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Pomponius 21) auch die Einsetzung der schon oben besprochenen Decemviri litibus judicandis für die Zeit meldet, in welcher die tresviri capitales als vom Volke zu genehmigende Magistrate eingesetzt wurden. Vor dieser Zeit gehörte die Leitung der GeschwornenDecurien (Decemviri schlechthin genannt) zu den Obliegenheiten des Prätor urbanus, eventuell des zweiten Prätors; als jedoch die beiden Prätoren jene neuen Jurisdictionen erhielten, von welchen so eben die Rede war, mussten sie von diesen untergeordneten Amtsobliegenheiten befreit, und durch niedere Magistrate ersetzt werden, welche als Leiter der Geschwornen-Decurien zwar auch Decemviri hiessen, aber mit dem Beisatze ,,für die Schwurgerichtsverhandlungen der Civilprocesse" (decemviri litibus judicandis).

Es liegt also eine ganze Reihe von Veränderungen in der Civilrechtspflege vor, welche alle in die Zeit der lex Hortensia fallen:

Das jura reddere und edicta proponere der richterlichen Magistrate (Pomponius); die Verleihung neuer Jurisdictionen an die Prätoren (Gellius); die Veränderung in den Gerichtstagen (Mommsen); der plötzliche Wechsel in der Bedeutung des Wortes sacramentum, welcher auf einen Wechsel in der Art der Uebernahme der Verpflichtung zur poena temere litigantium schliessen lässt; der Uebergang der Entscheidung über die poenae temere litigantium an die tresviri capitales (Festus) und die Enthebung der Prätoren von der Leitung der Geschwornen- Decurien und Einsetzung eigener Magistrate zu diesem Zwecke.

Die grosse Reform der Civilrechtspflege ist also in die Zeit der lex Hortensia (467) zu verlegen, und es erübrigt nur mehr das Jahr zu bestimmen, in welchem diese Reform ihren Anfang nahm.

Bestimmung des Jahres dieser Reform

Einsetzung

des zweiten Prätors im Jahre 433 a. u.

§. 18. Weil die Verleihung des jus edicendi summum an den Prätor urbanus die Uebertragung der civilrechtlichen potestas legum interpretandarum des Pontifex Maximus an das Organ der neuen

Alterth. I. S. 758, und in der 2. Aufl. seiner Römischen Geschichte auch noch Mommsen I. S. 405 in das Jahr 465. Auf die in der neuesten Zeit über diese Zeitbestimmung rege gewordenen Zweifel werde ich bald zurückkommen. 21) L. 2. §. 29 et 30 D. de orig. jur.: Deinde quum necessarius esset magistratus, qui haestae praeesset, decemviri litibus judicandis sunt constituti. §. 30: Eodem tempore. et tresviri capitales (scil. sunt con

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stituti).

Rechtsetzung und somit auch die Trennung des Sacralrechts vom Civilrecht zur nothwendigen Folge haben musste, so ist jenes Jahr als das erste Jahr der Reform zu bestimmen, in welchem der Civilprocess sein sacrales Element verlor, und dem entsprechend auch die poenae temere litigantium dem Einflusse der Pontifices entzogen und der Competenz der tresviri capitales zugewiesen wurde. Dieses Jahr aber ist nach Festus das Jahr der lex Papiria, deren Wortlaut oben mitgetheilt wurde. Durch den Wortlaut wird nun der Prätor,,qui posthac erit, qui inter cives jus dicet" beauftragt, tresviros capitales populum rogare. Es ist bekannt, dass die Rogatio des Magistrats und die bejahende Antwort der Volksversammlung den Act der creatio eines Magistrats bildeten. Es fragt sich also, in welchem Jahre die tresviri capitales mögen sie früher unter einem anderen Namen bestanden haben oder nicht zuerst creirt wurden. Hierüber aber heisst es bei Livius epitom. XI: Triumviri capitales tunc primum creati sunt, und diese Nachricht steht zwischen dem Triumphe des Curius Dentatus im Jahre 464 d. St. und der Dictatur des Hortensius im Jahre 467 d. St. verzeichnet, folglich kann nach dieser Angabe die in Rede stehende Creatio der tresviri capitales wohl nur im Jahre 465 d. St. statt gefunden haben. Da aber der Wortlaut derselben lex Papiria, welcher den Prätor zur Rogation der tresviri capitales auffordert, auch das exigere und judicare an die so creirten tresviri capitales überträgt, so muss auch die Beseitigung des Einflusses der Pontifices auf die poenae temere litigantium in dasselbe Jahr 465 d. St. versetzt werden. Da aber diese Beseitigung nur als eine Folge der Trennung des Sacralrechts vom Civilrecht und der Pontifices von der Civilrechtspflege erscheint, so muss auch die Verleihung des jus edicendi summum und die Uebertragung der potestas juris civilis interpretandi an den Prätor urbanus in das Jahr 465 d. St. gesetzt werden.

