Page images
PDF
EPUB

nach der lex Aebutia sich noch sehr lange im Alleinbesitze der juristischen Fachkenntnisse befanden, und dass somit jene oben besprochenen Nachrichten, welche die Pontifices nur als gewöhnliche juris periti darstellen 8), aus der Zeit nach der lex Aebutia herrühren, und darum zwar Wahres berichten, aber nicht die ganze Wahrheit enthalten. Eine positive Bestätigung dessen enthält die Angabe des Pomponius) über die Epoche machende Liberalität und Publicität, mit welchen der erwähnte Pontifex Maximus Tib. Coruncanius öffentlichen Unterricht und schriftliche Responsa ertheilte. Wie also die Römer die erste systematische Darstellung ihres Civilrechts einem Pontifex Maximus zu verdanken hatten (dem Q. Mucius Scaevola), so hatte auch den ersten öffentlichen Unterricht im Civilrecht ein Pontifex Maximus in's Leben gerufen.

Obwohl nun das Pontifical-Collegium nach der lex Aebutia noch lange Zeit als der Sitz der fachmännischen Jurisprudenz betrachtet werden muss, so mussten sich doch die Anforderungen an die juristischen Kenntnisse der Prätoren in dieser Zeit wesentlich steigern. Es fällt hier vor Allem ins Gewicht, dass wir hier mit den Männern des fünften Jahrhunderts d. St. zu thun haben, welches, wie wir wissen, ein Jahrhundert ernster und sittlicher Arbeit, wie kein zweites war, dass in dieser Zeit die Begriffe,,Staatsmann und Jurist", sich deckten, dass also in einer Zeit, in welcher das Civilrecht des Grundgesetzes als fertiger Organismus vorlag, und sein Studium die Hauptbeschäftigung strebsamer Geister bildete, die Prätoren mit ungleich grösseren Kenntnissen den Richterstuhl besteigen mussten, als dies früher der Fall war. Dazu kommt noch der Umstand, dass die eigenthümliche Organisation der öffentlichen Aemter in Rom einseitige Richtungen völlig ausschloss, weil jeder, welcher sich dem öffentlichen Leben widmen wollte, bei seiner Vorbereitung die vorgeschriebene Stufenleiter der Aemter berücksichtigen, und somit entweder vom öffentlichen Leben sich ganz ferne halten, oder auch die für die Prätur nothwendige Jurisprudenz sich aneignen musste. Alle diese Momente gestatten die Folgerung, dass die Stadtprätoren in dieser Zeit bereits ein bedeutendes Mass der Selbstständigkeit in der Rechtspflege für sich in Anspruch nehmen durften, und dass die Pontifices von nun an nur in der Eigenschaft Gutachten erstattender Staatsjuristen den Stadtprätoren zur Seite standen. In dieser Weise bestimmt sich die Stellung der Pontifices zum Prätor urbanus auch dadurch, dass die lex Aebutia dem. Pontifex Maximus und seinem Collegium die oberste, von jeglichem Einflusse des Prätors, Consuls, des Senates und der Volksversamm8) Vgl. Kuntze, Excurse S. 119-123. 9) a. a. O. §. 39.

lung unabhängige Entscheidung in rebus divinis nicht entzog, die res divinae aber mit dem Civilrecht mehrseitig zusammenhingen, Gutachten des Pontifical-Collegiums also schon dieses Zusammenhanges wegen eingeholt werden mussten. Weil nun auch die Interessen der Stände im Pontifical-Collegium ausgeglichen waren, so ist nicht zu bezweifeln, dass die Stadtprätoren bei ihren Reformen im Civilrecht der fachmännischen Unterstützung der Pontifices im reichsten Masse sich erfreuten. Dies glaube ich umso mehr annehmen zu dürfen, als ich auch die sagenhafte Geheimlehre der Pontifices auf ein Missverständniss der späteren Berichterstatter zurückgeführt habe, unten aber den Beweis antreten werde, dass die pontificischen Klagformen wegen ihrer weitreichenden Angriffs- und Vertheidigungsclauseln an die juristischen Kenntnisse der Geschwornen bedeutende Anforderungen stellten, also eine directe Widerlegung dieser Geheimlehre enthalten.

VI. Capitel.

Bestimmung der Richtungen der Reform des Prätor urbanus im Gebiete des Civilrechts.

Vorbemerkungen.

