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,,Der Herr kaiserl. Rath v. Steinhauser hielt vor einiger Zeit in der k. k. geographischen Gesellschaft einen Vortrag über die Darstellung der Unebenheiten der Erdoberfläche in geographischen Karten mittels Verzeichnung der Umrisse horizontaler Schnitte (Horizontalschichten). Als Fortsetzung davon kann gegenwärtige Arbeit angeschlossen werden. Die Zeichnung mittels Horizontalschichten ist nicht an und für sich Zweck, sie ist bloss Zeichnungsmethode, ihr eigentlicher höherer Zweck ist das Fortschreiten in der genauen naturhistorischen Kenntniss unserer Erdoberfläche.

Die besten bildlichen Darstellungen allein genügen nicht um eine vollständige naturhistorische Kenntniss der äussern Formen eines Gegenstandes zu erhalten, man muss noch Untersuchungen und Betrachtungen über den Character des Ganzen und der Theile und das Verhältniss und die Wechselbeziehungen der letzteren anstellen und beifügen. Aus der blossen Zeichnung einer Krystallgestalt würde man ohne der Lehre der Krystallographie nicht den Zusammenhang der Combinationen und die Gesetze der aus der Grundgestalt abgeleiteten Reihen auffassen. - Bei den besten Abbildungen von Bäumen und Pflanzen wird man erst bei näherer Betrachtung auf viele ihrer botanischen Eigenschaften, z. B. Zweig- und Blattstellung und den sogenannten Habitus, welche das Individuum einer Species von andern desselben Genus unterscheiden und characterisiren aufinerksam. Durch die vergleichende Anatomie werden die Ursachen erklärbar und daher deutlicher ersichtlich, warum bei der Aehnlichkeit des Baues der Säugethiere bei verschiedenen Gattungen gewisse Glieder ein längeres oder kürzeres Verhältniss zu andern haben. Wenn nun die Zoologie ihre Anatomie, die Botanik ihre Pflanzenanatomie haben, so soll auch in der Geographie, welche ebenfalls zum Theil zu den Naturwissenschaften gehört, auf Grund der Kartenbilder eine forschende, betrachtende und vergleichende Zergliederung, gleichsam eine geographische Anatomie, als ein Abschnitt der physikalischen Geographie stattfinden, um das Auge für die Auffassung zu schärfen und um nicht bloss zu sehen, sondern auch zu erkennen. Unter den Vortheilen, welche eine solche rationelle Zergliederung zur Folge hat, ist auch der, dass dadurch eine Verbesserung und Vervollkommnung der topographischen Aufnahme und Zeichnungen herbeigeführt wird, denn nur wenn man weiss, was man zeichnet, zeichnet man auch gut. Aus ähnlichen Gründen und in ähnlicher Weise hat bereits de la Beche für die Auffassung der Natur, zum Gebrauch reisender Geognosten sein vortreffliches Buch: How to observe und später den geological observer geschrieben.

Legt man auf die Karte irgend eines Terrainabschnittes ein durchsichtiges Papier und zeichnet sich darauf mit Hinweglassung des unwesentlichen Details nur die Hauptmassen und die characterisirenden Gegenstände durch, gleichsam als wenn ein Maler eine leichte aber geistreiche Skizze machen wollte, so ist das eines der besten Mittel, um die grossen Characterzüge und die Abtheilungen der Gruppen des Terrains aufzufinden und zum Bewusstsein zu bringen.

Verfährt man auf diese Art mit der vorliegenden Karte der nordöstlichen Alpen und Siciliens, so wird man folgendes Ergebniss

erhalten:

,,I. I. Die nordöstlichen Alpen. Die grosse mitteleuropäische Alpenkette spaltet sich, nachdem sie Piemont westlich in einem Bogen

umgeben und sich östlich gewendet hat, durch das tiefe Becken um Klagenfurt in den nordöstlichen und südöstlichen Zweig.

Die Masse des nordöstlichen biegt sich nach der östlichen Richtung in flacher Krümmung nach Nord-Ost, wo sie zugespitzt am Bisamberge über dem Durchbruch der Donau endet. Ihre nördliche Grenzlinie ist beinahe gerade, und nur durch sehr flache Bogen werden stumpfe Eckstöcke am Gebirge südlich zwischen Neumarkt und Vöcklabruck und am Spandenberg südöstlich von Stadt Steyer gebildet und erkenntlich. Auf dieser ganzen Linie sind die nördlich laufenden Zweige wie abgeschnitten und wie Theatercoulissen alignirt.

Die ganze Masse wird südlich durch die Furche des Pusterthales von dem kärnthnerischen Becken bis nach Brüxen von den südlicheren Gebirgen abgetrennt und selbst durch eine tiefe schmale Furche von Maria-Zell bis Innsbruck in zwei Ketten gespalten, wovon die südliche die höhere ist.

