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sacerdotiis p. R. pag. 2 zu vergleichen: Praetores urbani, qui legibus moderandis etjudicum sententiis corrigendis in urbe praeerant. Sex lictores eos praecedebant et erant consulibus dignitate proximi.

Die Nachricht dieses Auctors bezieht Bethmann-Hollweg auf die Kaiserzeit, weil er hinsichtlich der Interpretation einen Standpunkt einnimmt, welcher von dem hier vertretenen sich wesentlich unterscheidet. Allein sowohl der Inhalt dieser Nachricht, als die Ausdrücke, welche sie enthält, deuten nicht die Kaiserzeit, sondern die Zeit der Republik an. Das Verbum,,moderari" steht nämlich im Zusammenhang mit,,modus" und ist ohne Zweifel ebenso der Musik entlehnt wie das synonyme Verbum,,temperare", so dass tempus das rechte musikalische Zeitmass (Tempo), „,modus" aber die rechte musikalische Weise" (Melodie) bezeichnet. Mit dem einen wie mit dem andern Verbum aber wird in der Folgebedeutung gesagt, dass einer Sache ihr,,rechtes Mass", ihre „rechte Beschaffenheit" gegeben wird. Moderari leges kann sich also nur auf die Anpassung der Gesetze an die wirklichen Bedürfnisse des Lebens beziehen, oder auf jene Reformen in der Justiz, von welchen ich bisher gesprochen habe. Dass der Ausdruck „moderari" hier in einem alterthümlichen Sinne genommen ist, zeigt auch der Umstand, dass Festus 3) durch ihn das alterthümliche,,magisterare“ erläutert, und 1) dieses magisterare wieder durch, regere und temperare" erklärt, wesshalb nach Festus das moderari dem „regere und temperare", also einer reformatorischen Regierungsthätigkeit entspricht. Dass das corrigere judicum sententias eine Verbesserung oder Reformation der Urtheile bedeutet, brauche ich nach meiner obigen Erklärung dieses Wortes nicht weiter auszuführen. Die Nachricht dieses auctor incertus gibt also dem Prätor urbanus genau die Stellung, welche ich für diesen aus ganz anderen Prämissen gewonnen habe. Ich muss also folgern, dass die Nachricht dieses Auctor's auf die Zeit nach der lex Aebu-' tia und vor dem Untergange der Republik zu beziehen ist. Dies muss um so mehr angenommen werden, weil dieser Auctor auch die Stellung des Prätor peregrinus genau so angibt, wie sie sich nach der lex Aebutia gestaltet hatte. Während nämlich Pomponius in der Stelle über den zweiten Prätor durch sein,,etiam" und „plerumque" andeutet, dass dieser Prätor in ältester Zeit keine ihm allein zukommende Jurisdiction hatte, und nur ein Mitarbeiter des Prätor urbanus eventuell der Consuln war, spricht ihm dieser Auctor eine ihm allein

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zukommende Jurisdiction zu: praetores peregrini in urbe ideo constituti erant, ut peregrinis inter se disceptantibus jus dicerent, quia praetor urbanus sufficere non poterat. Die freien Excerpte dieses Auctor's müssen also einer Schrift entlehnt sein, welche noch die republicanichen Magistrate behandelt hatte. Vielleicht war es dieselbe Quelle, aus welchen auch Pomponius geschöpft hatte. In die Kaiserzeit kann ich diese Nachricht darum nicht verlegen, vorerst weil der Prätor urbanus der Kaiserzeit nicht mehr als Reformator der leges oder der Bestimmungen des grundgesetzlichen Civilrechts sich bezeichnen liess, dann aber auch darum, weil der Prätor urbanus und peregrinus dem Princeps gegenüber bereits wieder gleichgestellt waren, in dieser Nachricht aber der Prätor urbanus allein als das eigentliche und centrale Organ der Rechtsentwicklung, der Prätor peregrinus hingegen genau in jener Stellung erkennbar wird, welche ich oben angegeben habe. Ich glaube also die Nachricht des von Huschke edirten Auctor incertus als eine nachträgliche Bestätigung meiner bisherigen Beweisführung betrachten zu dürfen. Zum Schlusse meiner Erörterungen über die lex Aebutia habe ich noch eine Einwendung zu beachten, welche Bekker 5) gegen diejenigen erhoben hat, welche diesem Gesetze eine grössere Bedeutung zuerkannt hatten: Wenn die lex Aebutia wirklich ein so kräftig reformirendes Gesetz war, dass ihr weit greifender Einfluss nie zu verkennen war, wie kommt es dann, dass wir sie auch bei Cicero nirgends erwähnt finden, der doch so oft von den juristischen Spitzfindigkeiten spricht?" Weil das Gewicht dieser Einwendung mich ganz besonders trifft, so bin ich genöthigt, ihr einige Bemerkungen entgegen zu setzen.

