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disceptator aut arbiter litis, Hiermit sind zu vergleichen

sed omnia conficiebantur judiciis regiis.

die Bemerkungen, welche Mommsen 20) über die absolute Rechtsgleichheit der Bürger in der Königszeit ausspricht.

Es ist zu bedauern, dass der Eingang dieser Stelle uns nicht mehr erhalten ist, gleichwohl aber lässt sich ihr Sinn noch bestimmen, wenn wir damit Mommsens angedeutete Bemerkungen und das vergleichen, was Tacitus in Ann. III. 26 über die aequitas des ältesten Rechtes schreibt: At postquam exui aequalitas et pro modestia ac pudore ambitio et vis incedebat, provenere dominationes multosque apud populos aeternum mansere. Quidam statim, aut postquam regum pertaesum, leges maluerunt. Hae primo rudibus hominum animis simplices erant; maximeque fama celebravit Cretensium, quas Minos, Spartanorum, quas Lycurgus, ac mox Atheniensibus quaesitiores jam et plures Solo perscripsit. Nobis Romulus, ut libitum, imperaverat, deinde Numa religionibus et divino jure populum devinxit, repertaque quaedam a Tullo et Anco. Sed praecipuus Servius Tullius sanctor legum fuit, quis etiam reges obtemperarent. Pulso Tarquinio adversum patrum factiones multa populus paravit tuendae libertatis et firmandae concordiae, creatique decemviri et accitis, quae usquam egregia, compositae duodecim tabulae, finis aequi juris. Nam secutae leges etsi aliquando in maleficos ex delicto, saepius tamen dissensione ordinum et apiscendi inlicitos honores aut pellendi claros viros aliaque ob prava per vim latae sunt.

In dieser Stelle bespricht Tacitus die ältesten Rechtszustände, hebt die geringe Zahl und Einfachheit der Gesetze in den ältesten Zeiten hervor, nimmt in Folge der immer grösseren Entsittlichung eine stetige Abnahme der Rechtsgleichheit der Bürger an, und bezeichnet die Zwöfftafelgesetze als die letzten Gesetze, in denen noch das jus aequum seinen Ausdruck fand, wie denn noch diese Gesetze kein einziges Vorrecht, kein einziges Privilegium eines Standes kannten 21). In gleicher Weise scheint nun Cicero in der angeführten uns nur theilweise erhaltenen Stelle das aequum jus in die Königszeit verlegt zu haben, weil er die explanatio aequitatis, d. h. die Entwicklung der Rechtsgleichheit, als die eigentliche Aufgabe der Könige betrachtet. Diese Entwicklung schreibt er aber der interpretatio juris zu, weil er sagt, dass diese sich in der Entwicklung der Rechtsgleichheit bewegt habe (in qua juris erat

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20) Röm. Gesch. I. S. 70. 21) Jhering I. 1. S. 89. Puntschart, Civilrecht der Römer.

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interpretatio). Dass er aber hier die juris interpretatio der römischen Könige meint, zeigt seine beigefügte Erklärung: quod jus privati petere solebant a regibus. Es entsteht die Frage, welche interpretatio juris hier Cicero meint, und was er unter jus petere a regibus versteht. Die gewöhnliche Subsumption concreter Fälle unter das Gesetz, also die Function der gewöhnlichen Jurisdiction, kann Cicero hier nicht meinen, weil aus dieser Interpretation jene Rechtsgleichheit der Bürger noch nicht hervorgehen kann, deren Entwicklung er den Königen zuschreibt. Die juris interpretatio muss also hier im Sinne einer neues Recht erzeugenden Auslegung, oder im Sinne einer Quelle der Rechtsentwicklung aufgefasst werden, wie ja noch Plautus (Miles IV, 1. V. 6, Pseud. I, 1. V. 40) unter,,interpres" nicht einen Ausleger, sondern nur einen .,Vermittler" versteht. Diese Auffassung erscheint um so gerechtfertigter, als Tacitus in der angeführten Stelle für die ältesten Zeiten nur wenige und einfache Gesetze annimmt. Wenn es aber in der Königszeit, wie es die Natur der Sache selbst mit sich bringt, nur wenige und einfache Gesetze gab, und wenn die Interpretation derselben ausschliesslich dem Könige zustand, so folgt daraus mit Nothwendigkeit, dass die eigentliche Rechtserzeugung die Interpretation des Königs war, der König also,,als Quelle des Rechtes" (Rubino) und als viva vox juris civilis betrachtet werden musste. Darum konnte aber auch das Richteramt nur der König allein, und zwar stets nur in Person ausüben, und darum gab es für die Einzelnen kein Recht ausser durch den König (quod jus privati a regibus petere solebant).

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Die dritte oben angedeutete Stelle, ist Dionysius II, 14, wo er die Prärogativen des römischen Königs anführt, als die erste derselben die sacrale Hoheit angibt und dann so fortfährt: eñeira νόμων τὲ καὶ πατρίων ἐθισμῶν φυλακὴν ποιεῖσθαι.