In dieser Spalte, deren Boden so hoch ist, als der Gipfel der höchsten Berge bei Wien, fliessen der Inn-, Salza- und Ennsfluss und diesem gerade entgegen der Salzabach und durchschneiden im rechten Winkel gebrochen die nördliche Kette. In einer beinahe gleichlaufenden Spalte am südlichen Rande der südlichen Kette fliessen sich die Mürz und Mur entgegen, um vereint und ebenfalls im rechten Winkel gebrochen die am östlichen Ende der ganzen Masse befindliche bogenförmige Vorkette gegen das grosse Tiefland von Ungarn zu durchschneiden,

Diese beiden Furchen sind durch eine zwischen Rottenmann und Leoben verbunden,

Nicht so gerade, wie gegen Norden sind die Grenzlinien der Masse und ihrer Theile gegen Süden.

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Selbe besteht bei der höheren südlicheren Hauptkette aus drei grossen mit der Aushöhlung gegen Süden gekehrten Bögen. Der erste Bogen umspannt das Pusterthal, der zweite das obere Murthal gleichlaufend mit dem Nordrande des inneren Kärnthnerschen Beckens, eine höhere Terasse desselben bildend, und der dritte umschliesst Steiermark, verbindet den nordöstlichen Zweig der Alpen mit dem südöstlichen, wodurch die ganze grosse Gebirgsmasse in Buchtenform gegen das weite ungarische Becken endet und das kärnthnerische Becken wie durch einen colossalen Dünendamm von letzteren getrennt wird.

Durch das Zusammentreffen dieser Bögen entstehen an den Ecken vorspringende Gebirgsstöcke, das Sauleck als Ende der Glocknerkette, der Zinken als Ende der Tauern, der Wechsel als Ende der Kette des Hochschwab.

Die nördliche Vorkette ist gegen Süden durch zwei mit den vorhergehenden zwei ersten gleichlaufenden Bögen begrenzt, statt dass sie sich aber in eine Spitze vereinen, wird dieselbe durch einen dritten kleineren und flacheren Bogen abgeschnitten,

Auch hier befinden sich Eck-Gebirgsstöcke und zwar ist im ersten Bogen am westlichen Ende der Solstein bei Innsbruck, am östlichen das steinerne Meer und der ewige Schneeberg, die Verlängerung dieses Bogens über das Pinzgauer Thal trifft auf den zweiten Bogen der südli chen Hauptkette und macht sich dort als westlicher Theil der RadstädterTauern bemerklich.

Die beiden Enden des kleinen Zwischenbogens sind der ewige Schneeberg und das Dachsteingebirge. Von hier beginnt der dritte den

südlichen Rand der nördlichen Vorkette bildende Bogen, welcher sich mit dem der Hauptkette auf dem Brandstein westlich des Hohenschwabs vereiniget. Die höchsten Spitzen dieser Gebirge befinden sich in der Mitte des ersten Bogens in der Hauptkette, es sind der Sulzbacher, Venediger und der Gross-Glockner.

Diess wäre die allgemeine Schilderung der Umfangsgrenzen der die Masse durchschneidenden Furchen und der über sie hervorragenden Höhen des Gebirgskörpers der nordöstlichen Alpen in grossen Umrissen.

Besonders zu bemerkende Formen sind:

1. Dass alle hochgelegenen Zweigkämme nach Nord-West streichen und in ihrem Zuge sich allmälig senken und nur ihre Enden gegen das querlaufende Thal gäher abgedacht sind, während der südliche Rand der Hauptketten meist sehr steil gegen das gleichlaufende Thal abstürzende und hier durch, mit ihnen derselben Krümmung folgende, niederere, gleichsam amphiteatralische Stufen bildende Gebirgszüge begleitet werden.

2. Der paralelle Winkelhackenlauf des Inn-, Salza- und Ennsflusses, welche Erscheinung sich nördlich dreimal und bei dem Murfluss im verkehrten Sinne nach Süden ein viertes Mal wiederholt.

3. Dass die Berge, welche in Furchen liegen, niederer als die beiden Ränder derselben und wie Inseln in einem Strome nach der Richtung derselben gestreckt sind.

4. Der kreisrunde Lauf des Inns zwischen Kufstein und Braunau, womit er Chiemsee umfliesst, welche Erscheinung sich ebenfalls paralell noch zweimal, nämlich durch die Saale bei Lofer und dann durch die Bäche um den Watzmann und Königssee wiederholt.

