Page images
PDF
EPUB

"9

grundes und Salzwerks. Die Kremsmünsterer Stiftungsurkunde bedient sich statt des Namens Hall" der lateinischen Uebersetzung salina und fügt die deutsche Benennung Sulzbach bei, SO wie dieselbe die „Hallstatt" als salina major bezeichnet. Der Geograph des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts Kl. Ptolomäos kennt noch den Namen Alavvor als den besondern jener Noriker, welche die obderensischen Salzstöcke ausbeuteten; wirklich ist halenai im Kymrischen ein Wesen, welches Salz hervorbringt, und Alaunen heissen auf den Denkmälern von Chieming und Seeon (aus den Jahren 217-239) die Nymphen-Schutzgöttinen der norischen Salzstätten *).

[ocr errors]

Schliesslich darf der keltischen Ableitungssylbe ach (ac, ag) bei Ortsnamen mit der Erinnerung an Erbauer, Besitzer, Götter, Flüsse u, s. w. nicht vergessen werden. Unter den äusserst wenigen obderensischen Ortsbenennungen, welche mit Sicherheit aus der Imperatorenzeit überliefert wurden, finden sich Lauriacum **), Joviacum, Stannacum, Laciacum, und die Ableitungsform bezeichnet alle vier Orte als Kelten-Gründungen, selbst wenn man darauf verzichten wollte, zur Erklärung der Stammsylben von zweien die fast unzweifelhaften Wurzeln laz (kymr. llawr Fläche, Platz) und lough (loch See) herbeizuziehen. Stiriate endlich und Ovil-atus weisen auf die kymrische Pluralform add zurück, welcher man in zahlreichen altkeltischen Stamm-Namen begegnet. Auch die Namensform Ovil-ava ist eine keltische, und findet ihre nächste Analogie in Genava, Mess-ava, Vell-ava, Juv-avum u. a. m.

=

VII.

Ueber die ethnographischen Verhältnisse der europäischen Türkei. Aus Anlass der Vorlage von Lejean's Karte.

Von Dr. Adolf Ficker, kaiserl. königl. Ministerial-Secretär.

Nebst der österreichischen Monarchie und dem russischen Reiche bietet kein anderer europäischer Staat ein solches Gemisch von Nationalitäten dar, als die Türkei. Schon aus diesem Grunde gewährt die Karte Lejean's ein hervorragendes Interesse, und der Moment, in welchem wir leben, erhöht dasselbe um so mehr, je deutlicher von Tag zu Tage die Symptome einer grossen Umgestaltung der politischen Verhältnisse jener Gegenden sich bemerkbar machen.

Wir können uns die gegenwärtigen ethnographischen Zustände dieser Gebiete unmöglich klar machen, ohne mindestens in kurzen Andeutungen die Vergangenheit derselben zu überblicken, wie diess auch Lejean's erläuternde Bemerkungen thun, jedoch nicht, ohne dieses Thema mitunter etwas oberflächlich zu behandeln.

sacrum

*) Bedaio Augusto (der Local-Gottheit von Bedaium nächst Seeon) et Alaunis bei Hefner „das römische Baiern," München 1852 S. 91. 92. **) Ein anderes Lauriacum im transalpinischen Gallien, cf. Martene Veter. script. et monum. collectio, I. 51.

Das gesammte Land zwischen den südlichen Ausläufern der Karpathen und dem adriatischen und schwarzen Meere bis hinab zu dem Hochlande des Pindos war gewiss lange Zeit vorzugsweise eine vielbetretene Völkerstrasse, bis in seinen südlichsten Theilen Pelasger und Hellenen, in dem viel umfangreicheren Reste die Angehörigen des thrakischillyrischen Stammes sich festsetzten.