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Aus der Art, wie der Ps. Asconius die Stelle, in welcher Cicero die Begründung des prätorischen Rechtes auf einen besonderen Act zurückführt, (in Verrem II lib. I c. 44), commentirt:,,quasi diceret, postconditam urbem aut posthominum memoriam" lässt sich entnehmen, dass die lex Aebutia nicht zu den gemein bekannten Gesetzen gehörte. Es ist jedoch nicht schwer, die Gründe für diese Erscheinung aufzufinden.

Vor der lex Aebutia hatten die Pontifices auch für die Aufbewahrung und Erhaltung aller auf das Civilrecht sich beziehenden Gesetze zu sorgen; dieses Gesetz hatte aber das Civilrecht für alle Zeiten vom Sacralrecht getrennt, wesshalb von jetzt an die auf das Civilrecht sich beziehenden Gesetze für die Pontifices nur mehr ein rein

5) Prozessual-Consumption S. 33.

wissenschaftliches Interesse hatten. Seit aber die Pontifices mit der officiellen Aufbewahrung der Gesetze nichts mehr zu thun hatten, scheint es mit der Aufbewahrung und Erhaltung der Gesetze in Rom nicht am besten bestellt gewesen zu sein, weil Cicero de legib. III c. 4 dafür ein besonderes Grundgesetz formuliren zu müssen glaubt, und dieses in III c. 20 so motivirt: extremae leges sunt nobis non usitatae, rei publicae necessariae. Legum custodiam nullam habemus, itaque eae leges sunt, quas apparitores nostri volunt: a librariis petimus, publicis litteris consignatam memoriam publicam nullam habemus. (z. vgl. Mommsen, röm. Staatsr. I. S. 274).

Wenn nun bedacht wird, welche Stürme Rom nach den sechs für innere Reformen benützten, leidlichen Friedensjahren (464-470) zu bestehen hatte, wie es schon wieder im Jahre 471 mit den senonischen Galliern und den Etruskern, im J. 472 mit den Samniten, Lucanern, Bruttiern und Tarentinern, vom J. 473 bis 479 mit Pyrrhus zu kämpfen, und in der Zeit von 482 bis 484 schon die Einigung Italiens bewerkstelligt hatte, wie dann im Jahre 490 bereits der erste punische Krieg beginnt und bis 513 dauert; wie weiter die Bewegungen im Cisalpinischen Gallien ausbrechen, und hierauf die Kämpfe gegen die Ligurer, Sardinier, Illyrier, folgen, dann aber die Bojer, Insubrer, Turdisker und Gäsaten in Etrurien einfallen und diese Kriege die Römer bis 535 d. St. beschäftigen, wo bereits wieder der zweite punisehe Krieg beginnt, und bis 553 dauert: so muss eingeräumt werden, dass in diesen auf die lex Aebutia folgenden 88 Jahren, in welchen Rom wieder mehrmals um seine Existenz zu kämpfen hatte, für literarische Beschäftigungen kein Raum geboten Die literarische Thätigkeit fing sich erst zu regen an, nachdem die Schrecken Hannibals überstanden waren. Erst nach dem zweiten punischen Kriege schreibt Fabius Pictor (nach 533) als erster römischer Annalist seine Geschichte Roms von der Gründung der Stadt bis zum Ende des zweiten punischen Krieges. Ihm folgen P. Scipio (um 590), Acilius Glabrio, M. Porcius Cato, (nicht lange nach 586), allein ihre geschichtlichen Versuche behandelten nur die Kriegs- und politische Geschichte Roms; die Rechtsgechichte fand, mit Ausnahme Varro's, keinen Bearbeiter, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil sie als eine unfruchtbare Disciplin betrachtet wurde. Ausserdem war die lex Aebutia ein Gesetz, dessen Durchsetzung im Augenblicke zwar von Fachkundigen gewürdigt werden konnte, dessen volle Bedeutung für das römische Civilrecht aber damals noch Niemand zu ermessen im Stande war, eine Eigenschaft

war.

dieses Gesetzes, welche einst sogar Bekker selbst (a. a. O.) vermuthet hat. Die ganze Tragweite der lex Aebutia liess sich erst in jener Zeit erkennen, in welcher ihre langsam reifenden Früchte bereits gezeitigt vorlagen, nämlich in der Zeit der leges Juliae Augusti: es ist somit gewiss ein gewichtiger Beweis für die grosse Bedeutung dieses Verfassungsgesetzes, dass es trotz seines hohen Alters und der schlecht bestellten Ueberlieferung sogar noch den Juristen der Kaiserzeit wohl bekannt war, zumal wenn wir berücksichtigen, wie sehr dem römischen Volke schon in der ersten Kaiserzeit der Sinn für das Rechtsleben seiner grossen Vergangenheit, und damit auch die Kenntniss seiner alten Verfassungsgesetze abhanden gekommen war: Transeo prima discentium elementa, in quibus et ipsis parum elaboratur; nec in auctoribus cognoscendis, nec in evolvenda antiquitate, nec in notitia vel rerum vel hominum vel temporum satis operae insumitur (Dialog. de orat. c. 29).

