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rario). Ueber diese viginti quinque asses berichtet nun Gaius in III, 223: Poena autem ex lege duodecim tabularum propter membrum ruptum talio erat, propter os vero fractum aut conlisum trecentorum assium poena erat statuta, si libero os fractum erat; at si servo, C. L: propter ceteras vero injurias XXV assium poena erat constituta, woraus ersichtlich ist, dass Gellius mit den erwähnten 25 asses die poena der Lex bezeichnet, welche für alle,,übrigen Injurien" festgesetzt war. Nun aber berichtet derselbe Gellius über die Abschaffung dieser poena in XX, 1. §. 12-14 folgendes: Nonne tibi quoque videtur nimis esse dilutum, quod ita de injuria punienda scriptum est: Si injuriam alteri faxit, viginti quinque aeris poena sunto". Quis enim erit tam inops, quem ab injuriae faciendae libidine viginti quinque asses deterreant? Itaque cum eam Labeo quoque vester in libris, quos ad duodecim tabulas conscripsit, non probaret', tum,,inquit" L. Veratius fuit egregie homo improbus atque immani vecordia. Is pro delectamento habebat, os hominis liberi manus suae palma verberare. Eum servus sequebatur ferens crumenam plenam assium; ut quemque depalmaverat, numerari statim secundum duodecim tabulas viginti quinque asses jubebat. Propterea, inquit, praetores postea hanc abolescere et relinqui censuerunt, injuriisque aestumandis recuperatores se daturos esse edixerunt1).

Unter den Prätoren sind hier auch die Fremdenprätoren zu verstehen; weil jedoch ihr Verhältniss zu den Stadtprätoren nach der lex Aebutia erst unten erörtert werden kann, so sei es mir gestattet, vorerst nur von den Stadtprätoren zu sprechen.

In XVI. 10. sagt Gellius, die 25 asses, welche er in Uebereinstimmung mit Gaius als die poena der Lex für die leichten Injurien bezeichnet, seien in Folge der lex Aebutia nach und nach ausser Uebung gekommen, und in XX. 1. §. 13 erklärt er dieses,,ausser Geltung kommen" durch die nähere Angabe, dass die Prätoren diese Bestimmung des Grundgesetzes ,,abolescere et relinqui censuerunt, injuriisque aestumandis recuperatores se daturos esse edixerunt. Diese Bestimmung des Grundgesetzes wurde also nur insofern durch die lex Aebutia ausser Uebung gesetzt, als dieses Gesetz den Prätoren die potestates edicendi summae verliehen hatte. Die Art der Beseitigung dieser grundgesetzlichen Bestimmung durch die Prätoren ist bei Gaius III, 224 näher dargelegt. Die Stadtprätoren hatten also die poena der viginti quinque asses durch Edicte nach und nach ausser Geltung gesetzt. Diese Edicte enthielten nun

1) Huschke, Jurisprud. pag. 47.

eine Correctur jener grundgesetzlichen Bestimmung, folglich musste in dem jus edicendi summum, welches die lex Aebutia dem Prätor urbanus verliehen hatte, auch die potestas juris civilis corrigendi enthalten gewesen sein. Die angeführte Stelle des Gellius gibt aber auch Aufschluss über die Art, wie der Prätor urbanus von dieser potestas Gebrauch machte. Es ist an sich einleuchtend, dass der Prätor urbanus sich nur ungern entschloss, eine Bestimmung des Grundgesetzes zu corrigiren, und dass zwingende Verhältnisse eintreten mussten, bis er bewogen werden konnte an die Grundlagen des nationalen Rechtslebens Hand anzulegen. Die Stelle aus Labeo's Commentar sagt nämlich aber zugleich, dass, ungeachtet die Valuta-Verhältnisse schon lange ganz andere geworden waren, die 25 asses fast werthlos erschienen, diese poena der Lex also schon illusorisch geworden war, dass ungeachtet dieser zwingenden Momente es sogar noch eines öffentlichen Scandals bedurfte, bis der Prätor urbanus sich entschloss, von der ihm verliehenen potestas juris civilis corrigendi Gebrauch zu machen. Unter den Bestimmungen des Grundgesetzes, welche durch das dem Prätor urbanus ertheilte jus edicendi summum nach und nach ausser Geltung kamen, nennt Gellius weiter die furtorum quaestio lance et licio. Wie diese Bestimmung ausser Geltung kam, gibt Gaius in III, 192 näher an: Prohibiti actio quadrupli ex edicto praetoris introducta est: lex autem eo nomine nullam poenam constituit: hoc solum praecipit, ut qui quaerere velit, nudus quaerat linteo (= liceo) cinctus lancem habens, qui si quid invenerit, jubet id lex furtum manifestum esse. (Den diese Haussuchung verweigernden Dieb traf als einen confessus sofort die manus injectio).

