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Aulus Posthumius gelegenen wichtigen Praecedenzfall und mit dem späteren Ehrenhandel des G. Valerius Falto mit dem Consul Lutatius Catulus über die Frage des Sieges und des Triumphes (Valerius Maximus II, 8, 2). Ohne diese Nebenumstände wäre wohl auch Valerius Falto und seine Wahl nicht erwähnt worden, und die Einsetzung des zweiten Prätors hätte somit in eine noch spätere Zeit gesetzt werden müssen.

Diese Annahme findet eine directe Bestätigung durch die Angabe, wornach Sicilien schon seit 513 von einem Prätor verwaltet wurde 13a). Da aber nach Livius epit. XX und Pomponius L. 2. §. 32. D. de orig. jur. die Zahl der Prätoren erst im Jahre 527 von zwei auf vier erhöht wurde 14), so kann unter jenem Prätor, welchen Appian schon im Jahre 513 Sicilien verwalten lässt, nur Einer der beiden Prätoren verstanden werden, wobei natürlich nicht an den Prätor urbanus gedacht werden kann. Damit aber wird das Resultat Niebuhr's 15) gewonnen, wornach der zweite Prätor zugleich die Verwaltung Siciliens führte, bis die Zahl der Prätoren auf vier erhöht wurde. Wenn aber der zweite Prätor während und nach dem ersten punischen Kriege auch die Consuln zu unterstützen hatte, so kann das Bedürfniss dieser Unterstützung nicht erst in der Zeit des ersten punischen Krieges entstanden sein, weil die Römer in dieser Zeit die gefährlichsten Krisen, nämlich die des Samniterkrieges, bereits überstanden hatten. Die Wahl des Q. Valerius Falto wurde also hinterher desshalb als erste Wahl eines zweiten Prätors angenommen, weil dieser zweite Prätor zuerst durch die obenerwähnten Nebenumstände seines Commandos in der Geschichte genannt worden war. So lässt sich auch die Differenz in den Angaben des Epitomator des Livius und Joannes Lydus erklären. Da nämlich des Lydus Angabe über die Dictatur des Fabius um drei Jahre differirt, so hat Lydus wohl nur die in das Jahr 510 beziehungsweise 511 fallende Wahl des Q. Valerius Falto gemeint, und diese Wahl als die erste Wahl eines zweiten Prätors angegeben. Allein, wie schon bemerkt wurde, das Bedürfniss eines vierten magistratus cum imperio kann sich nicht erst im Jahre 510 oder 511 oder gar erst nach der Eroberung von Sicilien, ja überhaupt nicht erst im sechsten Jahrhundert der Stadt geltend gemacht haben, da

13a) Appian. Sic. 2. φόρους τε ἀυτοῖς ἐπέθεσαν καὶ τέλη τὰ θαλάσσια ταῖς πόλεσι μερισάμενοι στράτηγον ἔτησιον ἔπεμπον ἐς Σικελίαν. vgl. BeckerMarquardt, Röm. Alterth. III. 1. S. 74.

14) So auch Mommsen Röm. Gesch. I. 2. S. 550. 15) Röm. Gesch. III. S. 732.

wir wissen, dass Rom schon im Jahre 488 d. St. als italische Grossmacht da stand, und sein Machtgebiet schon in dieser Zeit von der Südspitze Italiens bis zu den Flüssen Rubicon und Macra im Norden reichte. Wie nun die anderen Nachrichten des Pomponius anderweitige Bestätigung fanden, so entspricht auch seine Nachricht über die Einsetzung des zweiten Prätors sowohl den inneren als äusseren Verhältnissen Roms. Schon im Jahre 408 d. St. finden wir dem Stadt-Prätor L. Pinarius neben dem Consul Camillus ein militärisches Commando übertragen (vgl. aber Mommsen, röm. Staatsr. I. S. 176, Note 3); dasselbe gilt vom Prätor L. Caecilius im Jahre 471 (Livius VII, 25, epit. 12). Vom Prätor Q. Valerius Falto war so eben die Rede. Im zweiten punischen Kriege erhielten einmal sogar beide Prätoren militärische Aufträge (Livius 23, 32 vgl. 27, 7). „Die Verwendung der beiden richterlichen Prätoren für den Krieg, schreibt Lange 1), ward aber in der Regel überflüssig, als in Folge der Ausdehnung des römischen Herrschaftsgebietes ohnehin die beiden Consuln für die Kriegführung und die dauernde Occupation ausseritalischer Besitzungen nicht genügten und das Bedürfniss nach einer grösseren Zahl von Magistraten cum imperio eintrat," (im Jahre 527).

Ich habe nun noch die allgemeine Zeitbestimmung des Pomponius für die Einsetzung des zweiten Prätors mit dem Resultate in Einklang zu bringen, zu welchem ich oben gelangt bin.