Die Beziehung des Pontifical-Collegiums zu den Reformen des Pätor urbanus nach der lex Aebutia.

§. 30. Die reformatorische Thätigkeit des Prätor urbanus bestimmte sich natürlich nach den Verhältnissen der Rechtskunde, welche zur Zeit der lex Aebutia bestanden und noch lange nachher fortdauerten. Von der Publication des jus Flavianum bis zur lex Aebutia waren 15 Jahre verflossen, welche aber wegen der Fortdauer der Kämpfe mit den gefürchteten Samniten für die Beschäftigungen des Friedens und die Pflege der Wissenschaft keinen Raum boten. Mit dem Abschluss des grundgesetzlichen Civilrechts und mit jener Publikation war also nur soviel erreicht, dass jetzt das geltende Recht jedem zugänglich gemacht, und für die Bedürfnisse der Civilrechtspflege dadurch in ergiebigerer Weise gesorgt war, dass die Kenntniss des geltenden Rechtes ein Gemeingut der Nation werden konnte. Wer also Fähigkeit und Neigung besass, der konnte jetzt, mochte er Patricier oder Plebejer sein, sicher erwarten, dass ihm die Kenntniss des geltenden Civilrechts in der Geltendmachung seiner Persönlichkeit im öffentlichen Leben sehr zu Statten kommen werde. 1) Allein die rein praktische Richtung in

1) Livius, 39, 40: Ad summos honores alios scientia juris provexit. Cicero de off. II 19, §. 65: In jure cavere, consilio juvare atque hoc scientiae genere prodesse quam plurimis vehementer et ad opes augendas pertinet, et ad gratiam. Itaque cum multa praeclara majorum tum quod optime constituti juris civilis summo semper in honore fuit cognitio atque interpretatio.

der Thätigkeit der Kenner des Civilrechts musste so lange dauern, als die Kriege das ganze Leben des Volkes absorbirten, was bis zur Beendigung des zweiten punischen Krieges im Jahre 553 d. St. der Fall war. Die wissenschaftliche Pflege des Civilrechts war also mehr als ein Jahrhundert nach der lex Aebutia durch die politischen Verhältnisse Roms ausgeschlossen, woraus aber folgt, dass der Prätor urbanus der Unterstützung jener wissenschaftlichen Jurisprudenz der Privaten noch sehr lange entbehren musste, welche später an der Rechtsentwicklung einen so hervorragenden Antheil nahm. Unter denjenigen,,,qui jus civile fundaverunt" wird von Pomponius 2) zuerst Publius Mucius Scaevola genannt; dieser war erst im Jahre 621 d. St. Consul und im J. 623 Pontifex Maximus 3). Aber auch dieses Mannes wissenschaftliche Arbeit lässt sich nur als ein erster Versuch bezeichnen, weil Pomponius 4) ein einheitliches und gegliedertes System des Civilrechts erst dessen Sohne Q. Mucius Scaevola zuschreibt (jus civile primus constituit), welcher im J. 659 Consul war und als Pontifex Maximus im J. 671 ermordet wurde.5) Die Rechtskunde hatte also noch lange Zeit nach der lex Aebutia ihren Sitz im Pontifical-Collegium, was sich auch daraus folgern lässt, dass das jus divinum wegen seiner vielen Beziehungen zum jus civile einer einseitigen Pflege widerstrebte, und somit die Pontifices zwang, auch mit dem Civilrecht sich ernst zu beschäftigen "). Es ist daher sehr glaublich, dass auch nach der lex Aebutia zum Pontificat, welches seit der lex Ogulnia auch den Plebejern zugänglich war, nur die utriusque juris prudentes gelangten, wesshalb ich der Erzählung, dass der erste plebeische Pontifex P. Sempronius Sophus (Consul 450) und der erste plebeische Pontifex Maximus, Tib. Coruncanius (Consul 474, Pontifex Maximus 500 oder 501) ihre Ehrenämter der Rechtskenntniss verdankten, nicht mit Mommsen 7) die Natur der Ueberlieferung versagen und als blosse Muthmassung der Späteren betrachten möchte. Es ist dies meines Erachtens einer der Erklärungsgründe, warum die Schule der Pontifices ihren thatsächlichen Einfluss auf das Civilrecht erst im Zeitalter Cicero's einbüsste und warum ihre Principien die Entwicklung des Civilrechts noch mehr als ein Jahrhundert beherrschten.

Aus diesen Thatsachen glaube ich folgern zu dürfen, dass die Pontifices dem Prätor urbanus und dem rechtsuchenden Publikum gegenüber

2) L. 2 §. 39 D. de orig. jur.

4) a. a. O. §. 41.

3) Rudorff RG. I. S. 159.
5) Rudorff a. a. O. S. 160.

6) Cicero de leg. II, 19 §. 47; Ihering, Geist I. S. 293.
7) Röm. Gesch. I. 1 S. 474.

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