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Diese furtorum quaestio wurde also durch die Edicte der Stadtprätoren nach und nach ausser Uebung gesetzt: auch diese Edicte enthielten aber eine Correctur jener grundgesetzlichen Bestimmung, folglich musste in der dem Prätor urbanus durch die lex Aebutia ertheilten potestas edicendi summa auch die potestas juris civilis corrigendi enthalten gewesen sein.

Aus Gellius XVI 10. §. 10, verglichen mit XX. 1 §. 12-14 und Gaius III 223 und 192, ergibt sich, dass die besprochenen 25 asses und die furtorum quaestio lance et licio direct durch das Edict, indirect durch die das jus edicendi summum der Prätoren begründende lex Aebutia nach und nach ausser Geltung kommen. Wurden nun die 25 asses und die erwähnte furtorum quaestio des Grundgesetzes direct durch das Edict, indirect durch die lex Aebutia ausser Geltung gesetzt, dann ist auch die ,,omnis illa duodecim tabularum antiquitas" direct durch das Edict, indirect durch

die lex Aebutia ausser Geltung gesetzt und thatsächlich aufgehoben worden. Weil aber die Edicte, durch welche alle diese Bestimmungen des Grundgesetzes ausser Uebung kamen, eine Correctur des Grundgesetzes enthielten, so dienen sie zugleich zum Beweise, dass der Prätor urbanus durch die lex Aebutia die potestas juris civilis corrigendi erhalten hatte.

Wenn es auch unbekannt wäre, welche Politik die römischen Juristen für die Civilrechtsentwicklung als eine durch die gegebenen Verhältnisse geboten und von der bisherigen Erfahrung glänzend bestätigte empfohlen hatten, wenn es auch unbekannt wäre, dass diese Politik sich in der Verleihung der den Decemvirn ertheilten potestates kundgab; so müsste doch demjenigen, welchem die potestas juris civilis corrigendi verliehen wurde, zunächst auch die potestas juris civilis supplendi zuerkannt werden, weil diese potestas ihrer Natur nach als die unentbehrlichere erscheint. Ein schlechtes Gesetz ist besser als keines, weil das menschliche Leben ohne positive Ordnung der Verhältnisse nicht bestehen kann. Hat nun der Prätor urbanus durch die potestas edicendi summa die potestas juris civilis corrigendi erhalten, so musste in dieser potestas edicendi summa auch die potestas juris civilis supplendi enthalten gewesen sein. Die lex Aebutia muss also dem Prätor urbanus auch die potestas juris civilis supplendi verliehen haben. Eineausdrückliche Bestätigung dessen, was sich hier aus den Bedürfnissen des Lebens und dem von Gellius und Gaius für die Prätoren bezeugten jus edicendi summum von selbst ergibt, enthält die bekannte Stelle Papinians in der L. 7. §. 1. D. de just. et jure (1, 1): Jus praetorium est, quod praetores introduxerunt adjuvandi vel supplendi vel corrigendi juris civilis gratia propter utilitaten publicam. Die hier von Papinian gebrauchte Wendung „,quod praetores introduxerunt" scheint für die herrschende Lehre zu sprechen, dass die Prätoren das jus honorarium durch ihr Imperium eigenmächtig begründet haben, allein mag Papinian den Zusammenhang des jus praetorium mit der lex Aebutia gekannt haben oder nicht, so viel war ihm gewiss bekannt, dass der Prätor kraft seines Imperium eigenmächtig nicht einmal einen Vormund bestellen 2) oder einen Vergleich über Alimente bewilligen durfte 3). Papinian wird es also wohl nicht für möglich gehalten haben, dass die Prätoren sich erlaubt hätten, eigenmächtig an die Grundgesetze des römischen Volkes Hand anzulegen,

2) L. 6. §. 2. D. de tut. (26, 1); vgl. Gaius, I, 185.

3) L. 8. pr. §. 18. D. de transact. (2, 15).