In den epirotischen Bergen mischten sich Illyrer und Pelasger; schon in historischer Zeit brachen von dort die illyrisch - pelasgischen Thessaler in das üppige Kesselthal am Peneos und Sperchios, überwältigten den Widerstand der hellenischen Einwohner durch ihre denselben fast unbekannte Reiterei, unterwarfen oder vertrieben die Mehrzahl der dort wohnenden Äoler und Dorer, und gaben dem reichen Lande seinen neuen Namen. Auch im Norden desselben setzten sich die illyrischen Makedoner in den Ebenen vom Strymon bis zum Axios fest. Sonst gehörten den Illyrern in dem ost- europäischen Dreiecke hauptsächlich die Küsten des adriatischen Meeres, äusserst gebirgig, einförmig, wild und schroff zur See abfallend, aber reich an Schiffbauholz, Hafenplätzen und Inseln, zu, wo ihre Stämme, Japyden und Liburner, Dalmater und Albaner, Autariaten, Dardaner, Taulanter hausten. Die Thraker hingegen breiteten sich vorzüglich an beiden Seiten des Hämos aus, südwärts bis zum goldreichen Pangãos und den Flüssen Strymon und Nestos, während der mächtige Ister den Rücken sicherte. Die Besser, Odryser, Päoner, Triballer, Möser traten als Hauptzweige dieser durch Wildheit noch langehin furchtbaren Völkerfamilie hervor. Aber auch die Geten und Daker, welche im Mündungslande des Ister an beiden Ufern wohnten, zeigten noch die engste Verwandtschaft mit den Thrakern, vielleicht mit einer Beimischung keltischer Charakterzüge. Weder ist es Safarik gelungen, die Slavicität der Illyrer, nach Grimm, den deutschen Ursprung der Geten und Daker darzuthun; selbst die gegenwärtig noch mögliche Vergleichung skipetarischer, mavro - wlachischer und rumänischer Sprachformen gibt ein entschiedenes Zeugniss für die uralte Zusammengehörigkeit der illyrisch-thrakisch-dakischen, zu den Pelasgern und Hellenen auf nächster Stufe der Verwandtschaft stehenden Völker ab.

Etwa ein Jahrtausend vor Christi Geburt begann sich in mächtigen Strömen der belebende Geist des Hellenenthums über das illyrisch-thrakische Dreieck zu ergiessen.

Äoler gründeten ihre Pflanzorte auf der Halbinsel des Athos, auf den Inseln Lemnos, Imbros und Samothrake; Dorer bemächtigten sich der wichtigsten Puncte am thrakischen Bosporos und gründeten das in seiner Lage wahrhaft einzige Byzanz, während andere Angehörige des Stammes in Makedonien einwanderten und das bedeutendste Fürstenthum dieses Landes zu Aegä stifteten; bald aber wurden beide durch die Joner überstrahlt, welche einerseits den gefürchteten Pontos durch Hellenisirung aller seiner Ufer in den gastlichen" umwandelten, andererseits durch Besitznahme der Inseln im Süden des adriatischen Meeres diesem Theile desselben den Namen des „jonischen" gaben und mittelst einer Kette von Pflanzungen, späterhin oft mit den Dorern concurrirend, sich ein beträchtliches Stück der illyrischen Seeküste aneigneten. Längst waren die Pelasger Thessalien's ganz, jene von Epiros grösstentheils in das Hellenenthum übergegangen, als der Einfluss hellenischer Bildung auch auf das thrakisch-illyrische Binnenland sich erstreckte.

Fast fünf Jahrhunderte bedurfte diese vorwiegend geistige Umgestaltung des osteuropäischen Dreiecks. Da kam, nach kurzer persischer Herrschaft über jene Gebiete, die Begründung des athenischen Reiches; nicht nur unmittelbare Besitzungen der Republik entstanden im Chersonnes und an der thrakischen Südküste, sondern die Hellenen alle am Bosporos und Hellespont, in Thrakien und Makedonien wurden ihre zinspflichtigen Unterthanen, die Thrakerfürsten des Innern und die Könige Makedonien's mehr oder minder treue Bundesgenossen; nach dem jonischen und adriatischen Meere breitete sich Athen's mächtiger Einfluss aus. Athen, die glänzendste Repräsentantin hellenischer Bildung und Gesittung, trug nicht wenig dazu bei, dass beide in jenen Ländern immer tiefere Wurzeln schlugen.

Mit dem Verfalle des Glanzes von Athen kam die Zeit, welche berufen war, die hellenische Cultur in die hellenistische umzuschaffen, aber auch zum Bindemittel des orbis terrarum zu erheben. Philipp und Alexander, die Thessalien und Griechenland an Makedonien knüpften, unterwarfen das gesammte thrakisch-illyrische Binnenland ihrer Oberhoheit, schreckten die Geten und Daker ganz über den Ister zurück, zogen Epiros in den Kreis ihrer Politik. Nicht nur dieses, sondern auch Thrakien spielten durch Pyrrhos und Lysimach eine Rolle in der Geschichte der Kämpfe um das auseinanderfallende Weltreich. Lysimach und Pyrrhos gingen unter; keltische Reiterschwärme stifteten das Reich Tyle im Hämos, welchem viele Thraker und die Griechenstädte des Küstenlandes zinsbar wurden, der Bosporos und Hellespont traten in politischen Zusammenhang mit der kleinasiatischen Westküste, Makedonien und Thessalien bildeten wieder einen Staat für sich, einen zweiten, stets unruhig bewegten Epiros, und die Illyrerfürsten huldigten bald dem einen, bald dem andern der mächtigen Nachbarn.