§. 31. Ich habe oben gesagt, dass sich Rom durch die lex Aebutia für das Gebiet des Privatrechts als italische Grossmacht constituirt hatte, damit wurde aber auch die Behauptung ausgesprochen, dass bereits dieses Gesetz die Aufnahme des jus gentium in das Römische Civilrecht angebahnt hatte. Von diesem Standpunkte aus bewirkte also die lex Aebutia zugleich eine ebenso entscheidende Wendung in der Geschichte des römischen Privatrechts, als früher die Decemviral- und später die Julische Gesetzgebung. Mir liegt also zunächst die Frage vor, ob Rom in der Zeit der lex Aebutia wirklich schon die Stellung unter den Staaten Italiens sich erobert hatte, dass es sich als künftige italische Grossmacht betrachten und einrichten musste, und in welchem Zeitraume es diese seine Grossmachtstellung definitiv verwirklichte. Weil nun bei der Beantwortung dieser Frage nicht bloss die rasch fortschreitende Vergrösserung des zusammenhängenden Gebietes der römischen Gemeinde und die Municipien und Colonien römischer Bürger in Italien, für welche Rom die juristische Heimath war, sondern auch die Völkerschaften Italiens anzugeben sein werden, mit welchen Rom seit der Decemviralgesetzgebung in den engsten Lebensverkehr getreten war, und deren Interessen also auch im Gebiete des Privatrechts zu be

rücksichtigen waren, so wird sich aus den berührten geschichtlichen Momenten zugleich von selbst ergeben, welche Bestimmungen des jus proprium civium Romanorum in Folge dieser Veränderungen unhaltbar geworden waren. Die besondere Hervorhebung dieser geschichtlichen Momente halte ich aber hier darum für nothwendig, weil die Aufnahme des jus gentium in das römische Civilrecht jetzt in eine viel spätere Zeit gesetzt wird mit Ausnahme Kuntze's, welcher allein die mit der Decemviralgesetzgebung beginnende Periode mit dem Jahre 504/250 abschliesst (Cursus, S. 56). Es ist ein glücklicher Umstand, dass ich bei der Beantwortung der oben angegebenen Frage die Forschungen des gründlichsten Kenners dieser Periode der römischen Geschichte, Theodor Mommsen's verwerthen kann.

Geschichtliche Momente zur Bestimmung der Richtungen der Reform des Civilrechts durch den Prätor urbanus.

§. 32. Zur italischen Grossmacht hatte sich Rom durch den Sturz der etruskischen Macht, durch die Niederwerfung der Latiner und Campaner und den Sieg über die Italiker den Weg gebahnt.

Der Sturz der etruskischen Macht hatte zur Folge, dass das ganze südliche Etrurien bis zu den ciminischen Hügeln in den Händen der Römer blieb, welche dann in den Gebieten von Veji, Capena und Falerii vier neue Bürgerbezirke einrichteten (367 a. u.), und die Nordgränze durch die Anlegung der Colonien Sutrium (371) und Nepete (381) sicherten. Rasch ging dieser fruchtbare und mit römischen Colonien bedeckte Landstrich der vollständigen Romanisirung entgegen. Schon im J. 411 trat Falerii aus dem etruskischen Bunde in den ewigen Bund mit Rom. Damit war nun ganz SüdEtrurien in der einen oder anderen Form der römischen Herrschaft unterworfen. Den Etruskern blieben nach dem Verluste ihrer Besitzungen in Campanien und der ganzen Landschaft vom Apennin und südlich vom Ciminischen Walde nur sehr beschränkte Gränzen übrig.

Ebenso glückliche Erfolge hatten die Unternehmungen der Römer gegen die Latiner und Campaner.

Schon im J. 308 behielten die Römer ein zwischen den Aricinern und Ardeaten streitiges Gränzgebiet für sich, sandten im J. 312 römische Colonisten nach Ardea, dann nach Suessa Pometia, Circeji (361), Satricum (369), Suetia (371) und wurden im J. 377 Herren im Pomptinischen Gebiet. Im Jahre 394 musste Tusculum in

den römischen Bürgerverband treten, und im J. 396 wurden im Pomptinischen Gebiet zwei neue Bürgerbezirke eingerichtet.

Als leitende Macht des aus 30 Gemeinwesen bestehenden Latinischen Bundes war Rom von jeher bestrebt gewesen, die Erstarkung und Ausdehnung dieses Bundes zu verhindern, und die einzelnen Mitglieder von sich abhängig zu machen; im Jahre 370 aber war dieser Bund ein für alle Mal auf seine bisherigen Gränzen beschränkt worden. Ausserdem hatten noch 17 Ortschaften das Recht der Theilnahme am Latinerfeste, aber kein Stimmrecht in den Tribusversammlungen. Auf diesem Bestande der 47 theilberechtigten und 30 stimmberechtigten Orte blieb der Bund seit dem J. 370 unabänderlich bestehen, und die nach diesem Jahre mit dem Latinerrechte ausgestatteten Orte wurden nicht bloss nicht mehr in den Bund aufgenommen, sondern sie wurden auch privatrechtlich insofern von einander getrennt gehalten, dass sie das Verkehrsrecht (commercium) und das Eherecht (connubium) nicht unter einander, sondern nur mit Rom haben sollten.