5. Die Ringform der einen Gebirgskessel umgebenden Rücken, welche wieder von der Hauptmasse durch eine kreisbogenförmige Furche abgesondert werden. Diese Erscheinung kommt am auffallendsten vor:

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Nördlich von Botzen.
In der Gebirgsgruppe zwischen dem Mond-,
Atter, Wolgangs- und Traunsee. In dem Becken von Klagenfurt und
St. Veit in Kärnthen. In Grossen beim Gratzerbecken, welches durch
Ring des Possruck nordwestlich von Marburg, die Koralpe, die Subalpe,
Speikkogel, Hochalpe und über der Mur von dem Plaukogel dreiviertel
kreisförmig umschlossen und wieder durch das Bachergebirg, die Saualpe,
Zinkenkopf, Hochschwab, Hohe Veitsch, Raxalpe und Wechsel im zweiten
äusseren Kreis begrenzt, aber davon durch die Furchen, in welchen die
Drau, der Lavantfluss, die Mur und die Mürz fliessen, abgesondert ist.
Ebenso wird der Stock des Schneeberges durch die Furche des
Höllenthales kreisförmig umgeben und von der Raxalpe und ihren Zwei-
gen getrennt. Endlich

6. die Aehnlichkeit des östlichen Endes des ganzen grossen Alpengebirges, welches zwischen seinen nordöstlichen und südöstlichen Zweigen eine bogenförmige Bucht bildet und dem Ende des nordöstlichen Alpenzweiges im Kleinen, welcher sich ebenfalls auf der Raxalpe in zwei Theile, einen nordöstlichen bis zum Leopolds- oder Bisamberge und einen südöstlichen über den Wechsel spaltet und zwischen beiden buchtförmig eingebogen ist.

Aus allen diesen geht hervor, dass gewisse Formen paralell mehrmals bald im grösseren, bald im kleineren Massstabe vorkommen, das heisst, dass die Naturkräfte, welche sie immer sein mögen, Aehnliches wiederholend bilden."

,,II. Sicilie n. Nebst der dreieckigen Gestalt des Umrisses, wovon die kleinste Seite gegen Osten, die nördliche Küste von Ost gegen West gerichtet ist, ist es der in der nördlichen Hälfte der Ostküste befindliche alleinstehende Kegel des über 10.000 Fuss hohen Aetna, welche der Insel Sicilien die grossen Hauptzüge der Physiognomie verleihen, gegen welche alles andere in einer plastischen Darstellung verschwinden würde. Bei näherer Untersuchung durchziehen die das andere Land überhöhenden, aber durchschnittlich doch nur 3000 Fuss hohen Anhöhen beinabe in gerader Linie von Messina an der Nordostspitze bis Siacca im westlichen Theile der Südküste. Sie streichen nördlich des Aetna vorbei, welcher aber zwar in eine Bucht derselben eingeschoben, doch durch die kreisförmige tiefe Furche von Francavilla, Randazo und Bronte von ihnen abgesondert ist. Beiläufig in der Mitte dieses Höhenzuges befindet sich der höchste Gipfel der Monte Madonia 5900 Fuss hoch.

Aehnlich dem westlich von Neapel gelegenen ist südlich des Aetna ein System vormals submariner vulcanischer Krater in analoger Beziehung zu ihm wie ersteres zum Vesuv. Zum Beweise des vulkanischen Ursprungs ragen auf dem ringförmigen Rücken Basalte und Basalttuffe aus der neptunischen Bedeckung hervor.

Nebst diesem lassen sich längs der Südküste noch drei solcher submariner Kratersysteme, in deren Innern sich eine Anzahl kleinerer Krater eingeschlossen befinden, durch ihre kreisförmigen Gestalten erkennen. Das, wo Caltanisetta, dann das, wo Bivona und jenes, wo

Alcamo beiläufig im Mittelpuncte liegt.

Bei Allen ist die Unterlage der vulcanischen Bildung gänzlich mit neptunischem Gestein überdeckt und nur ihre Formen machen sich ersichtlich, wie die menschlichen Glieder durch bekleidete Drapperien. In dem System von Caltanisetta und Bivona machen sich noch Solfataren als letzte Spuren des Vulcanismus geltend, bei jenem von Alcamo ist die völlig kreisrunde Gestalt der Bucht zwischen Trapani und Palermo auffallend.

So bietet diese Insel merkwürdige Beispiele der Reihenfolge eines subathmosphärischen noch thätigen Vulcans und theilweise oder gänzlich mit neptunischem Gestein bedeckte vormals submarine erloschene Vulkane".

Hr. Hofrath W. Haidinger legte folgende Karte vor:

,,Höhenschichtenkarte des böhmischen Riesengebirges. Auf Grundlage der k. k. Generalstabs-Specialkarte und mit Benützung der trigonometrischen Messungen des k. k. General-Quartiermeisterstabes und der barometrischen der k. k. geologischen Reichsanstalt, ferner der chartographischen Arbeiten von Dr. H. Berghaus und J. Pauliny, Herrn k. k. Hofrath Wilhelm Haidinger, dem Begründer der k. k. geographischen Gesellschaft ehrfurchtsvoll gewidmet von Johann Jokély. Wien 1861." In Farben entsprechend den Höhenschichten von je 50 Wiener Klaftern. Maasstab Ein Wiener Zoll 2000 Klaftern, 1: 144.000 der Natur. Ein Blatt 221⁄2 Zoll breit, 15 Zoll hoch.