Vor allem ist hervorzuheben, dass Pomponius mit grossen Zeiträumen zu thun hat, und dass somit bei ihm Ausdrücke, wie „fere, post aliquot annos, non post multum temporis" von diesem Standpunkte aus beurtheilt werden müssen. Zur Bestimmung der Dauer des Einflusses der Pontifices auf das Civilrecht nach der Decemviralgesetzgebung gebraucht er die Wendung ,,ungefähr (fere) hundert Jahre". Wie erwähnt, lässt auch die herrschende Ansicht den Einfluss der Pontifices auf das Civilrecht um das Jahr 450 aufhören, während sich nach meinen Untersuchungen das Jahr 465 herausstellt. Unter dem,,ungefähr (fere)" des Pomponius dürfte also etwa ein halbes Jahrhundert zu verstehen sein. Das jus Flavianum wurde im Jahre 450, das jus Aelianum um das Jahr 550 publicirt, dennoch aber sagt Pomponius über die Zeit der Publication des letzteren im Verhältniss zur Publication des ersteren im §. 7 nur:,,non post multum temporis", woraus ersichtlich ist, dass Pomponius, welcher über Jahrhunderte Bericht zu erstatten hatte, ein ganzes Jahrhundert als kein longum tempus betrachtete. Ich

16) Alterth. I. S. 660.

Puntschart, Civilrecht der Römer.

glaube also in Anbetracht dieser Redeweise des Pomponius unter seinem Ausdruck „post aliquot annos" ungefähr das verstehen zu dürfen, was ich so eben unter ,,fere" verstand, nämlich ein halbes Jahrhundert. Werden nun 50 Jahre zu 387 (Zeit der Errichtung der Prätura urbana) gerechnet, so erhält man das Jahr 437 als das Jahr der Einsetzung des zweiten Prätors, was im Vergleich mit meiner Zeitbestimmung (433) nur die unerhebliche Differenz von 4 Jahren ergibt. Die Einsetzung des zweiten Prätors ist also auch nach Pomponius in jenes Jahr zu setzen, in welchem Rom erleben musste, was es bis dahin nicht erlebt hatte, und wovon es auch später alle Jahrhunderte verschont blieb, dass seine beiden Consuln, Spurius Postumius und Titus Veturius die Waffen strecken, und mit ihrem entwaffneten Heere unter dem Galgen abziehen mussten, ich meine die furchtbare Katastrophe in dem Passe von Caudium im Jahre 433, also ein Jahr, in welchem Rom im zweiten Samniterkriege mit dem Aufgebot aller Kräfte um seine Existenz zu kämpfen hatte.

Ich glaube also meine Behauptung, dass die lex Papiria, nach der bisherigen Annahme in das Jahr 465 zu setzen, und dieses Jahr als das erste Jahr der grossen Reform zu betrachten ist, aufrecht halten zu müssen.

Bestimmung des Verfassungsgesetzes, durch welches dem Prätor urbanus und peregrinus die neuen Jurisdictionen im Sinne der potestates edicendi summae verliehen wurden, in Folge davon aber auf den Prätor urbanus auch die civilrechtliche potestas legum interpretandarum des Pontifex Maximus und die Vorstandschaft des delegirten Pontifex in den Civilgerichten übertragen werden mussten.

Vorbemerkungen.

§. 19. Die legislative Methode der römischen Juristen der ältesten Zeit, also der Pontifices, lässt sich an der Decemviralgesetzgebung genau erkennen. Dass die Schule der Pontifices in der Zeit, von welcher ich spreche, ihren Einfluss nicht eingebüsst haben konnte, leuchtet aus den bisherigen Darlegungen ihrer Wirksamkeit ein; wir sehen ihren Einfluss sogar erst im Zeitalter Cicero's schwinden. Es ist somit kein Zweifel, dass auch jetzt, wo einerseits die Decemviralgesetzgebung fortzuführen, andererseits aber eine

Reform in der Civilrechtspflege unabweislich geworden war, jener Vorgang beobachtet wurde, welcher bei der grundgesetzlichen Legislation eingehalten wurde, mit dem Unterschiede, dass es sich jetzt nur mehr um die Fortentwicklung des jetzt zum Abschluss gelangten grundgesetzlichen Civilrechts handelte. Die Decemvirn hatten nun erhalten 1) die potestas legum interpretandarum, 2) die potestas legum corrigendarum, 3) die potestas legum supplendarum. Wie sie diese potestates im Gebiete des Civilrechts verwerthet hatten, habe ich oben gezeigt, und ebenso dürfte es nach den bisherigen Ergebnissen feststehen, dass diese Methode der Legislation sich als eine sehr praktische und segensreiche erwies. Es ist also anzunehmen, dass die römischen Juristen ihr bewährtes Princip auch jetzt zur Geltung brachten, freilich mit jener Modification, welche ihnen die bereits gesicherten Grundlagen des Civilrechts und die Bedürfnisse dieser Zeit geboten. Es ist also kein Zweifel, dass jene drei potestates, die einander gegenseitig bedingen, jetzt in modificirter Weise an die richterlichen Magistrate übertragen wurden. Damit ist aber auch das Verfassungsgesetz angedeutet, welches jene grosse Reform vollzog. Ich trage kein Bedenken, den Beweis zu übernehmen, dass dieses Gesetz die lex Aebutia war. Ueber die Zeit und den Inhalt dieses Gesetzes sind aber bisher ganz andere, von einander abweichende Ansichten ausgesprochen worden, wesshalb ich zunächst diese in Kürze zu berücksichtigen habe.

