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klärt, und damit bezeugt, dass die Parteien nicht den Ausdruck denuntiare, sondern condicere gebrauchten, weil ja die entsprechende legis actio nicht legis actio per denuntiationem, sondern per condictionem hiess, so ist auch in den eben angeführten Stellen des Paulus und Festus nur die Bezeichnung diei condictio erklärt und durch Plautus, Tacitus und Pomponius bestätigt. Dicere heisst im Altlateinischen auch ,,bestimmen" 9), folglich heisst condicere ,,gemeinsam bestimmen" und diem condicere einen Termin gemeinsam festsetzen. Gerade weil im Criminalprocesse diese Gemeinsamkeit in der Bestimmung des dies durch die Natur der Sache ausgeschlossen ist, kann da nur von einer diei dictio, nicht aber diei condictio gesprochen werden. Die,,Vorforderung des Angeklagten“ biess nämlich da diei dictio, weil sie unabhängig von seinem Willen durch den Ankläger erfolgte.

Die lex Pinaria hatte also den Parteien das Eigenrecht gegeben, den Termin, quo ad judicem accipiundum venirent, gemeinsam festzusetzen, sie hatte also jenen Act begründet, welcher diei condictio hiess, und dieser legis actio fortan auch zur Bezeichnung diente. —

Die Form, in welcher dieser Act vollzogen wurde, ist durch seine Natur gegeben. Wie nämlich der Beklagte die klägerische provocatio ad judicium dadurch acceptirt, dass er den Kläger auch seinerseits zum judicium herausfordert, so muss, um die Willenseinigung der Parteien über den dies zum Ausdruck zu bringen, der Kläger einen bestimmten dies condiciren, der Beklagte aber diese condictio diei dadurch acceptiren, dass er auch seinerseits den früher vereinbarten dies condicirt. Dass bei der Condictio beide Parteien den dies condicirten und gerade dieser Act die Willenseinigung der Parteien über den dies zum Ausdruck brachte, ist noch aus den Worten ersichtlich, welche Gaius in IV, 15 über die Bestimmung des dies comperendinus gebraucht: Postea tamen comperendinum diem denuntiabant (scil. inter se). Die Verweigerung der Vereinbarung über den dies musste somit für den Beklagten dieselbe Folge haben als seine etwaige Nichtannahme der klägerischen provocatio, dass er also als confessus behandelt wurde. In der L. 66. pr. D. de contrah. empt. 18, 1 gebraucht Pomponius den Ausdruck condicere sogar im Sinne einer Verabredung und Vereinbarung im Allgemeinen: In vendendo fundo quaedam, etiamsi non condicantur, praestanda sunt. Auch in compromittere bezog sich das cum ursprünglich auf Gegenseitigkeit der Straf-Stipulationen, durch welche das Compromiss rechtsverbindlich wurde (Kuntze Cursus, S. 518).

9) Cicero pro Murena c. 12: istam viam dico.

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Es hatte also eine legis actio per condictionem schon vor der lex Silia gegeben, wesshalb ich oben (S. 212) Huschke beigestimmt habe, wenn er bei Gaius IV, 18 so liest : Condictio autem adpellata jam est a lege Pinária. Auch habe ich schon oben (S. 211) den Beweis geführt, dass die Einführung der legis actio per condictionem ex lege Silia unmittelbar dem Prätor, und nur mittelbar der lex Silia zugeschrieben werden kann; der Prätor aber konnte die neue condictio auf Grund der lex Silia nur dadurch schaffen, dass er der schon vorhandenen condictio legitima durch Verwerthung der lex Aebutia und Silia jene Function gab, welche ich unten ausführlich darzustellen haben werde.

Die legis actio in personam stricti juris in jus composita lautete also seit der lex Pinaria (wohl erst aus dem J. 408 d. St.) wie folgt:

As.

Ns.

As.

Ns.

A8.

Ns.

Aio te mihi (XX) milia aeris dare orportere.

Nego me tibi (XX) milia aeris dare oportere.
Quando injuria negas, ego te quingenario sacramento pro-

VOCO.

Quando injuria ais, etiam (= similiter) ego te quingenario sacramento provoco.

Quando me provocasti, ego tibi diem ; quod ad judicem accipiundum adsis, condico.

Quando me provocasti, etiam ego tibi diem -, quo ad judicem accipiundum adsis, condico.

Hierauf folgte die Ablegung des promissorischen Eides von Seite beider Parteien, die poena temere litigantium zu sacriren (vgl. Gaius IV, 16) und der Act der Litiscontestatio.