Nach der Eroberung von Veji (358) und des Pomptinischen Gebietes war es den Römern möglich geworden, die Zügel der Hegemonie über diesen Latiner-Bund noch straffer anzuziehen und die neugegründeten latinischen Gemeinwesen unter einander in eine so isolirte Stellung zu bringen, dass sie thatsächlich Roms Unterthanen wurden. Dieser Druck hatte ihre allgemeine Erhebung gegen Rom zur Folge, nachdem sie an den Samniten geachtete Bundesgenossen gefunden hatten. Nach Besiegung der Volsker (377) waren die Römer an den Liris vorgedrungen und hatten den Privernaten und Aurunkern daselbst Sora entrissen (379), wodurch sie mit den Samniten bald in gesuchte Feindseligkeiten geriethen. Alle ursprünglichen latinischen Städte, mit Ausnahme der römischen Colonien in Latium, traten an die Seite der Samniten; dasselbe thaten Capua und die Volsker, allein die Römer siegten in der entscheidenden Schlacht bei Trifanum (414) über die vereinigten Latiner und Campaner und unterwarfen sich im J. 416 die ganze Landschaft. In Folge dieses Sieges wurde der latinische Bund nach seiner politischen Seite hin aufgelöst und zu einer rein religiösen Festgemeinschaft herabgedrückt, die einzelnen Staaten des aufgelösten Bundes aber gezwungen, mit Rom ein ewiges Bündniss der Abhängigkeit zu schliessen, wobei sie ihr Commercium und Connubium mit Rom behielten. Tribur und Praeneste hingegen mussten auch Stücke ihres Gebietes an Rom abtreten und noch härter wurde das Kriegsrecht gegen andere Latinische und Volskische Gemeinden ausgeübt. In die bedeutendste und zu Wasser und Lande wehrhafteste Volsker-Stadt Antium wurPunts chart, Civilrecht der Römer. 10

den römische Colonisten gesandt, und die Altbürger gezwungen, nicht bloss denselben die nöthigen Aecker abzugeben, sondern auch selbst in den römischen Bürgerverband einzutreten (416). In die zweite wichtige Volskische Küstenstadt Tarracina gingen gleichfalls wenige Jahre später (425) römische Ansiedler, und die Altbürger wurden auch hier entweder ausgewiesen oder der neuen römischen Bürgergemeinde einverleibt. Auch Lanuvium, Aricia, Nomentum und Pedum wurden römische Bürgergemeinden. Velitrae wurde wahrscheinlich nach caeritischem Rechte constituirt. Von dem gewonnenen Acker wurde ein Theil, z. B. die Ländereien der Rathsmitglieder von Velitrae, an römische Bürger vertheilt; mit diesen Einzel-Assignationen und mit den neu in den Bürgerverband eintretenden Gemeinden hängt die Errichtung von zwei neuen Tribus im J. 422 zusammen.

In gleicher Weise wurde die römische Herrschaft auch in dem südlichen Volskischen und Campanischen Gebiet durchgeführt und befestigt. Fundi, Formiae, Capua, Kyme und eine Anzahl anderer Städte wurden abhängige römische Gemeinden caeritischen Rechtes. Um Capua zu sichern, wurde seine Gemeindeverwaltung im römischen Interesse revidirt und controlirt. Dieselbe Behandlung erlitt Privernum, dessen letzter Kampf mit der Erstürmung der Stadt durch die Römer im J. 425 endigte. Um eine eigene römische Bevölkerung in diesen Gegenden emporzubringen, theilte man von den eroberten Ländereien, namentlich im Privernatischen und Falernischen Gebiet so zahlreiche Ackerlose an römische Bürger aus, dass dort schon im J. 436 zwei neue Tribus errichtet werden konnten.

Die Anlegung zweier Colonien mit latinischem Recht sicherte schliesslich das neu gewonnene Land. Es waren dies Cales (420) mitten in der Campanischen Ebene, um von dort aus Teanum und Capua zu beobachten, und Fregellae (426), welches den Uebergang über den Liris beherrschte. Auch nach Sora, welches den Samniten überlassen worden war, wurde vertragswidriger Weise eine römische Besatzung gelegt und die Beschwerde der Samniten nicht beachtet.

Während nun Rom so beschäftigt war, die latinische Eidgenossenschaft zu vernichten und den Widerstand der Volsker zu brechen, lagen die Samniten mit den italischen Griechen im Kampfe. Diese hatten die Städte Palaeopolis und Neopolis, die einzigen nicht unterworfenen Gemeinden innerhalb des römischen Gebietes, in ihre Botmässigkeit gebracht, und dadurch im Jahre 427 den Wiederausbruch des Krieges veranlasst. Von ihren Bundesgenossen, den Campanischen Griechen, und den Sabellischen Städten Nola, Nuceria, Herculanum und Pompeji verlassen, baten die Samniten schon im J.

« PreviousContinue »