Ehe ich auf die Auslegung dieser Worte eingehe, sei mir die Bemerkung erlaubt, dass Dionysius, wenn er die Feststellung der königlichen Prärogativen auf Romulus zurückführt, nur der römischen Tradition folgt, welche die Einrichtungen des römischen Königthums gerne auf Romulus bezieht, wobei es selbstverständlich ist, dass diese Rückbeziehung keine andere Bedeutung haben kann, als um für die überlieferten königlichen Einrichtungen einen geschichtlichen Träger zu gewinnen.

Die erste Schwierigkeit der Auslegung bieten in dem angeführten Satze die Worte: pvlaxy noεiσdαι. Sell22) übersetzt: „Die 22) Recuperatio, 1837. S. 157.

Könige überwachten die Befolgung der Gesetze und Gewohnheiten". Im gleichen Sinne deutet diese Worte noch Zumpt23): Der König hatte über die Gesetze und väterlichen Sitten die Aufsicht zu führen“ und ebenso bezeichnet Walter 24) den römischen König als „,den Wächter der Sitten und Gesetze". Ich meine, dass diese Auffassungen den Sinn dieser Worte ganz entstellen, weil sie, statt dem Könige im Sinne des Dionysius eine Prärogative (régas) zu geben, demselben nur eine untergeordnete polizeiliche und censorische Pflicht auferlegen. Es ist dabei übersehen, dass Dionysius erst in Rom seine Studien der lateinischen Sprache begann, und dass ihm alterthümliche Redewendungen und technische Bezeichnungen seiner Quellen immer unverständlich geblieben waren. Dionysius übersetzt also solche Stellen meist wörtlich, gebraucht aber dabei mitunter Ausdrücke, welche im Griechischen nicht das ganz Gleiche bezeichnen. So hatte er den Ausdruck judicium populi, welchen seine Quellen über den Prozess des Horatius enthielten, im Sinne eines eigentlichen judicium populi aufgefasst, und daraus für das römische Volk in der Königszeit das Recht abgeleitet, in Strafprozessen über, das Caput eines Bürgers zu entscheiden (xglois Javaτogógos). Ebenso hatte er aus dem ,,creare duumviros" gefolgert, dass das römische Volk schon in der Königszeit das Recht der Beamtenwahl ausübte. Ein gleiches Missverständniss liegt meines Erachtens auch hier vor, insofern Dionysius den Ausdruck seiner Quelle zwar wörtlich übersetzt, durch die wörtliche Uebersetzung aber den Sinn derselben verdunkelt. Es ist nämlich bekannt, dass Cicero in seiner Schrift de legibus bei der Formulirung seiner Grundgesetze absichtlich alterthümlich sich ausdrückt, um die altehrwürdige Sprache der Zwölftafelgesetze nachzuahmen. Cicero aber sagt in der erwähnten Schrift lib. III c. 3 §. 8: Juris disceptator, qui privata judicet, judicarive jubeat, praetor esto: is custos juris civilis esto. Es wird wohl kein Jurist den Prätor urbanus,,zum Aufseher des Civilrechts" machen. Es ist kein Zweifel, dass Dionysius die ungewöhnliche Bezeichnung des römischen Königs als custos juris oder legum nicht selbst erdachte, sondern sie in seinen Quellen fand, und sie dann. nach seiner Weise durch wörtliche Uebersetzung mit pvlaxǹv noleioda (custodiam habere) wieder gab. Der Ausdruck custos juris civilis bietet aber sogar noch uns Schwierigkeiten, wofür die Erklärung Bethmann-Hollwegs 25 ) zum Beweise dienen mag. Wie

23) Criminal-Recht I. S. 41. 24) R.G. 3. Aufl. S. 30. prozess II. S. 15-18.

25) Civil

ich unten weitläufiger zeigen werde, und wie auch das Wort selbst andeutet, hiess der Prätor urbanus darum custos juris civilis, weil die Entwicklung des gesetzlichen Civilrechts ihm allein anvertraut war; wenn nun die Quellen des Dionysius auch den König als custos legum vel juris legitimi bezeichneten, so sagten auch sie, dass dem römischen König die Entwicklung der leges oder des gesetzlichen Rechtes anvertraut war. Damit aber deutet auch Dionysius die Function jener königlichen interpretatio legum an, welche ich an Liv. I. 26 und Cicero de repub. V. 2. §. 3 nachgewiesen zu haben glaube.