Das Jahr 465 ist also als das erste Jahr der in Rede stehenden Reform der Civilrechtspflege zu betrachten.

Ich habe nun die Zweifel zu berücksichtigen, welche in neuester Zeit über das Jahr der lex Papiria angeregt wurden.

Den Anlass dazu musste der Wortlaut der lex Papiria bieten, weil er vom praetor, ,,qui inter cives jus dicet" spricht, und damit bereits den praetor,,,qui inter cives et peregrinos jus dicit" voraussetzt, die Errichtung der s. g. Fremdenprätur aber jetzt entweder in das Jahr 507, oder 511 oder 512 d. St. gesetzt wird. Aus diesem Grunde wird nun die lex Papiria jetzt von Rudorff'),

1) R.G. I, S. 368.

Bethmann-Hollweg 2) und Danz 3) hinter das Jahr 507, und zwar von Danz nach dem Vorgange Rudorffs) in das Jahr 511 gesetzt. Mommsen, welcher noch in der zweiten Auflage seiner Geschichte (1856) dieses Gesetz mit Becker, Lange u. s. w. in das Jahr 465 gesetzt hatte, macht jetzt in der fünften Auflage seiner Röm. Geschichte) folgende Bemerkung: „die früher aufgestellte Behauptung, dass diese Dreiherrn bereits der ältesten Zeit angehören, ist desswegen irrig, weil der ältesten Staatsordnung Beamten-Collegien von ungerader Zahl fremd sind. Wahrscheinlich ist die gut beglaubigte Nachricht, dass sie zuerst 465 ernannt wurden (Livius epit. XI.) einfach festzuhalten, und die auch sonst bedenkliche Deduction des Fälschers Licinius Macer (bei Livius IX, 46, VII ein Druckfehler), welcher ihrer vor 450 Erwähnung thut, einfach zu verwerfen. Anfänglich wurden ohne Zweifel, wie dies bei den meisten der späteren magistratus minores der Fall gewesen ist, die Dreiherrn von den Oberbeamten ernannnt; das papirische Plebiscit, das die Ernennung derselben auf die Gemeinde übertrug und zugleich ihre Competenz auf die Eintreibung der Processbussen erstreckte, ist auf jeden Fall, da es den Prätor nennt, qui inter cives jus dicit, erst nach der Einsetzung der Fremdenprätur, also frühestens gegen die Mitte des sechsten Jahrhunderts erlassen."

Die Bestimmung der Zeit der hier in Rede stehenden Reform und die damit im Zusammenhange stehende Bestimmung der Zeit der Einsetzung des zweiten Prätors ist für die Geschichte des römischen Civilrechts von einer so tief greifenden Bedeutung, dass ohne sie eine wirkliche Einsicht in die Entwicklung des römischen Civilrechts geradezu unmöglich wird; ich sehe mich also genöthigt, meine Untersuchungen über diese Reform zu unterbrechen und die Geduld des Lesers für die verwickelte Frage über die Zeit der Errichtung der zweiten Prätur und somit auch über die Zeit der lex Papiria in Anspruch zu nehmen.

Ich habe schon oben bemerkt, dass für die mir vorliegende Frage es unerheblich ist, ob die tresviri capitales vor dem Jahre 465 schon existirten oder nicht; nicht so verhält sich zur vorliegenden Frage aber Mommsens Vorschlag, die Ernennung der tresviri capitales auf Grund von Livius, Epitom. XI für das Jahr 465 festzuhal

2) Civilpr. I. S. 122, Note 2.

3) Ztsch. für R.G. VI. Bnd. 3. Hft. 1867 S. 378. 4) R.G. I. S. 104.

5) I. Bnd. S. 438, Note 1.

ten, die Erweiterung ihrer Competenz, also die Uebertragung des exigere und judicare sacramenta aber frühestens in die Zeit von 550 zu versetzen. Ich finde diesen Vorschlag bedenklich, weil Livius epitom. XI dieselbe creatio meldet, welche die Papiria durch den Ausdruck,,rogare" andeutet, der Wortlaut des Gesetzes aber diese creatio der tresviri mit der von Mommsen vermutheten Erweiterung ihrer Competenz untrennbar verbindet. Diese Nachrichten sind also entweder beide zu verwerfen, oder beide, wie sie. vorliegen, für glaubwürdig zu halten. Weil aber den zweiten Prätor nicht bloss die lex Papiria, sondern auch die oben besprochenen Stellen des Pomponius und Gellius kennen, so müsste Mommsen folgerichtig auch seine Angabe über die Zeit der Erweiterung des ager Romanus, über das Sinken des Einflusses der Comitien und. den gesteigerten Einfluss des Senates nicht in die Zeit der lex Hortensia, sondern ebenfalls erst um das Jahr 550 verlegen. Als den bestimmenden Grund seiner Ansicht gibt Mommsen ausdrücklich die jetzt allgemein gebilligte Annahme, dass die Errichtung der zweiten Prätorstelle erst in die ersten Jahre des sechsten Jahrhunderts d. St. zu setzen ist. Ich habe also hier nicht Mommsens Ansicht, sondern vielmehr die Quellen zu prüfen, auf welchen die bisherige Annahme beruht, dass der zweite Prätor erst in den ersten Jahren des sechsten Jahrhunderts eingesetzt wurde.