Die Ansichten über die Zeit der lex Aebutia.

§. 20. Es wurde lange Zeit mit Sicherheit angenommen, dass 34 im Jahre 520 ein Volkstribun Aebutius existirt hätte, und dass die lex Aebutia diesem Volkstribun angehörte, also in das Jahr 520 zu setzen sei. Allein die Existenz und das Volkstribunat dieses Aebutius erweist sich bei näherer Untersuchung als eine Vermuthung des Pighius, die aller geschichtlichen Wahrheit entbehrt. Die Vermuthung des Pighius hatte Burchardi in sein Lehrbuch der Institutionen (I. §. 25) aufgenommen, und von hier aus fand sie, wohl nur aus Mangel eigentlicher Anhaltspunkte, nicht nur Eingang in die gewöhnlichen Lehrbücher, sondern sie erhielt sogar, weil lange Zeit geglaubt, eine gewisse durch ihr Alter geheiligte Auctorität.

Es hat nun zwei Familien der Aebutier gegeben, eine patricische und eine plebeische. Aus der patricischen werden vom Jahre 255 bis 586 d. St. fünf Aebutier genannt, weiter kommen von 586 bis 710 zwölf Aebutier ohne Cognomen vor, wie überhaupt dieser Name auf Münzen noch aus der spätesten Zeit vorkommt, so dass aus dem

Vorkommen desselben in dieser oder jener Zeit überhaupt kein Schluss auf die Zeit zulässig ist 1).

Puchta 2) setzt dies Gesetz wegen der lex Cincia de donis et muneribus vom J. 550 d. St. in die erste Hälfte des 5. Jahrh., weil diese lex schon eine vollkommene Entwicklung der Macht der richterlichen Magistrate voraussetze. Allein weil Puchta diese Macht der richterl. Magistrate aus dem ursprünglichen Imperium derselben von selbst sich entwickeln lässt, so ist auch mit der lex Cincia kein Anhaltspunkt für die nähere Bestimmung der Zeit der lex Aebutia gegeben. Rudorff3) und Bethmann - Hollweg ) setzen die lex Aebutia wegen der Publication des jus Aelianum (um das Jahr 550) hinter das Jahr 550 d. St., das jus Aelianum aber wird unten ausführlich als eine erst auf Grund der lex Aebutia und lex Silia vollzogene Rechtsentwicklung dargelegt werden. Keller 5) bemerkt nur, dass die Ansichten über das Alter dieses Gesetzes vom Anfang des sechsten, bis zur Mitte des siebenten Jahrhunderts differiren, und Bekker hat seine frühere Zeitbestimmung dieses Gesetzes ) später1) dahin entwickelt, dass die lex Aebutia entweder für ein älteres Gesetz, oder für einen integrirenden Bestandtheil der Julischen Processgesetzgebung zu halten ist. Die Ansicht endlich, welche er in den,,Aktionen des Röm. Pr. R. I", 1871 S. 92 vorträgt, geht dahin, dass dieses Gesetz entweder in die Zeit zwischen dem jus Aelianum und dem Beginn von Cicero's Wirksamkeit zu verlegen, oder mit den leges Juliae in Verbindung zu setzen sei.

Die Ansichten über den Inhalt der lex Aebutia.

§. 21. Die wichtige Frage über den Inhalt der lex Aebutia hat eine sehr reiche Literatur hervorgerufen1). Die verschiedenen Ansichten lassen sich zunächst in zwei Kategorien theilen, von denen die eine (vertreten von Huschke, Puchta, Savigny, Keller, Leist,

1) Pauly's Real - Encyclopaedie, zweite Auflage I. Bd. s. v. Aebutius S. 204 fg.

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1) Huschke, Incerti auct. magist. et sacerd. p. R. exposit. pag. 60; Puchta Institut. I. S. 337-351; Savigny, System V. S. 7. Anmerk. 6; Keller a. a. 0. S. 87-89; Leist, Röm. Rechtssyst. S. 23 Note; Rudorff RG. II. S. 90; Bekker a. a. O. Dernburg, Kritische Zeitschr. für die gesammte RW. I. S. 470, 471; Wieding, Justin. Libellprocess S. 67 fg.; Bethmann - Hollweg Civilpr. II. S. 4, 6, 303.

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