da doch Cicero und Gellius die Begründung des prätorischen Rechtes einem besonderen Act zuschreiben. Puchta 4) wählt zur Erklärung des von Papinian erwähnten adjuvare jus civile die Art,,wie der Prätor die lex Cincia durch die dem Schenker gegebene exceptio oder condictio in Wirksamkeit gesetzt habe". Allein das adjuvare jus civile setzt einen schon vorhandenen Anspruch voraus, dessen Realisirung gesichert wurde, was vor der lex Silia kraft seines Imperiums nur durch Ertheilung des Besitzes und durch Auferlegung (nicht Conception) der Cautionen, nach der lex Silia aber durch Besitzertheilungen und rechtsbildende stipulationes praetoriae erreichte. Auch ist das corrigere nicht mit Puchta durch ,,ändern" wieder zu geben, weil ändern nicht corrigere, sondern mutare heisst. Das corrigere schliesst vielmehr die zwei Gedanken in sich, dass man vorerst etwas Bestehendes beseitigt, das Beseitigte aber dann durch etwas Besseres ersetzt. Die potestas juris civilis corrigendi ist also keine Befugniss zur blossen Abänderung (mutatio), sondern sie ist nur die Befugniss zur Verbesserung oder Reform. Wer also diese potestas in Anwendung bringen will, muss sich zweimal überlegen, ob das, was er für das bessere hält, auch wirklich das bessere ist. Nur wenn der Prätor bloss die Formen des Civilrechts beschränkte oder beseitigte, fiel das corrigere mit dem einfachen Beseitigen zusammen. Die potestas juris civilis interpretandi des Prätors urbanus nennt hier Papinian mit Recht nicht, einerseits, weil die Ergebnisse der Interpretation des Prätor urbanus nicht zum praetorium, sondern zum jus civile gehörten, andererseits, weil der in jener Stelle einbezogene Prätor peregrinus diese potestas nicht hatte. Eine umfassende Bestätigung des hier über die Ertheilung der potestas juris civilis supplendi Gesagten enthält die schon oben abgedruckte Stelle des Pomponius in der L. 2. §. 10. D. de orig. jur., wo den Prätoren schon die ganze Machtfülle zuerkannt wird.

Musste nun durch die Verleihung der potestas juris civilis corrigendi et supplendi die Fortentwicklung des Civilrechts dem Prätor urbanus anvertraut werden, dann lag auch die zwingende Nothwendigkeit vor, das Sacralrecht vom Civilrecht zu trennen, und für letzteres die alte königliche potestas legum interpretandarum vom Pontifex Maximus, so wie die Vorstandschaft in den Civilgerichten vom delegirten Pontifex an den Prätor urbanus zu übertragen, wodurch letzterer zum custos juris civilis und praetor maximus wurde (Festus p. 161). Weil nun die Römer auch die

4) Institut. I. S. 350, 351.

Interpretation dem Begriffe der Jurisdiction unterordneten, so muss unter den von Gellius in XVI. 10 erwähnten Jurisdictionen auch die potestas juris civilis interpretandi des Prätor urbanus verstanden werden. Der allgemeine Inhalt der lex Aebutia, insofern sich dieselbe auf den Prätor urbanus bezieht, bestimmt sich also dahin, dass dieser durch sie erhielt: 1) die potestas juris civilis interpretandi, 2) die potestas juris civilis corrigendi, 3) die potestas juris civilis supplendi.

Schon hieraus aber wird es klar, dass der Einfluss der lex Aebutia nicht auf die Klagformeln zu beschränken ist, sondern dass ihr ein entscheidender Einfluss auf die Fortentwicklung des ganzen Civilrechts zuerkannt werden muss").

Die Form der Publication des prätorischen Rechts.

§. 23. Schon der Umstand, dass Gaius in I. 6 die auf das prätorische Recht sich beziehenden Jurisdictionen der Prätoren (vgl. Gellius XVI. 10) als jus edicendi amplissimum bezeichnet, lässt folgern, dass für die Ausübung dieser Jurisdictionen eine bestimmte Form der Publication vorgeschrieben war. Wenn nun Pomponius (a. a. O.) das jura reddere der Magistrate unmittelbar mit dem edicta proponere verbindet, und sich dabei des Imperfectums: jura reddebant, edicta proponebant, bedient, so muss angenommen werden, dass die lex Aebutia auch eine Clausel über die Publication des prätorischen Rechtes enthielt. Weil die Imperfecta als Formen der werdenden Handlung in der Vergangenheit eine Wiederholung

5) Es ist vielleicht nicht überflüssig auf einen Vorgang in der Geschichte des englischen Privatrechts einen vergleichenden Blick zu werfen. Als das alte Civilrecht Englands (Common Law) dem Fortschritte der Zeit nicht mehr genügte, wurde dem Lord-Kanzler ebenfalls eine Art potestas juris civilis corrigendi et supplendi übertragen. Ursprünglich lag auch in England die Pflege des Civilrechts in den Händen des königlichen Beirathes, des Permanent Council, gerade wie in Rom das Pontifical-Collegium einen solchen Beirath des Königs bildete. Wie nun später, als das Königthum beseitigt worden war, das Pontifical-Collegium einen Pontifex für die Civilgerichte delegirte, so musste auch in England mit der Zeit ein eigener Court of Equity aus dem Permanent Council ausgesondert und gebildet werden. Allein mit der Zeit genügte auch dieser Court of Equity nicht mehr, und darum erhielt der LordKanzler eine Stellung, welche von jener des Prätor urbanus in Rom zwar principiell verschieden ist, gleichwohl aber gewisse nicht uninteressante Analogien bietet, welche Rudolph Gneist kurz zusammen gefasst hat in seinem Englischen Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1867 II. Bnd. S. 1257 u. 1259; vgl. Bnd. I. S. 346, 357, 512, 643.

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