Ein neues, gewaltigeres Weltreich trat an die Stelle der Alexanders-Monarchie; mit dem gesammten Länderkreise, welcher das Mittelmeer umlagert, wurden Macedonia, Illyricum, Ober- und Nieder-Mösien, Thracia, Dacia superior und inferior, Provinzen Rom's.

Die Herrschaft über den hellenistischen Osten machte der ewigen Stadt und ihrem Imperatorenthume selbst den Anschluss an die hellenistische Bildung unerlässlich. Der Gedanke an Romanisirung jener Provinzen, welche bereits der Ueberlegenheit des Hellenenthumes geistig sich gefügt hatten, blieb sonach ferne. Anders stand es in dem völlig exponirten Dakerlande, welches sich zudem ohne energische Durchführung der Romanisirung nicht behaupten liess. Alle Hebel derselben wurden mit um so nachhaltigerem Erfolge in Bewegung gesetzt, als keine eigenthümlich vorgeschrittene geistige Entwicklung den im blutigsten Kampfe gebrochenen nationalen Sinn wieder zu stärken vermochte; die Geto-Daker ergänzten den Wörtervorrath ihres sehr bildungsfähigen Idioms eifrig aus dem Sprachschatze der Römer, mit welchen sie schon ein Jahrhundert vor der Unterwerfung in mannigfach lebhaftem Verkehre gestanden, und umstalteten zahlreiche Sitten und Gebräuche des Lebens im Sinne des Römerthums. Die allgemeine engere Verwandtschaft des illyrisch-thrakischen mit dem griechisch-römischen Volksstamme, welche dem Vordringen hellenischer Bildung bis zum Ister hinauf so mächtigen Vorschub geleistet, bewährte ihre Wirksamkeit auch zu Gunsten der Romanisirung Dakien's.

Die Ausbreitung des Christenthums über das ost-europäische Dreieck änderte nichts an den ethnographischen Lebensformen, wenn sie gleich die gewaltigste innere Umgestaltung über die Völker jener Gebiete brachte. Die beiden Weltsprachen von Hellas und Rom waren ja auch die Organe, durch welche das Evangelium zu den Millionen des Römer-Reiches sprach.

Allein fast in denselben Tagen, welche mit dem Anfange des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts die Herrschaft Rom's über die dakischen Provinzen sich begründen sahen, entstanden im fernsten Osten Europa's jene Bewegungen, deren Stoss zunächst die deutschen Gothen seit dem Beginne des dritten Jahrhunderts zu fortwährendem Anstürmen auf das rasch aufgeblühte, aber nach Osten ziemlich offene Dakien trieb. Ihnen räumte endlich Aurelian das trajanische Dakien, und verpflanzte einen Theil der Colonisten nach Ober- Mösien, welches seither in der römischen Reichs-Geographie Dacia Aureliana hiess. Je schwankender die fortwährend das Land umtobenden Stürme den Besitz des trajanischen Dakien's für die wenig zahlreichen Gothen erscheinen liessen, desto ausschliessender beruhte ihr politisches Leben auf der Waffengenossenschaft; sie beschränkten sich demnach auch, im Bewusstsein ihrer stärkeren Individualität, darauf, die schwächere der Provinzialen, welche von ihnen "Romanen" oder „Walchen" genannt wurden, genannt wurden, sich zu unterwerfen, und liessen ihnen Sprache, Sitte, Lebensordnung. Das Eigenthümliche dieses Verhältnisses und die Unsicherheit seines Bestandes erklärt die geringe Einwirkung der gothischen Herrschaft auf die an Zahl überlegenen, nationell den Deutschen viel ferner, als einst den Römern, stehenden Provinzialen Dakien's; die romanische Sprache verfolgte um so ungestörter die Bahn ihrer gesonderten Ausbildung, je mehr sie durch Zerreissung des unmittelbaren Zusammenhanges mit Rom sich selbst überlassen blieb. Ja, die dakischen Romanen übten sogar einigen Einfluss auf die Gothen, welche mit der ihren Stamm auszeichnenden Rührigkeit rasch die Elemente der Civilisation und das Christenthum sich aneigneten.

Als wieder ein Jahrhundert später die dakischen Gothen unter die Botmässigkeit der Hunnen fielen, zerstörten die sarmatischen Jazygen und Roxalanen (Wolga-Alanen) einen grossen Theil der Reste früherer Entwicklungen in den Niederdonau-Ebenen und scheuchten viele Bewohner derselben in die schwerer zugänglichen Strecken des Hochgebirges. Auch nach dem Zerfalle des Hunnenreiches blieben jene Landschaften ein Tummelplatz der Sarmaten, während das dakische Oberland an das gothische Nebenvolk der Gepiden fiel.