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Die hochverehrte Gesellschaft wird aus vorstehendem Titel entnehmen, wie sehr ich wünschen muss, diese schöne Karte zur Kenntniss derselben zu bringen, und mit dieser Vorlage den Wunsch zu verbinden, dass es doch auf irgend eine Weise gelingen möge, selbe auch dem

grösseren Publikum durch wirkliche Herausgabe zugänglich zu machen. Die Karte liegt hier im Manuscripte, sorgsam von dem Verfasser, meinem hochverehrten Freunde, Johann Jokély, Sectionsgeologen der k. k. geologischen Reichsanstalt ausgeführt, vor, und es ist gewiss für mich eine höchst erfreuliche Verpflichtung ihm nicht nur meine hohe Anerkennung für den Werth der Karte, sondern insbesondere auch meinen innigsten Dank für die freundliche Widmung darzubringen, mit welcher er dieselbe übergab. Seit dem Jahre seines Eintrittes in die Arbeiten. der k. k. geologischen Reichsanstalt, 1853, hatte Herr Jokély stets an den Aufnahmen im Königreiche Böhmen Theil genommen, von den südlichen und südwestlichen Gegenden beginnend, so wie sich dieselben an der Landesgrenze fortzogen, gegen das Egerland, und dann am Erzgebirge und Mittelgebirge fort, bis die letzten zwei Sommer 1859 und 1860 dem Riesengebirge und der Umgebung desselben gewidmet waren. Mehrere wichtige Mittheilungen enthält bereits unser Jahrbuch, andere sind wohl ebenfalls in den Sitzungen vorgelegt worden, aber noch nicht im Druck erschienen. Aber nebst den eingehendsten geologischen Studien. fesselte die Bodengestaltung stets seine Aufmerksamkeit. Namentlich das von der Stufe von 300 Klaftern Seehöhe in gestreckter Lage von WNW. gegen OSO. von Friedland und Reichenberg bis Schatzlar und Trautenau, im Westen im Isergebirge bis zu den 600 Klafterstufen, im Osten bis zu den Höhen des Brennberges und der Schneekoppe über 800 Klaftern Seehöhe sich erhebende Riesengebirge, bot so sehr den Charakter einer einzelnen in sich zusammengehörigen Masse, dass er sich bewogen fand, aus den vorhandenen Höhenangaben die vorliegende Höhenschichtenkarte zu entwerfen. Durch die Horizonte, durch die Farben spricht die Karte für sich. Ein Höhenverzeichniss als Erläuterung zu geben, ist vielleicht hier weniger unerlässlich, da ein Gesammtverzeichniss der Höhen in Böhmen, nach jenen welche Herr Jokély benützte, ebenfalls von Herrn k. k. Bergrath Fr. Foetterle für den Druck vorbereitet wird. Herr Jokély selbst hatte mehrere barometrische Bestimmungen gemacht. Bei nicht numerisch vorliegenden Puncten hatte derselbe Augenmaassbestim→ mungen im letzten Sommer gesammelt. Noch im Verlaufe der Zusammenstellung hatte er sich überzeugt, dass sich neben gewissen richtig festgestellten Puncten andere nicht näher bestimmte mit solcher Sicherheit anlegen liessen, dass die allenfalls sich erhenden Unterschiede, besonders in dem doch so beschränkten Maassstabe der Karte als verschwindend klein betrachten lassen. In vortrefflichem ganz plastischem Eindrucke liegt nun in der Karte dieser etwa acht deutsche Meilen lange charakteristische Gebirgszug vor Augen, höchst anschaulich auch jenseits Reichenberg die kleinere ebenfalls lang gestreckte Masse des Joschkenberges, jedem Freunde von orographischen Studien, besonders aber den Bewohnern jenes reichen Industrielandes der Umgegend gewiss eine hoch willkommene Gabe.

Herr Dr. Ritter von Scherzer besprach die ,,politischen Verhältnisse von Guatemala. Er begann mit einer Schilderung des gegenwärtigen Zustandes der gesammten rothen Bevölkerung auf der westlichen Erdhälfte, welche das trostlose Schauspiel des allmähligen Unterganges darbietet, indem sie von den eingewanderten Weissen erdrückt wird, da der Fortschritt der Letzteren unaufhaltsam das Verschwinden der Ersteren bedingt. Was die Geschichte der einstigen indianischen Reiche anbelangt, so ist die

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