41) Topic. 10; de off. III, 16,

42) Val, Max. VIII, 2, §. 1.

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Enthielt nun der Act der judicis arbitrive postulatio den Act der Willenseinigung der Parteien über die Person des Geschwornen, so folgt daraus, dass der Beklagte, wenn er bei actiones in factum jede Vereinbarung darüber zurückwies, ebenso als confessus behandelt wurde, wie wenn er die Annahme der provocatio ad judicium verweigerte. Aus der Wichtigkeit dieses Actes erhellt zugleich, warum die Diebstahlsklagen nur actiones stricti juris sein konnten, .wenn man nicht auch dem Dieb das Eigenrecht gewähren wollte, sich seinen Geschwornen zu wählen. Wohl machte sich auch der Vormund, welcher das ihm geschenkte Vertrauen missbraucht hatte, eines dolus malus schuldig, und seine That wurde zwar durch die actio in duplum bestraft, allein sie wurde doch nicht stets geradezu als Diebstahl, sondern ihrer Natur nach nur als ein factum perfidiae behandelt 43), und dadurch dem Vormund auch das wichtige Recht erhalten, bei der Wahl des Geschwornen entscheidend mitzuwirken. In Uebereinstimmung damit wird die actio furti auch der aus dem Missbrauch anderer Vertrauensverhältnisse entsprungenen actio in factum gegenübergestellt. So nennen die Lex Julia municipalis c. 8, lin. 37 u. 38 und Gaius in der oben besprochenen Stelle (IV, 182) die actio furti neben der actio fiduciae; Paulus (L. 29 D.. deposit. 16, 3) neben der actio depositi, indem er bemerkt: Si sacculum vel argentum signatum deposuero, et is, penes quem depositum fuerit, me invito contrectaverit, et depositi et furti actio in eum competit. Noch deutlicher und genereller stellt aber Ulpian (L. 45. D. pro socio, 17, 2) die actio furti neben die actiones in factum perfidiae, wenn er vorerst die actio furti neben der actio pro socio nennt, und dann sagt: nec altera alteram tollit. Idemque in omnibus bonae fidei actionibus dicendum est11).

Nähere Bestimmung der zweiten pontif. actio generalis und ihrer beiden Hauptarten.

§. 54. Weil die Bestimmung aller einzelnen legis actiones per judicis arbitrive postulationem in die Processlehre gehört, so glaube ich mich hier auf die nähere Bestimmung der Klagen aus jenen Rechtsverhältnissen beschränken zu dürfen, welche ich so eben be

43) Tryphonius (L. 55, §. 1 D. de administ. et peric. tut. 26, 7): Sed tutores propter admissam administrationem non tam invito domino contrectare eam videntur, quam perfide agere.

44) Vgl. Ubbelohde a. a. O. S. 65-74 und Bekker, Actionen, I S. 145, Note 33, S, 309.

sprochen habe. Die actio tutelae in jus composita per jud. post. war eine generelle Klage und umfasste als solche sämmtliche aus der Administration der Tutel herrührende Verbindlichkeiten, wesshalb sie genau der Attischen díxy злiτоолйç entsprach 1). Sie stand dem Pflegling gegen den Tutor nach beendigter Tutela zu.

Die legis actio tutelae in factum composita per jud. post., später von der Auseinandersetzung (distrahere) des Pfleglings und des Tutors wegen ihres Eigenthums und ihrer Forderungen actio rationibus distrahendis (ein Dativ des Zweckes, wie communi dividundo) genannt, stand dem Pflegling gegen den Tutor zu, dessen Rechnungslegung nach beendigter Tutel ein factum perfidiae enthüllt hatte 2).

Für die nähere Bestimmung dieser Klagen sind folgende Stellen wichtig:

1) Cicero de off. III, c. 15: Atque iste dolus malus et legibus erat vindicatus, ut tutela duodecim tabulis, vgl. L. 5. D. de dolo malo 4, 3.