Schon waren einzelne Zweige der grossen slavischen Völkerfamilie vom Pontos her in die Niederdonau-Ebenen vorgedrungen, die Reste der Sarmaten in sich aufnehmend, als die Wanderzüge der Avaren in der zweiten Hälfte des VI. christlichen Jahrhunderts die Mündungen des Ister erreichten. Der durch letztere veranlasste Umsturz des Gepiden Reiches setzte jene Slaven mit ihren aus den oberen Karpathen nach dem dakischen Hochlande vorgedrungenen Stammes Brüdern in unmittelbaren Zusammenhang. Durch den lockeren Verband mit dem avarischen Gross - Khanate wenig beirrt, wurden sie waffengewaltige Feinde des Staates von Byzanz.

Mit scharfem Blicke hatte schon drei Jahrhunderte früher Constantin erkannt, dass die Westhälfte des bereits wiederholt getheilten Römer-Reichs

unwiderstehlich den Germanen zuzufallen bestimmt sei. Desshalb verwandelte er, die Abendländer aufgebend, Byzanz (Constantinopel) in ein zweites Rom mit orientalischem Anstrich, und gab es der östlichen Reichshälfte zum Mittelpuncte. Zwar nannten sich seither auch die Provinzialen dieser Länder mit besonderer Vorliebe Romäer," sie blieben aber Griechen oder eigentlich mehr und minder hellenisirte Thraker und Illyrer, mit Resten der Pelasger und Abkömmlingen der hellenistischen Colonisten untermischt.

"

Auch über die europäischen Gebiete des oströmischen Reiches war die Fluth der gothischen, hunnischen und avarischen Wanderung hingegangen; Blutströme und Brandstätten füllten wiederholt das Reich bis an die Thore der Hauptstadt, selbst Constantinopel zitterte vor Alarich und Attila, vor Theodorich und Bajan. Dennoch hinterliessen diese Stürme wenige Spuren in der ethnographischen Gestaltung des Reiches und wirkten hauptsächlich nur in der Richtung, dass sie einen namhaften Theil des Culturlebens griechischen Ursprungs zertrümmerten und die thrakisch-illyrische Nationalität, namentlich in den abgeschlossenen Gebirgsgegenden, wieder mehr auf sich selbst und die ursprüngliche, unter dem Hauche des Griechenthums keineswegs untergegangene Eigenthümlichkeit der Entfaltung verwiesen.

Da ergoss sich, zum Theile noch unter avarischer Herrschaft, zum Theile erst nach ihrem Zusammenbrechen, ein gewaltiger Strom slavischer Stämme über das oströmische Reich. In jugendlicher Rüstigkeit rasch um sich greifend, füllten sie zuerst das menschenleere Land im Norden des Hämos, und machten unvermerkt die verödeten Gegenden einer fernen Provinz sich zum Eigenthume. Bald stiegen sie auch über das Gebirge herab, besetzten allmälig und geräuschlos das flache offene Land mit vereinzelten Weilern und Dorfschaften, breiteten sich dann nach den höher liegenden Thälern und nach dem Gestade des Meeres aus, und beschränkten endlich die bisherigen Bewohner Thrakien's, Makedonien's, Thessalien's (ja selbst Griechenland's) auf die festesten Binnenstädte und auf jene Seeplätze, welche von Constantinopel aus einige Unterstützung erhielten.

Als ganze Völkerschaften wanderten die Chorwaten (Kroaten) und Serben in das Land südlich der Save. Das eigentliche Serbien, Bosnien, das Zachlumer Fürstenthum, der republikanische Seestaat der Nerecaner, die Landschaften Trevunia und Duklje gehörten den Serben zu, welche sich allmälig unter den Zupanen von Dešnica zu einem Staate verbanden; die Chorwaten bemächtigten sich nicht nur des Landes zwischen Save und Drau, sondern auch Istrien's und Dalmatien's, bis auf die wichtigsten Seestädte und Inseln, und blühten durch eifrigen Betrieb der Schifffahrt auf.

Die Slaven in Thrakien, Makedonien und Thessalien waren theils in Massen nebeneinander gelagert, theils zwischen nicht-slavischen Landesbewohnern zerstreut, unterlagen aber bei aller Verschiedenheit des von ihnen besetzten Bodens allmälig dem geistigen Uebergewichte des Hellenenthums und fügten sich, zumal nach der Bekehrung zum Christenthume, hellenischer Sprache und Sitte.

Ganz anders im Norden des Hämos. Die Slaven in Mösien, sowie im ebenen Dakien sanken bald unter die Herrschaft eines neuen Wandervolkes, der ugrischen Bulgaren; Mösien wurde der Hauptsitz bulgarischer Macht. Wechselvolle Kämpfe untergruben allmälig Stärke und

« PreviousContinue »