Die zweite Hauptart der ersten pontif. actio generalis enthielt die actiones in personam stricti juris in factum delicti compositae, bei welchen ohne Zweifel wieder mehrere Arten unterschieden wurden. Es ist nicht bestritten, dass auch die Delictsklagen im Sacramentsprocesse verhandelt wurden, in so fern sie nicht Executivklagen waren 10). Ebenso hat schon Kuntze 11) hervorgehoben, dass sich unschwer gewisse Delictstypen unterscheiden lassen, aus welchen dann eine grössere Mannigfaltigkeit von Delicten gliederungsweise hervortrat, wobei er zunächst die Delicte gegen die Person und das Vermögen unterscheidet. Auf jene gehe die actio injuriarum wegen ideeller und körperlicher Verletzung (ob carmen famosum und membrum ruptum), auf diese die actio furti, welche Diebstahl

10) Z. s. Bethmann-Hollweg, Civilpr. I. S. 137, und Kuntze, Cursus S. 146. 11) Cursus S. 492.

und Raub zugleich getroffen habe. Dass diese Klagen actiones in factum compositae waren, erhellt daraus, dass sie wie Gaius IV. 11 bezeugt, den Thatbestand der Delicte genau nach dem Wortlaut des Gesetzes enthalten mussten, die Citirmethode bei diesen Klagen also ebenso in Anwendung kam, wie neuere Strafprocessordnungen das Citiren des Gesetzes für die Anklage-Acte und das Urtheil vorschreiben 12). Das factum delicti bildet hier die materielle causa des Anspruchs des Klägers, beziehungsweise den Grund der Strafe, musste also dem Geschwornen zur Untersuchung und Entscheidung durch Urtheil vorgelegt werden. Dass sie aber auch actiones stricti juris waren, das folgt daraus, dass auf die Bussen, beziehungsweise Strafen, der Geschworne gar keinen Einfluss nehmen durfte, diese also in der forma von vornherein formell gegeben waren 13). Denn in den Fällen, in welchen das Gesetz eine genau bestimmte Geldbusse oder eine genau bestimmte körperliche Strafe verfügte, konnte der Geschworne darauf ohnehin keinen Einfluss nehmen, in den Fällen aber, wo das Gesetz, wie in einzelnen Fällen des furtum, nur die Busse des duplum oder triplum ausgesprochen hatte, hatte der Kläger, wenn diese Strafen nicht durch die vom Gesetze gestattete Abfindung von Seite des Beklagten vermieden wurden 14), ohne Zweifel das Recht, den Werth des gestohlenen Objectes durch den Schätzungseid gegen den die Abfindung verweigernden Dieb zu bestimmen, weil im Falle des dolus und der contumacia des Beklagten dem Kläger bei actiones in rem noch in den spätesten Zeiten das jus jurandum in litem zustand, und noch die prätorische Injurienklage dem Kläger einen bestimmten Einfluss auf die aestimatio injuriae gewährte (Gaius III. 223). Die actio furti ging also, wie Ihering 15) einwendet, zwar wohl nicht auf dare, sondern auf pro fure damnum decidere oportere, allein der Dieb musste,,den eigenen Verfall" durch jene bestimmte Summe ,,ausgleichen", welche die actio enthielt 16). Die Geldbusse musste also auch in diesen Fällen

12) Z. vgl. Ihering Geist II. 2, S. 614, 616, und jetzt Bekker, Aktionen I. S. 66, Note 8.

13) Wie bereits die neueren lateinischen Wörterbücher angeben, bezeichnet das Wort stringere ursprünglich,,straff anziehen“,,,kurz fassen", wesshalb auch strictim so viel als paucis verbis bedeutet. Da nun der Ausdruck formula nur eine,,kurze Fassung" bedeutet, so ist jus strictum ein formulirter, oder ein schon durch formula von vornherein gegebener, genau fixirter Anspruch, auf dessen Bestimmung der Geschworne keinen Einfluss mehr auszuüben vermag.

14) Vgl. Lex XII tab. VIII frg. 2, L. 7. §. 14 D. de pactis 2, 4. 15) Geist II, 2, S. 611 Note 867.

16) Die Intentio dieser Klage konnte also meines Erachtens z. B. nur so

in der forma ganz genau angegeben, also eine pecunia certa sein. Die einzelnen hieher gehörigen Klagen, so weit uns Nachrichten darüber erhalten sind, sind von Bethmann-Hollweg 17) und Kuntze 18) angeführt und besprochen, doch habe ich zu bemerken, dass es eine actio de rupitiis sarciendis, welche unter den Delictsklagen angeführt wird, nicht gab, weil die Stelle bei Festus, welche bisher als lex 5 der Tafel VIII verwerthet wurde, auf einer unrichtigen Leseart beruht und es unzulässig ist, aus den beiden Verben rumpere und sarcire eine besondere lex zu construiren und aus dieser dann eine allgemeine Klage aus Schädigungen abzuleiten. 19)