2) Cicero de orat. I, c. 36 §. 166: Potes igitur oratores putare eos, quos multas horas exspectavit Scaevola, cum Hypsäus maxima voce plurimis verbis a M. Crasso praetore peteret, ut ei, quem defendebat, causa cadere liceret, Cn. autem Octavius non minus longa oratione recusaret, ne adversarius causa caderet, liberaac ne is, pro quo ipse diceret, turpi tutelae judicio

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retur? §. 167 Atqui non defuit illis patronis eloquentia sed juris civilis scientia, quod alter plus lege agendo petebat, quam quantum lex in XII tabulis permiserat: Quod cum impetrasset, causa caderet (necesse erat); alter iniquum putabat plus secum agi, quam quod erat in actione, neque intelligebat, si ita esset actum, litem adversarium perditurum.

frauda3) Cicero pro Caecina c. III: Qui tutelam per vit quempiam in eo, quo delictum majus est, eo poena tardior. Est enim turpe judicium. Ex facto quidem turpi.

4) L. 55, S. 1 D. de admin. et peric. tut. 26, 7: Sed si ipsi tutores rem pupilli furati sunt, videamus, an ea actione, quae proponitur ex lege duodecim tabularum adversus tutorem in duplum, singuli in solidum teneantur.

5) Ulpian. lib. 36 ad Edict. L. 1. §§. 19-22 D. de tut. et rationibus distrah. et util. curat. act. 27, 3: Rationibus distrahendis

1) Meier und Schömanu, Attisch. Process, S. 44, 185, 454; Heffter, Athen. Gerichtsverf. S. 251 fg.

2) Z. vgl. Rudorff, Recht der Vormundschaft III Bd., S. 2—6.

actione non solum hi tenentur tutores, qui legitimi fuerunt, sed omnes, qui tutores sunt, et gerunt tutelam. §. 20. Considerandum in hac actione, utrum pretium tantum duplicetur, an etiam quod pupilli intersit. Et magis esse arbitror in hac actione, quod interest, non venire, sed rei tantum aestimationem. §. 21. In tutela ex una obligatione duas esse actiones constat, et ideo sive tutelae fuerit actum, de rationibus distrahendis agi non potest, sive contra, tutelae actio quod ad speciem istam perempta est. §. 22. Hunc tamen tutorem, qui intercepit pecuniam pupillarem et furti teneri Papinianus ait; qui etsi furti teneatur, hac actione conventus furti actione non liberatur; nec enim eadem est obligatio furti ac tutelae, sed plures obligationes, nam et tutelae et furti obligatur,

In der ersten Stelle spricht Cicero bei seiner Erwähnung der Tutela nur vom dolus malus und davon, dass dieser schon durch das Grundgesetz mit Strafen bedroht war, allein weil Cicero an dieser Stelle nicht von den aus der Tutela entspringenden Klagen, sondern nur vom dolus malus zu sprechen hatte, so konnte er damit nur die legis actio tutelae in factum doli mali composita andeuten. Allein weil der dolus malus doch nicht schon mit dem Begriffe des Tutors gegeben ist, und derselbe sich doch wohl nur als eine ausnahmsweise Erscheinung betrachten lässt, so ist der Fall der Ehrlichkeit des Tutors als der gewöhnliche zu setzen, und für die actio tutelae in jus composita um so mehr anzunehmen, als diese viel weniger entbehrlich war, als die neben der actio furti bestehende actio tutelae in factum perfidiae. Darum heisst es in der L. 1. pr. D. de contrar. tut. et util. act. 27, 4: Receptum est, ut tutori suo pupillus sine tutoris auctoritate civiliter obligetur ex administratione scilicet. Etenim provocandi fuerant tutores, ut promptius de suo aliquid pro pupillo impendant, dum sciunt se recepturos id, quod impenderint. Weil die Tutel zu jenen Vertrauensverhältnissen gehört, bei deren Auflösung Rechnung und Gegenrechnung in der Natur der Sache begründet und somit unvermeidlich sind, so muss die erwähnte civile Obligation des Pfleglings um so mehr schon dem ältesten Civilrecht zugeschrieben werden, als ohne diese gegenseitige Abrechnung auch der nach dem Grundgesetze sehr zu bestrafende dolus malus des Tutors nicht hätte ermittelt werden können.

In der zweiten Stelle erwähnt Cicero das turpe tutelae judicium und das plus lege agere nur desshalb, weil er nur an diesem judicium legitimum die auffallende Ignoranz eines Sachwalters beleuchten konnte. Da nun aber die vierte Stelle von einer actio spricht, quae proponitur ex lege duodecim tabularum adversus tuto

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