Auf Grund der in der Note 11 S. 148 des ersten Theils seiner Rechtsgeschichte angeführten Stellen setzt Rudorff die Errichtung der zweiten Prätur in das Jahr 507, mit zweifelnder Berücksichtigung des Jahres 505; Becker) um das Jahr 511; Lange') zwischen 507 und 512, wobei nur zu constatiren ist, dass Becker und Lange die Notiz bei Gellius X, 6 nicht berücksichtigen. Die hier berührten Stellen lauten:

1) Liv. epitom. lib. XIX: Cum Poenis captivorum commutatio facta est. Coloniae deductae sunt Fregenae (im Jahre 509), in agro Sallentino Brundisium (im Jahre 510, Momms en a. a. O. I. 2, S. 554). Lustrum a censoribus conditum est. Censa sunt civium capita ducenta quinquaginta unum millia, ducenta viginti duo. Claudia, soror P. Claudii, qui contemtis auspiciis male pugnaverat, a ludis revertens, quum turba premeretur, dixit: Utinam frater meus viveret, iterumque classem duceret! Ob eam causam multa ei dicta est. Duo praetores tum primum creati sunt. Caecilius Metellus pontifex Maximus A. Postumium consulem, quoniam idem et flamen Martialis erat, quum is ad bellum gerendum proficisci vellet,

6) Alterth, II. 2. S. 183.

7) Alterth. I. S. 659.

in urbe tenuit, nec passus est a sacris decedere (im Jahre 512 d. St. Becker a. a. 0.). Rebus adversus Poenos a pluribus ducibus prospere gestis summam victoriae C. Lutatius consul victa ad Aegates insulas classe Poenorum imposuit (im Jahre 512).

Zu dieser Stelle bemerkt Becker a. a. O.: Die Erwähnung (der Einsetzung der Fremdenprätur) geschieht nach dem Census des Jahres 507 und vor dem Consulat des Catulus und Postumius im Jahre 512.

2) Die Stelle bei Gellius X. 6 gehört hieher, weil sie von der der Claudia auferlegten multa spricht und dann angibt: Id factum esse dicit Capito Ateius in commentario de judiciis publicis bello Poenico primo Fabio Licinio et Ottacilio Crasso consulibus (im Jahre 507).

Auf Grund dieser Nachricht hatte Huschke (Incerti auct. magist. disp. p. 75) zuerst die Errichtung der Fremdenprätur in das Jahr 507 gesetzt.

3) Joannes Lydus de Magist. I 38. 45: 'Eni dè toỡ tqítov xaì ἐξηκοστοῦ καὶ διακοσιοστοῦ τῶν ὑπάτων ἔτους ἕτεςος προςεβλήθη πραίτωρ, ώστε τοῖς ξένοις διαιτᾶν: d. h. Im Jahre 263 des Consulats kam ein zweiter Prätor hinzu für die Fremdengerichte.

Zu dieser Angabe des Lydus bemerkt Becker a. a. 0: Das Jahr, welches Lydus angibt, ist 507, allein sicher lässt sich nicht darauf bauen (obwohl diese Angabe sich in 38. u. 45. vorfindet). Fabius war im Jahre 537 Dictator, Lydus aber gibt wiederholt das Jahr 534 an, und zählt daher wenigstens die Jahre anders.

4) Pomponius L. 2. §. 27. D. de orig. jur.: Quumque consules avocarentur bellis finitimis, neque esset, qui in civitate jus reddere posset, factum est, ut praetor quoque crearetur, qui urbanus appellatus est, quod in urbe jus diceret. (im J. 387). Post aliquot deinde annos, non sufficiente eo praetore, quod multa turba etiam peregrinorum in civitatem veniret, creatus est alius praetor qui peregrinus appellatus est ab eo, quod plerumque inter peregrinos jus dicebat.

Ehe ich zur Prüfung dieser von einander abweichenden Angaben schreite, habe ich vorerst hervorzuheben, dass unter den angeführten Berichterstattern über die Zeit der Einsetzung des zweiten Prätors nur allein Pomponius die älteste Geschichte der römischen Magistraturen sich zum Gegenstande besonderer Studien gemacht und dabei die besten Quellen (Varro) benützt hatte, ein Umstand, welcher für sich allein den abweichenden Angaben der beiden anderen Gewährsmänner jedes Gewicht benimmt. Sodann entspricht der Bericht des Pomponius über die Einsetzung des zweiten

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