Nach Dionysius war aber der König nicht nur ein φύλαξ νόμων, sondern auch ein φύλαξ πατρίων ἐθισμῶν. Die römischen Quellen sprechen von mos oder mores, allein dieser Ausdruck kann ebenso das blosse Herkommen als ein Gewohnheitsrecht bezeichnen. Auf die Bildung des blossen Herkommens konnte der König keinen Einfluss ausüben, weil das Herkommen, die Sitte unabhängige Erscheinungen des Lebens sind. Aber ebenso wenig konnte der König dem Volke die zwingende Macht des nationalen Rechtssinns und die dadurch erzeugte Nothwendigkeit des gewohnheitsrechtlichen Handelns geben. Der Einfluss des Königs beschränkte in dieser Beziehung sich darauf, dass er als interpres legum und als Richter einen gewohnheitlichen Act als rechtsverbindlich anerkannte und dadurch auch auf die Rechtsbildung durch Gewohnheiten einwirkte 26). Als eine selbstständige Quelle des Rechts erscheint die Gewohnheit weder in der Königszeit, noch in der Zeit der Republik, weil ihre Rechtserzeugung von der Anerkennung des zur Interpretation des gesetzlichen Rechts berufenen Organs abhängig war. Dies erklärt die schon von Jhering hervorgehobene, uns befremdliche Thatsache, dass die Gewohnheit weder bei Sextus Aelius noch bei Gaius als Rechtsquelle angegeben ist. Wenn also Dionysius die custodia legum des Königs mit der custodia morum in Verbindung setzt, so sagt er damit, dass dem römischen König als dem Interpres legum auch die Anerkennung der für diese Zeit gewiss wichtigen Rechtserzeugung durch Gewohnheiten anvertraut war. Wenn also der König einen gewohnheitlichen Act als rechtserzeugend anerkannte, und den Streit entweder selbst entschied, oder, wie ich bald zu zeigen haben werde, als alleiniger Richter auch einem Privatmann eine Instruction für die Untersuchung und Entscheidung des Streites gab, so war die materielle actio zwar aus der Ge

26) Vgl. Kuntze, Cursus S. 46 und Bruns in Holtzendorff's Encyclop. der RW. I. S. 260.

wohnheit entsprungen, allein sie wurde durch die Anerkennung des Königs und durch ihre Einkleidung in seine formula legitima in eine gesetzliche actio verwandelt, wesshalb Dionysius die rechtlichen Entscheidungen der Könige überhaupt Gesetze nennt 27): Mochte also der König unmittelbar oder mittelbar als Richter thätig gewesen sein, seine rechtliche Entscheidung hatte stets die Natur eines Gesetzes, weil er als authentischer interpres legum die alleinige stets lebendige Quelle des Rechtes war. Als eine Bestätigung des Gesagten betrachte ich das, was Gaius in IV. 26 von der legis actio per pignoris capionem sagt: Per pignoris capionem lege agebatur de quibusdam rebus moribus, (de quibusdam rebus) lege. Der gewohnheitliche Act des pignus capere hatte also in den von Gaius angeführten Fällen eine gesetzliche Geltung erlangt, weil er ebenfalls legis actio genannt wurde; er muss also irgendwann von dem zur Interpretation des gesetzlichen Rechtes berufenen Organ anerkannt worden sein, und dadurch eine gesetzliche Natur erhalten haben 27a).

War nun der römische König der interpres legum und als solcher das Organ der Rechtsentwicklung, so folgt daraus mit zwingender Nothwendigkeit, dass es in der Zeit der Könige für die Rechtspflege wirkliche Volksgesetze gab. Als ein solches wurde oben die lex über die perduellio anerkannt; ebenso wurde schon oben dargethan, dass unter den von Tacitus dem Könige Servius Tullius zugeschriebenen Gesetzen wirkliche Volksgesetze zu verstehen sind. Diese Nachricht des Tacitus wird auch von Dionysius (IV. 44) und von Appian (bellum civile I. 59) bestätigt. Ersterer berichtet, dass die von Servius Tullius gegebenen Gesetze auf Tafeln standen, welche auf dem Markte aufgestellt waren; letzterer aber lässt Sulla erklären, dass nach der ursprünglichen von Servius Tullius gegebenen Verfassung der Volksversammlung nur das vorher im Senate Berathene und Beschlossene zur Bestätigung vorzulegen war, und dass diese ursprüngliche Verfassung nur durch die Volkstribunen abgeändert wurde 28). Es ist kein Zweifel, dass diejenigen Gesetztafeln des Servius Tullius, welche Tarquinius Superbus vom Markte entfernen liess (Dionys. IV. 44), nach der Vertreibung dieses Königs wieder öffentlich aufgestellt wurden: es ist also wahrscheinlich, dass die,,leges regiae", welche durch den Gallischen Brand der Stadt zugleich mit den zwölf Gesetztafeln zerstört worden waren, die noch giltigen und öffentlich aufgestellten Volksgesetze aus der Zeit des

27) Dionys. Χ. 1: καὶ τό δικαιωθέν ὑπ' ἐκείνων νόμος ᾖν.
27a) Vgl. jetzt auch Bekker, die Actionen des röm. PR. I. S. 94.
28) Vgl. A. W. Zumpt, oder: Crim. R. III. 2. S. 294,

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