Eine weitere Darlegung dieser Delictsklagen gehört nicht in eine Schrift, welche sich nur die Darstellung der Entwicklung des grundgesetzlichen Civilrechts der Römer durch die pontif. und prätorischen Actionen des Grundgesetzes zur Aufgabe gesetzt hat. Da nämlich der Prätor, in so weit er schon in dieser Periode hier reformirend eingriff, die Delictsklagen im Interesse der Humanität, nur verbesserte, so beruhten die aus der Correctur hervorgegangenen neuen Klagen nur auf dem Imperium des Prätors, und konnten somit nicht in judiciis legitimis geltend gemacht werden. Dafür enthält die oben mitgetheilte Stelle des Gellius XX, 1 §. 13 eine ausdrückliche Bestätigung, weil sie für die vom Prätor proponirte actio injuriarum nicht den von der Verfassung berufenen Geschwornen (judex), sondern nur die vom Prätor autorisirten Recuperatoren erwähnt. Die Darstellung der Reformen, welche der Prätor in diesem Gebiete vornahm, gehört also in eine Schrift, welche sich die Darstellung der Entwicklung des römischen Privatrechts durch die Actionen des Edictes zur Aufgabe macht. Ausser dem bereits Gesagten habe ich also hier nur mehr anzugeben, dass bei diesen Klagen der Kläger das verübte Delict nach dem Wortlaut des Gesetzes assertorisch anzuführen 19a), und daraus den bestimmt formulirten Anspruch abzuleiten, der Beklagte aber diesen Anspruch und somit auch das factum delicti absolut zu verneinen hatte, worauf die gegen

lauten: ob eamque rem te decem milibus aeris pro fure damnum decidere oportere. Ueber damnum z. s. Anhang.

17) Civilpr. I. S. 169-175 18) Cursus S. 492, 493, 568 fg. Excurse S, 146. 19) Der Ausdruck,,rupitias" bei Festus ist ein verderbter, weil Festus in dieser Stelle nur eine alte Form des Verbums rumpere, nämlich,,rupsit“ erklärt und sagt: „Rupsit" in XII tabulis significat,,damnum dederit". Ebenso erklärt er weiter das Verbum sarcire:,,Sarcito" in duodecim tabulis Servius Sulpicius ait significare:,,damnum solvito, praestato". Schöll, a. a. O. pag. 47. 19 a) Cicero de nat. deor. III. 30, 74: illa actio: ope consilioque tuo furtum aio factum esse.

seitigen provocationes sacramento interposito, dann die Ablegung des Sacrationseides und die litis contestatio zu folgen hatten. In diesem Gebiete, welches einen Theil des Strafrechts enthielt, mochte der richterliche Magistrat wohl von jeher competent gewesen sein, die Sache auch persönlich zu untersuchen und zu entscheiden, weil die Strafrechtspflege mit dem Imperium von jeher verbunden war. Das war ohne Zweifel auch der Grund, warum der Prätor seine Delictsklagen nicht für die judicia legitima mit Hilfe der Sponsio adaptirte, sondern auf sein Imperium gründete und sie durch von ihm autorisirte Geschworne entscheiden liess. Weil aber der Prätor bei seinen Reformen nur im Sinne der fortschreitenden Gesittung und Humanität verfuhr, so konnten auch die Parteien die theilweise Beseitigung der judicia legitima in diesem Gebiete nicht beklagen 2o).

Die Adaptirung der ersten Hauptart der ersten pontif. actio generalis für die Geltend machung des Anspruchs aus dem form freien Darlehn und der vom Prätor proponirten Exceptionen.

§. 51. Durch die oben dargelegte condictio certi legitima konn-. ten nur solche einseitige Forderungen geltend gemacht werden, welche vom Civilrecht anerkannt waren. Weil nun das Darlehn ein formfreies Rechtsgeschäft war und als solches keine civile Obligation begründen konnte, so folgt daraus, dass ein aus diesem Rechtsgeschäfte erhobener Anspruch durch die angeführte condictio certi nicht verfolgt werden konnte. Weil aber die Bedürfnisse, welche das formfreie Darlehn befriedigte, auch bisher freilich nur in formbestimmter Weise Befriedigung fanden, so brauchte der Prätor hier ebenso wie im Gebiete der Eigenthumserwerbungen nur dem Princip der Formfreiheit Geltung zu verschaffen, und dem Kläger die provocatio sponsione ad judicium zu gestatten, um dem Anspruch aus dem formfreien Darlehn Klagbarkeit zu geben. Sollte die actio ex mutuo durch die condictio certi legitima geltend gemacht werden, so musste sie zuvor in eine civile Klage verwandelt werden. Dass diese Umwandlung durch den gerichtlichen und gesetzlichen Vor-Act der provocatio sponsione erfolgte, habe ich schon oben (S. 188 fg.) nachgewiesen. Was hier von der nicht-civilen actio ex mutuo gesagt ist, gilt auch von allen im Edicte proponirten Exceptionen, z. B. der exceptio ex lege Plaetoria, nur mit dem Unterschiede, dass eine prätorische Exceptio durch ihre Einkleidung in die Sponsio zwar civilrechtliche Wirksamkeit, aber nicht auch selbst

20) Z. vgl. Gaius III. 190, 191.

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